BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 75/94

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BVerfGG § 93b; BVerfGG § 93a; BVerfGG § 93a Abs. 2; BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2; BVerfGG § 92; BVerfGG § 90 Abs. 2 Satz 1; BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3; StPO § 100a; GG Art. 10 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1;

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Verwertbarkeit von Angaben eines Beschuldigten in einem Strafverfahren, die dieser aus Anlass eines von der Polizei initiierten Telefonats gegenüber einem Dritten gemacht hat (so genannter Zweithörer-Fall, vgl. auch 2 BvR 1990/96).

I.

Das Landgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. In der Beweiswürdigung maß das Landgericht dem Inhalt eines Telefongesprächs, das zwischen einer Zeugin und dem Beschwerdeführer geführt und von einem Polizeibeamten über einen Zweithörer mitgehört wurde, entscheidende Bedeutung bei.

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 10 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 GG mit der Begründung, die gemäß § 100a StPO erforderliche richterliche Anordnung sei nicht ergangen. Der Zweck des Fernmeldegeheimnisses liege darin, Kommunikationsvorgänge und -inhalte gegen jede staatliche Kenntnisnahme, die nicht im Einvernehmen mit beiden Kommunikationspartnern erfolge, abzuschirmen. Das Verhalten des Teilnehmers, der einen Dritten mithören lasse, sei auf Täuschung angelegt und verstoße nicht nur gegen Art. 2 Abs. 1 GG, sondern sei auch mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens unvereinbar.

III.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sie in Ermangelung einer den Anforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG genügenden Begründung unzulässig ist.

1. Da der Beschwerdeführer seine Revisionsbegründungsschrift weder vorgelegt noch inhaltlich mitgeteilt hat, kann nicht geprüft und entschieden werden, ob er den Rechtsweg erschöpft hat (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), indem er im Revisionsverfahren seine Einwände durch Erhebung formgerechter Rügen geltend gemacht hat. Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert, dass der Beschwerdeführer bereits im fachgerichtlichen Verfahren verfassungsrechtliche Einwände, die die Anwendung materiellen Rechts betreffen, vorträgt (vgl. BVerfGE 66, 337 <364>; 68, 384 <388 f.>).

2. Darüber hinaus ist das Vorbringen in der Verfassungsbeschwerde widersprüchlich und lässt eine Auseinandersetzung mit der Revisionsentscheidung und deren konkreter Begründung vermissen (vgl. BVerfG, NVwZ 1998, S. 949).

a) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses beanstandet, geht er schon nicht auf die vom Bundesgerichtshof vorgenommene und im Einzelnen begründete Differenzierung zwischen bloßem Mithören und Aufzeichnen eines Telefongesprächs ein. Den Argumenten des Bundesgerichtshofs, der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses erfasse auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Zählervergleichseinrichtungen (BVerfGE 85, 386) nicht den vorliegenden Fall, weil die Schutzwirkungen, die das Fernmeldegeheimnis für Einzelumstände über Kommunikation und für deren Inhalt entfalte, durch eine rechtswirksame Einwilligung in ihrem gesamten Umfang beseitigt würden, setzt er nichts entgegen.

b) Die Begründung der Verfassungsbeschwerde zur Rüge der Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG geht an den Ausführungen des Bundesgerichtshofs vorbei. Weder setzt sich der Beschwerdeführer mit dem vom Bundesgerichtshof dargestellten Unterschied zwischen (verbotenem) Täuschen und (erlaubtem) Unterlassen von Aufklärung über das Mithören durch einen Dritten auseinander noch geht er auf die Frage ein, ob die Nichtaufdeckung des polizeilichen Mithörens überhaupt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bedeute, weil der Betroffene sich über den Verbreitungsgrad seiner Aussage geirrt und dies einer unfreiwilligen selbstbelastenden Äußerung gleichzustellen sei. Dass die bloße Heimlichkeit polizeilichen Tuns ein Umstand sei, der für sich allein schon die Unzulässigkeit eines solchen Verfahrens begründe, behauptet auch der Beschwerdeführer nicht.

3. Schließlich ist dem Vortrag der Verfassungsbeschwerde nicht zu entnehmen, worin der eigentliche Grundrechtsverstoß liegen soll. Der Beschwerdeführer geht insbesondere nicht auf die Frage ein, inwieweit die Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots seine Verfassungsrechte verletzen soll. Es besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig sei. Dem Vorbringen in der Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls kein Gesichtspunkt zu entnehmen, aus dem sich ergäbe, dass ein Beweisverwertungsverbot hier verfassungsrechtlich zwingend sei.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
JAAAB-87356