BAG Urteil v. - 3 AZR 221/02

Leitsatz

[1] 1. Hat ein Arbeitgeber im Zuge einer ablösenden Neuregelung des bei ihm bestehenden Versorgungswerks einen bestimmten bis zur Ablösung erdienten Versorgungsbesitzstand als Mindestrente garantiert, kann diese nach einem späteren Ausscheiden des begünstigten Arbeitnehmers vor Eintritt des Versorgungsfalles nicht mehr nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitanteilig gekürzt werden (Bestätigung von - BAGE 56, 138; - 3 AZR 93/99 - AP BetrAVG § 6 Nr. 25 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 21).

2. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber bei einer endgehaltsbezogenen Versorgungszusage nicht nur den bis zum Ablösungsstichtag erdienten, nach § 2 Abs. 1, Abs. 5 BetrAVG errechneten Besitzstand, sondern darüber hinaus auch die weitere Entwicklung dieses Besitzstandes entsprechend der individuellen Gehaltsentwicklung garantiert hat.

Gesetze: BetrAVG § 2 Abs. 1; BetrAVG § 2 Abs. 5

Instanzenzug: ArbG Trier 1 Ca 1601/01 vom LAG Rheinland-Pfalz 4 Sa 1109/01 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden betrieblichen Versorgungsanspruchs.

Die Klägerin ist am geboren. Sie war vom bis zum bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit Eintritt in den vorgezogenen gesetzlichen Ruhestand am erhält sie von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 455,73 DM. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünden 526,04 DM monatlich zu.

Bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin gibt es seit dem Jahre 1951 ein betriebliches Versorgungswerk. Es sah ursprünglich eine Gesamtversorgung mit einer Gesamtversorgungsobergrenze von 75 % des versorgungsfähigen Einkommens vor. Zum wurde eine neue Versorgungsordnung mit Zustimmung des Betriebsrats und von diesem gegengezeichnet verabschiedet. In dieser später als "Satzung der Alters-Versorgung" bezeichneten Versorgungsordnung (VO 75) heißt es ua.:

"§ 5

ANRECHNUNGSFÄHIGE DIENSTZEIT

Als anrechnungsfähige Dienstzeit für die Berechnung der R-Versorgungsleistungen gilt jeweils die ununterbrochene Betriebszugehörigkeit nach dem Eintritt in die 'R'. Folgende Zeiten gelten nicht als Unterbrechung der Dienstzeit: ... Bei der Errechnung der anrechnungsfähigen Dienstzeit werden verbleibende 6 Monate und mehr als ein volles Jahr anerkannt.

§ 7

HÖHE DER R-VERSORGUNGSLEISTUNGEN AN DIE MITARBEITER

Das Altersruhegeld und die Invalidenrente setzen sich zusammen aus einer Grundrente von 3 %, die nach einer Wartezeit von 15 Jahren erdient ist, und aus einer Steigerungsrente von 0,5 % des ruhegeldfähigen Einkommens für jedes nach der Wartezeit zurückgelegte weitere Dienstjahr. Sie darf zusammen mit den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung 70 % des ruhegeldfähigen Einkommens nicht überschreiten. Für jedes Dienstjahr, das über 35 Jahre hinausgeht, erhöht sich die Obergrenze um 1/2 % bis auf maximal 75 % nach 45 Dienstjahren.

...

§ 9

R-VERSORGUNGSLEISTUNGEN

ROMIKA-Versorgungsleistungen erhält:

a) der Mitarbeiter, der nach Vollendung des 65. Lebens-jahres (feste Altersgrenze) aus den Diensten der 'R' ausscheidet,

b) der Mitarbeiter, der vor dem Alter 65 einen Antrag auf vorgezogenes Altersruhegeld stellt, von diesem Zeitpunkt an; wegen des vorzeitigen Beginns werden diese R-Versorgungsleistungen für jeden Monat des früheren Bezuges um 0,5 % des im Zeitpunkt des Ausscheidens nach a) erreichbaren Betrages gekürzt.

...

§ 13

UNVERFALLBARKEIT

Eine nach dieser Versorgungsordnung erworbene Anwartschaft bleibt beim vorzeitigen Ausscheiden ohne Eintritt des Versorgungsfalles dann aufrechterhalten, wenn das Ausscheiden nach Vollendung des 35. Lebensjahres und nach wenigstens 10jähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit erfolgt. Die aufrechtzuerhaltenden Anwartschaften ergeben sich aus den bei Eintritt des jeweiligen Versorgungsfalles nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung ermittelten R-Versorgungsleistungen, die im Verhältnis der beim Ausscheiden erreichten Dienstzeit zur gesamten Dienstzeit bis zum Alter 65 reduziert werden. Dabei wird das ruhegeldfähige Einkommen (§ 8) zum Zeitpunkt des Ausscheidens zugrunde gelegt."

Mit Wirkung zum schlossen die Betriebspartner eine neue Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung (BV 88), auf Grund deren dann auch die VO 75 entsprechend geändert wurde. In dieser Betriebsvereinbarung heißt es ua.:

"I. Für alle Berechtigten die bis zum in die Firma eingetreten sind, werden

1. die am nach dem Betriebsrentengesetz erworbenen Anwartschaften ermittelt und jedem Mitarbeiter als Prozentsatz der Bezüge mitgeteilt, wobei die bisherige Abhängigkeit von den Bezügen (ruhegeldfähiges Einkommen gemäß § 8 der Betriebsvereinbarung vom bezüglich R-Betriebsrente) auch für die Zukunft bestehen bleibt ...,

2. für jedes Dienstjahr nach dem zur Ermittlung der monatlichen Rente folgende Steigerungssätze in DM zugesagt:

...

d.

soweit sie den Gehalts-gruppen ... angehören

DM 11,50

II. Die R-Rente setzt sich zusammen aus der bis zum erworbenen unverfallbaren Anwartschaft und den Steigerungsbeträgen für jedes Dienstjahr nach dem ohne Limitierung mit den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

..."

Auf der Grundlage dieser Betriebsvereinbarung wurde der Klägerin unter dem der Stand ihrer betrieblichen Versorgungsansprüche zum mitgeteilt. Ausgehend vom damaligen pensionsfähigen Jahresgehalt von 39.696,00 DM wurde eine Jahresrente von 6.704,00 DM bei Erreichen des vorgesehenen Pensionierungsalters mitgeteilt. Sie betrage mithin 16,89 % des genannten pensionsfähigen Jahresgehaltes. Der mitgeteilte Prozentsatz bleibe auch in Zukunft in der genannten Höhe bestehen und werde bei Eintritt eines Versorgungsfalles auf das dann maßgebliche pensionsfähige Jahresgehalt angewendet. Hinzu komme dann noch der aus der Dienstzeit ab erworbene Rentenanspruch, der sich aus der Anzahl der weiteren anrechnungsfähigen Dienstjahre und dem für jede Lohn- und Gehaltsgruppe festgelegten Steigerungsbetrag in DM ergebe.

Durch weitere Betriebsvereinbarung vom (BV 95) einigten sich die Betriebspartner darauf, auf Grund der anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Lage der Beklagten werde die seit dem für Neuzugänge geschlossene betriebliche Altersversorgung nunmehr auch für die bereits begünstigten Mitarbeiter eingeschränkt. Dienstzeiten ab dem könnten nicht mehr leistungserhöhend angerechnet werden. Für die bis zum erworbene unverfallbare Anwartschaft, über die jedem Mitarbeiter eine Mitteilung vorliege, bleibe aber die bisherige Abhängigkeit von den Bezügen bestehen. Diese Betriebsvereinbarung wurde wie auch ihre Vorgängerin in die betriebliche Versorgungsregelung, die "Satzung der Alters-Versorgung", eingearbeitet.

Nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erhielt die Klägerin eine Berechnung des ihr nach Vollendung ihres 65. Lebensjahres zustehenden Versorgungsanspruchs. Dabei legt das von der Beklagten eingeschaltete Beratungsunternehmen ein letztes ruhegehaltfähiges Einkommen der Klägerin von 48.489,00 DM jährlich zugrunde, das zur Ermittlung der Besitzstandsrente mit 16,8884 % multipliziert wurde. Zu der sich daraus ergebenden Jahresrente von 8.189,02 DM wurden für sechs Dienstjahre zwischen dem und dem jeweils 11,50 DM monatlich, also 69,00 DM Monatsrente oder 828,00 DM Jahresrente addiert, woraus sich eine Erhöhung der Jahresrente auf 9.017,02 DM jährlich ergab. Dieser Betrag wurde zeitratierlich im Hinblick auf das vorzeitige Ausscheiden der Klägerin am an Hand eines Unverfallbarkeitsfaktors von 0,86641 auf einen Betrag von jährlich 7.812,44 DM gekürzt. - Hiervon ausgehend erhält die Klägerin seit ihrem Übergang in den vorgezogenen Ruhestand nach einer Kürzung um 30 % wegen der vorgezogenen Inanspruchnahme eine Betriebsrente von 455,73 DM monatlich.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die ratierliche Kürzung der von der Beklagten errechneten Betriebsrente auf den Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens sei ausgeschlossen, weil die ermittelte Besitzstandsrente bereits auf einer zeitratierlichen Kürzung beruhe. Die von der Beklagten errechnete Vollrente sei danach lediglich versicherungsmathematisch um 30 % zu kürzen, weshalb ihr 526,04 DM monatlich zustünden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Zeitraum vom bis zum rückständige Versorgungsbezüge in Höhe von insgesamt brutto 2.742,09 DM nebst 4 % Zinsen aus 70,31 DM monatlich jeweils seit dem 1. des Monats für die Zeit vom bis zum sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes aus 70,31 DM monatlich jeweils seit dem 1. des Monats für die Zeit vom bis zum zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab dem jeweils mit Ablauf des Bezugsmonats eine monatliche Versorgungsrente in Höhe von 526,04 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält ihre Berechnung für zulässig und richtig. Die Versorgungsregelungen wie auch das Gesetz erlaubten die zeitratierliche Kürzung der erreichbaren Vollrente im Hinblick auf das vorzeitige Ausscheiden der Klägerin.

Während das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hat, hat das Landesarbeitsgericht sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit ihrer Revision strebt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils Erster Instanz an.

Gründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie kann seit dem Eintritt in den vorgezogenen Ruhestand am jedenfalls die von ihr geltend gemachte monatliche Betriebsrente von 526,04 DM (= 268,96 €) verlangen. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben und das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts wiederherzustellen.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Rechenweg der Beklagten zur Ermittlung der Betriebsrente der Klägerin entspreche den anwendbaren betrieblichen Versorgungsregeln. Er verstoße auch nicht gegen die Rechtsprechung des Senats zum Verbot der mehrfachen zeitratierlichen Kürzung bei der vorgezogenen Inanspruchnahme einer Betriebsrente durch einen vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer. Die Berechnung verstoße auch nicht gegen Grundsätze des Betriebsrentenrechts. Die ablösenden Neuregelungen griffen nicht in den nach § 2 Abs. 1 BetrAVG berechneten erdienten Versorgungsbesitzstand oder in die erdiente Dynamik ein. Beide Besitzstände seien ausdrücklich erhalten geblieben. Für den vorliegenden Eingriff in künftige Zuwächse stünden die hierfür erforderlichen sachlich-proportionalen Gründe zwischen den Parteien außer Streit.

B. Dem folgt der Senat nicht. Das Landesarbeitsgericht berücksichtigt nicht hinreichend, welche Bedeutung ein von einer ablösenden Neuregelung aufrechterhaltener Versorgungsbesitzstand für die spätere Berechnung eines Versorgungsanspruchs nach § 2 Abs. 1 BetrAVG hat.

I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht allerdings festgestellt, daß es im vorliegenden Rechtsstreit nicht um die vom Senat mehrfach behandelte allgemeine Frage geht, wie die nach § 6 BetrAVG vorgezogen in Anspruch genommene Betriebsrente eines vorzeitig mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers zu berechnen ist (Senat - 3 AZR 164/00 - AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 16 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 23; - 3 AZR 567/00 - BAGE 98, 212; zuletzt bestätigt durch - 3 AZR 358/01 - AP BetrAVG § 6 Nr. 29). Die Berechnung der Beklagten steht nicht im Widerspruch zu dieser Senatsrechtsprechung, wonach dann, wenn eine Versorgungsordnung für den Fall der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente einen versicherungsmathematischen Abschlag vorsieht, nur eine zeitratierliche Kürzung der erreichbaren Betriebsrente auf den Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens statthaft ist.

II. Die Klägerin wendet sich aber zu Recht gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten, die erreichte Besitzstandsrente sei zeitanteilig nach § 2 Abs. 1 BetrAVG und § 13 der "Satzung der Alters-Versorgung" der Beklagten auf den Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens der Klägerin zu kürzen.

1. Ist im Zuge der ablösenden Neuregelung einer Versorgungsordnung ein bis dahin erdienter, nach § 2 BetrAVG errechneter Versorgungsbesitzstand als Mindestrente garantiert worden, kann dieser Betrag nach einem späteren Ausscheiden des Berechtigten vor Eintritt des Versorgungsfalles nicht erneut nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitanteilig gekürzt werden ( - BAGE 56, 138, 143 f. = AP BetrAVG § 1 Besitzstand Nr. 5 mit zust. Anm. Schulin = SAE 1989, 79 mit zust. Anm. v. Maydell; - 3 AZR 93/99 - AP BetrAVG § 6 Nr. 25 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 21).

Eine solche Berechnungsweise steht im Widerspruch zu dem Grundgedanken der Besitzstandswahrung und den hierfür aus § 2 BetrAVG zu entnehmenden gesetzlichen Wertungen. Ein Arbeitnehmer, der zum Zeitpunkt der ablösenden Neuregelung aus dem Arbeitsverhältnis mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausschiede, erhielte auf der Grundlage der bis dahin geltenden abgelösten Versorgungsordnung genau das, was ihm im Rahmen seines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses als Besitzstandsrente garantiert wird. Würde man bei einem späteren Ausscheiden vor Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze eine zeitanteilige Kürzung der Besitzstandsrente im Verhältnis von erreichter zu erreichbarer Betriebsrente zulassen, erhielte der betreffende Arbeitnehmer nicht nur trotz längerer Betriebszugehörigkeit eine geringere Betriebsrente; es würde auch nachträglich in den zum Zeitpunkt der Ablösung nach § 1 BetrAVG aF unverfallbaren und nach § 2 Abs. 1 BetrAVG errechneten Versorgungsbesitzstand eingegriffen werden, und dies, obwohl die ablösende Neuregelung einen solchen Eingriff gerade nicht vorsah.

Dem Verbot der zeitanteiligen Kürzung einer bis zu einem bestimmten Ablösungsstichtag erdienten und bei der Ablösung garantierten Besitzstandsrente als Vollrente kann nicht entgegengehalten werden, die Besitzstandsrente sei für den Fall der Betriebstreue bis zum Eintritt in den Ruhestand garantiert worden; es sei deshalb angemessen, wenn es bei einem vorzeitigen Ausscheiden zu einer zeitanteiligen Kürzung komme. Es gibt keinen rechtfertigenden Grund dafür, bei der Bemessung der Betriebsrente auf der Grundlage einer während des Arbeitsverhältnisses garantierten Besitzstandsrente zwischen vorzeitig ausgeschiedenen und bis zum Erreichen der Altersgrenze im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmern anhand der Berechnungsregel des § 2 Abs. 1 BetrAVG zu differenzieren. Durch die Ermittlung einer Besitzstandsrente auf den Zeitpunkt des Ablösungsstichtages hat der Arbeitgeber die Gegenleistung für die bis dahin zurückgelegte Beschäftigungszeit für alle Arbeitnehmer in gleicher Weise abschließend festgeschrieben und zugleich festgelegt, daß weitere Betriebstreue nicht rentensteigernd wirken soll. Wann auch immer ein Arbeitnehmer nach dem Ablösungsstichtag ausscheidet, die garantierte Mindestrente hatte er bereits zuvor erdient.

2. Der Senat hat sich in den wiedergegebenen Entscheidungen bisher allerdings nur mit Besitzstandsrenten befaßt, die zum Ablösungsstichtag in dem sich aus § 2 Abs. 1, Abs. 5 BetrAVG ergebenden Umfang garantiert worden waren. Die nach diesem Maßstab errechnete, auf der zum Ablösungsstichtag erdienten ersten Besitzstandsstufe garantierte Mindestrente kann bei einem späteren Ausscheiden des Begünstigten vor Erreichen der festen Altersgrenze aus den genannten Gründen nicht mehr zeitanteilig gekürzt werden.

Die Beklagte hat demgegenüber einen darüber hinausgehenden Versorgungsbesitzstand, auf der zweiten Besitzstandsstufe, garantiert. Dies hindert aber eine Übertragung der bisherigen Senatsrechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht. Auch hier besteht das Verbot, die Besitzstandsrente wegen vorzeitigen Ausscheidens vor Erreichen der festen Altersgrenze zeitanteilig zu kürzen.

a) Die Beklagte hat den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wie der Klägerin, die unter der Geltung der VO 75 eine Versorgungsanwartschaft erworben hatten, als Mindestrente den bis dahin erreichten Versorgungsbesitzstand unter Aufrechterhaltung des Endgehaltsbezuges garantiert. Das, was bis zum Ablösungsstichtag anteilig vom damals bezogenen ruhegeldfähigen Einkommen erdient war, soll sich dienstzeitunabhängig allein entsprechend der weiteren Entwicklung des ruhegeldfähigen Einkommens wie in der VO 75 vorgesehen auch in Zukunft weiter entwickeln. Damit sollte erkennbar sichergestellt werden, daß durch die ablösende Neuregelung nicht in die zweite Besitzstandsstufe eingegriffen wurde, die der Senat seit seinem Urteil vom (- 3 AZR 72/83 - BAGE 49, 57; zuletzt - 3 AZR 635/01 - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 37) als erdiente Dynamik bezeichnet. Eine diesen Besitzstand wahrende Garantie findet sich in der BV 88 unter I. 1., in der Mitteilung der Beklagten an die Klägerin über die Höhe ihres betrieblichen Versorgungsanspruchs vom und im zweiten Absatz der BV 95.

Daneben hat die Beklagte in der BV 95 festgelegt, daß Dienstzeiten ab dem nicht mehr leistungserhöhend sein könnten. Damit hat sie zugleich zusätzlich den Besitzstand garantiert, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch jährliche Steigerungsbeträge auf der Grundlage der BV 88 zwischen dem und dem erdient hatten. Da die Versorgungszusage aus dem Jahre 1988 insoweit keinen Endgehaltsbezug enthielt, geht es hier nur um eine Besitzstandswahrung auf der ersten Besitzstandsstufe.

Auf dieser Grundlage hat die Beklagte für die Klägerin unter Zugrundelegung des von ihr zum Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens verdienten, ruhegeldfähigen Einkommens eine jährliche Besitzstandsrente von 9.017,02 DM ermittelt. Hieraus ergibt sich nach dem unstreitig gerechtfertigten versicherungsmathematischen Abschlag von 30 % eine monatliche Besitzstandsrente von 525,99 DM. Gleichwohl steht der Klägerin zumindest die von ihr geltend gemachte Besitzstandsrente von 526,04 DM monatlich zu. Soweit es um die Besitzstandswahrung aus der BV 88 geht, hat die Beklagte nämlich übersehen, daß der aufrechtzuerhaltende Besitzstand zumindest den Wert haben muß, der sich in Anwendung der Regeln des § 2 Abs. 1 BetrAVG ergibt. Es muß daher die auf der Grundlage der BV 88 bis zur festen Altersgrenze erreichbare zusätzliche Betriebsrente im Verhältnis der vom Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablösungsstichtag am erreichten zu der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Betriebszugehörigkeit gekürzt werden. Bis zur Vollendung ihres 65. Lebensjahres hätte die Klägerin nach der BV 88 über die 1988 garantierte Besitzstandsrente hinaus weitere 1.932,00 DM jährlich erdienen können. Kürzt man diesen Betrag entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG auf den mit dem rechnerisch unbestrittenen Unverfallbarkeitsfaktor von 0,83198, ergibt sich ein Mindestanwartschaftswert zum Ablösungsstichtag von 1.607,39 DM jährlich statt der von der Beklagten aufsteigend berechneten 828,00 DM. Insgesamt hat die Beklagte damit auf der Grundlage der BV 88 und der BV 95 der Klägerin eine jährliche Besitzstandsrente von 9.797,18 DM garantiert. Kürzt man diesen Betrag wegen des vorgezogenen und deshalb längeren Bezuges der versprochenen Altersrente um den versicherungsmathematischen Abschlag von 30 %, ergibt sich ein Betrag, der die geltend gemachte monatliche Besitzstandsrente von 526,04 DM übersteigt.

b) Die Beklagte kann diese Besitzstandsrente entgegen ihrer Auffassung nicht wegen des vorzeitigen Ausscheidens der Klägerin nach § 2 Abs. 1 BetrAVG kürzen. Sie muß sie vielmehr ungekürzt auszahlen.

Eine zeitanteilige Kürzung zu Lasten vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie der Klägerin führte, was die Rechte aus der VO 75 angeht, zu einem Eingriff in die von der Klägerin erdiente Dynamik, wegen des Besitzstandes aus der BV 88 sogar zu einem Eingriff in den von ihr erdienten unverfallbaren Besitzstand, also auf der ersten Besitzstandsstufe. Beides sollte nach dem eindeutigen Willen der Betriebspartner und der Beklagten, wie er in dem Schreiben an die Klägerin vom zum Ausdruck kommt, aber gerade nicht geschehen. Die Aufrechterhaltung dieser Besitzstände ist der Klägerin vielmehr garantiert worden.

aa) Die Besitzstände auf der ersten und zweiten Besitzstandsstufe sind dadurch gekennzeichnet, daß ihre Grundlage bis zum Zeitpunkt der Ablösung der bisherigen Versorgungsregelung bereits erdient war und die begünstigten Arbeitnehmer bis zu diesem Zeitpunkt bereits ein besonders schützenswertes Vertrauen auf ihre Aufrechterhaltung erworben haben. Wer bis zu einem bestimmten Termin unter der Geltung einer Versorgungszusage gearbeitet hat, kann für die bereits zurückgelegte Beschäftigungszeit die versprochene anteilige Gegenleistung verlangen. Bei einer endgehaltsbezogenen Versorgungszusage gehört hierzu nicht nur ein bestimmter Prozentsatz des Arbeitseinkommens, sondern auch die Einhaltung des Versprechens, daß sich der aus diesem Prozentsatz ergebende anteilige Anspruch entsprechend der den eigenen Lebensstandard bestimmenden Gehaltsentwicklung bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis entwickeln wird (zuletzt - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 37, zu II 1 der Gründe). Dieser Besitzstand, die erdiente Dynamik, wird nur deshalb in etwas geringerem Umfang als der erdiente, nach § 2 Abs. 1, Abs. 5 BetrAVG errechnete Besitzstand auf der ersten Besitzstandsstufe geschützt, weil das Betriebsrentengesetz in § 2 Abs. 5 BetrAVG eine entsprechende Abstufung nahelegt.

Ob in die erdiente Dynamik eingegriffen wird, muß anhand der dem Arbeitnehmer letztlich zufließenden Betriebsrente, also ergebnisbezogen, festgestellt werden ( - AP BetrAVG § 1 Unterstützungskassen Nr. 43 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 32, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). In die erdiente Dynamik wird eingegriffen, wenn ein Arbeitnehmer, dem ursprünglich eine endgehaltsbezogene Versorgungszusage gegeben worden war, bei einem Ausscheiden nach dem Ablösungsstichtag nicht zumindest das Produkt aus dem bis zum Ablösungsstichtag erdienten Prozentsatz und seinem ruhegeldfähigen Einkommen bei seinem Ausscheiden erhält. Dies gilt unabhängig davon, ob die Abweichung darauf beruht, daß die ablösende Neuregelung das ruhegeldfähige Endgehalt auf das zum Zeitpunkt der Ablösung bezogene Gehalt festgeschrieben hat, daß sie künftige Steigerungssätze vorsieht, die unterhalb der Gehaltsentwicklung bleiben, oder darauf, daß eine Besitzstandsrente, die unter Aufrechterhaltung der versprochenen Dynamik errechnet wurde, nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitanteilig gekürzt wird.

bb) Die Beklagte hat unter Mitwirkung des bei ihr bestehenden Betriebsrats mehrfach garantiert, daß der Endgehaltsbezug aus der VO 75 bei der Berechnung der bis zum erdienten Besitzstandsrente, also die erdiente Dynamik, erhalten bleibt, während es zu weiteren dienstzeitabhängigen Zuwächsen nach der VO 75 nicht mehr kommen soll. Die von der Beklagten selbst unter II. der BV 88 als "unverfallbare Anwartschaft" bezeichnete Besitzstandsrente sollte als Teil des Betriebsrentenanspruchs dynamisiert erhalten bleiben, ohne daß dies vom zeitlichen Umfang der weiteren Betriebszugehörigkeit nach dem Ablösungsstichtag abhängig gemacht wurde. Gegenleistungen für weitere Betriebstreue waren nach der BV 88 allein der jährliche Steigerungsbetrag, der sich im Falle der Klägerin nach I. 2. BV 88 auf 11,50 DM monatlich belief, und dessen Anwartschaftswert für die Zeit bis zum durch die BV 95 aufrechterhalten wurde. Weitere Dienstzeiten nach dem sollten nach der BV 95 nicht mehr leistungserhöhend sein, eine Gegenleistung für weitere Dienstzeiten in Form von Versorgungsentgelten wurde den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Beklagten für die Zeit nach dem nicht mehr in Aussicht gestellt.

Aus diesen Festlegungen durch die Betriebspartner ergibt sich ohne Weiteres die Übertragbarkeit der oben dargestellten Senatsrechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall: Eine zeitanteilige Kürzung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG wegen vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis ist bei einer Besitzstandsrente ausgeschlossen, deren Gegenleistung der Arbeitnehmer bereits vor dem vorzeitigen Ausscheiden in vollem Umfang erbracht hat. Für die aus der VO 75 erwachsenen Versorgungsanwartschaften hat die Klägerin ihre Gegenleistung bis zum , für die zusätzliche Anwartschaft aus der BV 88 bis zum erbracht. Ihre weitere Tätigkeit für die Beklagte sollte nach den getroffenen Regelungen ebensowenig anwartschaftssteigernd sein, wie die Dienstzeit, die sie ohne ihr vorheriges Ausscheiden bis zum Erreichen der festen Altersgrenze zurückgelegt hätte. Eine Kürzung der Besitzstandsrente wegen vorzeitigen Ausscheidens ist unter diesen Umständen nicht zu rechtfertigen. § 2 Abs. 1 BetrAVG ist in einem solchen Fall nicht anwendbar. Seine Anwendung stünde im Widerspruch zu der seit 1988 mehrfach garantierten Aufrechterhaltung der von der Klägerin erdienten Besitzstände.

cc) § 13 der "Satzung der Alters-Versorgung" der Beklagten steht dem nicht entgegen.

Zwar enthält diese Bestimmung, die seit 1975 im hier wesentlichen bis heute Teil der betrieblichen Versorgungsordnung der Beklagten ist, eine § 2 Abs. 1 BetrAVG entsprechende Bestimmung. Dennoch läßt sich damit die von der Beklagten vorgenommene Kürzung der Besitzstandsrente nicht rechtfertigen.

§ 13 der Satzung enthält keine eigenständige und konstitutive Regelung, die auch dann gelten soll, wenn § 2 Abs. 1 BetrAVG wie im vorliegenden Fall unanwendbar ist. Aber selbst dann, wenn man dies annähme, würde eine solche Regelung zu Lasten der vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht wirksam sein. Die Wirksamkeit einer solchen Regelung setzte voraus, daß für den in einer zeitanteiligen Kürzung einer Besitzstandsrente liegenden Eingriff auf der zweiten, teilweise - was die Rechte aus der BV 88 angeht - auch auf der ersten Besitzstandsstufe triftige, teilweise sogar zwingende Gründe vorlagen (vgl. hierzu - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 36 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 33, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 1 der Gründe). Solche Gründe hat die Beklagte im Rechtsstreit nicht geltend gemacht. Sie sind auch nicht ersichtlich. Die Betriebspartner sind vielmehr in der BV 88 und der BV 95 umgekehrt davon ausgegangen, daß es solche Gründe nicht gibt, auf sie jedenfalls die Änderung nicht gestützt werden soll. Andernfalls hätten sie nicht in dem nach der Formulierung uneingeschränkten Umfang die erdiente Dynamik und erst recht den erdienten Besitzstand aufrechterhalten.

Im übrigen wäre § 13 der Satzung im Hinblick auf die Kürzung von Besitzstandsrenten bei vorzeitigem Ausscheiden selbst dann wegen sachlich nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung unwirksam, wenn der Beklagten zu den Ablösungsstichtagen triftige oder zwingende Gründe für entsprechende Eingriffe zur Seite gestanden hätten. Beschäftigungszeiten nach dem sollten nach dem Regelungswillen der Betriebspartner nicht mehr anwartschaftssteigernd sein. Die Arbeitnehmer sollten nur das als Betriebsrente erhalten, was sie bis zu den jeweiligen Ablösungsstichtagen erdient hatten. Unter diesen Umständen gäbe es keinen sachlichen Grund dafür, die erdiente Dynamik nur den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern uneingeschränkt zu erhalten, die bis zum Erreichen der Altersgrenze betriebstreu bleiben, sie aber denen zu nehmen, die nach den für die Besitzstandsrente maßgeblichen Ablösungsstichtagen vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden.

Fundstelle(n):
LAAAB-93857

1Für die Amtliche Sammlung: Ja; Für die Fachpresse: Nein