BFH Urteil v. - VI R 56/02

Berücksichtigung umzugsbedingter Fahrtzeitveränderungen; Umzugskosten bei Ehegatten kein Drittaufwand

Leitsatz

Die von einem Ehegatten als Umzugskosten geltend gemachten Mietzahlungen für eine gemeinsam angemietete Ehewohnung können auch dann als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sein, wenn sie vom Konto des anderen Ehegatten geleistet worden sind. Ein Ehegatte hat mit der Zahlung der Miete für eine von den Ehegatten gemeinsam angemietete Wohnung nicht nur seine eigene Verbindlichkeit aus dem Mietvertrag in seiner Eigenschaft als Vertragspartner erfüllt, sondern auch die Verbindlichkeit des anderen Ehegatten und damit nicht nur für eigene Rechnung, sondern auch für die des anderen Ehegatten geleistet. Solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, ist - jedenfalls wenn entgegenstehende Tilgungsabsichten nicht geäußert werden - davon auszugehen, dass derjenige Ehegatte, der eine Zahlung auf eine gemeinsame Verbindlichkeit bewirkt, damit auch die des anderen Ehegatten begleichen will. Diese Annahme rechtfertigt sich mit der bei nicht dauernd getrennt lebenden Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Streitig ist, ob bei einem durch den einen Ehegatten beruflich veranlassten Umzug die umzugsbedingt geleisteten doppelten Mietzahlungen als Werbungskosten nicht abziehbar sind, wenn sie vom Konto des anderen Ehegatten geleistet worden waren.

Die als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) wohnten zunächst in X und verzogen am nach Y. Der Kläger war in Y, die Klägerin in Z nichtselbständig tätig. Bis zum Umzug fuhr der Kläger jeweils mit dem PKW zur Arbeit, die Fahrtstrecke betrug 96 km mit einer Wegezeit von rd. 75 Minuten je Fahrtstrecke. Seit dem Umzug erreichte der Kläger mit einem Linienbus seine Arbeitsstätte in 15 bis 20 Minuten. Die Klägerin erreichte bis zum Umzug ihren Arbeitsplatz mit der Straßenbahn in 30 bis 40 Minuten. Seit dem Umzug nutzte sie den PKW, die Fahrtstrecke betrug nun 98 km mit einer Wegezeit von 75 bis 105 Minuten.

Der Kläger machte in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1998 bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Umzugskosten als Werbungskosten geltend. Hierzu rechnete er die Spediteurkosten, die Mietzahlung für den Monat April 1998 für die von den Klägern gemeinsam angemietete Wohnung in X sowie Reisekosten. Die Mietzahlung für die Wohnung in X hat die Klägerin von ihrem Konto auf das Konto des Vermieters überwiesen, die übrigen Umzugskosten hat der Kläger bezahlt.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren bezifferten die Kläger die Umzugskosten in der Klage wie folgt:


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Spediteur:
2 494 DM
doppelte Warmmiete:
856 DM
Reisekosten Umzugsvorbereitung
200 DM

Das Finanzgericht (FG) entsprach dem Klagebegehren hinsichtlich der Kosten für Spedition und Reise und wies im Übrigen (doppelte Warmmiete von 856 DM) die Klage mit der Begründung ab, dass hinsichtlich der Mietzahlung durch die Klägerin ein nicht zum Werbungskostenabzug führender Drittaufwand vorliege. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 965 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) aufzuheben und die Einkommensteuer 1998 unter Abänderung des Bescheides des FA vom auf 22 740 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Änderung des angefochtenen Urteils und zur antragsgemäßen Entscheidung in der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Über die in der angefochtenen Entscheidung zugesprochenen Werbungskosten hinaus sind weitere Werbungskosten in Höhe von 856 DM bei den Einkünften des Klägers zu berücksichtigen. Denn das FG hat zu Unrecht die vom Kläger als Umzugskosten geltend gemachten Mietzahlungen nicht als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.

a) Umzugskosten sind als Werbungskosten abziehbar, wenn der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst ist, also private Gründe eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen (vgl. Senatsurteil vom VI R 132/88, BFHE 170, 484, BStBl II 1993, 610). Davon ist auszugehen, wenn der Umzug den erforderlichen Zeitaufwand für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wesentlich, d.h. um mindestens eine Stunde täglich vermindert (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Senats vom VI R 175/99, BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585, m.w.N.). Das FG hat daher zu Recht den Umzug des Klägers als beruflich veranlasst angesehen und insbesondere die sich umzugsbedingt jeweils ergebenden Veränderungen der Fahrzeiten der Kläger nicht addiert (vgl. , BFHE 178, 345, BStBl II 1995, 728; Schmidt/Drenseck, EStG, 25. Aufl., § 19 Rz. 60, Stichwort Umzugskosten, m.w.N.). Weiter hat es zutreffend die sich umzugsbedingt jeweils ergebenden Veränderungen der Fahrzeiten der Kläger auch nicht saldiert (vgl. , BFH/NV 2006, 1086, zur Veröffentlichung bestimmt).

b) Die vom Kläger als Umzugskosten geltend gemachten Mietzahlungen sind als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen, auch wenn sie vom Konto seiner Ehefrau, der Klägerin, geleistet worden waren.

aa) Aus dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG verankerten Grundsatz der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit ergibt sich, dass der Steuerpflichtige die als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen i.S. des § 9 Abs. 1 EStG selbst tragen muss. Dies gilt auch im Falle der Zusammenveranlagung von Eheleuten nach § 26b EStG. Denn auch dann bleibt der einzelne Steuerpflichtige Steuersubjekt. Dem Steuerpflichtigen sind daher entsprechend § 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 9 EStG nur solche Aufwendungen zuzurechnen und bei ihm als Werbungskosten zu berücksichtigen, die seine persönliche Leistungsfähigkeit mindern (vgl. , BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782, unter C. IV. 1. b).

bb) Trägt ein Dritter Kosten, die durch die Einkünfteerzielung des Steuerpflichtigen veranlasst sind (Drittaufwand), sind diese beim Steuerpflichtigen selbst als Erwerbsaufwendungen allerdings abziehbar, wenn sie als solche des Steuerpflichtigen zu werten sind. Dies gilt insbesondere im Falle der Abkürzung des Zahlungsweges. Abkürzung des Zahlungsweges bedeutet die Zuwendung eines Geldbetrags an den Steuerpflichtigen in der Weise, dass der Zuwendende im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen dessen Schuld tilgt, statt ihm den Geldbetrag unmittelbar zu geben, d.h., dass der Dritte für Rechnung des Steuerpflichtigen an dessen Gläubiger leistet (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782, unter C. IV. 1. c aa).

cc) So liegt der Fall hier. Die Kläger waren im Hinblick auf die gemeinsam angemietete Wohnung für den nach § 535 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geschuldeten Mietzins Gesamtschuldner i.S. des § 421 BGB. Die Klägerin hat mit ihrer Mietzahlung nicht nur ihre eigene Verbindlichkeit aus dem Mietvertrag in ihrer Eigenschaft als Vertragspartnerin erfüllt, sondern auch die Verbindlichkeit des Klägers und damit nicht nur für eigene Rechnung, sondern auch für die des Klägers geleistet. Solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, ist —jedenfalls wenn entgegenstehende Tilgungsabsichten nicht geäußert werden— davon auszugehen, dass derjenige Ehegatte, der eine Zahlung auf eine gemeinsame Verbindlichkeit bewirkt, damit auch die des anderen Ehegatten begleichen will. Die Annahme einer solchen Tilgungsabsicht rechtfertigt sich mit der bei nicht dauernd getrennt lebenden Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. , BFH/NV 2006, 648, m.w.N.). Insoweit gilt für Mietaufwendungen als Nutzungsentgelt für Immobilien dasselbe wie für Finanzierungsaufwendungen als Nutzungsentgelt für Kapital. Denn auch bei Finanzierungsaufwendungen kommt nach der Rechtsprechung des BFH ihr voller Abzug in Betracht, wenn Ehegatten als Gesamtschuldner nach § 421 BGB ein Darlehen aufgenommen haben und dieses nur von einem von ihnen zur Erzielung von Einkünften genutzt wird. Der BFH rechnet in diesem Fall die Finanzierungsaufwendungen dem Ehegatten zu, der das Darlehen für seine Einkünfteerzielung nutzt, unabhängig davon, ob die Leistungen auf das Darlehen mit Mitteln des einkünfteerzielenden Steuerpflichtigen oder seines Ehegatten geleistet wurden (vgl. , BFHE 191, 28, BStBl II 2000, 312, unter 1. d; vom IX R 22/97, BFHE 193, 112, BStBl II 2001, 785, unter II. 2. a; vom VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385, unter III. 1. c).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1650 Nr. 9
DStRE 2006 S. 1043 Nr. 17
NWB-Eilnachricht Nr. 40/2006 S. 3352
SAAAB-90518