BMF - IV B 1 - S 1321 EST - 1/06 BStBl I 2006 S. 355 Nr. 9

Absprache zwischen den zuständigen Behörden der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Estland über die gegenseitige Amtshilfe

Anlage

Anliegend übersendet das BMF die mit der Republik Estland getroffene Absprache vom zum Auskunftsaustausch für Besteuerungszwecke. Die Absprache gilt als Vereinbarung im Sinne des § 2 Absatz 3 EG-Amtshilfe-Gesetz, die einen automatischen Auskunftsaustausch zwischen den zuständigen Behörden ermöglicht.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt I veröffentlicht.

ABSPRACHE ZWISCHEN DEN ZUSTÄNDIGEN BEHÖRDEN ÜBER DIE GEGENSEITIGE AMTSHILFE

Zur Umsetzung der Bestimmungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Estland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom (im Folgenden „das Abkommen”),

und gestützt auf

die Bestimmungen der Richtlinie des Rates Nr. 77/799/EWG vom in der Fassung der Richtlinie Nr. 2004/106/EG vom über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (im Folgenden „die Richtlinie”) oder jeder sonstigen Richtlinie oder Verordnung, die die Richtlinie ändert oder ersetzt,

sowie

die Bestimmungen der Richtlinie des Rates Nr. 2003/48/EG vom im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen (im Folgenden „die Zinsrichtlinie”),

und angesichts des beiderseitigen Wunsches nach einer Intensivierung der gegenseitigen Amtshilfe,

sind die Finanzministerien der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Estland wie folgt übereingekommen:

Artikel 1 Allgemeine Bestimmungen

Nach Artikel 26 des Abkommens und Artikel 1 der Richtlinie tauschen die zuständigen Behörden die Informationen aus, die zur Durchführung der Bestimmungen des Abkommens oder der Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts betreffend die unter das Abkommen und die Richtlinie fallenden Steuern erforderlich sind.

Artikel 2 Auskunftsaustausch auf Ersuchen

Auskünfte werden auf Ersuchen für die in Artikel 1 genannten Zwecke erteilt. Die zuständigen Behörden bemühen sich, Auskünfte nach Möglichkeit innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt des Ersuchens zu erteilen. Ist die ersuchte Behörde nicht in der Lage, innerhalb von sechs Monaten auf ein Ersuchen zu antworten, so teilt sie der zuständigen ersuchenden Behörde den Zeitpunkt mit, zu dem das Ersuchen voraussichtlich beantwortet werden kann.

Artikel 3 Automatischer Auskunftsaustausch

Die zuständige Behörde jedes Staates erteilt der zuständigen Behörde des anderen Staates gemäß Artikel 3 der Richtlinie ohne besonderes Ersuchen automatisch die ihr nach ihrem innerstaatlichen Recht und ihrer innerstaatlichen Praxis verfügbaren Informationen über natürliche Personen, juristische Personen und andere Personenvereinigungen betreffend:

  • Unternehmensgewinne im Sinne des Artikels 7 des Abkommens;

  • Dividenden im Sinne des Artikels 10 des Abkommens;

  • Zinsen im Sinne des Artikels 11 des Abkommens und der Zinsrichtlinie, die auf Konten bei Banken und ähnlichen Instituten gutgeschrieben wurden;

  • Lizenzgebühren im Sinne des Artikels 12 des Abkommens;

  • Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen im Sinne des Artikels 13 des Abkommens;

  • Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Gehälter, Löhne, Vergütungen, Ruhegehälter, Renten und andere Einkünfte im Sinne der Artikel 14 bis 21 des Abkommens;

Die Auskünfte sollen möglichst bald nach Ablauf eines jeden Kalenderjahres erteilt werden.

Auskünfte, die für einen automatischen Auskunftsaustausch nicht zur Verfügung stehen, können als Spontanauskünfte nach Artikel 4 erteilt werden.

Artikel 4 Spontaner Auskunftsaustausch

Die zuständige Behörde jedes Staates erteilt der zuständigen Behörde des anderen Staates gemäß Artikel 4 der Richtlinie und Artikel 26 des Abkommens ohne besonderes Ersuchen Auskünfte betreffend natürliche Personen, juristische Personen und andere Personenvereinigungen, die ihr im üblichen Verwaltungsverfahren bekannt werden. Diese Auskünfte umfassen insbesondere:

  • Sachverhalte, die in einem Staat zu einer Steuerermäßigung oder Steuerbefreiung geführt haben, durch die im anderen Staat eine Steuererhöhung oder Steuerschuld entstehen dürfte;

  • an natürliche Personen oder Unternehmen des anderen Staates gezahlte Provisionen, Honorare, Maklergebühren und sonstige Vergütungen;

  • Informationen über Grundstücksübertragungen;

  • den Erwerb von Unternehmen und die Gründung bzw. Umstrukturierung von Unternehmen.

Führt die erteilte Auskunft zu Änderungen in der Besteuerung im Empfängerstaat, sollte die zuständige Behörde des anderen Staates entsprechend unterrichtet werden.

Artikel 5 Anwesenheit von Steuerbediensteten eines Staates im Hoheitsgebiet des anderen Staates

Auf Ersuchen der zuständigen Behörde eines Staates kann die zuständige Behörde des anderen Staates zulassen, dass Vertreter des erstgenannten Staates in diesem anderen Staat anwesend sind. Die Anwesenheit von Steuerbediensteten ist von der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates im Rahmen eines Auskunftsersuchens schriftlich zu beantragen. Im Ersuchen ist der Fall kurz zu beschreiben und zu erläutern, warum die Anwesenheit von Steuerbediensteten erforderlich ist. Die Entscheidung über einen solchen Vorschlag obliegt der jeweils zuständigen Behörde oder dem zuständigen Bediensteten des ersuchten Staates. Alle Entscheidungen bezüglich der Durchführung der Ermittlungen werden vom ersuchten Staat auf der Grundlage des Rechts des ersuchten Staates getroffen. Die zuständige Behörde des ersuchten Staates entscheidet über das Ersuchen möglichst zeitnah und in jedem Fall innerhalb von drei Monaten nach dessen Erhalt. Der ersuchte Staat kann das Ersuchen unter Angabe von Gründen ablehnen.

Die zuständige Behörde des ersuchten Staates übermittelt der zuständigen Behörde des anderen Staates die im Rahmen der Ermittlungen erhaltenen relevanten Informationen.

Die zuständigen Behörden können die für die Anwesenheit ausländischer Steuerbediensteter geltenden Verfahren in gegenseitigem Einvernehmen festlegen.

Artikel 6 Abgestimmte Steuerprüfungen

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 26 des Abkommens und des Artikels 1 der Richtlinie können die zuständigen Behörden abgestimmte Steuerprüfungen vereinbaren, um grenzüberschreitende Sachverhalte, einschließlich Gewinnverlagerungen und anderer Gestaltungen zur Steuerumgehung und -hinterziehung, zu prüfen und um Doppelbesteuerungen zu verhindern, insbesondere durch exakte Abgrenzung der Gewinne verbundener Unternehmen.

„Abgestimmte Steuerprüfung” bedeutet eine Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden, gleichzeitig und unabhängig voneinander im jeweils eigenen Hoheitsgebiet die steuerlichen Verhältnisse eines oder mehrerer Steuerpflichtiger, an denen sie ein beiderseitiges Interesse haben, zu prüfen, um die auf diesem Weg gewonnenen relevanten Informationen auszutauschen.

Die zwischen den zuständigen Behörden vereinbarten Fallauswahl- und Prüfverfahren werden in Anhang A näher erläutert.

Artikel 7 Kosten

Soweit die zuständigen Behörden nichts anderes vereinbart haben, trägt der ersuchte Staat die regulären Kosten der geleisteten Amtshilfe. Außerordentliche Kosten übernimmt nach vorheriger Absprache der ersuchende Staat.

Artikel 8 Geheimhaltung und Begrenzung des Auskunftsaustauschs

Im Hinblick auf die Geheimhaltung und die Begrenzung des Auskunftsaustauschs gelten die Bestimmungen des Abkommens und der Richtlinie.

Erweist sich die erteilte Auskunft als fehlerhaft oder unvollständig, teilt die zuständige Behörde dies baldmöglichst mit. Erweist sich, dass fehlerhafte personenbezogene Daten oder personenbezogene Daten, die nicht übermittelt werden durften, übermittelt wurden, ist dies der empfangenden zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen. Die zuständige Behörde, die die Daten erhalten hat, ist gehalten, die betreffenden Daten zu berichtigen oder zurückzugeben.

Artikel 9 Form des Auskunftsaustauschs

Die in Artikel 3 der Absprache bezeichneten Auskünfte werden, soweit wie möglich, in standardisierter Form, vorzugsweise im OECD Standard Magnetic Format (aktuelle Version), übermittelt.

Die auszutauschenden Auskünfte sollen, sofern verfügbar, auch die Steuernummern (Tax Identification Number – TIN) oder andere für steuerliche Zwecke genutzte Identifikationsnummern beinhalten. Dies gilt für Nummern aus beiden Staaten.

Artikel 10 Zuständige Behörden

Für die Anwendung der Absprache sind folgende Behörden zuständig:

in der Bundesrepublik Deutschland:

Bundeszentralamt für Steuern
53221 Bonn

in der Republik Estland:

Estonian Tax and Customs Board
Narva Road 9J
15176 Tallinn

Die zuständigen Behörden teilen einander die Namen der zur Durchführung der in dieser Absprache genannten Aufgaben befugten Bearbeiter/Zeichnungsberechtigten sowie spätere Änderungen der Bearbeiter/Zeichnungsberechtigten oder der Delegation mit.

Artikel 11 Konsultation

Die zuständigen Behörden konsultieren einander, wann immer dies zur Durchführung dieser Absprache erforderlich ist.

Artikel 12 Anwendung, Änderung und Beendigung

Diese Absprache wird ab dem Zeitpunkt ihrer Unterzeichnung angewandt. Sie kann jederzeit in gegenseitigem Einvernehmen zwischen den zuständigen Behörden geändert werden. Diese Absprache wird für eine unbestimmte Zeit getroffen. Sie kann von beiden zuständigen Behörden durch schriftliche Mitteilung beendet werden. Die Absprache wird drei Jahre nach ihrer Unterzeichnung überprüft.

Diese Absprache wurde in zweifacher Ausfertigung, jede in englischer Sprache, erstellt.


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Für
 
Für
 
 
 
das Finanzministerium
 
das Finanzministerium
der Bundesrepublik Deutschland
 
der Republik Estland
 
 
 
Dr. Heinz-Jürgen Selling
 
Rainer Osanik
Referatsleiter
 
Deputy Director General
Bundesministerium der Finanzen
 
in the duties of Director General
Tax and Customs Board
 
 
 
 

Abgestimmte Steuerprüfungen

I. Auswahlverfahren

Folgende Auswahlverfahren werden angewandt:

1. Die zuständigen Behörden jedes Staates bestimmen unabhängig voneinander die Steuerpflichtigen, bei denen eine abgestimmte Steuerprüfung durchgeführt werden soll.

2. Jede zuständige Behörde unterrichtet die andere über die von ihr in Anwendung der nachfolgend in Abschnitt II beschriebenen Kriterien getroffene Auswahl potenzieller Fälle. Sie legt, soweit möglich, die Gründe für die Auswahl dieser Fälle dar, stellt die Informationen, die zu ihren Vorschlägen geführt haben, sowie sonstige maßgebliche Informationen zur Verfügung und gibt Auskunft über die bei den für abgestimmte Steuerprüfungen vorgeschlagenen Fällen geltende Verjährung.

3. Jede zuständige Behörde entscheidet selbständig über ihre Teilnahme an einer konkreten abgestimmten Prüfung. Keine der zuständigen Behörden ist jedoch zur Mitwirkung an einer von der anderen zuständigen Behörde vorgeschlagenen Prüfung verpflichtet.

4. Akzeptiert eine zuständige Behörde den Vorschlag der anderen zuständigen Behörde für eine abgestimmte Prüfung, bestätigt sie den ausgewählten Fall schriftlich unter Angabe der steuerpflichtigen Person(en) sowie der betroffenen Steuern und Veranlagungszeiträume. Sie benennt einen beauftragten Vertreter mit fachlicher Zuständigkeit für die Leitung oder Koordinierung der Prüfung. Nach Eingang der Bestätigung benennt auch die zuständige Behörde, die den Vorschlag unterbreitet hat, schriftlich einen beauftragten Vertreter. Besteht Einvernehmen über die Durchführung einer abgestimmten Prüfung, ersucht die zuständige Behörde jedes Staates die andere zuständige Behörde förmlich um den Austausch bestimmter Auskünfte nach Maßgabe des Abkommens und der Richtlinie.

5. Die beauftragten Vertreter der zuständigen Behörden legen für den jeweils ausgewählten Fall die zu prüfenden Bereiche und Zeiträume, den Zeitplan für die Durchführung der Prüfung und die Vorgehensweisen fest. Sie leiten den Austausch bestimmter Auskünfte nach Maßgabe förmlicher schriftlicher Ersuchen ein.

6. Im Rahmen dieser Absprache können nur Auskünfte erbeten werden, die nach dem Abkommen, der Richtlinie und den jeweiligen Steuergesetzen der beiden Staaten beschafft werden können.

7. Die zuständige Behörde jedes Staates kann die zuständige Behörde des anderen Staates durch eine entsprechende Erklärung darauf hinweisen, dass sie nach ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften den betroffenen Steuerpflichtigen von der beabsichtigten Auskunftsübermittlung in Übereinstimmung mit Artikel 26 des Abkommens (Informationsaustausch) und Artikel 8b der Richtlinie in Kenntnis setzen wird.

II. Auswahlkriterien

Jeder für eine abgestimmte Prüfung ausgewählte Fall betrifft (einen) in beiden Staaten tätige(n) Steuerpflichtige(n). Bei der Fallauswahl sind vorrangig, jedoch nicht ausschließlich, die folgenden Faktoren zu berücksichtigen:

  • Anzeichen für Steuerumgehung und/oder Steuerhinterziehung;

  • Anzeichen für eine wesentliche Nichteinhaltung der Steuergesetze in beiden Staaten;

  • Anzeichen für eine Manipulation von Verrechnungspreisen mit potenziell nachteiligen Auswirkungen für beide Staaten;

  • Anzeichen für andere Formen internationaler Steuerplanung, durch deren erfolgreiche Bekämpfung zusätzliche Steuereinnahmen in den beteiligten Staaten erzielt werden könnten;

  • Anzeichen für eine deutlich hinter der Erwartung zurückbleibende wirtschaftliche Leistung eines Steuerpflichtigen oder verbundener Steuerpflichtiger in einem bestimmten Zeitraum, z. B.:

  • das wirtschaftliche Ergebnis weist gemessen am Umsatz, Gesamtvermögen usw. keine angemessenen Gewinne aus;

  • der Steuerpflichtige erklärt beständig Verluste, insbesondere langfristige Verluste;

  • der Steuerpflichtige zahlte im betreffenden Zeitraum ungeachtet der Ertragskraft geringe oder gar keine Steuern;

  • Geschäftsbeziehungen, die mit einer „Steueroase” in Zusammenhang stehen.

III. Planung der Prüfung

Vor Beginn der Prüfung koordinieren die für den Fall zuständigen Bediensteten der Steuerverwaltung zusammen mit ihren Kollegen aus dem anderen Staat die Prüfungspläne jedes Staates, eingehender zu behandelnde Fragestellungen und angestrebte Termine. Es können auch Koordinierungstreffen abgehalten werden, um die Durchführung der abgestimmten Steuerprüfung zu planen und genau zu verfolgen.

IV. Durchführung von Prüfungen

Prüfungen werden durch die Bediensteten der Steuerverwaltung jedes Staates im Rahmen der innerstaatlichen Gesetze und Verfahren separat und unter Anwendung der vorhandenen Bestimmungen über den Auskunftsaustausch durchgeführt.

Abgestimmte Steuerprüfungen setzen die Zusammenarbeit von im jeweiligen Staat tätigen Bediensteten voraus, die den bzw. die Steuerpflichtigen gleichzeitig, jedoch voneinander unabhängig in ihrem Zuständigkeitsbereich prüfen. Die Hauptzuständigkeit für die Koordinierung von Prüfung und Auskunftsaustausch bezüglich eines ausgewählten Steuerpflichtigen liegt bei dem von den zuständigen Behörden vereinbarten Staat. Jeglicher Auskunftsaustausch ist nach den Bestimmungen des Abkommens, der Richtlinie und dieser Absprache durchzuführen.

V. Abbruch einer abgestimmten Prüfung

Kommt einer der beiden Staaten zu dem Schluss, dass eine abgestimmte Prüfung nicht weiter von Nutzen ist, teilt er dem anderen Staat die Beendigung seiner Mitarbeit schriftlich mit.

VI. Abschluss einer Prüfung

Prüfungen werden nach Abstimmung und Konsultationen zwischen den zuständigen Behörden jedes Staates nach den geltenden Verfahren beider Staaten abgeschlossen. Verbleibende Doppelbesteuerungsfragen sind einer Verständigung nach Artikel 25 des Abkommens (Verständigungsverfahren) vorbehalten.

BMF v. - IV B 1 - S 1321 EST - 1/06


Fundstelle(n):
BStBl 2006 I Seite 355
AO-StB 2006 S. 176 Nr. 7
StBW 2006 S. 9 Nr. 12
RAAAB-83892