Leitsatz
[1] a) Das Verbot der zwecklosen Pfändung (§ 803 Abs. 2 ZPO) findet auf Zwangsverwaltungen keine Anwendung.
b) Das Rechtsschutzinteresse für die Anordnung der Zwangsverwaltung kann sich im Falle hoher Vorbelastungen, die eine Befriedigung derzeit aussichtslos erscheinen lassen, daraus ergeben, das Grundstück einer einträglicheren Nutzung zuzuführen.
Gesetze: ZPO § 803 Abs. 2; ZVG § 146 Abs. 1; ZVG § 15
Instanzenzug: AG Unna
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 2) ist Eigentümerin des eingangs näher bezeichneten Teileigentums (Gastwirtschaft), welches in Abt. III des Grundbuchs mit abgetretenen Eigentümergrundschulden über insgesamt 300.000 DM, einer Sicherungsgrundschuld zugunsten einer Bank über 120.000 DM sowie mehreren Sicherungshypotheken belastet ist. Mit notariellem Kaufvertrag vom verkaufte die Beteiligte zu 2) das Teileigentum für 420.000 DM; der Kaufvertrag ist bislang nicht vollzogen.
Auf Antrag des Beteiligten zu 1) hat das Amtsgericht am wegen titulierter Wohngeldrückstände nebst Zinsen die Zwangsverwaltung angeordnet und den Beteiligten zu 3) zum Zwangsverwalter bestellt. Dieser hat das Teileigentum am in Besitz genommen. Die Beteiligte zu 2) hat gegen den Anordnungsbeschluß Erinnerung eingelegt. Das Amtsgericht hat die Erinnerung durch richterlichen Beschluß zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) blieb im wesentlichen ohne Erfolg. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt diese die Aufhebung der Zwangsverwaltung weiter.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach Gewährung der Wiedereinsetzung auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 576 Abs. 1, 3 i.V.m. § 546 ZPO).
1. Das Landgericht meint, der Anordnungsbeschluß sei nicht wegen der hohen vorrangigen Belastungen des Teileigentums aufzuheben. Eine entsprechende Anwendung des § 803 Abs. 2 ZPO auf das Zwangsverwaltungsverfahren scheide mangels einer unbeabsichtigten Regelungslücke aus. Dem Beteiligten zu 1) fehle auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis an der Durchführung der Zwangsverwaltung. Denn es stehe nicht zweifelsfrei fest, daß der Gläubiger keine Aussicht auf Befriedigung der titulierten Forderungen habe.
Demgegenüber rügt die Rechtsbeschwerde, das Verbot der zwecklosen Pfändung (§ 803 Abs. 2 ZPO) erkläre sich aus dem Befriedigungszweck jeder Vollstreckungsmaßnahme und sei deshalb auch im Rahmen der Grundstückszwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden. Dem Beteiligten zu 1) fehle auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis an der Durchführung der Zwangsverwaltung, weil der Zweck des Vollstreckungsverfahrens nicht erreicht werden könne. Der Beteiligte zu 1) stehe als betreibender Gläubiger an letzter Rangstelle. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß Vorbelastungen entfallen könnten, seien nicht ersichtlich. Das von ihm allein verfolgte Interesse an der Realisierung laufender (nicht titulierter) Wohngeldansprüche sei nicht schutzwürdig.
2. Mit diesen Angriffen kann die Rechtsbeschwerde nicht durchdringen. Die Zwangsverwaltung ist mit Recht angeordnet worden.
In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung sowie der Literatur werden unterschiedliche Meinungen vertreten, wie Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren zu behandeln sind, in denen der betreibende Gläubiger aus einer aussichtlos erscheinenden Rangstelle vollstreckt.
a) Weitgehende Übereinstimmung besteht allerdings darin, daß § 803 Abs. 2 ZPO im Bereich der Immobiliarvollstreckung nicht - mangels einer Regelungslücke auch nicht entsprechend - angewendet werden kann (vgl. OLG Hamm Rpfl. 1989, 34; LG Detmold Rpfl. 1998, 35; LG Koblenz Rpfl. 1998, 300; LG Krefeld Rpfl. 1994, 35; 1996, 120; LG Münster Rpfl. 1989, 34 f; MünchKomm-ZPO/Schilken, 2. Aufl. § 803 Rn. 46; Musielak/Becker, ZPO 3. Aufl. § 804 Rn. 15; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz Bd. I 3. Aufl. § 803 Rn. 8; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 21. Aufl. § 803 Rn. 34; Zeller/Stöber, ZVG 16. Aufl. Einleitung Rn. 48 Anm. 48.11; a.A. LG Regensburg NJW-RR 1988, 447; Wieser Rpfl. 1985, 96, 98 ff; derselbe ZZP 1985 (Band 98), 427, 436 ff; einschränkend OLG Düsseldorf Rpfl. 1989, 470).
Die erstgenannte Auffassung trifft zu. § 803 Abs. 2 ZPO beruht auf der Erwägung, daß der Gegenstand des beweglichen Schuldnervermögens bei der Verwertung keinen Überschuß und damit keinerlei Befriedigung des Gläubigers erwarten läßt. Dann verdient die Nutzungsfunktion des Eigentums vorrangigen Schutz. Eine dieser Regelung vergleichbare Vorschrift kennt das Zwangsversteigerungsgesetz nicht. Zwar gehört die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen dem Zivilprozeßrecht an (vgl. § 869 ZPO) und unterliegt demgemäß den allgemeinen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die Zwangsvollsteckung (vgl. Denkschrift zum Bundesratsentwurf des ZVG, Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, herausgegeben von Hahn und Mugdan, Bd. V S. 34). Zu den allgemeinen Vorschriften des 8. Buchs der Zivilprozeßordnung (§§ 704 bis 802 ZPO) gehört § 803 Abs. 2 ZPO indes nicht. Es handelt sich, was die Revision offenbar übersieht, um eine allgemeine Pfändungsvorschrift, die nicht für alle Arten der Zwangsvollstreckung gilt, sondern nur für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen (vgl. Schuschke/Walker aaO).
Diese der Stellung der Vorschrift entsprechende Beschränkung des Anwendungsbereichs ist auch sachlich gerechtfertigt. § 803 Abs. 2 ZPO dient - soweit er nicht die Belastung des Gläubigers mit unnötigen Kosten unterbinden soll (vgl. Zöller/Stöber, ZPO 23. Aufl. § 803 Rn. 9) - dem Schutz des Schuldners vor dem Verlust eines Vermögensgegenstandes. Ein solcher ist bei der Anordnung der Zwangsverwaltung nicht zu befürchten, weil diese darauf abzielt, dem Schuldner die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks, nicht aber die Sache selbst zu entziehen (vgl. § 148 Abs. 2 ZVG). Daß diese Vollstreckungsmaßnahme auch bei hohen Vorbelastungen Platz greifen soll, verdeutlicht § 77 Abs. 2 ZVG, der die Fortsetzung eines Zwangsversteigerungsverfahrens als Zwangsverwaltung bestimmt, wenn die Zwangsversteigerung auch in dem zweiten Termin ergebnislos bleibt (vgl. LG Frankfurt a.M. NZM 1998, 635). Hierunter fallen insbesondere auch die Fälle, in denen überhaupt kein Gebot abgegeben oder das Gebot nach § 72 Abs. 2 ZVG zurückgewiesen worden ist, weil es das geringste Gebot (§ 44 Abs. 1 ZVG) nicht erreicht hat (vgl. Zeller/Stöber aaO § 72 Rn. 3 Anm. 3.2, § 77 Rn. 3 Anm. 3.1).
Im übrigen kann der von § 803 Abs. 2 ZPO vorausgesetzte Vergleich zwischen dem erwarteten Verwertungserlös und den Pfändungs- und Verwertungskosten bei der Zwangsverwaltung von Grundstücken regelmäßig nicht gezogen werden. Die maßgebenden Grundstücksbelastungen können sich nach der Verfahrensordnung im laufenden Zwangsverwaltungsverfahren vielfach ändern, indem z.B. Löschungsverpflichtungen erfüllt werden. Im formalisierten Anordnungsverfahren des Zwangsversteigerungsgesetzes - wie auch im Verfahren über einen Beitrittsantrag - besteht für das Vollstreckungsgericht nicht die Möglichkeit, sich hierüber Gewißheit zu verschaffen. Auch deshalb kann § 803 Abs. 2 ZPO auf die Immobiliarvollstreckung nicht entsprechend angewendet werden.
b) Für die Anordnung des Zwangsverwaltungsverfahrens liegt im Streitfall auch das erforderliche (allgemeine) Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers vor. Dieses ist sachliche Verfahrensvoraussetzung der Zwangsvollstreckung (BVerfGE 61, 126, 135); es muß daher auch in der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung gegeben sein. Es fehlt, wenn der Gläubiger kein schutzwürdiges Interesse an der Vollstreckungsmaßnahme hat.
aa) Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, das Rechtsschutzbedürfnis entfalle bereits dann, wenn bei Anordnung der Zwangsverwaltung hohe Vorbelastungen bestehen, die es - gegenwärtig - als ausgeschlossen erscheinen lassen, daß der Gläubiger Zahlungen erhalten wird und konkrete Anhaltspunkte dafür fehlen, daß die Vorbelastungen im Laufe des Verfahrens entfallen könnten, wird den Besonderheiten der Grundstücksvollstreckung nicht gerecht. Ob ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist, kann in einem Vollstreckungsverfahren und insbesondere im Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des formal ausgestalteten Durchsetzungsrechts gewürdigt werden (vgl. Zöller/Stöber aaO Einleitung Rn. 48 Anm. 48.2). Das Rechtsschutzinteresse ergibt sich grundsätzlich aus dem Interesse des Gläubigers an einer Befriedigung der Forderung, die durch den Vollstreckungstitel als begründet ausgewiesen wird (vgl. Steiner/Hagemann, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung Bd. 1 1984 §§ 15, 16 Rn. 127). Liegen die sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen vor, hat der Gläubiger ein Recht darauf, daß ihm das Vollstreckungsgericht Rechtsschutz gewährt, ohne daß es z.B. auf andere Befriedigungsmöglichkeiten oder die ohnehin nicht hinreichend sicher abschätzbaren Erfolgsaussichten des Zwangsvollstreckungsverfahrens (s.o. 2 a) ankommen kann.
bb) Ein Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die beantragte Zwangsverwaltung zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele begehrt wird (vgl. RGZ 155, 72, 75; LG Frankfurt a.M. NZM 1998, 635), etwa um den Schuldner zu schikanieren oder ihm Schaden zuzufügen (vgl. Steiner/Hegemann aaO §§ 15, 16 Rn. 131).
Im Streitfall liegt ein solcher Ausnahmefall nach dem festgestellten und nicht weiter aufklärungsbedürftigen Sachverhalt nicht vor. Die Beteiligte zu 1) hat das Teileigentum im Jahre 1997 für einen nicht unerheblichen Kaufpreis verkauft. Dies zeigt die grundsätzliche Werthaltigkeit des Vollstreckungsgegenstandes. Nach dem Bericht des Beteiligten zu 3) vom [GA 13 ff], dessen Richtigkeit von der Beteiligten zu 2) insoweit nicht angezweifelt wird, befand sich der Vollstreckungsgegenstand bei Besitzergreifung durch den Zwangsverwalter in einem verwahrlosten Zustand, der keine wirtschaftliche Nutzung mehr erlaubte. Dies verdeutlicht, daß das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers regelmäßig bereits aus dem Bestreben folgt, das Teileigentum vor weiterem Verfall zu bewahren, es mit Hilfe des Zwangsverwalters in einen besseren Zustand zu bringen um es letztendlich einer einträglicheren Nutzung zuzuführen (vgl. Korintenberg/Wenz, ZVG 6. Aufl. Vorbemerkung vor § 146 Anm. I 2; Steiner/Hagemann aaO § 146 Rn. 7; Zeller/Stöber aaO § 161 Rn. 3 Anm. 3.5). Damit verbessern sich mittelbar auch die Befriedigungsaussichten des Antragstellers. Bei einer derartigen Sachlage handelt der Gläubiger auch dann nicht schikanös, wenn er bei Antragstellung in seine Überlegungen einbezieht, daß die von dem Zwangsverwalter angeforderten Vorschüsse möglicherweise entsprechend einer von der Rechtsprechung vertretenen Auffassung in einem neben der Zwangsverwaltung angestrengten Zwangsversteigerungsverfahren nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ZVG mit dem Rang vor den dinglichen Gläubigern geltend gemacht werden können (vgl. LG Frankfurt a.M. NZM 1998, 635). Denn im Vordergrund steht auch in diesen Fällen die mit der Anordnung der Zwangsverwaltung angestrebte ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Vollstreckungsobjekts, die bei der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise eine zukünftige Einnahmeerzielung erst erwarten läßt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2002 S. 2485 Nr. 47
HAAAB-99816
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: nein