OFD Frankfurt am Main - S 2400 A - 33 - St II 1.04

Freistellungsauftrag

Bezug:

1. Allgemeines

Nach § 44a Abs. 1 EStG kann bei Kapitalerträgen i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 4, 7 und 8 sowie Satz 2 EStG, die einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Gläubiger zufließen, eine Abstandnahme vom Steuerabzug nicht nur durch Vorlage einer sog. NV-Bescheinigung des Wohnsitzfinanzamts (§ 44a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 EStG), sondern auch durch Vorlage eines Freistellungsauftrags des Gläubigers der Kapitalerträge (§ 44a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG) erreicht werden.

2. Freistellungsvolumen

Bei Vorlage eines Freistellungsauftrags ist der Steuerabzug bei den unter 1. aufgeführten Kapitalerträgen nicht vorzunehmen, soweit die maßgeblichen Kapitalerträge den Sparer-Freibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG (derzeit 1370/2740 €) und den Werbungskosten-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG (derzeit 51 €/102 €) nicht übersteigen (§§ 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 EStG).

Bei den für das Freistellungsvolumen maßgeblichen Kapitalerträgen handelt es sich um die Kapitalerträge, für die eine Abstandnahme vom Steuerabzug oder die Erstattung der KapSt nach § 44b EStG erreicht werden kann; dies sind im einzelnen:

Da eine Freistellung nur bei Einkünften aus Kapitalvermögen in Betracht kommt, kann ein steuerlich wirksamer Freistellungsauftrag nicht erteilt werden, wenn die Kapitalerträge nach der Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 3 EStG bei einer anderen Einkunftsart zu erfassen sind.

3. NV-Bescheinigungen und Freistellungsauftrag

Das neben dem Freistellungsauftrag auch weiterhin anwendbare NV-Bescheinigungsverfahren erlangt insbesondere in den Fällen Bedeutung, in denen die Einnahmen aus Kapitalvermögen zwar das Freistellungsvolumen i.S.d. § 44a Abs. 1 Nr. 1 EStG überschreiten, die Kapitaleinkünfte oder andere Gründe jedoch nicht zu einer Veranlagung führen.

4. Unvollständiger Freistellungsauftrag

Freistellungsaufträge sind grundsätzlich vollständig auszufüllen. Von einer Unwirksamkeit des Freistellungsauftrags kann nur dann ausgegangen werden, wenn aus dem Auftrag nicht ersichtlich ist,

ob es sich um einen Einzel-Freistellungsauftrag oder einen gemeinsamen Freistellungsauftrag für Ehegatten handelt;

wer bei einem Einzel-Freistellungsauftrag der Auftraggeber ist oder bei einem gemeinsamen Freistellungsauftrag von Ehegatten die Auftraggeber sind. Dabei reicht die Angabe des Namens im Regelfall aus, wenn der Sammelantragsberechtigte die weiteren Angaben im Sammelantragsverfahren und der Meldung nach § 45d EstG zutreffend beistellt;

in welchem Umfang das Freistellungsvolumen mit dem einzelnen Auftrag ausgeschöpft werden soll;

ab welchem Kalenderjahr der Freistellungsauftrag gelten soll

und die Unterschrift des Auftraggebers oder der Auftraggeber oder des Vertreters fehlt oder fehlen.

Die Angabe des Geburtsdatums des Steuerpflichtigen oder des Ehegatten im Vordruck ist nicht für die Wirksamkeit des Freistellungsauftrags erforderlich.

Für die Wirksamkeit des Freistellungsauftrags und die Annahme einer Inkassovollmacht ist es ausreichend, wenn der Sammelantragsberechtigte im Besitz des entsprechend ausgefüllten Freistellungsauftrags ist, selbst wenn er sich nicht als Adressat aus dem Wortlaut des Auftrags ergibt. Insoweit gelten die Grundsätze zur Anscheinsvollmacht.

5. Freistellungsauftrag bei Ehegatten

Erteilt ein verheirateter Sparer dem Kreditinstitut einen Freistellungsauftrag bis zu 1.421 €, der nicht von beiden Ehegatten unterschrieben wurde, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Sparer damit konkludent erklärt, getrennt veranlagt zu werden. Eine solche Vermutung entbehrt jeder Grundlage. Das Einkommensteuergesetz geht in § 26 Abs. 3 EStG bei Ehegatten von der Zusammenveranlagung aus. Zusammenveranlagten Ehegatten wird ein gemeinsamer Sparer-Freibetrag gewährt; daher ist wegen der Versicherung, das Freistellungsvolumen nicht zu überschreiten, für die Erteilung eines wirksamen Freistellungsauftrages bei Verheirateten die Unterschrift beider Ehegatten unverzichtbar.

Hat ein Kontoinhaber geheiratet, verliert der von diesem allein erteilte Freistellungsauftrag mit dem Tag der Heirat für eine Abstandnahme vom Zinsabschlag seine Wirksamkeit. Liegt zum Zeitpunkt des Zuflusses von Kapitalerträgen kein von beiden Ehegatten unterschriebener Freistellungsauftrag vor, hat das Kreditinstitut den Zinsabschlag einzubehalten.

6. Geltungsdauer des Freistellungsauftrags

Kapitalerträge sind einem Steuerpflichtigen steuerlich grundsätzlich nur bis zu seinem Tode zuzurechnen. Nach seinem Tode sind Gläubiger der Kapitalerträge seine Erben. Sofern der Kontoinhaber einen Freistellungsauftrag erteilt hatte, hat das Kreditinstitut diesen grundsätzlich nur bis zum Todestag des Kontoinhabers zu berücksichtigen. Erfährt das Kreditinstitut erst verspätet vom Tod des Kontoinhabers, so besteht eine Verpflichtung zur Nachholung des Zinsabschlags nicht. Grob fahrlässige Unkenntnis führt zur Haftung.

In Fällen, in denen ein Kreditinstitut Kenntnis davon erlangt, dass für Kunden, die als Ehegatten einen gemeinsamen Freistellungsauftrag erteilt haben, die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nicht mehr vorliegen, hat es den Freistellungsauftrag nicht mehr zu berücksichtigen, sondern den Steuerabzug vorzunehmen. Es hat den Freistellungsauftrag nach § 671 BGB zu kündigen. Dies kann konkludent durch Nichtberücksichtigung des Freistellungsauftrags geschehen.

Erfährt das Kreditinstitut erst verspätet von der Scheidung eines Kontoinhabers, so besteht eine Verpflichtung zur Nachholung des Zinsabschlags nicht.

Die Wirkung eines gemeinsam erteilten Freistellungsauftrages von zusammenveranlagten, nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten entfällt im Todesfall eines Ehegatten jedoch nicht für solche Kapitalerträge, die der überlebende Ehegatte im Todesjahr auf seinem eigenen Konto erzielt.

Da dem überlebenden Ehegatten im Todesjahr noch der gemeinsame Sparer-Freibetrag und der doppelte Werbungskosten-Pauschbetrag zusteht, ist es sachgerecht, wenn der gemeinsame Freistellungsauftrag bis zum Ende des laufenden Veranlagungszeitraums noch für solche Kapitalerträge beachtlich bleibt, bei denen die alleinige Gläubigerstellung des überlebenden Ehegatten feststeht. Die Gläubigeridentität nach § 44a Abs. 6 EStG ist in diesen Fällen gegeben.

Für Gemeinschaftskonten der Eheleute und Konten, die auf den Namen des Verstorbenen geführt werden, entfaltet der gemeinsam erteilte Freistellungsauftrag hingegen keine Wirkung mehr. Von den Kapitalerträgen solcher Konten ist daher nach dem Todesfall der Zinsabschlag einzubehalten.

7. Beendigung eines Freistellungsauftrages

Nach vollständiger Auflösung einer Kundenbeziehung gilt für die Frage des Fortbestehens eines ohne zeitliche Befristung erteilten Freistellungsauftrages – sofern keine ausdrückliche Erklärung des Kunden vorliegt – folgendes:

  1. In der Auflösung der Geschäftsverbindung liegt keine (wirksame) Erklärung des Kunden, dass er den Freistellungsauftrag für das laufende Jahr bis zur Höhe des bereits ausgenutzten Betrags herabsetze. Eine solche Herabsetzung ist nämlich nur dann wirksam, wenn sie schriftlich geschieht, und zwar unter Verwendung des amtlich vorgeschriebenen Vordrucks „Freistellungsauftrag” (vgl. BStBl 2004 I S. 335). Dies gilt auch dann, wenn der Freistellungsauftrag bisher noch nicht ausgenutzt wurde.

  2. Anders ist es in bezug auf die späteren Jahre. Der Kunde, der die Geschäftsverbindung zu seinem früheren Institut beendet hat, wird ab dem folgenden Jahr nicht mehr an den Freistellungsauftrag denken, den er jenem Institut erteilt hat, oder er wird ihn für gegenstandslos halten. Wenn er Geld- und/oder Depotkonten bei einem anderen Kreditinsitut eröffnet, wird er diesem einen (neuen) Freistellungsauftrag erteilen. Würde der dem bisherigen Institut erteilte Freistellungsauftrag als fortbestehend angesehen werden, so würde dies für den Kunden selbst, für die Finanzverwaltung und für die beteiligten Kreditinstitute zu unnötigen Problemen führen können. Unter Berücksichtigung der Interessenlage des Kunden ist in seinem Verhalten die konkludente Willenserklärung zu sehen, dass der dem bisherigen Kreditinstitut erteilte Freistellungsauftrag mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Geschäftsverbindung endete, auslaufen soll. Eine solche Erklärung ist formlos möglich, weil der Kunde ab dem folgenden Jahr von seinem früheren Institut keine Erträge mehr gutgeschrieben bekommt.

Für das Kalenderjahr, in dem die Geschäftsverbindung endete, muss das Kreditinstitut den ihm erteilten Freistellungsauftrag noch an das Bundesamt für Finanzen melden, für die Folgejahre aber nicht mehr.

8. Vordruck

Der Freistellungsauftrag ist nach § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG mit einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck zu erteilen. Ein Muster dieses mit den Verbänden des Kreditgewerbes abgestimmten Vordrucks ist zuletzt mit im BStBl 2004 I S. 335 veröffentlicht worden (vgl. auch § 51 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. e) EStG).

Bereits nach dem vorläufigen Muster der Anlage zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung erteilte Freistellungsaufträge bleiben unter der Voraussetzung steuerlich wirksam, dass abweichende Geburtsnamen des Antragstellers und seines Ehegatten noch in den Freistellungsauftrag aufgenommen werden.

Dem Steuerpflichtigen soll eine Durchschrift oder Zweitausfertigung seines Auftrages zur Verfügung gestellt werden.

9. Vertretung bei der Erteilung von Freistellungsaufträgen.

Einer Vertretung bei der Erteilung von Freistellungsaufträgen steht weder § 150 AO, noch § 44a Abs. 2 Nr. 1 EStG i. V. m. dem amtlichen Muster des Freistellungsauftrags (vgl. zuletzt BStBl 2004 I S. 335) entgegen. Eine Verpflichtung des Steuerpflichtigen, den Freistellungsauftrag eigenhändig zu unterschreiben, kann aus beiden Vorschriften nicht abgeleitet werden.

10. Erteilung von Freistellungsaufträgen per Telefax

Es bestehen keine Bedenken gegen die Erteilung eines Freistellungsauftrags per Telefax.

Wegen weiterer Einzelfragen zur Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug wird auf die und (KSt-Kartei zu § 44 KStG Karte 2, , ) verwiesen.

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Fundstelle(n):
QAAAB-77022