OFD Münster - S 4521 - 33 - St 23 - 35

Grunderwerbsteuer;
Gegenstand des Erwerbsvorgangs/Einheitliches Vertragswerk

Der für den Umfang der Gegenleistung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird durch das von den Vertragsparteien gewollte wirtschaftliche Ergebnis bestimmt.

1. Maßgeblichkeit der vertraglichen Vereinbarungen

Ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem oder unbebautem Zustand ist, richtet sich nach den Vereinbarungen der Parteien. Haben sie das bebaute Grundstück zum Vertragsgegenstand gemacht, ist es in diesem Zustand zu besteuern, unabhängig davon, ob das Grundstück im Zeitpunkt des Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts noch unbebaut war. Fehlen derartige Vereinbarungen – was häufig vorkommt – ist grundsätzlich der Zustand maßgeblich, in dem sich das Grundstück bei Vertragsabschluss befindet (Boruttau, 15. Auflage, § 9 Rn 136 bis 142; Pahlke/Franz 3. Auflage, § 9 Rz. 6).

2. Künftiger Grundstückszustand als Gegenstand des Erwerbsvorgangs

Die Frage, in welchem Zustand ein Grundstück zu besteuern ist, stellt sich insbesondere dann, wenn getrennte Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über die Errichtung eines Gebäudes abgeschlossen werden. Solche Verträge können bereits zivilrechtlich verknüpft sein (siehe Ziffer 2.1), sie können aber auch nach den besonderen grunderwerbsteuerlichen Grundsätzen als Einheit zu behandeln sein (siehe Ziffer 2.2).

2.1 Zivilrechtliche Verknüpfung des Grundstücksvertrags und des Bauvertrags (rechtlicher Zusammenhang)

Treffen die Parteien selbständige Vereinbarungen über die Verpflichtung zur Grundstücksübertragung und über die Gebäudeerrichtung, ist für die Beurteilung dieser Verträge entscheidend, ob sich aus den Gesamtumständen der Parteiwille ergibt, dass nur ein einheitlicher Vertrag vorliegen soll (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn 161a, 161b). Indizien für einen dahingehenden Parteiwillen sind:

  • Bezeichnung im Vertragstext

  • Zusammenfassung der Vereinbarungen in einer Urkunde

  • ein einheitlicher Preis.

Bei Vorlage eines einheitlichen Vertrags geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück ist (vgl. BStBl 1983 II S. 606).

Liegen zwei oder mehrere Verträge vor, sind sie als ein einheitlicher Vertrag zu werten, wenn ihre Gültigkeit ausdrücklich voneinander abhängig ist (vgl.  –, NJW 1983 S. 869) oder – auch ohne ausdrückliche Bestandsverknüpfung –, wenn sie nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander „stehen und fallen” sollen.

Dabei reicht es aus, wenn nur eine der Vertragsparteien einen solchen Einheitswillen erkennen lässt und die andere Partei ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt (vgl. a.a.O.; Boruttau, a.a.O. § 9 Rn. 162a). Ob die Vereinbarungen miteinander „stehen und fallen”, ist unter Berücksichtigung der Interessenslage der Vertragsparteien, ihrem Verhalten vor und bei Vertragsabschluss und dem tatsächlichen Geschehensablauf zu ermitteln (Boruttau, a.a.O. § 9 Rn. 162b; BFH/NV 2004, 663 und BFH/NV 2006, 683).

Für eine Vertragsverknüpfung sprechen:

  • Baubeginn vor Vertragsabschluss (Pahlke/Franz, a.a.O., § 9 Rz. 6; BStBl 1982 II S. 330),

  • Fehlen einer Vereinbarung aller Erwerber über die gemeinsame Baufertigstellung (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn. 162b),

  • Grundstücksverkäufer veräußert nur an Erwerber, die vorher eine Treuhandvollmacht zum Abschluss der übrigen Verträge erteilt haben (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn. 162b; BFH/NV 1999, 667).

Der Vertragsverknüpfung steht nicht entgegen:

  • dass die Vereinbarungen in unterschiedlichen Urkunden niederlegt wurden (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn. 162b),

  • dass – wenn auf der Veräußererseite mehrere Personen beteiligt sind – der Verkäufer und das mit der Gebäudeerrichtung beauftragte Unternehmen nicht identisch sind.

Die rechtliche Einheit mehrerer Verträge hat zur Folge, dass alle Verträge beurkundungspflichtig sind (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn 172; Pahlke/Franz, a.a.O., § 9 Rz. 15). In der Praxis werden hiervon betroffene Bauverträge gleichwohl oft nicht beurkundet, ihre (zeitweilige) Unwirksamkeit nehmen die Beteiligten in Kauf. Sie wird nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. (§ 313 Satz 2 BGB a.F.) durch Eintragung des Eigentümerwechsels im Grundbuch geheilt. Nach dem BStBl 1994 II S. 409 unterliegt ein infolge unvollständiger Beurkundung unwirksames (nichtiges) Rechtsgeschäft gleichwohl der Steuer (§ 41 Abs. 1 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), wenn die Beteiligten ihren Erklärungen gemäß auf die Erfüllung hinwirken (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn 172; Pahlke/Franz a.a.O., § 9 Rz. 15).

Die zivilrechtliche Einheit von getrennten Verträgen führt zu einer Besteuerung des bebauten Grundstücks (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn 162b). Die (schwierigen) Zivilrechtsfragen haben für die Grunderwerbsteuer jedoch an Bedeutung verloren, weil auch bei fehlender zivilrechtlicher Verknüpfung Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück sein kann, wenn die Voraussetzungen eines objektiv engen sachlichen Zusammenhangs vorliegen (siehe Ziffer 2.2).

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2.2 Objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstücksvertrag und dem Bauvertrag

Der Bundesfinanzhof hat an seiner ständigen Rechtsprechung mit Urteil vom , BStBl 2000 II S. 34 festgehalten: „Ob als Gegenstand eines Erwerbsvorgangs das zukünftig bebaute Grundstück anzusehen ist, kann sich (auch) aus den mit dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv engem sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen oder Umständen ergeben, die insgesamt zu dem Erfolg führen, dass der Erwerber das Grundstück im bebauten Zustand erhält. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalles zu ermitteln und kann auch aus dem Zusammenwirken mehrerer Personen auf der Veräußererseite folgen, wenn die Umstände des Zusammenwirkens ergeben, dass der Erwerber ein bebautes Grundstück erhält. Ist dies der Fall, so gehören alle Aufwendungen des Grundstückserwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, die von ihm für die Verschaffung des bebauten Grundstücks gewährt werden.”

Danach kommt es entscheidend darauf an, aus welchen Kriterien das Vorliegen eines sachlichen Zusammenhangs abgeleitet werden kann. Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang kann vorliegen, wenn der Erwerber (spätestens) mit Abschluss des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das „Ob” und „Wie” einer Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war. Das ist der Fall, wenn er dem Veräußerer gegenüber rechtlich oder faktisch im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags an ein Bebauungskonzept gebunden ist.

Ein Bebauungskonzept liegt vor, wenn auf ein bestimmtes Grundstück ein bestimmtes Gebäude zu einem im wesentlichen feststehenden Preis gebaut werden soll. Dabei können auf der Veräußererseite mehrere Personen auftreten ( BFH/NV 2003, 1446; BFH/NV 2004, 663; BFH/NV 2006, 683).

2.2.1 Zeitliche Abfolge der Verträge

Hat sich der Erwerber schon vor Abschluss des Grundstücksvertrags oder zeitgleich mit ihm durch den Abschluss eines Gebäudeerrichtungsvertrages an die Bebauung des Grundstücks durch die Veräußerereseite gebunden, so liegt immer ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Vereinbarungen vor ( BFH/NV 1998, 80; Pahlke/Franz, a.a.O.; § 9 Rz. 21, Boruttau a.a.O., § 9 Rn. 164a).

Bei Abschluss des Bauvertrags nach dem Grundstücksvertrag ist ein sachlicher Zusammenhang gegeben bei einem faktischen Zwang (Ziffer 2.2.2) oder bei Hinnahme eines von der Veräußererseite vorbehaltenen Geschehensablauf (Ziffer 2.2.3).

Hinweis auf Schaubild 2.7.2.

2.2.2 Faktischer Zwang

Faktische Zwänge sind nach objektiven Kriterien zu bestimmen.

So kann eine in einem einheitlichen Baukörper befindliche Eigentumswohnung nur zusammen mit den übrigen Wohnungen errichtet werden (Ausnahme siehe Pahlke/Franz, a.a.O., § 9 Rz. 23). Der Käufer einer noch zu errichtenden Wohnung ist daher regelmäßig gezwungen, in die bereits von dem Vorerwerber geschlossenen Verträge einzutreten. Bei Reihen- und Doppelhaushälften kommt es darauf an, ob die einzelne Einheit für sich (also unabhängig von den benachbarten Einheiten) errichtet werden kann.

Ein faktischer Zwang kann auch in der Form bestehen, dass der Grundstückserwerber bei Nichtabschluss des Gebäudeerrichtungsvertrages (spürbare) wirtschaftliche Nachteile hinnehmen müsste, z.B. wenn der Veräußerer den Grundstückspreis überhöht anbietet und so sein Angebot für den Werkvertrag zur Errichtung des Gebäudes konkurrenzlos günstig anbieten kann (Mischkalkulation).

Ist der bisherige Grundstückseigentümer Bauunternehmer, besteht in aller Regel ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem mit ihm abgeschlossenen Werkvertrag zur Bebauung des Grundstücks. Der Grundstückshandel soll gerade diesem Zweck dienen. Das unbebaute Grundstück wird daher nur ausnahmsweise Gegenstand der Besteuerung sein, insbesondere bei einem nachgewiesenen Notverkauf zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit.

Wird ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und Bauvertrag bestritten, muss der Käufer stets nachweisen, dass er in der Auswahl des Bauunternehmens frei war und er hiervon auch Gebrauch gemacht hat. Innerhalb weniger Tage erstellte Angebote anderer Unternehmen sprechen für Gefälligkeitstatbestände.

2.2.3 Hinnahme eines vorbereiteten Geschehensablaufs

Die Hinnahme eines von der Anbieterseite vorbereiteten Geschehensablaufs durch den Erwerber indiziert nach dem BStBl 1995 II S. 331 – unabhängig von der zeitlichen Abfolge der Vertragsabschlüsse – einen objektiven engen sachlichen Vertragszusammenhang. Ein vorbereiteter Geschehensablauf liegt vor, wenn der Grundstücksverkäufer und ein Bauunternehmen, ein Betreuungsunternehmen oder ein sonstiger Initiator zusammenwirken (durch Absprache) und dem Interessenten aufgrund einer konkreten und annähernd bis zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbieten und er dieses Angebot nur als einheitliches annehmen oder ablehnen kann. Für diese Beurteilung ist es unmaßgeblich, ob die bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung inhaltlich maßgebend von der Erwerberseite mit beeinflusst oder gar veranlasst worden ist ( BFH/NV 2006, 683). Bloße Bebauungsvorschläge der Veräußererseite genügen jedoch nicht für die Annahme, dass ein vorbereiteter Geschehensablauf hingenommen wird.

Wichtig ist, dass schon die Akzeptanz des von der Anbieterseite vorbereiteten Geschehensablaufs durch den Erwerber den objektiv engen sachlichen Zusammenhang indiziert!

Der Erwerber kann die indizierte Einheitlichkeit der Verträge widerlegen, indem er nachweist, dass entgegen dem ersten Anschein ein Zusammenhang nicht bestand. Ein bloßes Bestreiten reicht ebenso wenig aus wie die Vorlage von Gefälligkeitsangeboten anderer Bauunternehmen (Pahlke/Franz, a.a.O., § 9 Rz. 25).

Der objektiv enge sachliche Zusammenhang wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass dem Erwerber nach dem Gebäudeerrichtungsvertrag freigestellt wird, bestimmte Bauleistungen in Eigenarbeit zu erbringen oder anderweitig freihändig zu vergeben. Auch die eigene Erledigung verwaltungstechnischer Arbeiten, z.B. die Einholung der Baugenehmigung oder die Durchführung des Teilungsverfahrens steht der Annahme eines einheitlichen Vertragswerkes nicht entgegen (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn 166a).

2.2.4 Die Veräußererseite besteht aus mehreren Personen

Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen auf (Grundstückseigentümer, Makler, Bauunternehmer, Initiator, Bevollmächtigte, Treuhänder usw.), reicht für den objektiv sachlichen Zusammenhang die Bindung an ein bestimmtes Bebauungskonzept nicht aus (vgl. Boruttau, § 9 Rn. 164a). Vielmehr muss eine Verflechtung der Personen oder ein objektiv erkennbar abgestimmtes Verhalten der Veräußererseite, das auf den Abschluss der Verträge hinwirkt, hinzutreten.

Eine Verflechtung der Personen liegt vor, wenn sie personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng miteinander verbunden sind.

Ein zu einem sachlichen Zusammenhang führendes Zusammenwirken der auf der Veräußererseite tätigen Vertragspartner liegt vor, wenn sie ihr Verhalten aufeinander abstimmen und dadurch bewirken, dass der Interessent das Grundstück nur erhält, wenn er auch die übrigen Verträge abschließt (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn 171). Eines schriftlichen Vertrags zwischen den auf der Veräußererseite verbundenen bzw. auftretenden Personen bedarf es hierbei nicht. Es genügt ein tatsächliches, einvernehmliches Zusammenwirken, das bereits dann gegeben ist, wenn der im übrigen passive Grundstückseigentümer dem Bauunternehmer das Grundstück „an die Hand” gibt (s. BFH/NV 2006, 683).

Für Absprachen sprechen folgende Indizien:

  • Das Bauunternehmen wirbt in Anzeigen/Prospekten unter Angabe des Grundstücks;

  • die von einem Grundstückseigentümer verkauften Grundstücke eines Baugebiets werden von demselben oder einem ihm verbundenen Unternehmen bebaut;

  • das Bauunternehmen wurde dem Kunden vom Grundstückseigentümer benannt.

Darüber hinaus wird ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag indiziert, wenn die Veräußererseite aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlich feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt. Die Abgabe eines einheitlichen Angebots durch eine von mehreren auf der Veräußererseite handelnden Personen ist kaum denkbar, ohne dass diesem Angebot eine Abstimmung mit den übrigen Personen zugrunde liegt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Erwerber das einheitliche Angebot der Veräußererseite unverändert annimmt oder ob er der Veräußererseite konkrete Vorgaben macht, die dann zur Grundlage für das einheitliche, vom Erwerber akzeptierte Angebot über den Erwerb von Grundstück und Gebäude werden ( BFH/NV 2006, 683).

2.3 Fehlen der Gebäudeherstellungsverpflichtung auf der Veräußererseite

Fehlt es neben der Übereignungsverpflichtung an der Verpflichtung des Veräußerers/der Veräußererseite zur Herstellung/Errichtung des Gebäudes, sondern wird das Gebäude vielmehr durch den Erwerber errichtet, liegt eine grunderwerbsteuerlich nicht relevante eigennützige Leistung des Erwerbs an sich selbst vor (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn. 49). Gegenstand des Erwerbsvorganges ist dann nicht das bebaute Grundstück, sondern nur das unbebaute Grundstück; es zählen somit nur die Anschaffungskosten des unbebauten Grundstücks zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Das gilt auch dann, wenn der Veräußerer neben dem Grundstück Dienst- bzw. Sachleistungen anbietet, sich zur Lieferung beweglicher Gegenstände (Baumaterialien, Fertighausteile) oder zur Bereitstellung von Planungsunterlagen verpflichtet (s. BStBl II 2005 S. 220).

Davon abzugrenzen sind die Fälle, in denen – nach den oben aufgezeigten Grundsätzen 2.1/2.2 – Erwerbsgegenstand das Grundstück mit zu errichtendem Gebäude ist und der Erwerber Eigenleistungen erbringt. In diesen Fällen gehört das Entgelt für die Gebäudeerrichtung zur Gegenleistung. Die erbrachten Eigenleistungen des Grundstückserwerbers sind allerdings nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn. 217, 218; Pahlke/Franz, a.a.O., § 8 Rz. 15, 16; § 9 Rz. 33, 49).

2.4 Erwerb eines (teil)bebauten Grundstücks

Ist ein Grundstück bei Vertragsabschluss (teil)bebaut, unterliegt es mindestens in diesem Zustand der Grunderwerbsteuer. Für die Grunderwerbsteuer kann ein Grundstück nicht in dem Zustand zum Erwerbsgegenstand gemacht werden, den es nicht mehr hat und nicht mehr erhalten soll ( BStBl II 1982, 330 und BStBl 2002 II S. 431).

Hinweis auf Schaubild 2.7.3.

2.5 Erwerbe durch Funktionsträger (Treuhänder oder Projektanbieter)

Erwerben Funktionsträger mit bestimmenden Einfluss auf das „Ob” und „Wie” der Bebauung Teile des Objekts (z.B. weil sich nicht genügend Interessenten gefunden haben), dann ist das Grundstück in dem Zustand zu besteuern, in dem es sich bei Vertragsabschluss befindet. Die künftig anfallenden Baukosten sind nicht zu besteuern (vgl. Pahlke/Franz, a.a.O., § 9 Rz. 29; Erlass vom S 4521 -17- VA 2 in GrESt-Kartei NRW, § 9 GrEStG, Karte 16).

2.6 Baubetreuung

Beschränkt sich die Tätigkeit des Baubetreuers darauf, die Bauplanung zu erstellen, die Baugenehmigung zu beantragen und die Finanzierung zu besorgen, dann ist das unbebaute Grundstück Besteuerungsgegenstand. Anders verhält es sich, wenn das Baubetreuungsunternehmen einen Festpreis garantiert oder/und Absprachen mit Bauunternehmen/dem Grundstückseigentümer getroffen hat, die bewirken, dass der Interessent das Grundstück nur zusammen mit der Bauleistung erhalten kann.

2.7 Schaubilder

2.7.1 Einheitliches Vertragswerk

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2.7.2 Objektiv enger sachlicher Zusammenhang

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2.7.3 Gegenstand des Erwerbvorgangs

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3. Umfang der Gegenleistung bei Bejahung des einheitlichen Vertragswerkes

Wird das einheitliche Vertragswerk bejaht, hat dies zur Folge, dass zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage im Sinne des § 8 i.V.m. § 9 GrEStG) alle Leistungen des Erwerbers gehören, die dieser an den Grundstücksveräußerer und Dritte gewährt, um das Grundstück in seinem zukünftigen (bebauten) Zustand zu erwerben (Boruttau, a.a.O., § 9 Rn 172a ff; Erlass vom in der geänderten Fassung vom S 4521 - 17 - VA 2 in GrESt-Kartei NRW, § 9 GrEStG, Karte 18). Zur Bemessungsgrundlage gehören somit z.B.:

  • der Grundstückskaufpreis,

  • die Baukosten für das Gebäude (soweit die Bauleistungen von der Veräußererseite erbracht werden),

  • alle sonstigen Aufwendungen, die die Durchführung der Baumaßnahme betreffen (z.B. übernommene Vermessungs- und Maklerkosten),

  • vom Erwerber übernommene Erschließungskosten des Veräußerers (s. Erlass vom S 4521 - 2 - VA 2 in GrESt-Kartei BRW, § 9 GrEStG, Karte 17).

Nicht zur Bemessungsgrundlage zählen die Eigenleistung des Erwerbers, Aufwendungen für (Bau-)Leistungen, die der Erwerber zusätzlich (außerhalb der in rechtlicher Einheit oder in engem sachlichen Zusammenhang stehenden Verträge mit der Veräußererseite) im Wege freier Auftragsvergabe bezogen hat, sowie Leistungen, die dem Erwerber selbst aufgrund eigener Verpflichtung gegenüber Dritten entstanden sind (Grundbuch- und Notarkosten).

4. Anzeigepflichten

Die Anzeigepflicht der Notare nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erstreckt sich auch auf alle Verträge, die (zivil-)rechtlich (vgl. Punkt 2.1) mit dem Grundstücksvertrag eine Einheit bilden (Boruttau, a.a.O., § 18 Rn. 18). Das gilt unabhängig davon, ob sie in derselben oder einer anderen Niederschrift beurkundet worden sind oder ob die Verträge mit dem Grundstückskaufvertrag im Wege einer Verknüpfungsabrede rechtlich verbunden sind (z.B. Treuhandvertrag, Baubetreuungsvertrag, Generalunternehmervertrag, Bauvertrag usw.). Etwas anderes gilt nur, wenn der Notar mit Gewissheit ausschließen kann, dass die Verträge für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sind (siehe Merkblatt der Oberfinanzdirektionen Düsseldorf und Münster über die steuerlichen Beistandspflichten der Notare auf den Gebieten der Grunderwerbsteuer, der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Ertragsteuern, Stand: März 2001, Teil B, Tz. ).

Die Verletzung der Anzeigepflicht durch einen Notar führt zu keiner Anlaufhemmung im Sinne von § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO ( BStBl 1994 II S. 866). Die Verletzung der Anzeigepflicht kann jedoch zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO von 4 auf 5 Jahre (bei leichtfertiger Steuerverkürzung) bzw. auf 10 Jahre (bei Steuerhinterziehung) führen (Boruttau, a.a.O., § 18 Rn 29).

Die Beteiligten haben nicht notariell beurkundete Verträge (z.B. Werkverträge) gemäß § 19 GrEStG dem Finanzamt anzuzeigen ( BStBl 1996 II S. 85; Pahlke/Franz, a.a.O., § 19 Rz. 10). Die Verletzung der Anzeigepflicht der Beteiligten schiebt den Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO hinaus.

Besteht sowohl eine Anzeigepflicht für den Notar als auch für die Parteien des Erwerbsvorgangs und hat der Notar seiner Anzeigepflicht nach § 18 GrEStG voll entsprochen, ist eine eventuelle Anzeigepflichtverletzung der Beteiligten für § 170 AO ohne Bedeutung ( BStBl 2005 II S. 780).

5. Bearbeitungshinweise

5.1 Objektive Beweislast/Indizien

Die objektive Beweislast für das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerkes liegt bei der Finanzverwaltung. Zumeist kann der Beweis nur über Indizien erbracht werden. Mögliche Indizien für ein einheitliches Vertragswerk können lt. Rechtsprechung z.B. sein:

  • der gleichartige Geschehensablauf in Parallelfällen in demselben Baugebiet;

  • das Vorliegen eines einheitlichen Angebotes für Grundstück und Gebäude;

  • Festpreis für Gebäudeerrichtung;

  • Stellung des Bauantrages durch die Veräußererseite;

  • Erteilung der Baugenehmigung an die Veräußererseite;

  • zeitliche Nähe der Vertragsabschlüsse/gemeinsamer Ort der Vertragsabschlüsse;

  • Beauftragung des Architekten und/oder der maßgeblichen Bauhandwerker durch die Veräußererseite;

  • Empfehlungen auf bestimmte Bauleistende durch den Veräußerer;

  • Einholung weiterer Angebote von anderen Bauunternehmern spricht nicht gegen ein einheitliches Vertragswerk;

  • Vereinbarung eines Rücktrittsrechtes vom Kaufvertrag zugunsten des Käufers, wenn dieses Rücktrittsrecht bei Leistungsstörungen im Rahmen des Bauerrichtungsvertrages ausgeübt werden kann;

  • Provisionsversprechen/Zahlungen auf der Veräußererseite, in der Regel durch Bauunternehmer an Makler etc. (Aufklärung ggf. über KM durch Betriebsprüfung beim Bauunternehmer);

  • einheitliche Bauplanung für eine gesamte Reihenhauszeile durch Veräußererseite;

  • personelle Verflechtungen zwischen Veräußerer und Bauträger (insbesondere gleiche Gesellschafter);

  • bei Bauherrengemeinschaften die Angabe einer Gesamtinvestitionssumme im Rahmen eines „Beteiligungsangebotes”.

In der Regel kann nur das Zusammenwirken mehrerer Indizien zur Bejahung eines einheitlichen Vertragswerkes führen.

5.2 Ermittlung des Sachverhalts

Liegt ein erworbenes unbebautes Grundstück in einem Baugebiet oder gibt es andere Hinweise auf eine beabsichtigte Bebauung, so ist der Erwerber anhand des Vordrucks 816/9 „Anfrage zur Bebauung” aufzufordern, Angaben zur Bebauung zu machen. Ggf. ist auch der Veräußerer um Auskunft über die beabsichtigte Bebauung zu bitten.

Nach dem BStBl 2000 II S. 34 ist der Bauunternehmer oder Initiator nicht Schuldner der auf die Bauleistungen entfallenden Grunderwerbsteuer. Diese Personen sind daher nicht nach den §§ 88, 90 bis 93 AO zur Auskunft verpflichtet. Bei ihrer Inanspruchnahme als auskunftspflichtige Dritte (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO) sind die ggf. anfallenden Kosten (§ 107 AO) zu bedenken.

Bestehen Anhaltspunkte für eine personelle, gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftliche Verbindung von Unternehmen, ist die Beziehung zu klären. Wird die erbetene schriftliche Auskunft nicht erteilt oder führt sie nicht zu einer Klärung, kann das Finanzamt nach § 93 Abs. 5 AO eine mündliche Auskunft an Amtsstelle anordnen.

Im Übrigen können Indizien zur Bestimmung der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung auch aus den Grundstücksanzeigen der Lokalpresse oder den Bauschildern innerhalb eines Baugebietes (Nachweis über Foto/Digitalkamera des Finanzamtes) gewonnen werden.

5.3 Steuerfestsetzung

Werden in demselben Bebauungsgebiet mehrere Grundstücke vom selben Eigentümer verkauft, ist – gleicher Sachverhalt unterstellt – für alle Erwerber eine einheitliche Besteuerung anzustreben. Bestehen Hinweise, dass Besteuerungsgegenstand das bebaute Grundstück ist, so ist der Sachverhalt vollständig zu ermitteln. Gelingt das in absehbarer Zeit nicht, ist die Steuer unter Einbeziehung der Baukosten (ggf. schätzen) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) festzusetzen (nicht vorläufig nach § 165 AO).

5.4 Bescheidänderung

Wird nachträglich bekannt, dass ein Grundstücksvertrag in einem engen sachlichen Zusammenhang mit einem Bauvertrag steht und soll deshalb die Grunderwerbsteuerfestsetzung geändert werden, ist dem Steuerpflichtigen vor der Bescheidänderung Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben (AO-Kartei zu § 91 AO, Allgemeines Karte 1).

Eine bereits bestandskräftige Steuerfestsetzung kann aufgrund neuer Tatsachen regelmäßig nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden. Der Steuerpflichtige kann sich nicht auf eine Verletzung der Ermittlungspflichten des Finanzamtes berufen, da er seinerseits seine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG nicht erfüllt hat, wenn er eine Gegenleistung erhöhende Tatsache (wie z.B. den Abschluss eines Generalunternehmervertrags) nicht angezeigt hat. Ob der Steuerpflichtige weiß, dass ein solcher Vertrag grunderwerbsteuerlich relevant ist, ist unerheblich ( BStBl 1992 II S. 680; BFH/NV 2003, 1395; )).

Bei jeder Bescheidänderung (auch nach § 164 Abs. 2 AO) ist § 176 AO zu beachten (Vertrauensschutz bei der Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden). Danach muss z.B. eine dem Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechung des BFH, die bei der Erst-/Vorbehaltsfestsetzung berücksichtigt worden war, auch dann weiter angewendet werden, wenn der BFH seine Rechtsprechung zum Nachteil des Steuerpflichtigen geändert hat (vgl. AEAO zu § 176).

Inhaltlich gleichlautend
OFD Münster v. - S 4521 - 33 - St 23 - 35
OFD Rheinland v. - S 4521 - 1006 - St 2

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
JAAAB-84362