BFH Urteil v. - VII R 63/03 BStBl 2005 II S. 591

Feststellung von Steuerforderungen in der Insolvenz

Leitsatz

1. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners ist die Feststellung einer vor Insolvenzeröffnung mit einem Einspruch angefochtenen und im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter bestrittenen Steuerforderung durch Aufnahme des unterbrochenen Einspruchsverfahrens zu betreiben. Aufgrund der bereits festgesetzten Steuer kommt der Erlass eines Feststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO 1977 in einem solchen Fall nicht mehr in Betracht.

2. Ist eine Steuerforderung gegenüber dem Insolvenzverwalter durch eine Einspruchsentscheidung bestandskräftig festgestellt worden, fehlt einer Klage auf Feststellung, dass die Finanzbehörde den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis wirksam und bestandskräftig als Insolvenzforderung gegenüber dem Insolvenzverwalter festgestellt hat, das Feststellungsinteresse.

Gesetze: AO 1977 § 251 Abs. 3InsO § 180 Abs. 2InsO § 185

Instanzenzug: (EFG 2004, 14)

Gründe

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der C-GmbH bestellt. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte die C-GmbH gegen zwei Körperschaftsteuerbescheide Einspruch eingelegt. Im Termin zur Prüfung der angemeldeten Forderungen bestritt der Kläger die vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) angemeldeten Forderungen aus den beiden angefochtenen Körperschaftsteuerbescheiden. Daraufhin erließ das FA am einen mit „Einspruchsentscheidung” überschriebenen Verwaltungsakt, in dem u.a. ausgeführt wird: „In der o.g. Einspruchssache wird wie folgt entschieden: Die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Einspruchsverfahren werden, nachdem die angemeldeten Forderungen im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter bestritten worden sind, aufgenommen und in das Feststellungsverfahren übergeleitet (§§ 179 Abs. 1 und 2, 180 Abs. 2, 185 InsO). Die angemeldeten Forderungen werden gemäß § 251 Abs. 3 AO wie folgt als Insolvenzforderungen festgestellt: ...” Danach erfolgt eine Aufstellung der geltend gemachten Steuerforderungen nebst Säumniszuschlägen und eine Rechtsbehelfsbelehrung. Nach dieser folgen drei weitere Seiten die mit „Gründe” überschrieben sind. Auf Seite fünf des Bescheides befindet sich deutlich vom übrigen Text abgesetzt und in Fettdruck folgender Satz: „Die Einsprüche der Ef'in gegen die obig aufgeführten Bescheide und der Widerspruch des Insolvenzverwalters gegen die zur Tabelle angemeldeten Forderungen sind unbegründet.” Unter Bezugnahme auf ein Erörterungsschreiben vom wird weiter ausgeführt, dass das FA im Rahmen einer erneuten Prüfung der gesamten Fallumstände i.S. des § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) in tatsächlicher wie auch rechtlicher Hinsicht nicht zu erkennen vermöge, dass die Einspruchsführerin durch die angefochtenen Bescheide in ihren Rechten verletzt werde. Auch seien die Einspruchsführerin als auch der Insolvenzverwalter ihren „ganz erheblichen Mitwirkungspflichten säumig verblieben”.

Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch verwarf das FA mit Einspruchsentscheidung vom als unzulässig. Zur Begründung führte es aus, dass die als Insolvenzforderungen festgestellten Ansprüche mangels Erhebung einer Klage bestandskräftig geworden seien.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die Einspruchsentscheidung vom auf und stellte zugleich die Nichtigkeit der Einspruchsentscheidung vom fest. Es urteilte, dass der Feststellungsbescheid die Entscheidung über den Einspruch nicht hätte ersetzen können. Da die Einspruchsentscheidung keine Entscheidungsformel aufweise, führe dieser als „offenkundig” einzustufende Fehler gemäß § 125 AO 1977 zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung von § 179 Abs. 1 und 2, § 180 Abs. 2, § 181 und § 185 der Insolvenzordnung (InsO) und §§ 125, 127, 251 Abs. 3 und § 367 Abs. 1 AO 1977 geltend. Es ist der Ansicht, dass das FG den Begriff „Feststellung” in § 180 Abs. 2 und § 185 Satz 1 InsO verkenne. Nicht gemeint sei damit die Fortsetzung des Steuerfestsetzungsverfahrens. Als Forderung i.S. von §§ 178 und 179 Abs. 1 InsO sei das Haftungsrecht des Gläubigers an der Masse anzusehen. Die Feststellung einer Forderung, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Gegenstand eines Rechtsstreits gewesen ist, sei nach § 180 Abs. 2 InsO durch Aufnahme dieses Rechtsstreits zu betreiben. Insoweit sei die Erhebung einer selbstständigen Feststellungsklage ausgeschlossen. Gegenstand des Insolvenzfeststellungsstreits sei jedoch nicht der gegen den Schuldner persönlich gerichtete Anspruch, sondern das Haftungsrecht des Gläubigers an der Masse. Hierzu bedürfe es einer Umstellung des Antrages, der nunmehr auf die Feststellung zu richten sei, dass für die geltend gemachte Forderung ein Insolvenzgläubigerrecht zustehe. Hinsichtlich des Rechtsweges enthalte § 185 InsO eine Spezialregelung nach der für Steuerforderungen die FG bzw. die Finanzbehörden zuständig seien. Eine im Prüfungstermin bestrittene Forderung sei vom zuständigen FA gemäß § 251 Abs. 3 AO 1977 durch schriftlichen Verwaltungsakt festzustellen, der das verwaltungsrechtliche Gegenstück zum Feststellungsurteil nach § 183 InsO sei. Bei einem Widerspruch gegen eine titulierte Steuerforderung sei dagegen nach herrschender Meinung ein Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO 1977 nicht erforderlich.

Im Streitfall sei das FA zur Aufnahme des Einspruchsverfahrens berechtigt gewesen. Allerdings beziehe sich der Streitgegenstand nicht mehr auf die ursprünglich angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide, sondern auf die Feststellung des bestrittenen Insolvenzgläubigerrechts. Der Tenor der Einspruchsentscheidung müsse daher dem Tenor eines positiven Feststellungsurteils entsprechen. § 251 Abs. 3 AO 1977 schreibe nicht vor, in welchem Verfahren die Feststellung zu erfolgen habe. Deshalb könne die Feststellung von Insolvenzforderungen auch erstmals durch eine Einspruchsentscheidung erfolgen. Dies ergebe sich aus § 185 i.V.m. § 180 Abs. 2 InsO, nach dem die Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits (d.h. auch im Einspruchsverfahren) zu betreiben sei. Die mit der Feststellung des Insolvenzgläubigerrechts in der Einspruchsentscheidung verbundene Verkürzung des Instanzenzuges nehme das Gesetz im Interesse der Prozessökonomie in Kauf. Soweit im Tenor der Einspruchsentscheidung § 251 Abs. 3 AO 1977 benannt worden sei, komme darin nicht zum Ausdruck, dass das FA neben der Einspruchsentscheidung noch einen weiteren Verwaltungsakt habe erlassen wollen. Vielmehr sei lediglich die Rechtsgrundlage für die Feststellung angegeben worden.

Selbst wenn davon auszugehen sei, dass der Bescheid auf eine unzutreffende Rechtsgrundlage gestützt worden sei, führe dieser Mangel nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes. Denn entgegen der Ansicht des FG enthalte die Einspruchsentscheidung einen Tenor, aus dem sich eindeutig entnehmen lasse, wie das FA entschieden habe. Deshalb komme im Streitfall § 127 AO 1977 zur Anwendung, so dass ein Aufhebungsgrund nicht vorliege.

Das FA beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie festzustellen, dass der Beklagte die im Tenor der Einspruchsentscheidung einzeln bezeichneten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis wirksam und bestandskräftig gemäß §§ 185, 180 Abs. 2 InsO als Insolvenzforderungen gegenüber dem Kläger festgestellt habe.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage. Das FG hat zu Unrecht die Nichtigkeit der Einspruchsentscheidung vom festgestellt.

1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz leidet der Bescheid des FA vom nicht an einem besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler, der gemäß § 125 AO 1977 zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führt.

a) Ein solcher Fehler wird von der Rechtsprechung insbesondere dann angenommen, wenn der Verwaltungsakt die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maß verletzt, dass von niemand erwartet werden kann, ihn als verbindlich anzuerkennen (, BFHE 150, 70, BStBl II 1987, 592). Der Fehler muss von einem solchen Ausmaß und einer solchen Schwere sein, dass er den davon betroffenen Akt der öffentlichen Gewalt als mit der rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar und damit schlechterdings unerträglich erscheinen lässt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 125 AO 1977 Rdnr. 4, m.w.N.).

b) Im Streitfall vermag der erkennende Senat einen solch schwerwiegenden Fehler nicht zu erkennen. Der Inhalt eines Bescheides ist gemäß § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach dem objektiven Erklärungswert zu bestimmen (, BFHE 183, 496, BStBl II 1998, 176), wobei Unklarheiten in der Entscheidungsformel durch Auslegung beseitigt werden können. Maßgebend ist, wie der Einspruchsführer die Entscheidung nach den ihm bekannten Umständen bei verständiger Würdigung verstehen konnte (vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 367 AO 1977 Rdnr. 219, m.w.N.). Unter Beachtung dieser Grundsätze hätte der Einspruchsführer den Bescheid als Einspruchsentscheidung verstehen können. Denn in der Überschrift wird der Bescheid ausdrücklich als Einspruchsentscheidung und damit als Entscheidung über die eingelegten Rechtsbehelfe ausgewiesen. Aus dem Inhalt der Entscheidung geht auch deutlich die Intention des FA hervor, das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochene Rechtsbehelfsverfahren wieder aufzunehmen. Des Weiteren enthält die Einspruchsentscheidung —wenn auch an nicht hervorgehobener Stelle— eine Einspruchsformel. In ihr werden die angemeldeten Forderungen gemäß § 251 Abs. 3 AO 1977 als Insolvenzforderungen festgestellt. Damit entspricht der Tenor des Bescheides dem eines positiven Feststellungsurteils, das bei anderen streitigen Forderungen als Steueransprüchen gemäß § 180 Abs. 1 i.V.m. § 183 Abs. 1 InsO auf eine entsprechende Klage im ordentlichen Verfahren ergehen müsste. Auch enthält der Bescheid die eindeutige Aussage, dass die Einsprüche und der Widerspruch als unbegründet erachtet werden. In diesem Zusammenhang vermag der Senat der Deutung des FG nicht zu folgen, dass der Einspruchsentscheidung ein neben diesem Verwaltungsakt bestehender Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO 1977 zu entnehmen sei. In der Feststellung der angemeldeten Forderungen ist vielmehr ein unselbstständiger Bestandteil der Einspruchsentscheidung zu sehen.

2. Wie das FA in der Revisionsbegründung zu Recht ausgeführt hat, hätte ein Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO 1977 aufgrund der bereits erfolgten Festsetzung der Körperschaftsteuer auch nicht ergehen dürfen.

a) Liegt nämlich im Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bereits ein vom Schuldner angefochtener Steuerbescheid über die im Prüfungstermin vom FA angemeldete und vom Insolvenzverwalter bestrittene Steuerforderung vor, so ist nach § 180 Abs. 2 i.V.m. § 185 InsO die Feststellung durch Aufnahme des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Rechtsbehelfsverfahrens oder —bei Anhängigkeit einer Klage— durch Aufnahme des Rechtsmittelverfahrens zu betreiben (vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 5. Aufl., S. 261 f.; Loose in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 251 AO 1977 Rdnr. 67; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 251 Rdnr. 32; Weis in Hess/Weis/ Wienberg, Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 185 Rdnr. 13; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 185 Rdnr. 5; Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 180 Rdnr. 18; Farr, Die Reichweite rechtsfehlerhafter Feststellungsbescheide, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2003, 345, 347).

Die bisherige Rechtsprechung des BFH steht dem nicht entgegen. In zwei Urteilen zur Rechtslage nach der Reichsabgabenordnung (RAO) hat der BFH zwar einerseits einen Feststellungsbescheid hinsichtlich bereits bestandskräftiger Umsatzsteuerbescheide unbeanstandet gelassen (, BFHE 141, 7, BStBl II 1984, 545), ohne dass dies jedoch entscheidungserheblich gewesen wäre, andererseits aber in einer späteren Entscheidung ausgeführt, dass die Betreibung der Feststellung von bestrittenen Steuerforderungen durch die Feststellung des FA gemäß § 226a RAO erfolge, sofern die Steuern noch nicht vor Konkurseröffnung durch einen Steuerbescheid festgesetzt und damit i.S. von § 146 Abs. 6 der Konkursordnung (KO) tituliert seien (, BFHE 149, 98, BStBl II 1987, 471). Eine Abweichung von diesem Grundsatz, der auf die Folgebestimmung, nämlich § 251 Abs. 3 AO 1977, übertragbar ist, lässt sich auch dem (BFH/NV 2000, 548) nicht entnehmen. Erlässt das FA trotz Vorliegens eines Steuerbescheides einen Feststellungsbescheid, ist dieser zwar wirksam, jedoch als rechtswidrig anzusehen (, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2002, 1274).

b) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist für einen gesonderten Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO 1977 neben einem fortzuführenden Rechtsbehelfsverfahren deshalb kein Raum, weil es an der Erforderlichkeit eines Feststellungsverfahrens fehlt. Denn auch im Rahmen des fortzuführenden Einspruchsverfahrens hat die Prüfung der Berechtigung des FA zu erfolgen, eine bestimmte Steuerforderung als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden. Zwar ist eigentlicher Gegenstand des Einspruchsbescheides —ebenso wie Gegenstand eines Feststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO 1977— nicht die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Bescheides, sondern die rechtmäßige Beanspruchung einer Steuerforderung als Insolvenzforderung (, BFHE 151, 345, BStBl II 1988, 199), doch setzt das Haftungsrecht des FA an der Masse neben der Anmeldbarkeit der geltend gemachten Forderung im Insolvenzverfahren auch den Bestand der Steuerforderung voraus (Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 180 Rdnr. 18). Die Begründung der Einspruchsentscheidung wie auch die Begründung eines nach § 251 Abs. 3 AO 1977 zu erlassenden Feststellungsbescheides hat sich daher auch auf die Rechtmäßigkeit der Steuerforderung zu erstrecken (vgl. Jaeger, Konkursordnung, 8. Aufl., § 146 Rdnr. 20; danach ist der Feststellungsbescheid nicht als Steuerbescheid, sondern als reine, die Widerspruchsgründe würdigende Feststellung zu erlassen).

Auf den so verstandenen Prüfungsumfang weist auch die Entstehungsgeschichte von § 251 AO 1977 hin. Dessen Vorgängervorschrift (§ 226a RAO) wurde durch § 162 Nr. 39 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom (BGBl I, 1477) eingeführt. Damit wurde erstmals eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für den Erlass eines Feststellungsbescheides geschaffen. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte zugleich die Frage geklärt werden, ob die ordentlichen Gerichte oder die FG bei Anmeldung von Steuerforderungen als bevorrechtigte Konkursforderungen über das Konkursvorrecht zu entscheiden haben. Mit dem Entwurf sollte die Frage dahin gehend geklärt werden, dass die dem Steuerrecht angehörige Entscheidung über das Bestehen der Steuerforderung und über den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit dem FG zusteht (BTDrucks IV/1446, S. 62 f.).

In Anbetracht dieses Befundes ist ein Erfordernis zum Erlass eines Feststellungsbescheides dann nicht anzuerkennen, wenn bereits ein angefochtener Steuerbescheid existiert und die Begründetheit des vom Insolvenzverwalter erhobenen Widerspruchs im Rahmen des fortzuführenden Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahrens überprüft werden könnte. Auch aus Gründen der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit verbietet es sich, zwei voneinander unabhängige Rechtsbehelfsverfahren über die selben Steuerforderungen zu betreiben und den Schuldner zwei parallel zu führenden Verfahren auszusetzen. Ein Wahlrecht der Finanzbehörde (vgl. Abs. 61 der Vollstreckungsanweisung vom —BStBl I, 112—, Stand Februar 2002), das durch die Insolvenzeröffnung unterbrochene Einspruchsverfahren aufzunehmen oder einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO 1977 zu erlassen, besteht demnach nicht.

Im Streitfall hat das FA das vor Insolvenzeröffnung anhängige Rechtsbehelfsverfahren in der nach der InsO gebotenen Weise wieder aufgenommen (zur Berechtigung des Gläubigers zur Wiederaufnahme des Rechtsstreits vgl. 8 C 73.85, Neue Juristische Wochenschrift 1989, 314; Frotscher, a.a.O., S. 361; Uhlenbruck, a.a.O., § 180 Rdnr. 13) und durch den Erlass einer Einspruchsentscheidung zu Ende geführt. Aus der Entscheidung folgt eine Zurückweisung der vor Insolvenzeröffnung eingelegten Einsprüche und des vom Insolvenzverwalter im Prüfungstermin erhobenen Widerspruchs.

3. Allerdings weist die Einspruchsentscheidung insoweit eine Besonderheit auf, als sich die Begründung der ablehnenden Entscheidung in der Feststellung der erneuten Prüfung des Falles und in dem Hinweis auf ein vorangegangenes Erörterungsschreiben und die Verletzung steuerlicher Mitwirkungspflichten erschöpft.

Selbst wenn darin eine fehlende oder unzureichende Begründung und damit eine Verletzung der oben dargestellten Begründungspflicht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der geltend gemachten Insolvenzforderung gesehen werden könnte, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Einspruchsentscheidung, sondern lediglich zu deren Rechtswidrigkeit (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 366 AO 1977 Rdnr. 16; Wedel in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 366 AO 1977 Rdnr. 10; sowie , BFH/NV 1996, 871). Infolgedessen hätte der Kläger gegen die den Widerspruch zurückweisende Einspruchsentscheidung Klage erheben müssen. Stattdessen hat er einen Einspruch eingelegt, den das FA zu Recht gemäß § 348 Nr. 1 AO 1977 als nicht statthaft verworfen hat. Da die Einspruchsentscheidung vom einen Rechtsfehler nicht erkennen lässt, muss der dagegen gerichteten Klage der Erfolg versagt bleiben.

4. Der Feststellungsantrag des FA ist dagegen zurückzuweisen, da insoweit ein Feststellungsinteresse nicht ersichtlich ist. Denn ein bestandskräftiger Feststellungsbescheid sowie eine rechtskräftige Entscheidung, durch die eine Forderung festgestellt wird, entfaltet Rechtswirkung gegenüber allen Insolvenzgläubigern (§ 183 Abs. 1 InsO). Die rechtskräftige Entscheidung bildet auch die Anspruchsgrundlage für eine vom Insolvenzgericht auf Antrag der obsiegenden Partei vorzunehmende Berichtigung der Insolvenztabelle (§ 183 Abs. 2 InsO). Insofern bedarf es keiner wiederholten gerichtlichen Feststellung, dass mit einer bestandskräftig gewordenen Verwaltungsentscheidung die Insolvenzforderungen festgestellt worden seien. Die bloße Befürchtung, die Berichtigung der Tabelle werde Schwierigkeiten bereiten, vermag das zu fordernde Feststellungsinteresse nicht zu begründen.

Da das FG seiner Entscheidung eine vom erkennenden Senat abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben. Wie bereits ausgeführt, war die Klage als unbegründet abzuweisen.

Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 591
BB 2005 S. 1552 Nr. 28
BB 2005 S. 2283 Nr. 42
BFH/NV 2005 S. 1406 Nr. 8
BStBl II 2005 S. 591 Nr. 15
DB 2005 S. 1435 Nr. 26
DStRE 2005 S. 850 Nr. 14
GStB 2005 S. 33 Nr. 9
HFR 2005 S. 818 Nr. 9
INF 2005 S. 601 Nr. 16
KFR 2005 S. 403 Nr. 11
KÖSDI 2005 S. 14745 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2006 S. 2926
SJ 2005 S. 13 Nr. 16
StB 2005 S. 286 Nr. 8
LAAAB-55657