Arbeitslohn bei mehr als zwei Betriebsveranstaltungen pro Kalenderjahr
Leitsatz
Führt ein Arbeitgeber pro Kalenderjahr mehr als zwei Betriebsveranstaltungen für denselben Kreis von Begünstigten durch, so wird ab der dritten Veranstaltung Arbeitslohn zugewendet.
Gesetze: EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt seit 1983 eine Steuerberater-Praxis. Er führte im Streitjahr 1993 für seine Arbeitnehmer einen Betriebsausflug, eine Karnevalsfeier und eine Weihnachtsfeier durch. Außerdem veranstaltete der Kläger anlässlich des 10-jährigen Bestehens seiner Steuerberater-Praxis für seine Arbeitnehmer ein Abendessen mit anschließendem geselligem Beisammensein. Für diese Jubiläumsfeier entstanden dem Kläger Kosten in Höhe von 2 451 DM. Der Kläger beschäftigte rund 40 Arbeitnehmer.
Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) der Auffassung, die Aufwendungen des Klägers für die Karnevals- und die Jubiläumsfeier seien steuerpflichtiger Arbeitslohn. Er forderte vom Kläger unter Anwendung der Pauschalierung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer nach.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage wandte sich der Kläger gegen die Erfassung seiner Aufwendungen für die Jubiläumsfeier als Arbeitslohn. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Bei den anlässlich der Jubiläumsfeier den Arbeitnehmern zugewandten Vorteilen handele es sich um übliche Zuwendungen im Rahmen einer Betriebsveranstaltung. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Annahme einer Vorteilszuwendung gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitgeber jährlich mehr als zwei Betriebsveranstaltungen durchführe. Deshalb habe das FA zu Recht in der Karnevalsfeier eine lohnsteuerpflichtige Zuwendung gesehen. Anders verhalte es sich aber mit der Jubiläumsfeier. Diese Feier sei auch neben dem Betriebsausflug und der Weihnachtsfeier als üblich anzusehen. Es sei üblich, betriebliche Jubiläen im Rahmen einer Betriebsveranstaltung zu feiern und in Jahren, in denen Betriebsjubiläen gefeiert werden, nicht deswegen andere übliche Betriebsveranstaltungen zu streichen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Der BFH habe die Zahl der Betriebsveranstaltungen, die als im eigenbetrieblichen Interesse liegend zu werten seien, zu Recht auf zwei begrenzt. Ohne eine solche Begrenzung könne der Arbeitgeber durch Ausdehnung des Katalogs der „üblichen Veranstaltungen” diverse steuerfreie Zuwendungen erbringen. Hierdurch würden die gesetzlichen Steuerbefreiungsvorschriften unterlaufen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Zuwendungen des Klägers an seine Arbeitnehmer anlässlich der Jubiläumsfeier sind entgegen der Auffassung des FG Arbeitslohn i.S. von § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
1. Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die „für” seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Demgegenüber sind Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer kein Arbeitslohn, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse getätigt werden.
Aufwendungen des Arbeitgebers aus Anlass von Betriebsveranstaltungen können im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse liegen (, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529; vom VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655, und vom VI R 48/94, BFHE 182, 142, BStBl II 1997, 331). Ein solches eigenbetriebliches Interesse ist grundsätzlich zu bejahen, wenn der Arbeitgeber anlässlich von Betriebsveranstaltungen Aufwendungen tätigt, um den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern.
2. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Frage, ab wann die Zahl der jährlich durchgeführten Betriebsveranstaltungen der Annahme entgegensteht, der Arbeitgeber handele aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse.
a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist mit zwei Betriebsveranstaltungen eine Grenze erreicht, bei deren Überschreiten die zusätzlichen Zuwendungen als individuelle Belohnung der einzelnen Arbeitnehmer erscheinen (BFH-Urteile in BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529; vom VI R 49/84, BFHE 146, 262, BStBl II 1986, 575; vom VI R 24/84, BFHE 149, 172, BStBl II 1987, 355; vom VI R 22/88, BFH/NV 1991, 228; in BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655, und vom VI R 61/92, BFHE 175, 271, BStBl II 1995, 59).
Die FG sind dieser Rechtsprechung des BFH überwiegend gefolgt (z.B. , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1990, 314; , EFG 1993, 464).
Die herrschende Meinung im Schrifttum geht ebenfalls davon aus, dass bei Durchführung von mehr als zwei Betriebsveranstaltungen pro Kalenderjahr für denselben Kreis von Arbeitnehmern Arbeitslohn zugewendet wird (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 19 Rz. 50 „Betriebsveranstaltung"; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 19 EStG Anm. 228; Stache in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 19 Rz. 664; Herrmann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 19 Rz. 94; Eisgruber in Kirchhof, KompaktKommentar zum Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 19 Rn. 150 „Betriebsveranstaltungen"; Küttner/Thomas, Personalbuch 2005, Stichwort: Betriebsveranstaltung, Rz. 13; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: Betriebsveranstaltungen, Tz. 12; Giloy, Neue Wirtschafts-Briefe —NWB— Fach 6, 3451; ders., NWB Fach 6, 4315; a.A.: Albert/Heitmann, Der Betrieb —DB— 1986, 2568; Paus, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 1993, 528).
Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung gehören Zuwendungen des Arbeitgebers anlässlich von Betriebsveranstaltungen zum Arbeitslohn, wenn mehr als zwei gleichartige Veranstaltungen jährlich durchgeführt werden (vgl. R 72 Abs. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien —LStR—).
b) Der Senat hält nach erneuter Überprüfung der Rechtsfrage daran fest, dass Arbeitslohn zugewendet wird, wenn der Arbeitgeber pro Kalenderjahr mehr als zwei Betriebsveranstaltungen für denselben Kreis von Begünstigten durchführt. Denn in einem solchen Fall ist der Schluss gerechtfertigt, dass die den Arbeitnehmern dabei zukommenden Vorteile nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen, sondern dass die Dienste der Arbeitnehmer auf diesem Wege entgolten werden sollen.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung von Betriebsveranstaltungen in der Förderung des Kontakts der Arbeitnehmer untereinander und in der Verbesserung des Betriebsklimas zu sehen (grundlegend BFH-Urteil in BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529). Der Senat hat hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen des Arbeitgebers anlässlich von Betriebsveranstaltungen außerdem entschieden, dass diese bei Überschreiten einer bestimmten Freigrenze ein derartiges Eigengewicht erlangen, dass sie in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu werten sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655). Diese Rechtsprechung hat der Senat mit Urteil vom VI R 151/00 (zur Veröffentlichung bestimmt) bestätigt. Auch in anderem Zusammenhang hat der BFH mehrfach die zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers bestehende Wechselwirkung betont (, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726, und vom VI R 15/86, BFHE 159, 513, BStBl II 1990, 472). Je höher die Bereicherung des Arbeitnehmers anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse (vgl. , BFHE 148, 61, BStBl II 1987, 142, und vom VI R 10/03, BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770). Die Annahme, dass den Zuwendungen des Arbeitgebers bei Betriebsveranstaltungen Entlohnungscharakter zukommt, ist deshalb umso eher gerechtfertigt, je größer die Zahl der pro Jahr für denselben Kreis von Begünstigten durchgeführten Veranstaltungen ist. Bei mehr als zwei Betriebsveranstaltungen ist nach Auffassung des Senats nicht mehr davon auszugehen, dass das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers, den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern, soweit im Vordergrund steht, dass das Interesse der Arbeitnehmer an der Erlangung des Vorteils demgegenüber vernachlässigt werden kann. Vielmehr tritt die Verfolgung eigenbetrieblicher Interessen des Arbeitgebers in einem solchen Fall hinter die Vorteilsgewährung bei den weiteren Betriebsveranstaltungen zurück. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen konkreten Anlässen der Arbeitgeber die weiteren Betriebsveranstaltungen durchführt.
c) Betriebsveranstaltungen finden mehr als zweimal jährlich für denselben Kreis von Arbeitnehmern statt, wenn mehr als zwei solcher Veranstaltungen pro Jahr für dieselben Arbeitnehmer offen stehen. Das ist z.B. der Fall, wenn eine Veranstaltung für das gesamte Unternehmen, eine weitere für eine Zweigstelle und noch eine für eine Abteilung dieser Zweigstelle durchgeführt wird. Die Arbeitnehmer der betreffenden Abteilung der Zweigstelle können mithin an drei Veranstaltungen teilnehmen. Wird dagegen eine Betriebsveranstaltung für das gesamte Unternehmen, darüber hinaus jeweils eine Veranstaltung für die einzelnen Abteilungen sowie eine weitere Veranstaltung für die ehemaligen Arbeitnehmer (Pensionärstreffen) durchgeführt, so stehen für denselben Kreis von Arbeitnehmern nicht mehr als zwei Veranstaltungen offen. Unschädlich ist, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund eines funktionalen Wechsels (z.B. Eintritt in den Ruhestand, Versetzung) oder in Erfüllung beruflicher Aufgaben (z.B. als Personalchef, Betriebsratsmitglied) an mehr als zwei Veranstaltungen teilnimmt (vgl. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Rz. 50 „Betriebsveranstaltung"; Eisgruber in Kirchhof, a.a.O., § 19 Rn. 150 „Betriebsveranstaltungen”).
2. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen war, ist sein Urteil aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen. Der Kläger führte nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz im Streitjahr mehr als zwei Betriebsveranstaltungen für denselben Kreis von Begünstigten durch. Das FA hat die Aufwendungen des Klägers für die Jubiläumsfeier deshalb zu Recht als steuerpflichtigen Arbeitslohn beurteilt.
Der Streitfall ist auch nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, der dem (BFHE 201, 283, BStBl II 2003, 724) zugrunde lag. In jenem Fall war eine Feier des Arbeitgebers zu beurteilen, an der neben einigen Arbeitnehmern im Wesentlichen Geschäftspartner des Arbeitgebers, Vertreter anderer Unternehmen und Verbände, Angehörige des öffentlichen Lebens sowie die Presse teilnahmen. Im Streitfall handelte es sich dagegen nach den vom FG getroffenen, den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) um eine Jubiläumsfeier für die Arbeitnehmer des Klägers in Form eines gemeinsamen Abendessens mit anschließendem geselligem Beisammensein. Eine solche, als Betriebsveranstaltung ausgestaltete Feier aus Anlass des Praxis-Jubiläums ist nicht vergleichbar mit einer Jubiläums-Feier, die der Präsentation des Unternehmens nach außen dient und an der im Wesentlichen Geschäftspartner, Vertreter des öffentlichen Lebens sowie die Presse teilnehmen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 440
BB 2006 S. 595 Nr. 11
BBK-Kurznachricht Nr. 7/2006 S. 342
BFH/NV 2006 S. 861 Nr. 4
BStBl II 2006 S. 440 Nr. 9
DB 2006 S. 593 Nr. 11
DStRE 2006 S. 403 Nr. 7
EStB 2006 S. 131 Nr. 4
FR 2006 S. 511 Nr. 11
GStB 2006 S. 14 Nr. 4
HFR 2006 S. 467 Nr. 5
KÖSDI 2006 S. 15041 Nr. 4
NJW 2006 S. 1760 Nr. 24
SJ 2006 S. 10 Nr. 7
StBW 2006 S. 4 Nr. 6
StBp. 2006 S. 136 Nr. 4
StBp. 2007 S. 56 Nr. 2
StuB-Bilanzreport Nr. 6/2006 S. 242
WPg 2006 S. 913 Nr. 14
MAAAB-78351