BGH Beschluss v. - IX ZB 476/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 286; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 2; ZPO § 575 Abs. 3 Nr. 2; ZPO § 851 Abs. 1; ZPO § 857 Abs. 3; InsO § 7; InsO § 4; InsO § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 1; InsO § 26 Abs. 1 Satz 1; InsO § 108; GKG § 37 Abs. 1; BGB § 540 Abs. 1 Satz 1; BGB § 581 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I.

Der alleinige Geschäftsführer der Schuldnerin beantragte am die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. In seinem Gutachten vom führte der vom Insolvenzgericht bestellte vorläufige Insolvenzverwalter als wesentliche Bestandteile des Vermögens der Schuldnerin die ihr erteilte Genehmigung zum Abbau und zur Ausbeutung der Tonvorräte auf dem von ihr gepachteten Betriebsgelände sowie die Berechtigung, die infolge des Tonabbaus entstandenen Gruben und Aushubräume mit Müll und Sondermüll zu verfüllen, auf. Deren Wert setzte er auf der Grundlage der Einzelpreise für ausgebeuteten Ton und des mittleren Verfüllpreises für Müll mit einem Betrag von 100 Mio. € an. In dem Gutachten führte er weiter aus, allerdings hätten während des gesamten Zeitraumes des Antragsverfahrens weder die bereits ausgebeuteten Vorräte verwertet werden können noch habe ein Betreiber für die Wiederaufnahme des bereits vor Antragstellung vollständig eingestellten Geschäftsbetriebes der Schuldnerin und damit für den Abbau der Tonlager und für die Verfüllung der Tongruben gefunden werden können. Die Verfahrenskosten bezifferte der vorläufige Insolvenzverwalter unter Zugrundelegung einer Teilungsmasse von über 102 Mio. € auf über 2 Mio. € und führte aus, diese Kosten würden durch das vorhandene liquide Vermögen, das lediglich aus einem Bankguthaben von 1.223 € bestehe, nicht annähernd gedeckt. Da bislang eine Verwertung der Tonvorräte nicht möglich gewesen sei, sei es unwahrscheinlich, daß die hohen Verfahrenskosten innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr nach Verfahrenseröffnung erwirtschaftet werden könnten.

Mit Beschluß vom wies das Insolvenzgericht unter Bezugnahme auf das Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde wies das Beschwerdegericht als unbegründet zurück. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die nach § 7 InsO i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde ist jedenfalls gemäß § 4 InsO i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 2, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unzulässig, weil die Rechtsbeschwerdebegründung keine hinreichenden Darlegungen zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthält. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, aus welchen Gründen die von ihr formulierten Rechtsfragen, denen sie grundsätzliche Bedeutung beimißt, entscheidungserheblich und klärungsbedürftig sind (vgl. , WM 2003, 987, 988 m.w.N.). Ihren Ausführungen läßt sich auch nicht entnehmen, weshalb ein Bedürfnis für eine Fortbildung des Rechts bestehen soll.

1. Die Rechtsbeschwerdebegründung hält für grundsätzlich, welche Bemühungen das Insolvenzgericht zur Prüfung, ob die Insolvenzmasse für die Deckung der Verfahrenskosten ausreicht (§ 26 Abs. 1 InsO), unternehmen muß. Sie führt jedoch nicht aus, inwieweit diese Frage klärungsbedürftig ist. Nach dem Gesetz obliegt dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Prüfung, ob die Insolvenzmasse voraussichtlich ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 1 InsO. Daß das Gericht, wenn es wie hier das Beschwerdegericht die Feststellungen, die der vorläufige Insolvenzverwalter gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbs. 1 InsO als "Gutachter kraft Amtes" (vgl. Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 26 Rn. 15) getroffen hat, für nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei hält, diese seiner Entscheidung zugrundelegen darf, folgt aus § 286 ZPO. Weshalb hinsichtlich dieser aus dem Gesetz folgenden Rechtsgrundsätze ein Klärungsbedarf bestehen könnte, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.

2. Soweit die Rechtsbeschwerde weiter meint, es bedürfe der höchstrichterlichen Klärung, ob es statthaft sei, der Berechnung der Verfahrenskosten (§ 54 InsO), insbesondere auch der (voraussichtlichen) Vergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, einen sehr viel höheren Wert zugrunde zu legen als denjenigen, mit dem die zur Deckung der Verfahrenskosten verfügbare Insolvenzmasse angesetzt werde, genügen ihre Ausführungen gleichfalls nicht den Anforderungen, die an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit zu stellen sind.

a) Ob das Vermögen des Schuldners gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO voraussichtlich ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken, berechnet sich durch einen Vergleich zwischen dem verwertbaren, d.h. dem in angemessener Zeit in Geld umwandelbaren Vermögen des Schuldners mit den voraussichtlichen Kosten für das gesamte Insolvenzverfahren (allgemeine Meinung, vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 7.28; Kirchhof, in: HK-InsO 2. Aufl. § 26 Rn. 5; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 26 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rn. 20; Nerlich/Mönning, InsO § 26 Rn. 27; Uhlenbruck aaO § 26 Rn. 10). Gemäß § 37 Abs. 1 GKG, § 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV ist für die Berechnung der Verfahrenskosten in dem hier vorliegenden Fall eines Eigenantrages des Schuldners auf den (voraussichtlichen) Wert der Insolvenzmasse bei Beendigung des Verfahrens abzustellen. Damit ergibt sich ohne weiteres die Möglichkeit, daß das für die Deckung der Verfahrenskosten maßgebliche, in angemessener Zeit liquidierbare Vermögen des Schuldners geringer sein kann als der Wert der Insolvenzmasse bei Beendigung des Verfahrens. Es stellt somit entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch keinen "inneren" Widerspruch und keinen Verstoß gegen die Denkgesetze dar, wenn das Beschwerdegericht den wesentlichen Teil der Vermögenswerte als nicht in absehbarer Zeit verwertbar angesehen, diese gleichwohl der Berechnung der Verfahrenskosten nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens zugrunde gelegt hat.

Daß die Bewertung der einzelnen Vermögenspositionen als solche im vorliegenden Fall über den Einzelfall hinausgehende Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, führt die Rechtsbeschwerdebegründung nicht aus.

b) Ob die Frage, auf welchen Zeitraum hinsichtlich der Verwertbarkeit abzustellen ist, klärungsbedürftig ist, kann mangels Darlegung ihrer Entscheidungserheblichkeit dahinstehen. Der vorläufige Verwalter hat in seinem Gutachten, dem das Beschwerdegericht gefolgt ist, auf einen Zeitraum von einem Jahr nach Verfahrenseröffnung abgestellt. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, daß das Beschwerdegericht zur Feststellung eines längeren Zeitraumes hätte gelangen müssen, der eine andere rechtliche Beurteilung geboten hätte.

III.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren (§ 38 Satz 1 i.V.m. § 37 Abs. 1 GKG) ist bei der gebotenen vorsichtigen Schätzung des für die gelagerten Tonvorräte zu erzielenden Erlöses mit 200.000 € anzusetzen. Die noch nicht ausgebeuteten Tonvorräte haben bei der Bewertung außer Betracht zu bleiben, da sie erst mit Ausbeutung Bestandteil der Insolvenzmasse würden (vgl. § 956 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zu ihrem Abbau ist eine Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes erforderlich. Die dazu erforderlichen Mittel sind weder vorhanden noch durch Verwertung von Vermögen zu beschaffen. Die der Schuldnerin aus dem gemäß § 108 InsO fortdauernden Pacht- und Ausbeutungsverhältnis (zu dessen rechtlicher Einordnung vgl. , NJW 1985, 1025 m.w.N.) zustehenden Nutzungsrechte sind nicht übertragbar (RGZ 134, 91, 96; MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl. § 399 Rn. 24) und damit gemäß § 851 Abs. 1, § 857 Abs. 3 ZPO nur insoweit pfändbar, als ihre Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Ob die Überlassung an Dritte im vorliegenden Fall gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1, § 581 Abs. 2 BGB gestattet ist, kann dahingestellt bleiben. Angesichts der erheblichen Aufwendungen, die ein Dritter für die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes und für den Abbau sowie die Verwertung der Tonlager erbringen müßte ist eine höhere Werthaltigkeit des Rechts, die Nutzungs- und Ausbeutungsbefugnis Dritten zur Ausübung zu überlassen, nicht dargetan.

Fundstelle(n):
WAAAB-99983

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein