Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main - S 0130 A - 113 - St II 4.03

Steuergeheimnis

Bezug: BStBl 2005 I S. 3

1. Gegenstand des Steuergeheimnisses

Durch das Steuergeheimnis wird alles geschützt, was dem Amtsträger oder einer ihm gleichgestellten Person in einem der in § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bis c genannten Verfahren über den Steuerpflichtigen oder andere Personen bekannt geworden ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Tatsachen für die Besteuerung relevant sind oder nicht. Das Steuergeheimnis erstreckt sich demnach auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen oder juristischen Person. Zu den Verhältnissen zählen auch das Verwaltungsverfahren selbst, die Art der Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Maßnahmen, die vom Beteiligten getroffen wurden. So unterliegt z.B. auch dem Steuergeheimnis, ob und bei welcher Finanzbehörde ein Beteiligter steuerlich geführt wird, ob ein Steuerfahndungsverfahren oder eine Außenprüfung stattgefunden hat, wer für einen Beteiligten im Verfahren aufgetreten ist und welche Antrage gestellt worden sind. Geschützt werden auch auskunftspflichtige Dritte sowie Gewährspersonen, die den Finanzbehörden Angaben über steuerliche Verhältnisse anderer machen; § 30 Abs. 5 bleibt unberührt.

2. Verpflichteter Personenkreis

2.1 Das Steuergeheimnis haben Amtsträger und die in § 30 Abs. 3 genannten Personen zu wahren.

2.2 Amtsträger sind die in § 7 abschließend aufgeführten Personen.

2.3 Den Amtsträgern sind nach § 30 Abs. 3 gleichgestellt unter anderem die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist dies, wer, ohne Amtsträger zu sein, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluss. Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten aufgrund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist. Rechtsgrundlage für die Verpflichtung ist das Verpflichtungsgesetz vom (BGBl 1974 I S. 469, 547; BStBl 1974 I S. 380). Für eine Verpflichtung kommen z.B. Schreib- und Registraturkräfte, ferner Mitarbeiter in Rechenzentren sowie Unternehmer und deren Mitarbeiter, die Hilfstätigkeiten für die öffentliche Verwaltung erbringen (z.B. Datenerfassung, Versendung von Erklärungsvordrucken) in Betracht.

2.4 Sachverständige stehen Amtsträgern nur dann gleich, wenn sie von einer Behörde oder einem Gericht hinzugezogen werden.

3. Befugnis zur Offenbarung

Die Absätze 4 und 5 des § 30 erlauben die Offenbarung der in § 30 Abs. 2 geschützten Verhältnisse. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, nicht aber die Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Offenbarung ist jedes ausdrückliche oder konkludente Verhalten, auf Grund dessen Verhältnisse eines anderen bekannt werden können. Eine Offenbarung kann sich aus mündlichen, schriftlichen oder elektronischen Erklärungen, aber auch aus anderen Handlungen (z.B. Gewährung von Akteneinsicht, Kopfnicken usw.) oder Unterlassungen ergeben. Die Finanzbehörde ist, sofern eine der in § 30 Abs. 4 und 5 genannten Voraussetzungen vorliegt, zur Offenbarung befugt, jedoch nicht verpflichtet. Es gelten die Grundsätze des § 5. Bei der Entscheidung, ob dem Steuergeheimnis unterliegende Verhältnisse offenbart werden sollen, ist zu berücksichtigen, dass das Steuergeheimnis auch dazu dient, die Beteiligten am Besteuerungsverfahren zu wahrheitsgemäßen Angaben zu veranlassen. Ist die Befugnis zur Offenbarung nach § 30 gegeben und besteht gleichzeitig ein Auskunftsanspruch, der für sich allein das Steuergeheimnis nicht durchbricht, z.B. § 161 StPO, so ist die Finanzbehörde zur Auskunftserteilung verpflichtet.

4. Offenbarung zur Durchführung eines steuerlichen Verfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 1)

4.1 § 30 Abs. 4 Nr. 1 lässt eine Offenbarung zur Durchführung eines steuerlichen Verfahrens oder eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens zu. Es genügt, dass das Offenbaren für die Einleitung oder den Fortgang dieses Verfahrens nützlich sein könnte. Die Zulässigkeit ist nicht auf die Mitteilung von Tatsachen zwischen Finanzbehörden beschränkt (z.B. Mitteilungen zwischen Zollbehörden und Steuerbehörden, zwischen Finanzämtern und übergeordneten Finanzbehörden). Zulässig ist auch die Mitteilung an andere Behörden, soweit sie unmittelbar der Durchführung eines der oben genannten Verfahren dient, z.B. Mitteilungen an die Denkmalschutzbehörden im Bescheinigungsverfahren nach § 71 EStG.

Sofern Verwaltungsgerichte Verfahren in Steuersachen (insbesondere Realsteuersachen, Kirchensteuersachen) zu entscheiden haben, besteht eine Offenbarungsbefugnis wie gegenüber Finanzgerichten. Bei verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten in anderen als steuerlichen Verfahren dürfen die Finanzbehörden den Gerichten Auskünfte nur dann erteilen, wenn die Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 bis 5 zugelassen ist.

4.2 Auskünfte darüber, ob eine Körperschaft wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke steuerbegünstigt ist oder nicht, sind dem Spender nur dann zu erteilen, wenn

  • er im Besteuerungsverfähren die Berücksichtigung der geleisteten Spende beantragt (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. mit Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a).

  • die Körperschaft ihm den Tatsachen entsprechend mitgeteilt hat, dass sie zur Entgegennahme steuerlich abzugsfähiger Spenden berechtigt ist.

  • die Körperschaft wahrheitswidrig behauptet, sie sei zur Entgegennahme steuerlich abzugsfähiger Spenden berechtigt (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. mit Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a, vgl. auch § 85); die Richtigstellung kann öffentlich erfolgen, wenn die Körperschaft ihre wahrheitswidrige Behauptung öffentlich verbreitet.

Ansonsten ist der Spender bei Anfragen stets an die Körperschaft zu verweisen, sofern keine Zustimmung der Körperschaft zur Auskunftserteilung vorliegt.

4.3 Wird eine beantragte Steuerermäßigung, die von Einkommens- oder Vermögensverhältnissen Dritter abhängt (z.B. nach §§ 32, 33a EStG), abgelehnt, weil die Einkünfte und Bezüge bzw. das Vermögen gesetzliche Betragsgrenzen übersteigen, ist dies dem Steuerpflichtigen ohne Angabe des genauen Betrags mitzuteilen. Wird ein derartiger Ermäßigungsantrag im Hinblick auf die eigenen Einkünfte und Bezüge oder das Vermögen des Dritten teilweise abgelehnt, so darf dem Steuerpflichtigen die Höhe dieser Beträge mitgeteilt werden.

4.4 Der Erbe tritt als Gesamtrechtsnachfolger in die rechtliche Stellung des Erblassers ein (§ 1922 BGB; § 45 Abs. 1 Satz 1). Die Auskünfte, die dem Erblasser aus den Steuerakten erteilt werden durften, dürfen auch dem Erben erteilt werden. Sind mehrere Erben vorhanden, so ist jeder einzelne Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Zur Auskunftserteilung bedarf es nicht der Zustimmung der übrigen Miterben. Der auskunftssuchende Erbe hat sich erforderlichenfalls durch Erbschein auszuweisen. Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte sowie Erbersatzanspruchsberechtigte sind keine Gesamtrechtsnachfolger. Ihnen darf daher keine Auskunft erteilt werden.

4.5 Bei der Schatzung von Besteuerungsgrundlagen sind ggf. die für Vergleichsbetriebe geführten Steuerakten dem Finanzgericht vorzulegen, damit das Finanzgericht überprüfen kann, ob gegen die Zahlen der Vergleichsbetriebe Bedenken bestehen. Da der Steuerpflichtige jedoch gem. § 78 FGO das Recht hat, die dem Finanzgericht vorgelegten Akten einzusehen, hat die Vorlage an das Finanzgericht stets in anonymisierter Form zu erfolgen (vgl. BStBl 1986 II S. 226). Das Finanzgericht darf die Verwertung der vom Finanzamt eingebrachten anonymisierten Daten über Vergleichsbetriebe nicht schon im Grundsatz ablehnen (vgl.  –, BFH/NV 2002 S. 134).

4.6 Zur Auskunftserteilung bei Betriebsübernahme im Hinblick auf die Haftung nach § 75 siehe Nummer 6 zu § 75 (AO Kartei, § 75 AO, Allgemeines, Karte 1).

5. Gesetzlich zugelassene Offenbarung (§ 30 Abs. 4 Nr. 2)

Auf § 30 Abs. 4 Nr. 2 kann eine Offenbarung nur gestützt werden, wenn die Befugnis zum Offenbaren in einem Gesetz ausdrücklich enthalten ist. Eine Bestimmung über die allgemeine Pflicht zur Amtshilfe genügt nicht. Die Befugnis kann in der AO selbst (z.B. § 31), in anderen Steuergesetzen oder in außersteuerlichen Vorschriften enthalten sein.

Zu den außersteuerlichen Vorschriften gehören insbesondere:

6. Offenbarung bei Zustimmung des Betroffenen (§ 30 Abs. 4 Nr. 3)

Nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 ist die Offenbarung zulässig, soweit der Betroffene zustimmt. Betroffener ist nicht nur der Verfahrensbeteiligte selbst, sondern auch jeder Andere, dessen Verhältnisse durch § 30 geschützt werden (z.B. Geschäftsführer, Geschäftspartner, Arbeitnehmer, Empfänger von Zahlungen und anderen Vorteilen). Sind mehrere Personen betroffen, so müssen alle ihre Zustimmung zur Offenbarung eines Sachverhalts erteilen. Stimmen einzelne Personen nicht zu, so dürfen die geschützten Verhältnisse derjenigen, die ihre Zustimmung nicht erteilt haben, nicht offenbart werden.

7. Offenbarung zur Durchführung eines außersteuerlichen Strafverfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 4)

7.1 Gem. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe a dürfen im Steuerstrafverfahren oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahren gewonnene Erkenntnisse über außersteuerliche Straftaten an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden für Zwecke der Strafverfolgung weitergeleitet werden. Die Finanzbehörden können daher z.B. die Staatsanwaltschaft auch über sog. Zufallsfunde unterrichten. Voraussetzung ist jedoch stets, dass die Erkenntnisse im Steuerstraf- oder Bußgeldverfahren selbst gewonnen wurden Kenntnisse, die bereits vorher in einem anderen Verfahren (z.B. Veranlagungs-, Außenprüfungs- oder Vollstreckungsverfahren) erlangt wurden, dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber nicht offenbart werden. Sind die Tatsachen von dem Steuerpflichtigen (§ 33) selbst oder der für ihn handelnden Person (§ 200 Abs. 1) der Finanzbehörde mitgeteilt worden, ist die Weitergabe zur Strafverfolgung wegen nichtsteuerlicher Straftaten nur zulässig, wenn der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Abgabe der Mitteilung an die Finanzbehörde die Einleitung des steuerlichen Straf- oder Bußgeldverfahrens gekannt hat, es sei denn, einer der in § 30 Abs. 4 Nr. 5 oder Abs. 5 geregelten Fälle läge vor.

7.2 Gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe b ist eine Offenbarung von Kenntnissen zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer nichtsteuerlichen Straftat uneingeschränkt zulässig, wenn die Tatsachen der Finanzbehörde ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht bekannt geworden sind. Tatsachen sind der Finanzbehörde ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung bekannt geworden, wenn die Auskunftsperson nicht zuvor durch die Finanzbehörde zur Erteilung einer Auskunft aufgefordert worden ist. Ein Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht (siehe §§ 101 ff.) kann nur angenommen werden, wenn dem Berechtigten sein Auskunftsverweigerungsrecht bekannt war; dies setzt in den Fällen des § 101 eine Belehrung voraus.

8. Offenbarung aus zwingendem öffentlichen Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5)

8.1 Eine Offenbarung ist gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig, soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. § 30 Abs. 4 Nr. 5 enthält eine beispielhafte Aufzählung von Fällen, in denen ein zwingendes öffentliches Interesse zu bejahen ist. Bei anderen Sachverhalten ist ein zwingendes öffentliches Interesse nur gegeben, wenn sie in ihrer Bedeutung einem der in § 30 Abs. 4 Nr. 5 erwähnten Fälle vergleichbar sind. So können die Gewerbebehörden für Zwecke eines Gewerbeuntersagungsverfahrens über die Verletzung steuerlicher Pflichten unterrichtet werden, die mit der Ausübung des Gewerbes, das untersagt werden soll, im Zusammenhang stehen (vgl. im Einzelnen  IV A 4 – S 0130 – 113/04 –). Zur Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber Parlamenten bzw. einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages vgl.  IV A 5 – S 0130 35/87 – (AO-Kartei, § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO, Karte 1).

8.2 Verbrechen i. S. von § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe a sind alle Straftaten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB) Als vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen kommen nur solche Vergehen in Betracht, die eine schwerwiegende Rechtsverletzung darstellen und dementsprechend mit Freiheitsstrafe bedroht sind.

8.3 Unter den Begriff der Wirtschaftsstraftat i. S. des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b fallen Straftaten nicht schon deswegen, weil sie nach § 74c des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Landgerichts gehören. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall unter Abwägung der Interessen zu prüfen, ob die besonderen Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b gegeben sind. (Hierzu s.a. AO-Kartei, § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO, Karte 11, Tz. 3.2.)

8.4 § 6 des Subventionsgesetzes, wonach Behörden von Bund und Ländern Tatsachen, die sie dienstlich erfahren, und die den Verdacht eines Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) begründen, den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen haben, stellt keine Ermächtigungsvorschrift i. S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 dar. Anzeigen an die Strafverfolgungsbehörden wegen des Verdachts eines Subventionsbetrugs sind daher grundsätzlich nicht zulässig; vgl. aber § 31a. Sie können jedoch aus zwingendem öffentlichen Interesse geboten sein (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b). Betrifft der Subventionsbetrug Investitionszulagen i. S. des InvZulG 1999, so sind diese gleich den Steuerstraftaten den Buß- und Strafsachenstellen zu melden (§ 9 InvZulG 1999).

8.5 Die Weitergabe von Informationen über Verstöße gegen die Umweltschutzbestimmungen kommt insbesondere in Betracht, wenn daran ein zwingendes öffentliches Interesse nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 besteht. Dies ist nicht nur zur Verfolgung der in § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstaben a und b genannten Straftaten gegeben, sondern auch zur Verfolgung anderer Straftaten, die wegen ihrer Schwere und ihrer Auswirkungen auf die Allgemeinheit den genannten Regeltatbeständen entsprechen. Bei Verdacht eines besondern schweren Falles einer Umweltstraftat i.S.d. § 330 StGB oder einer schweren Gefährdung durch Freisetzung von Giften i.S.d. § 330a StGB ist ein zwingendes öffentliches Interesse für eine Offenbarung zu bejahen. Keine Offenbarungsbefugnis besteht, wenn lediglich der abstrakte Gefährdungstatbestand einer Umweltstraftat wie etwa § 325 StGB (Luftverunreinigung), § 325a StGB (Verursachen von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierenden Strahlen) bzw. § 326 StGB (umweltgefährdende Abfallbeseitigung) erfüllt ist. Kann die Finanzbehörde nicht beurteilen, ob die vorgenannten Voraussetzungen für eine Weitergabe erfüllt sind, hat sie zunächst unter Anonymisierung des Sachverhalts eine sachkundige Stelle zur Klärung einzuschalten. Soweit Verstöße gegen Umweltschutzbestimmungen steuerliche Auswirkungen haben, z.B. für die Anerkennung einer Teilwertabschreibung, ergibt sich die Befugnis zur Weitergabe aus § 30 Abs. 4 Nr. 1, sofern die Weitergabe zur Durchführung des Besteuerungsverfahrens erforderlich ist. Sieht die Finanzbehörde die Notwendigkeit, Angaben des Steuerpflichtigen, z.B. über schadstoffbelastete Wirtschaftsgüter, zu überprüfen, kann sie den Sachverhalt einer zuständigen Fachbehörde offenbaren. Die Finanzbehörde hat dabei zu prüfen, ob es ausreicht, den Sachverhalt der Fachbehörde in anonymisierter Form vorzutragen, ist die Offenbarung der Identität des Steuerpflichtigen erforderlich, soll sie die Fachbehörde darauf hinweisen, dass die Angaben des Steuerpflichtigen nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c weiterhin dem Steuergeheimnis unterliegen. Die Weitergabe von Erkenntnissen über Verstöße gegen Umweltschutzbestimmungen kann gleichzeitig auf mehrere Offenbarungsgründe gestützt werden. Eine Weitergabe von Erkenntnissen unter dem Gesichtspunkt des zwingenden öffentlichen Interesses ist deshalb auch dann zulässig, wenn der gleiche Sachverhalt bereits nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 offenbart worden ist. Die Weitergabe von Informationen über Verstöße gegen die Umweltschutzbestimmungen kann nicht auf das Umweltinformationsgesetz vom (BGBl 2001 I S. 2218) gestützt werden. (Hierzu s.a. AO-Kartei, § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO, Karte 4).

8.6 Werden in einem Verfahren nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 Verfehlungen eines Beamten oder Richters festgestellt, die dieser im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit begangen hat, z.B. Straftaten im Amt (§§ 331 ff. StGB), so steht das Steuergeheimnis der Unterrichtung der zuständigen Stelle nicht entgegen, soweit es für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens oder sonstiger dienstrechtlicher Maßnahmen erforderlich ist und es um die Mitteilung derjenigen Tatsachen geht, die den Beamten oder Richter selbst betreffen. Für eine derartige Mitteilung besteht in diesen Fällen stets ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne van § 30 Abs. 4 Nr. 5. Die steuerlichen Verhältnisse Dritter dürfen bei Vorliegen des zwingenden öffentlichen Interesses nur mitgeteilt werden, soweit dienstrechtliche Maßnahmen ohne die Mitteilung nicht ergriffen werden können.

Werden in einem Verfahren nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 Verfehlungen eines Beamten oder Richters festgestellt, die dieser außerhalb des Dienstes begangen hat, so steht das Steuergeheimnis der Unterrichtung der zuständigen Steife nicht entgegen, soweit es für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens oder sonstiger dienstrechtlicher Maßnahmen erforderlich ist und für die Mitteilung im Einzelfall ein zwingendes öffentliches Interesse gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 5 besteht; dieses ist insbesondere anzunehmen bei

  1. unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen durch Beamte der Steuerverwaltung: dies gilt jedoch nicht, wenn die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen nur gelegentlich z.B. in Form sporadischer Nachbarschaftshilfe ausgeübt wird oder von geringer Bedeutung ist,

  2. bei Steuerstraftaten, einschließlich solcher, bei denen durch Selbstanzeige nach § 371 Straffreiheit eingetreten ist, wenn

    • die verkürzte Steuer 2.500 € oder mehr pro Verantagungszeitraum beträgt

      oder

    • der Beamte oder Richter bei Steuerverkürzungen von weniger als 2.500 € eine erhebliche kriminelle Energie aufgewendet hat (z.B. durch Fälschung von Belegen).

Die vorstehenden Regelungen sind bei vergleichbaren Sachverhalten auf die Mitteilung von Verfehlungen sonstiger Angehöriger der Finanzverwaltung (Angestellte, Arbeiter) an die zuständigen Stellen anzuwenden, soweit dies zur Ergreifung arbeitsrechtlicher Maßnahmen erforderlich ist.

8.7 Die Finanzbehörden sind verpflichtet, den für die Bekämpfung der Geldwäsche und terroristischer Aktivitäten zuständigen Stellen die nach § 30 geschützten Verhältnisse auf deren Ersuchen mitzuteilen. Für die Mitteilungen an die genannten Stellen besteht in diesen Fällen ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 5. Die ersuchenden Stellen haben in ihrem Ersuchen zu versichern, dass die erbetenen Daten für Ermittlungen und Aufklärungsarbeiten im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Geldwäsche oder des Terrorismus erforderlich sind. Eine bestimmte Form für die Auskunftsersuchen und die Erteilung der Auskünfte ist nicht erforderlich. Bei Zweifeln an der Identität des Auskunftsersuchenden haben sich die Finanzbehörden vor Auskunftserteilung über die Identität des Auskunftsersuchenden auf geeignete Weise zu vergewissern. Zur Mitteilungspflicht bei Geldwäsche vgl. auch zu § 31b.

8.8 § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe c gestattet die Offenbarung zur Richtigstellung unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern. Diese Offenbarungsbefugnis begründet ein Abwehrrecht der Verwaltung und dient damit nicht dem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit. Die Verwaltung selbst hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie richtig stellen will. Sie hat dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und sich auf die zur Richtigstellung erforderliche Offenbarung zu beschränken. Eine Offenbarung zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe c kommt nur im Ausnahmefall in Betracht.

9. Offenbarung vorsätzlich falscher Angaben (§ 30 Abs. 5)

Die Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden über vorsätzlich falsche Angaben des Betroffenen gem. § 30 Abs. 5 darf nur erfolgen, wenn nach Auffassung der Finanzbehörde durch die falschen Angaben ein Straftatbestand verwirklicht worden ist; die Durchführung eines Strafverfahrens wegen dieser Tal ist nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Offenbarung.

Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main v. - S 0130 A - 113 - St II 4.03

Fundstelle(n):
CAAAB-52212