Einheitsbewertung im Ertragswertverfahren für Grundsteuerzwecke
Leitsatz
Da sich die Frage der Verfassungswidrigkeit von Wertverzerrungen innerhalb der Einheitsbewertung des Grundvermögens nur noch unter dem Gesichtspunkt der Grundsteuerbelastung stellt und die im Ertragswertverfahren festgestellten Einheitswerte regelmäßig erheblich unter dem gemeinen Wert liegen, führt das Absehen von einer neuen Hauptfeststellung noch nicht zu einem Verstoß dieser Einheitswerte gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1BewG §§ 79 ff.
Instanzenzug: (EFG 2003, 1459) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—)
stellte den Einheitswert für das 1994 errichtete Einfamilienhaus der Kläger und Revisionskläger (Kläger) auf den im Ertragswertverfahren fest. Der Einspruch, mit dem die Kläger rügten, dass noch immer auf die Wertverhältnisse zum abgestellt werde, führte lediglich zu einer Herabsetzung des Einheitswerts. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1459 veröffentlichten Urteil mit der Begründung ab, die Feststellung des Einheitswerts sei verfassungsrechtlich zulässig gewesen, obwohl die letzte Hauptfeststellung auf den bereits lange zurückliege und deshalb Verwerfungen im Gefüge der Einheitsbewertung entstanden seien. Zwar komme es dadurch, dass die Finanzämter bei älteren Gebäuden in der Praxis nicht prüften, ob deren Ertragsfähigkeit durch grundlegende Renovierungen wesentlich gesteigert worden sei, zu einer Ungleichbehandlung in der Bewertung; diese Unstimmigkeiten führten jedoch noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der maßgebenden Vorschriften, da das Ertragswertverfahren ohnehin ein grob pauschalierendes Wertermittlungsverfahren sei. Die Höhe des festgestellten Einheitswerts sei ebenfalls nicht zu beanstanden.
Mit der Revision halten die Kläger an ihrer Auffassung fest, die Vorschriften über die Einheitsbewertung im Ertragswertverfahren seien verfassungswidrig, da sie die seit dem eingetretenen Entwicklungen im Bauwesen nicht hinreichend berücksichtigten und eine sachgerechte Bewertung in diesem Verfahren nicht mehr erfolge. Der Einheitswertbescheid habe deshalb nicht ergehen dürfen.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom und den Einheitswertbescheid vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FA hat den Einheitswertbescheid zu Recht erlassen. Verfassungsrechtliche Gründe standen dem nicht entgegen.
Die Frage, ob die Einheitsbewertung des Grundbesitzes allein deshalb verfassungswidrig ist, weil noch immer auf die Wertverhältnisse zum abgestellt wird, und ob von Verfassungs wegen eine neue Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes stattfinden muss, ist bereits mehrfach höchstrichterlich angesprochen worden. § 21 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) sah Hauptfeststellungen im Abstand von sechs Jahren vor. Diese Regelung ist durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung bewertungsrechtlicher Vorschriften und des Einkommensteuergesetzes vom (BGBl I, 1118) dergestalt endgültig außer Kraft gesetzt worden, dass nunmehr festgelegt ist, der Zeitpunkt der auf die Hauptfeststellung 1964 folgenden nächsten Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes werde abweichend von § 21 Abs. 1 BewG durch besonderes Gesetz bestimmt. Zu einer solchen gesetzlichen Anordnung einer neuen Hauptfeststellung ist es bisher nicht gekommen.
a) In seiner Stellungnahme zu dem Normenkontrollverfahren 1 BvL 18/81 und 1 BvL 20/82 vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat der Bundesfinanzhof (BFH) ausgeführt, berücksichtige man die Besteuerung sämtlicher Vermögensarten, bestünden große Bedenken, ob bei der Bewertung des Grundbesitzes die nach den Wertverhältnissen vom festgestellten Einheitswerte wegen des langen Hauptfeststellungszeitraums noch als Grundlage für eine gerechte Besteuerung hingenommen werden können. Diese Frage sei als Vorfrage zu beantworten, bevor in eine Prüfung eingetreten werden könne, ob sich auch innerhalb der Bewertung des Grundbesitzes verfassungswidrige Ungleichbehandlungen ergeben (zitiert im , 1 BvL 20/82, BVerfGE 74, 182, BStBl II 1987, 240, unter A.III.4.). Das BVerfG hat jedoch ein derartiges Rangverhältnis möglicher Verstöße gegen Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verneint und eine isolierte Prüfung der geltend gemachten Wertverzerrungen innerhalb der Einheitsbewertung des Grundvermögens für zulässig gehalten (BVerfGE 74, 182, BStBl II 1987, 240, unter B.III.). Inzwischen hat sich die Frage einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung des Grundbesitzes gegenüber anderen Vermögensarten erledigt, und zwar für die Zeit vor dem bzw. durch die Beschlüsse des (BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655) sowie 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671), wonach derartige Ungleichbehandlungen in der Zeit vor diesen Stichtagen hinzunehmen sind, und für die Zeit danach, indem der Gesetzgeber von einer Neuregelung der Vermögensteuer abgesehen und durch § 138 Abs. 1 Satz 1 BewG i.d.F. des Art. 1 Nr. 36 des Jahressteuergesetzes 1997 vom (BGBl I, 2049) die Maßgeblichkeit der Einheitswerte des Grundbesitzes für die Erbschaftsteuer aufgehoben hat.
Damit sind die Einheitswerte des Grundbesitzes —von besonderen Abgaben in der Landwirtschaft abgesehen— nur noch für die Grundsteuer von Bedeutung. Die Frage der Verfassungswidrigkeit von Wertverzerrungen innerhalb der Einheitsbewertung des Grundvermögens sowohl für die Zeit vor als auch nach den Stichtagen /1997 kann daher nur noch unter dem Gesichtspunkt der Grundsteuerbelastung aufgeworfen werden.
b) Beschränkt auf die Grundsteuer ist aber zu berücksichtigen, dass die im Ertragswertverfahren festgestellten Einheitswerte des Grundbesitzes regelmäßig erheblich unter dem gemeinen Wert liegen, so dass schwer vorstellbar ist, eine Neuregelung der Einheitsbewertung werde rückbezogen auf den oder den im Streitfall betroffenen Stichtag zu einer Herabsetzung der Einheitswerte für Ein- und Zweifamilienhäuser führen. Mit dieser Begründung hat das (BVerfGE 65, 160, BStBl II 1984, 20) die Vorlage des (BFHE 125, 188, BStBl II 1978, 446) als unzulässig angesehen, ohne auf frühere Bedenken wegen eines überlangen Hauptfeststellungszeitraums einzugehen (vgl. , BStBl II 1976, 637).
Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, das BVerfG werde im Rahmen eines von den Klägern letztlich angestrebten Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG auf Verfassungswidrigkeit der maßgebenden Vorschriften über die Einheitsbewertung der Ein- und Zweifamilienhäuser erkennen.
c) Sollte es aufgrund des lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts zu Ungleichmäßigkeiten bei der Feststellung der Einheitswerte im Ertragswertverfahren gekommen sein, hat dies noch nicht die Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit der maßgebenden Vorschriften über die Einheitsbewertung zur Folge. Wertverzerrungen bei der Bemessungsgrundlage sind bei der Grundsteuer wegen der geringeren steuerlichen Belastungswirkung verfassungsrechtlich in höherem Ausmaß hinnehmbar als bei der Vermögensteuer sowie der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer (, BFH/NV 2000, 1076). Auch etwaige Mängel beim Vollzug der Einheitsbewertung durch die Finanzverwaltung führen noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung, da diese auf einen korrekten Vollzug, nicht aber im Widerspruch dazu auf Ineffektivität angelegt sind (vgl. , BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C.II.1., m.w.N.).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 428
BFH/NV 2005 S. 1182 Nr. 7
BStBl II 2005 S. 428 Nr. 11
DB 2005 S. 1254 Nr. 23
DStRE 2005 S. 721 Nr. 12
INF 2005 S. 449 Nr. 12
KÖSDI 2005 S. 14660 Nr. 6
StB 2005 S. 242 Nr. 7
stak 2005 S. 0 Nr. 15
LAAAB-53353