BFH Urteil v. - IX R 37/04

Leitsatz

Bei der Anschaffung einer neuen Eigentumswohnung handelt es sich, auch wenn die Wohnung im zuvor nicht ausgebauten Dachboden eines Sanierungsobjekts erstellt wurde, insgesamt um die Anschaffung eines neuen Wirtschaftsguts i. S. des § 3 Satz 2 Nr. 1 FördG und nicht um (nach § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG höher geförderte) nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem vorhandenen abnutzbaren Wirtschaftsgut. Für eine höhere Sonderabschreibung hinsichtlich eines Teils des Kaufpreises, der zum Erwerb des anteiligen Gemeinschaftseigentums aufgewendet wurde, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Das Sondereigentum und der Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum bilden zusammengenommen steuerrechtlich ein einheitliches Wirtschaftsgut "Eigentumswohnung", das mit dem Kaufpreis insgesamt angeschafft wird und gemäß § 7 Abs. 4 und 5 i. V. mit § 7 Abs. 5a EStG (ohne Grund und Boden) einheitlich abzuschreiben ist.

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Jahr 1998 von der I-GmbH eine noch zu errichtende Eigentumswohnung im Dachgeschoss eines Sanierungsobjektes. Der Kaufpreis betrug 187 600 DM, wovon —so die Vereinbarung der Kaufvertragsparteien— auf den Grund und Boden 17 822 DM, auf die Altbausubstanz 17 822 DM und auf die Sanierungskosten 151 956 DM entfielen.

Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) folgte zunächst dieser Aufteilung und setzte die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibung nach § 3 Satz 2 Nr. 3 des Fördergebietsgesetzes in der seit 1996 maßgebenden Fassung (FördG) entsprechend fest.

Auf Grund einer Außenprüfung beurteilte das FA die Wohnung im Dachgeschoss als neu hergestelltes Wirtschaftsgut und erließ einen geänderten Feststellungsbescheid. Das FA stellte nunmehr die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz wie folgt fest: Anschaffungskosten Grund und Boden 17 822 DM, Herstellungskosten neues Wirtschaftsgut 169 788 DM.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) teilweise statt. In seiner Begründung führte das FG aus, dass mit der durch den Ausbau des Dachgeschosses entstandenen Eigentumswohnung ein neues Wirtschaftsgut geschaffen worden sei. Jedoch sei der Kaufpreis aufzuteilen: Ein Teil der Anschaffungskosten sei der Modernisierung des anteiligen Gemeinschaftseigentums zuzurechnen.

Gegen das Urteil des FG haben sowohl die Klägerin als auch das FA Revision eingelegt.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts. Durch den Ausbau des vormals unausgebauten Dachbodens sei kein neues Wirtschaftsgut entstanden. Denn Wille des Gesetzgebers sei es gewesen, Investitionen in den neuen Bundesländern zu fördern. Hierbei habe der Gesetzgeber zwischen Neubauten und der Modernisierung von Altbauten unterschieden. Der Ausbau von Dachgeschosswohnungen in Altbauten sei aber kein Neubau im Sinne des Fördergebietsgesetzes.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und ihrer Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

II. 1. Revision der Klägerin

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Zu Recht hat das FG die Eigentumswohnung als neu hergestelltes Wirtschaftsgut beurteilt.

a) Herstellung bedeutet das Schaffen eines noch nicht vorhandenen Wirtschaftsgutes (vgl. , BFH/NV 2005, 543).

b) Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurde durch den Ausbau des Dachbodens bisher nicht vorhandener Wohnraum neu geschaffen (vgl. auch § 17 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 des II. Wohnungsbaugesetzes sowie die entsprechende Rechtsprechung zu § 7b Abs. 2 und § 10e Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes —EStG—: , BFHE 170, 531, BStBl II 1993, 601; vom IX R 44/89, BFH/NV 1994, 460; vom X R 74/94, BFHE 177, 399, BStBl II 1996, 352). Damit wurde ein neues Wirtschaftsgut hergestellt (vgl. , BFH/NV 2003, 760; Blümich/Stuhrmann, § 3 FördG Rz. 28c; Stuhrmann, Deutsches Steuerrecht —DStR— 1996, 1193; Meyer/Ball, Die Information über Steuer und Wirtschaft —Inf— 1996, 609, 612; Beck, Sonderabschreibungen für Immobilien nach dem Fördergebietsgesetz, S. 49).

Die Klägerin beruft sich zu Unrecht auf die Entscheidungsgründe im (BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808), wenn sie allein darauf abstellt, dass die Fundamente, die tragenden Teile des Gebäudes, die Außenwände und die Dachkonstruktion des Sanierungsobjektes erhalten geblieben sind. Denn Grundlage der gebotenen bautechnischen Betrachtung ist nicht das Sanierungsobjekt als Ganzes, sondern die Eigentumswohnung der Klägerin als selbständiges Wirtschaftsgut. Dieses ist, da durch den Ausbau des Dachbodens erstmals entstanden, bautechnisch neu (s.a. , BFHE 184, 385, BStBl II 1998, 135).

2. Revision des FA

Die Revision des FA ist begründet. Zu Unrecht hat das FG die Anschaffungskosten in einen Teil für die Neuerstellung der Wohnung (Sondereigentum) und in einen Teil für die baulichen Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum aufgeteilt.

a) Steuerpflichtige, die begünstigte Investitionen im Fördergebiet durchführen, sind zur Vornahme von Sonderabschreibungen nach § 4 FördG berechtigt. Jedoch ist § 4 FördG kein selbständiger Begünstigungstatbestand; vielmehr regelt die Norm lediglich die Bemessungsgrundlage für Sonderabschreibungen, setzt also die Erfüllung der Tatbestände der §§ 1 bis 3 FördG voraus (, BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758).

aa) Nach § 3 Satz 1 FördG sind sowohl die Anschaffung und Herstellung als auch Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem unbeweglichen Wirtschaftsgut begünstigt (ausführlich Stuhrmann, DStR 1996, 1193). Unterschiede ergeben sich im Umfang der Sonderabschreibung (bei Herstellungskosten Einbeziehung der Altbausubstanz), in der Restwertabschreibung (bei Herstellungskosten Verteilung des Restwertes nach § 7a Abs. 9 EStG auf regelmäßig 45 Jahre; bei nachträglichen Herstellungskosten nach § 4 Abs. 3 FördG im Ergebnis Vollabschreibung innerhalb von 10 Jahren) und hinsichtlich der Höhe der Abschreibungsbegünstigung von Anschaffungskosten (25 oder 40 v.H. der Bemessungsgrundlage). Danach kann der Steuerpflichtige die erhöhte Sonderabschreibung von 40 v.H. nur für Modernisierungsmaßnahmen oder nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgut in Anspruch nehmen.

bb) Bei der Anschaffung einer neuen Eigentumswohnung handelt es sich, auch wenn die Wohnung im zuvor nicht ausgebauten Dachboden eines Sanierungsobjekts erstellt wurde, insgesamt um die Anschaffung eines neuen Wirtschaftsguts i.S. des § 3 Satz 2 Nr. 1 FördG (siehe auch oben zu II. 1.) und nicht um (nach § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG höher geförderte) nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem vorhandenen abnutzbaren Wirtschaftsgut. Für eine höhere Sonderabschreibung hinsichtlich eines Teils des Kaufpreises, der zum Erwerb des anteiligen Gemeinschaftseigentums aufgewendet wurde, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Das Sondereigentum und der Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum bilden zusammengenommen steuerrechtlich ein einheitliches Wirtschaftsgut „Eigentumswohnung”, das mit dem Kaufpreis insgesamt angeschafft wird und gemäß § 7 Abs. 4 und 5 i.V.m. § 7 Abs. 5a EStG (ohne Grund und Boden) einheitlich abzuschreiben ist.

cc) Die Möglichkeit einer (höheren) Sonderabschreibung hinsichtlich des anteiligen Gemeinschaftseigentums ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung des FG auch nicht aus § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG. Danach ist die Anschaffung eines abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsguts, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen, begünstigt, soweit Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten nach Abschluss des Kaufvertrages durchgeführt worden sind. Der Gesetzgeber wollte hierdurch nach der Anschaffung eines Gebäudes durchgeführte Baumaßnahmen begünstigen (so auch , juris-Nr. STRE200270469; , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1998, 46). Anschaffungskosten, die mit dem Erwerb vor Modernisierung eines Gebäudes zusammenhängen, sind nach § 3 FördG folglich nicht begünstigt (ebenso Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 7a EStG Rz. 37; Blümich/Stuhrmann, § 3 FördG Rz. 39; Kaligin in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 3 FördG Anm. 22a). Gleiches bringt § 4 Abs. 3 FördG zum Ausdruck.

dd) Die erhöhten Begünstigungen des Fördergebietsgesetzes für nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem vorhandenen abnutzbaren Wirtschaftsgut können auf einen dem Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum zuzuordnenden Kaufpreisanteil auch nicht entsprechend angewendet werden. Es fehlt dazu an einer planwidrigen Unvollständigkeit der Regelungen des Fördergebietsgesetzes.

Der besonders gelagerte Fall, dass sich der Erwerber einer im Dachgeschoss eines Sanierungsobjektes neu geschaffenen Eigentumswohnung mittelbar auch —über sein anteiliges Gemeinschaftseigentum— an der Sanierung des Gebäudes beteiligt, rechtfertigt für den Anteil am Gemeinschaftseigentum keine höhere Förderung. Denn der Entschluss des Steuerpflichtigen zur Investition, den das Fördergebietsgesetz anregen will, umfasst bei der Anschaffung einer neu hergestellten Eigentumswohnung stets die Eigentumswohnung insgesamt, so dass eine anteilige höhere Förderung des Anteils am Gemeinschaftseigentum keinen zusätzlichen Investitionsanreiz schaffen würde.

b) Weil das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1067 Nr. 6
HFR 2006 S. 589 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2006 S. 10
BAAAB-81738