BFH Beschluss v. - III B 1/04

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei behaupteter Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm; Höhe des Grundfreibetrags im Jahr 1997

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 32a

Instanzenzug:

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestands sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab.

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung verlangt eine substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist. Dazu ist auszuführen, dass die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen (vgl. , BFH/NV 2002, 217, m.w.N.).

Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so ist zur substantiierten Darlegung eine an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte Auseinandersetzung erforderlich (, BFH/NV 2003, 1059, m.w.N.). In der Beschwerdeschrift ist zu erläutern, gegen welche Verfassungsnormen die angewandte Rechtsnorm verstoßen soll; der geltend gemachte Verfassungsverstoß ist näher zu begründen. Dazu gehört insbesondere eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH (BFH-Beschlüsse vom III B 139/02, BFH/NV 2004, 187, 188, m.w.N.; vom II B 64/03, BFH/NV 2004, 1216; vom II B 152/02, BFH/NV 2004, 533).

Hinzu kommt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BFH Rechtsfragen, die ausgelaufenes oder auslaufendes Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt, sofern der Beschwerdeführer nicht besondere Gründe geltend macht, die ausnahmsweise ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen (, BFH/NV 2004, 336, m.w.N.).

2. Diesen gesetzlichen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

Sinngemäß misst der Kläger der bislang vom BFH noch nicht ausdrücklich entschiedenen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu, ob die Rück-Änderung der Höhe der durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 vom (BGBl I 1995, 1250), für 1997 von 12 095 DM (für 1996) auf 12 365 DM (für 1997) durch das JStG 1997 vom (BGBl I 1996, 2049) und der damit für 1997 in gleicher Höhe wie für 1996 fortgeführte Grundfreibetrag betragsmäßig verfassungskonform sei (vgl. Schöberle in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 32a Anm. A 115 b und c).

Der Kläger hat keinerlei Ausführungen dazu gemacht, weshalb der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehindert sein könnte, einen für einen künftigen Veranlagungszeitraum erhöhten Grundfreibetrag noch vor Beginn dieses Veranlagungszeitraums wieder zu verringern.

Der Kläger hat sich indes auch nicht anhand der in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäbe und der Äußerungen im Schrifttum zur Bemessung des von der Besteuerung freizustellenden Existenzminimums des Steuerpflichtigen selbst für das Streitjahr 1997 auseinander gesetzt.

Soweit Lindberg in Frotscher (Einkommensteuergesetz, § 32a Rz. 37) den Grundfreibetrag für 1996 für verfassungswidrig zu niedrig beurteilt, beruht diese Annahme auf seiner abweichenden Auffassung, wonach der Mehrbedarfszuschlag nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) a.F. in Höhe von 2 400 DM unverändert im Rahmen des Existenzminimums berücksichtigt werden müsse.

Das BVerfG hat zur Bemessung des Existenzminimums ausgeführt, von Verfassungs wegen seien existenzsichernde Aufwendungen nach dem tatsächlichen Bedarf —realitätsgerecht— zu bemessen. Dessen Untergrenze sei durch die Sozialhilfeleistungen konkretisiert, die das im Sozialstaat anerkannte Existenzminimum gewährleisten sollten, verbrauchsbezogen ermittelt und auch regelmäßig den veränderten Lebensverhältnissen angepasst würden. Mindestens das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stelle, müsse er auch dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen belassen. Die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden Positionen dürften zwar in einer vergröbernden, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternden Art und Weise typisiert werden, seien dabei aber so zu bemessen, dass die Abzugsbeträge in allen Fällen den existenznotwendigen Bedarf abdeckten, kein Steuerpflichtiger also infolge einer Besteuerung seines Einkommens darauf verwiesen werde, seinen existenznotwendigen Bedarf durch Inanspruchnahme von Staatsleistungen zu sichern (, BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174, 179).

Das Finanzgericht (FG) hat im angefochtenen Urteil darauf hingewiesen, dass die Sozialhilfeleistungen für das Streitjahr 1997 gegenüber dem Vorjahr nicht erhöht worden seien (vgl. auch Lindberg in Frotscher, a.a.O., § 32a Rz. 48 a.E.). Der Kläger hat, obwohl das FG bereits eine fehlende schlüssige Darlegung zu einer gleichwohl eingetretenen Erhöhung des sozialrechtlichen Existenzminimums, zumal im Vergleich zum vorangegangenen Jahr 1996 in der vorgesehenen Höhe von 270 DM, vermisst hat, auch mit der Beschwerde hierzu inhaltlich nichts ausgeführt.

Das BVerfG hat darüber hinaus dem Gesetzgeber zugebilligt, aus den unterschiedlichen sozialhilferechtlichen Sätzen einen Durchschnittsatz des nach Sozialhilferecht anerkannten Mindestbedarfs zu bilden und den Gesetzgeber nicht als verpflichtet angesehen, individuelle und regionale Besonderheiten zu berücksichtigen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, BStBl II 1994, 909, 915, m.w.N.; in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174, 199; ferner Wied in Blümich, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 32a Rz. 17; Siegel in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 32a EStG Anm. 27; Dziadkowski, Finanz-Rundschau 1995, 46, 47).

Bereits in dem zum Grundfreibetrag ergangenen Grundsatzbeschluss vom 2 BvL 5/91, 8/91 und 14/91 (BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413, 419) hat das BVerfG ausgeführt, das Existenzminimum könne —wenn auch nur annäherungsweise— am Maßstab der Sozialhilfeleistungen bestimmt werden. Des Weiteren geht es von einer generellen und typisierenden Freistellung des Existenzminimums aus (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413, 420; ferner , BFHE 196, 185, BStBl II 2001, 778, 780; ferner Lindberg in Frotscher, a.a.O., § 32a Rz. 40; Wied in Blümich, a.a.O., § 32a Rz. 39 mit einer Darstellung der Berücksichtigung der Regelsätze ab ).

Schließlich ist der Kläger bei der Frage nach der Höhe der Grundfreibeträge für 1996 und 1997 auch nicht auf die für die Bemessung bedeutsame Problematik eingegangen, ob der zum weggefallene sog. Mehrbedarfszuschlag gemäß § 23 Abs. 4 Nr. 1 BSHG a.F., der nach Auffassung des Senats (vgl. , BFH/NV 2003, 613, 614) nach der Änderung des BSHG (vgl. § 76 Abs. 2 a Nr. 1 BSHG n.F.) überwiegend nicht einen existenznotwendigen Bedarf des Erwerbstätigen abdeckt, gleichwohl weiterhin in die Berechnung einzubeziehen ist.

Im Übrigen hat der Senat im Urteil vom III R 55/03 (BFH/NV 2004, 1178) die Höhe des Grundfreibetrags für die Jahre 1996 und 1997 als verfassungsrechtlich unbedenklich beurteilt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1080 Nr. 7
XAAAB-52325