Leitsatz
[1] 1. Nach § 14 Abs. 4 BetrVG muss ein Wahlvorschlag der Arbeitnehmer von einer bestimmten Anzahl wahlberechtigter Arbeitnehmer unterzeichnet sein. Enthält ein Wahlvorschlag eine zu geringe Anzahl von Stützunterschriften, ist er nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO ungültig. Befinden sich die Bewerberliste und die Stützunterschriften auf mehreren Blättern, muss eindeutig erkennbar sein, dass diese eine einheitliche Urkunde bilden. Dies kann sich nicht nur aus einer körperlich festen Verbindung der Blätter ergeben, sondern auch aus sonstigen, den Schriftstücken anhaftenden Merkmalen, zB der Wiedergabe des Kennworts auf den einzelnen Blättern.
2. Der Wahlvorstand hat am letzten Tag der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen Vorkehrungen zu treffen, damit er eingehende Wahlvorschläge möglichst sofort prüfen und die Listenvertreter über etwaige Mängel informieren kann. Verletzt er diese ihm nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO obliegende Pflicht, kann dies zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen.
Gesetze: BetrVG § 14 Abs. 4; BetrVG § 19 Abs. 1; WO § 7 Abs. 2; WO § 8 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 126
Instanzenzug: ArbG Bamberg 3 BV 3/02 C vom LAG Nürnberg 9 TaBV 24/03 vom
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin beschäftigt mehr als 2000 Arbeitnehmer. In ihrem Betrieb fand am eine Betriebsratswahl statt, aus der der zu 2) beteiligte Betriebsrat hervorging. Zur Vorbereitung der Betriebsratswahl hatte der Wahlvorstand am ein Wahlausschreiben erlassen. Darin wurden die wahlberechtigten Arbeitnehmer aufgefordert, vor Ablauf von zwei Wochen, spätestens bis zum , 16.00 Uhr, Vorschlagslisten (Wahlvorschläge) beim Wahlvorstand im Betriebsratsbüro einzureichen. Am wurde um 9.00 Uhr im Büro des Wahlvorstands ein Wahlvorschlag mit dem Kennwort "IG Metall" abgegeben, der auf einem zusammenhängenden Papierbogen 36 Wahlbewerber sowie 35 Stützunterschriften und auf einem gesonderten losen Blatt weitere 34 Stützunterschriften enthielt. Dieser Wahlvorschlag wurde dem Wahlvorstandsvorsitzenden um 12.30 Uhr zur Kenntnis gebracht. Um 13.21 Uhr desselben Tages ging beim Wahlvorstand eine weitere Vorschlagsliste mit dem Kennwort "Unabhängige Kandidaten" ein. Der Wahlvorstand prüfte in der bereits zuvor anberaumten Sitzung am um 16.15 Uhr die Rechtmäßigkeit beider Vorschlagslisten. Ausweislich des Protokolls der Sitzung wurde die Liste mit dem Kennwort "IG Metall" zunächst beanstandet, weil die Stützunterschriften Nr. 36 bis 69 und die Liste der Wahlbewerber mit den Stützunterschriften Nr. 1 bis 35 nicht zusammenhingen, sondern der Wahlvorschlag aus zwei losen Blättern bestand. Anschließend wurden die Blätter vom Wahlvorstand mit einem Hefter zusammengeklammert. Danach beschloss der Wahlvorstand mit vier Ja-Stimmen bei einer Enthaltung, die Liste trotz des festgestellten Mangels zur Wahl zuzulassen. Am wurden der Wahlvorschlag mit dem Kennwort "Unabhängige Kandidaten" (Liste 1) und der Wahlvorschlag mit dem Kennwort "IG Metall" (Liste 2) als gültige Wahlvorschlagslisten bekannt gemacht.
In einer weiteren Sitzung am beschloss der Wahlvorstand mit vier Ja-Stimmen bei einer Enthaltung, den Beschluss vom aufzuheben und den Wahlvorschlag mit dem Kennwort "IG Metall" nicht zur Wahl zuzulassen. Diesen Beschluss gab der Wahlvorstand am unter Hinweis darauf bekannt, dass die Betriebsratswahl am nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchgeführt werde und nur noch der Wahlvorschlag "Unabhängige Kandidaten" zur Wahl stehe. Gleichzeitig wurde der Wahlvorschlag mit dem Kennwort "Unabhängige Kandidaten" als die einzig gültige Wahlvorschlagsliste bekannt gemacht. Die Betriebsratswahl erfolgte am nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl mit den auf der Vorschlagsliste "Unabhängige Kandidaten" aufgeführten Wahlbewerbern. Am gab der Wahlvorstand das Wahlergebnis bekannt.
Mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat die im Betrieb vertretene IG Metall (im Folgenden: Gewerkschaft) die Betriebsratswahl angefochten. Die Gewerkschaft hat gemeint, die Betriebsratswahl sei ungültig, weil der Wahlvorstand unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO die Vorschlagsliste "IG Metall" nicht unverzüglich geprüft und die fehlende Verbindung eines Teils der Stützunterschriften mit dem Wahlvorschlag nicht unverzüglich gegenüber dem Listenvertreter beanstandet habe. Bei sofortiger Unterrichtung hätte innerhalb der Einreichungsfrist ein neuer Wahlvorschlag unter erneuter Einholung der notwendigen Stützunterschriften, zumindest jedoch unter Einholung von zwei Unterschriften der hauptamtlichen Gewerkschaftssekretäre gemäß § 14 Abs. 5 BetrVG eingereicht werden können.
Die Gewerkschaft hat beantragt,
die Betriebsratswahl vom für unwirksam zu erklären.
Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben die Zurückweisung des Antrags beantragt.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Gewerkschaft zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Gewerkschaft ihren Antrag weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt unter Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts zur Stattgabe des Antrags.
I. Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist als eine im Betrieb der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anfechtungsberechtigt. Die zweiwöchige Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist gewahrt. Der Wahlvorstand hat das Wahlergebnis am bekannt gemacht. Die Antragsschrift ist am beim Arbeitsgericht eingegangen.
II. Der Antrag ist begründet. Die Betriebsratswahl vom war entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nach § 19 Abs. 1 BetrVG für unwirksam zu erklären, weil bei der Wahl gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen wurde und das Wahlergebnis hierauf beruht. Der Wahlvorschlag "IG Metall" wurde zwar zu Recht vom Wahlvorstand nicht zur Wahl zugelassen, da die Vorschlagsliste nicht von der nach § 14 Abs. 4 BetrVG erforderlichen Anzahl wahlberechtigter Arbeitnehmer unterzeichnet und deshalb nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO ungültig ist. Der Wahlvorstand hat jedoch gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO verstoßen, weil er die Vorschlagsliste nicht unverzüglich geprüft und beanstandet hat. Dieser Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift iSd. § 19 Abs. 1 BetrVG berechtigt zur Anfechtung der Wahl, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Wahlergebnis bei ordnungsgemäßer Prüfung und Unterrichtung des Listenvertreters nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 Satz 2 WO anders ausgefallen wäre.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Vorschlagsliste "IG Metall" nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO ungültig ist, weil sie nur von 35 Wahlberechtigten unterzeichnet ist, obwohl nach § 14 Abs. 4 BetrVG mindestens 50 Stützunterschriften erforderlich sind. Die auf einem gesonderten, mit dem Wahlvorschlag nicht verbundenen losen Blatt gesammelten Unterschriften mit den Nummern 36 bis 69 können nicht als Stützunterschriften für diesen Wahlvorschlag berücksichtigt werden, weil nicht zweifelsfrei erkennbar ist, dass sich diese Unterschriften auf die Vorschlagsliste "IG Metall" beziehen.
a) Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BetrVG muss jeder Wahlvorschlag von mindestens 1/20 der wahlberechtigten Arbeitnehmer unterzeichnet sein. Nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BetrVG genügt in jedem Fall die Unterzeichnung durch 50 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Weist eine Vorschlagsliste bei der Einreichung nicht die erforderliche Anzahl von Unterschriften auf, ist sie nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO ungültig. Da der Wahlvorschlag nicht lediglich ein Vorschlag des Listenvertreters oder des Einreichers der Vorschlagsliste ist, sondern ein gemeinsamer Wahlvorschlag aller, die ihn unterzeichnet haben, müssen alle Unterschriften den gesamten Wahlvorschlag decken (vgl. dazu etwa GK-BetrVG/Kreutz 7. Aufl. § 14 Rn. 69). Hierfür ist zwar nicht erforderlich, dass alle Unterschriften auf demselben Blatt geleistet werden. Sie können sich auch auf mehreren Blättern befinden. Es muss aber eindeutig und zweifelsfrei erkennbar sein, dass sich die geleisteten Unterschriften auf den betreffenden Wahlvorschlag beziehen und mit ihm eine einheitliche Urkunde bilden. Dies setzt entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts und der von anderen Instanzgerichten (vgl. -; -; - LAGE BetrVG 1972 § 18 Nr. 6; - LAGE BetrVG 1972 § 14 Nr. 3) und dem Schrifttum (vgl. etwa ErfK/Eisemann 5. Aufl. § 14 BetrVG Rn. 10; Fitting BetrVG 22. Aufl. § 14 Rn. 53 und § 6 WO 2001 Rn. 13; DKK/Schneider BetrVG 9. Aufl. § 14 Rn. 19; Richardi/Thüsing BetrVG 9. Aufl. § 14 Rn. 57; teilweise aA GK-BetrVG/Kreutz 7. Aufl. § 14 Rn. 69; aA Faecks/Meik NZA 1988, 193) überwiegend vertretenen Auffassung allerdings nicht zwingend voraus, dass die Bewerberliste und die Liste mit den Stützunterschriften körperlich fest und gegen Trennung gesichert, zB durch Zusammenheftung, miteinander verbunden sind. Vielmehr kann sich die Einheitlichkeit der Urkunde auch aus anderen den Schriftstücken anhaftenden Umständen, zB aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder ähnlichen Merkmalen ergeben. Das hat der Bundesgerichtshof in neuerer Rechtsprechung zur Wahrung der Schriftform gemäß § 126 BGB bei einer aus mehreren Blättern bestehenden Vertragsurkunde angenommen ( - XII ZR 234/95 - BGHZ 136, 257 = NJW 1998, 58). Dieser Auffassung hat sich der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts zu einer aus mehreren Blättern bestehenden Urkunde eines Tarifvertrags angeschlossen ( - 4 ABR 4/00 - BAGE 79, 31 = AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 3 Nr. 1, zu B I 2 der Gründe). Auch der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts teilt die Auffassung des Bundesgerichtshofs und vertritt zu dem in § 77 Abs. 2 BetrVG bestimmten, für den Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG geltenden Schriftformerfordernis die Auffassung, eine im BetrVG vorgesehene Schriftform unterliege gegenüber der allgemeinen Regel des § 126 BGB keinen verschärften Anforderungen ( - 2 AZR 55/98 - BAGE 88, 375 = AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 6). Dies gilt auch für das in § 14 Abs. 4 BetrVG geregelte Erfordernis der Unterzeichnung eines Wahlvorschlags durch eine bestimmte Anzahl wahlberechtigter Arbeitnehmer.
Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 4 BetrVG bestehen für den Wahlvorschlag der Arbeitnehmer keine besonderen Anforderungen in Bezug auf die äußere Beschaffenheit der Urkunde. Auch Sinn und Zweck der Regelung gebieten es nicht, einen aus mehreren Blättern bestehenden Wahlvorschlag nur dann als einheitliche Urkunde anzusehen, wenn die Blätter körperlich fest miteinander verbunden sind. Die Bewerberliste und die Stützunterschriften müssen eine einheitliche Urkunde bilden, damit sichergestellt ist, dass sich die Unterschriften auf diesen Wahlvorschlag und nicht auf eine andere Erklärung beziehen. Eine körperlich feste Verbindung von Bewerber- und Unterschriftenliste ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, deren Zusammengehörigkeit kenntlich zu machen. Die Einheitlichkeit kann, ebenso wie bei Vertragsurkunden, auch aus anderen Umständen geschlossen werden, zB aus der Angabe des Kennworts auf den einzelnen Blättern der Vorschlagsliste. Es ist auch nicht zum Schutz vor Manipulationen gerechtfertigt, besondere, über die gesetzliche Regelung des § 126 BGB hinausgehende Anforderungen an die Beschaffenheit von Wahlvorschlägen zu stellen. Ein hinreichender Schutz der Wahlberechtigten vor Verfälschungen wird durch die Bekanntmachung der Vorschlagslisten nach § 10 Abs. 2 WO erreicht. Dadurch werden etwaige nachträgliche Veränderungen der den Unterzeichnern zur Unterschrift vorgelegten Bewerberliste bereits vor Beginn der Stimmabgabe offenbart. Zudem gewährleistet auch eine feste Verbindung mehrerer Blätter zu einer einheitlichen Urkunde mittels einer Heftmaschine keinen absoluten Schutz gegen nachträgliche Manipulationen ( - BAGE 88, 375 = AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 6, zu II 1 b der Gründe). Eine körperlich feste Verbindung mehrerer Blätter eines Wahlvorschlags trägt auch nicht wesentlich zur Erleichterung der Überprüfung der Gültigkeit des Wahlvorschlags durch den Wahlvorstand bei. Bei einer derart verbundenen Urkunde ist nicht erkennbar, zu welchem Zeitpunkt die Blätter zusammengeheftet wurden. Deshalb kann der Wahlvorstand bei der Entgegennahme und Überprüfung eines solchen Wahlvorschlags allein auf Grund der körperlich festen Verbindung von Bewerber- und Unterschriftenliste nicht feststellen, ob und ggf. welche Bewerberliste den Unterzeichnern des Wahlvorschlags bei der Unterschriftsleistung vorlag. Auch bei Einreichung eines aus mehreren zusammengehefteten Blättern bestehenden Wahlvorschlags ist daher nicht auszuschließen, dass ohne Vorlage einer Bewerberliste auf mehreren Blättern Unterschriften wahlberechtigter Arbeitnehmer gesammelt und diese später einschließlich der Bewerberliste zusammengeheftet und dem Wahlvorstand übergeben wurden.
b) Nach diesen Grundsätzen entspricht der Wahlvorschlag "IG Metall" nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 4 BetrVG und ist daher nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO ungültig. Der Wahlvorschlag wurde deshalb zu Recht nicht zur Wahl zugelassen.
Da in dem Betrieb der Arbeitgeberin bei Einleitung der Betriebsratswahl mehr als 2000 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt waren, musste der Wahlvorschlag von mindestens 50 Wahlberechtigten unterzeichnet sein. Der Wahlvorschlag enthält jedoch nur 35 Stützunterschriften. Die auf dem losen Blatt befindlichen Unterschriften mit den laufenden Nummern 36 bis 69 sind nicht als Stützunterschriften für diesen Wahlvorschlag zu berücksichtigen, da sich aus dem Schriftstück nicht ergibt, dass sich die Unterschriften auf den Wahlvorschlag "IG Metall" beziehen. Aus der Überschrift der gesonderten Unterschriftenliste ("Unterschriften der Unterzeichner der Liste") ist nicht zu entnehmen, welche Bewerberliste gemeint ist. Auch die fortlaufende Nummerierung der Unterschriften und die Paginierung ("1/5, 3/5, 5/5") lassen nicht eindeutig erkennen, dass die auf dem losen Blatt geleisteten Unterschriften Nr. 36 bis 69 die Bewerberliste "IG Metall" betreffen und mit dieser zusammen eine einheitliche Urkunde bilden. Für den Wahlvorschlag wurden ersichtlich Vordrucke mit fortlaufender Nummerierung verwendet, die zur Unterschriftensammlung auch von anderen Wahlvorschlagsträgern benutzt werden konnten. Die gesonderte Unterschriftenliste weist auch keine sonstigen Merkmale auf, die eine Zuordnung zu einem bestimmten Wahlvorschlag zweifelsfrei erkennen lassen, zB die Angabe des Kennworts der Vorschlagsliste. Die Paginierung trägt schon deshalb nicht zur Klärung bei, da die Seiten "2/5" und "4/5" fehlen.
2. Die Wahl ist jedoch anfechtbar, weil der Wahlvorstand den Wahlvorschlag "IG Metall" nicht unverzüglich geprüft und den Listenvertreter nicht unverzüglich über den vorhandenen Mangel schriftlich benachrichtigt hat. Dadurch hat der Wahlvorstand die ihm obliegenden Pflichten aus § 7 Abs. 2 Satz 2 WO verletzt. Dies berechtigt zur Anfechtung der Wahl, da nicht auszuschließen ist, dass das Wahlergebnis bei ordnungsgemäßer Prüfung und Beanstandung anders ausgefallen wäre.
a) Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO hat der Wahlvorstand die eingereichten Vorschlagslisten unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang, zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten. "Unverzüglich" im Sinne der Bestimmung bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). § 7 Abs. 2 Satz 2 WO bestimmt zwar, dass die Wahlvorschläge möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen zu prüfen sind. Daraus folgt jedoch nicht, dass jede innerhalb dieser Frist vorgenommene Prüfung als unverzüglich anzusehen ist. Wie sich aus dem Wortlaut ("möglichst") ergibt, handelt es sich bei der Frist von zwei Arbeitstagen nicht um eine starre Höchstfrist, die unter keinen Umständen überschritten und in jedem Fall ausgeschöpft werden darf, sondern lediglich um eine Regelfrist. In Ausnahmefällen kann daher die Prüfung des Wahlvorschlags und die Unterrichtung des Listenvertreters auch noch nach Ablauf von zwei Arbeitstagen "unverzüglich" sein, zB wenn Rückfragen bei den Listenvertretern über die Wählbarkeit eines Wahlbewerbers erforderlich sind. Umgekehrt kann auch die noch innerhalb der zweitägigen Frist erfolgende Prüfung des Wahlvorschlags und Unterrichtung des Listenvertreters nicht als "unverzüglich" iSd. Vorschrift anzusehen sein. Ob der Wahlvorstand unverzüglich gehandelt hat, ist unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung zu beurteilen. Die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Vorschlagslisten und zur unverzüglichen Unterrichtung des Listenvertreters über die Ungültigkeit der Liste dient dazu, es den Einreichern der Liste zu ermöglichen, innerhalb der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste nachzureichen (vgl. etwa Fitting BetrVG 22. Aufl. § 7 WO 2001 Rn. 6; GK-BetrVG/Kreutz/Oetker 7. Aufl. § 7 WO Rn. 10; DKK/Schneider BetrVG 9. Aufl. § 7 WO 2001 Rn. 7). Diese Möglichkeit darf ihnen nicht durch eine verzögerte Behandlung durch den Wahlvorstand genommen werden. Der Wahlvorstand hat daher die ihm obliegende Prüfung grundsätzlich so rechtzeitig vorzunehmen, dass die Einreicher einer nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 WO ungültigen Vorschlagsliste nach Möglichkeit noch die Gelegenheit erhalten, vor Ablauf der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste einzureichen.
Entsprechend dem Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 2 WO besteht eine Pflicht zur möglichst raschen Prüfung und Unterrichtung insbesondere dann, wenn der Ablauf der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen unmittelbar bevorsteht. Am letzten Tag der Einreichungsfrist hat der Wahlvorstand Vorkehrungen zu treffen, um kurzfristig zusammentreten und eingehende Wahlvorschläge prüfen zu können (vgl. etwa Fitting aaO § 7 WO Rn. 7; GK-BetrVG aaO § 7 WO Rn. 8). Dies gilt namentlich dann, wenn bis zum letzten Tag vor Fristablauf noch keine Wahlvorschläge eingereicht wurden und der Wahlvorstand deshalb mit deren Eingang rechnen muss. Wird eine Vorschlagsliste erst kurz vor Ablauf der Frist beim Wahlvorstand eingereicht, tragen die Einreicher zwar grundsätzlich das Risiko, dass ein möglicherweise zur Ungültigkeit führender Mangel des Wahlvorschlags nicht mehr innerhalb der Frist behoben werden kann. Das entbindet den Wahlvorstand jedoch nicht von der Pflicht, die Prüfung von Vorschlagslisten möglichst rasch durchzuführen, damit ggf. vorhandene Mängel noch rechtzeitig behoben werden können.
b) Hiernach ist der Wahlvorstand der ihm obliegenden Prüfungs- und Unterrichtungspflicht nicht unverzüglich iSv. § 7 Abs. 2 Satz 2 WO nachgekommen.
Die Vorschlagsliste "IG Metall" wurde am letzten Tag der Einreichungsfrist um 9.00 Uhr im Büro des Wahlvorstands abgegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt lagen noch keine Wahlvorschläge vor. Der Wahlvorstand musste daher damit rechnen, dass an diesem Tag Wahlvorschläge eingehen und diese möglicherweise ungültig sein konnten. Da der Wahlvorstand die Sitzung zur Prüfung von Wahlvorschlägen auf 16.15 Uhr anberaumt hatte und die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen um 16.00 Uhr endete, hat er sich selbst außer Stande gesetzt, eingehende Vorschlagslisten noch vor Ablauf der Einreichungsfrist prüfen und die Listenvertreter über etwaige Mängel informieren zu können. Am letzten Tag der Frist hätte es dem Wahlvorstand jedoch oblegen, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass er sofort über den Eingang von Wahlvorschlägen informiert wurde und seine Mitglieder so schnell wie möglich zu einer Sitzung zusammentreten konnten, um die Vorschlagslisten prüfen und die Listenvertreter über etwaige Mängel unterrichten zu können. Das hat der Wahlvorstand versäumt.
c) Die verspätete Prüfung der Vorschlagsliste "IG Metall" war ursächlich dafür, dass der Listenvertreter nicht mehr vor dem Ablauf der Einreichungsfrist von der Ungültigkeit der Liste benachrichtigt werden konnte. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt es nicht darauf an, ob der Wahlvorstand bei unverzüglicher Prüfung den Listenvertreter über den vorhandenen Mangel unterrichtet hätte oder ob er auch in diesem Fall die losen Blätter der Vorschlagsliste selbst zusammengeheftet und den Wahlvorschlag zunächst zur Wahl zugelassen hätte. Maßgeblich ist vielmehr, wie der Wahlvorstand rechtmäßigerweise nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO hätte handeln müssen. Bei rechtzeitiger Prüfung der Vorschlagsliste "IG Metall" wäre der Wahlvorstand verpflichtet gewesen, den Listenvertreter noch vor Ablauf der Einreichungsfrist über den von ihm festgestellten Mangel der fehlenden Verbindung von Bewerber- und Unterschriftenliste zu unterrichten.
d) Die Verletzung der nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO bestehenden Prüfungs- und Unterrichtungspflicht durch den Wahlvorstand war geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen.
aa) Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte ( - EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 3 der Gründe; - 7 ABR 78/98 - BAGE 95, 15 = AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 12 = EzA BetrVG 1972 § 19 Nr. 39, zu B IV 6 a der Gründe). Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl ( - aaO, zu B IV 6 c der Gründe).
bb) Im Streitfall ist nicht auszuschließen, dass das Wahlergebnis ohne den Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO anders ausgefallen wäre. Es ist nicht undenkbar, dass vor Ablauf der Einreichungsfrist für Wahlvorschläge am um 16.00 Uhr eine gültige Vorschlagsliste "IG Metall" nachgereicht worden wäre, wenn der Wahlvorstand den Listenvertreter auf Grund einer unmittelbar nach Einreichung der Vorschlagsliste um 9.00 Uhr erfolgten Prüfung unverzüglich, dh. nach Abschluss der Beratung hierüber im Laufe des Vormittags oder gegen Mittag über den vorhandenen Mangel unterrichtet hätte. Dabei kann offen bleiben, ob es zulässig gewesen wäre, die bislang ungültige Vorschlagsliste um die fehlenden mindestens 15 Stützunterschriften zu ergänzen (so GK-BetrVG/Kreutz/Oetker 7. Aufl. § 8 WO Rn. 2; Fitting BetrVG 22. Aufl. § 8 WO 2001 Rn. 1; aA wohl DKK/Schneider BetrVG 9. Aufl. § 8 WO 2001 Rn. 1). Selbst wenn ein neuer Wahlvorschlag unter erneuter Einholung von mindestens 50 Stützunterschriften hätte eingereicht werden müssen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies innerhalb der bis 16.00 Uhr laufenden Frist noch möglich gewesen wäre.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2005 S. 2360 Nr. 43
OAAAB-94614
1Für die Amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein