BFH Urteil v. - I R 74/05

Ausdrückliche Verlustübernahmevereinbarung nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG

Leitsatz

Verpflichtet sich eine GmbH zur Gewinnabführung, verlangt § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 1996 für die Anerkennung der Organschaft u. a., dass eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart wird. Eine dem § 302 Abs. 1 und Abs. 3 AktG entsprechende Vereinbarung muss der Ergebnisabführungsvertrag enthalten. Die jüngere zivilrechtliche Rechtsprechung zum GmbH-Konzern, wonach § 302 AktG zivilrechtlich analog anzuwenden ist, ändert daran nichts. Wird die ausdrückliche Verlustübernahmevereinbarung in einer "Klarstellungsvereinbarung" - erstmalig - nachgeholt, gelten auch für eine solche Ergänzung des Ergebnisabführungsvertrags die zeitlichen Erfordernisse des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 KStG 1996 und das Erfordernis der Eintragung in das Handelsregister.

Gesetze: KStG § 17

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, schloss am mit ihrer alleinigen Gesellschafterin, der GmbH II, einen Gewinnabführungsvertrag. In dem Vertrag verpflichtete sich die GmbH II u.a., „jeden während der Vertragsdauer…entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß…den freien Rücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind ...”. Nach einer Überprüfung des Vertrages wurde am eine schuldrechtliche „Klarstellungsvereinbarung” geschlossen, wonach die GmbH II „entsprechend den Vorschriften des § 302 Abs. 1 und 3 (des Aktiengesetzes) AktG verpflichtet (ist), jeden während der Vertragsdauer…entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß den anderen Rücklagen Beträge entnommen werden können, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind”. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin stimmte beiden Vereinbarungen am sowie am zu. Nur die erste der beiden Vereinbarungen wurde in das Handelsregister eingetragen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) vertrat die Auffassung, ein körperschaftsteuerrechtliches Organschaftsverhältnis mit einer GmbH als Organgesellschaft setze gemäß § 17 Satz 2 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1996) eine Vereinbarung entsprechend den Vorschriften des § 302 des Aktiengesetzes (AktG) a.F. und damit sowohl dessen Abs. 1 als auch Abs. 3 voraus. Der ursprüngliche Gewinnabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der GmbH II enthalte zwar eine dem § 302 Abs. 1 AktG a.F. vergleichbare Verpflichtung zum Ausgleich des sonst entstehenden Jahresfehlbetrags. Es fehle hierin jedoch eine dem § 302 Abs. 3 AktG a.F. entsprechende Abrede, auf den Anspruch auf Ausgleich grundsätzlich nicht vor Ablauf von drei Jahren nach der Beendigung des Vertrages zu verzichten oder sich über ihn zu vergleichen. Das FA erkannte deshalb das Organschaftsverhältnis nicht an. Dementsprechend rechnete es für die Streitjahre 1997 und 1998 das Einkommen der Klägerin dieser und nicht der GmbH II zu.

Die Klage gegen die hiernach geänderten Steuerbescheide war erfolgreich. Das ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1556 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 17 KStG und beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, § 302 AktG a.F. sei nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im GmbH-Konzern entsprechend anzuwenden. Deshalb dürfe eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft nicht mehr allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass im Ergebnisabführungsvertrag die Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG a.F. fehle. Im Übrigen sei der Gewinnabführungsvertrag durch Vereinbarung vom um die Verlustübernahme gemäß § 302 AktG a.F. ergänzt worden. Dieser Ergänzungsvereinbarung habe die Gesellschafterversammlung zugestimmt.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnisses zwischen der Klägerin und der GmbH II lagen im Streitjahr nicht vor, weil der Ergebnisabführungsvertrag vom keine Vereinbarung enthielt, die dem § 302 Abs. 3 AktG a.F. entsprach.

1. Verpflichtet sich eine GmbH zur Gewinnabführung, so verlangt § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 1996 für die Anerkennung der Organschaft u.a., dass eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG a.F. vereinbart wird. Wie der erkennende Senat durch Urteil vom I R 43/99 (BFH/NV 2000, 1250; vgl. auch bereits Urteil vom I R 220/78, BFHE 132, 285, BStBl II 1981, 383) entschieden hat, muss der Ergebnisabführungsvertrag eine dem § 302 Abs. 1 und Abs. 3 AktG a.F. entsprechende Vereinbarung enthalten. Die jüngere zivilrechtliche Rechtsprechung zum GmbH-Konzern, wonach § 302 AktG a.F. zivilrechtlich analog anzuwenden ist (vgl. , BGHZ 105, 324; , BGHZ 103, 1; vom II ZR 287/90, BGHZ 116, 37; vom II ZR 120/98, BGHZ 142, 382), ändert daran nichts.

An dem Senatsurteil in BFH/NV 2000, 1250, auf dessen Begründung und auch Rechtsprechungs- und Schrifttumsnachweise im einzelnen, um Wiederholungen zu vermeiden, Bezug genommen wird, ist festzuhalten. Die von § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 1996 nach wie vor geforderte Vereinbarung einer entsprechenden Anwendung des § 302 AktG a.F. wird auch infolge der mittlerweile gefestigten Spruchpraxis der Zivilgerichte nicht entbehrlich oder —so die Vorinstanz (s. ebenso Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 17 KStG Rz. 9)— „sinnlos”. Der Senat hat in dem zitierten Urteil ausgeführt, dass Regelungswortlaut ebenso wie Regelungszweck das zusätzliche und spezifisch steuerliche Vereinbarungserfordernis rechtfertigen. Dem sind unbeschadet einer bisweilen geäußerten rechtspolitischen Missbilligung die jüngere Rechtsprechung (vgl. , EFG 2005, 1892) sowie die jüngeren Schrifttumsbekundungen überwiegend gefolgt (vgl. z.B. Neumann in Gosch, KStG, § 17 Rz. 11, m.w.N.; im Ergebnis wohl auch Walter in Ernst & Young, KStG, § 17 Rz. 12; Pache in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 KStG Anm. 33; Dötsch in Kessler/ Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 5 Rz. 74; Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 17 KStG n.F. Rz. 22 ff.; Fatouros, Finanz-Rundschau 2006, 163; anders Frotscher, ebenda).

2. Die Jahresergebnisse der Klägerin sind deswegen nicht der GmbH II zuzurechnen.

Die im Streitfall gegebene Besonderheit, dass die ausdrückliche vertragliche Einbeziehung von § 302 AktG a.F. am und damit noch in jenem Jahr, zu dessen Beginn der Gewinnabführungsvertrag wirksam geworden ist, in einer „Klarstellungsvereinbarung” —erstmalig— nachgeholt worden ist, lässt dieses Ergebnis unberührt. Die in § 17 Satz 1 KStG 1996 für den GmbH-Konzern angeordnete entsprechende Anwendung von § 14 KStG 1996 betrifft auch die Voraussetzungen zu Beginn und Ende der Wirksamkeit des Ergebnisabführungsvertrages. Der Vertrag muss also gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 KStG 1996 auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden. Diese zeitlichen Erfordernisse erstrecken sich gleichermaßen auf die Einbeziehung der Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG a.F. gemäß § 17 Satz 2 KStG 1996. Das vom FG vertretene Regelungsverständnis (vgl. insoweit auch Walter in Ernst & Young, a.a.O., § 17 Rz. 12.1), wonach die letztere Vereinbarung nur irgendwann während der vertraglichen Laufzeit geschlossen werden müsste, widerspräche dem Sinnzusammenhang der Vorschrift; § 17 Satz 2 KStG 1996 ergänzt lediglich den steuerlich notwendigen Vertragsinhalt, nimmt diesen indes nicht von den grundsätzlich zu beachtenden Zeitbedingungen gemäß § 14 KStG 1996 aus. Im Übrigen sind die „Klarstellungsvereinbarung” sowie der dazu ergangene Gesellschafterzustimmungsbeschluss auch nicht in das Handelsregister eingetragen worden, was nach Maßgabe der einschlägigen Zivilrechtsprechung jedoch unerlässliche Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrages ist (vgl. BGH-Beschlüsse in BGHZ 105, 324; vom II ZB 15/91, GmbH-Rundschau 1992, 253).

3. Da die Vorinstanz eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, war ihr Urteil aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1513 Nr. 8
DStR 2006 S. 1224 Nr. 28
DStRE 2006 S. 956 Nr. 15
HFR 2006 S. 802 Nr. 8
KÖSDI 2006 S. 15154 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2006 S. 2560
EAAAB-89183