Absicht zur Verwendung von Eingangsleistungen zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze
Leitsatz
1. Vorsteuerbeträge können nicht abgezogen werden, wenn es an objektiven Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt hatte, die Eingangsleistungen zur Ausführung von steuerpflichtigen Umsätzen zu verwenden.
2. Absichtsänderungen wirken nicht zurück und führen deshalb nicht dazu, dass Steuerbeträge nachträglich als Vorsteuer abziehbar sind.
Gesetze: UStG 1991 § 15 Abs. 2 Nr. 1
Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg vom 1 K 493/01 (EFG 2004, 297) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Der frühere Landkreis L begann im Streitjahr 1991 mit der Durchführung umfangreicher Erschließungsmaßnahmen zur Entwicklung eines Gewerbeparks auf dem Gebiet der Gemeinden F und G.
In den Jahren 1991 bis 1995 erwarb er Grundstücke und erschloss sie. Mit der „faktischen Durchführung” beauftragte er eine GmbH. Das Investitionsvolumen der ersten Bauabschnitte belief sich auf über 120 Mio. DM.
Der Landkreis L veräußerte ab 1992 erschlossene Grundstücke an Gewerbetreibende und vereinbarte dafür Kaufpreise ohne gesonderte Umsatzsteuer.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde mit Wirkung vom Rechtsnachfolger des Landkreises L. Er reichte unter der Bezeichnung „Gewerbepark P - F des Landkreises P gewerbliche Erschließungsmaßnahmen” am eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1991 ein. Darin meldete er u.a. Vorsteuerbeträge in Höhe von 994 784,05 DM an.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) lehnte die Festsetzung von negativer Umsatzsteuer mit der Begründung ab, der Kläger bzw. sein Rechtsvorgänger sei im Streitjahr 1991 nicht als Unternehmer tätig gewesen. Die Erschließung des Gewerbeparks, so führte das FA weiter aus, stelle keinen Betrieb gewerblicher Art dar, weil der Landkreis hoheitlich tätig geworden sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren als unbegründet ab, und bestätigte die Rechtsauffassung des FA.
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 297 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er ist der Auffassung, sein Rechtsvorgänger habe die Eingangsleistungen zur Erschließung der bezeichneten Grundstücke als Unternehmer bezogen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer unter Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom auf minus 990 802,50 DM festzusetzen.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
II.
Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung hält den Angriffen der Revision stand. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger die begehrte Steuerfestsetzung nicht beanspruchen kann.
1. Selbst wenn der Kläger im Streitjahr 1991 als Unternehmer tätig gewesen sein sollte (§ 2 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes —UStG—), weil er beabsichtigte, Erschließungsleistungen für spätere Grundstückslieferungen zu beziehen, fehlt ihm die Berechtigung, aus Rechnungen über die bezeichneten Eingangsleistungen Vorsteuer abzuziehen (vgl. z.B. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-110/94 —Inzo—, Slg. 1996, I-875 = Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 1996, 116).
2. Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge können nicht abgezogen werden, weil es an objektiven Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Rechtsvorgänger des Klägers, der Landkreis L, im Streitjahr 1991 beabsichtigt hatte, die erwähnten Eingangsleistungen zur Ausführung von steuerpflichtigen Umsätzen, z.B. durch Grundstückslieferungen, zu verwenden.
a) Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1991 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen abziehen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Gemäß § 15 Abs. 2 UStG 1991 ist u.a. vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen die Steuer für die Lieferungen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1991).
Im Streitjahr 1991 hatte der Landkreis L beabsichtigt, Grundstücke zu erschließen und dann zu veräußern. Die beabsichtigten Grundstückslieferungen, die nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1991 grundsätzlich steuerfrei ausgeführt werden, können nur durch einen Verzicht auf die Steuerbefreiung unter den Voraussetzungen von § 9 Abs. 1 UStG steuerpflichtig bewirkt werden.
Eine steuerfreie Grundstückslieferung schließt den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1991 aus. Im Fall einer steuerpflichtigen Lieferung ist Vorsteuer abziehbar (vgl. —Schlossstraße—, Slg. 2000, I-4279, BStBl II 2003, 446, und , BFHE 194, 522, BStBl II 2003, 430).
b) Für die Entstehung und den Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Eingangsleistungen ist bei richtlinienkonformer Anwendung von § 15 Abs. 1 und 2 UStG 1991 maßgebend, ob der Steuerpflichtige die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hatte, mit den Investitionsausgaben Umsätze auszuführen, für die der Vorsteuerabzug zugelassen ist (vgl. —Breitsohl—, Slg. 2000, I-4321, BStBl II 2003, 452; in Slg. 2000, I-4279, BStBl II 2003, 446; BFH-Urteile in BFHE 194, 522, BStBl II 2003, 430; vom V R 38/00, UR 2001, 550, und vom V R 48/02, BFHE 204, 349, BFH/NV 2004, 595, m.w.N.).
Da das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, d.h. mit der Lieferung eines Gegenstands oder der Ausführung einer Dienstleistung an den vorsteuerabzugsberechtigten Steuerpflichtigen (vgl. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG), muss nach der vorbezeichneten Rechtsprechung die Absicht, die Eingangsleistungen zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze zu verwenden, im Zeitpunkt des Bezugs der Leistungen vorliegen.
c) Im Streitfall fehlt es an Anhaltspunkten, dass der Rechtsvorgänger des Klägers bei Bezug der Erschließungsleistungen im Streitjahr 1991 beabsichtigt hatte, die späteren Grundstückslieferungen als steuerpflichtige Umsätze zu behandeln (§ 9 Abs. 1 UStG).
In den ersten Verträgen über Grundstückslieferungen aus dem Jahr 1992 ist ein Kaufpreis ohne Umsatzsteuer vereinbart worden. Damit ist die Grundstückslieferung nicht als steuerpflichtig behandelt worden. Andere Beweisanzeichen für die Absicht, steuerpflichtige Grundstückslieferungen auszuführen, hat das FG nicht festgestellt.
d) Der Entschluss des Klägers, die Grundstückslieferungen ab 1992, für die die Erschließungsleistungen im Streitjahr empfangen worden sein könnten, nachträglich in der im Jahre 1998 abgegebenen Steuererklärung für 1991 als steuerpflichtig zu behandeln, stellt eine Absichtsänderung dar. Absichtsänderungen wirken nicht zurück. Deshalb führen sie nicht dazu, dass die für die im Streitjahr empfangenen Erschließungsleistungen berechneten Steuerbeträge nachträglich als Vorsteuer abziehbar sind (vgl. , BFH/NV 2002, 1265).
3. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 121 Satz 1, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 414
BB 2005 S. 371 Nr. 7
BFH/NV 2005 S. 484
BFH/NV 2005 S. 484 Nr. 3
BStBl II 2005 S. 414 Nr. 10
DB 2005 S. 650 Nr. 12
DStRE 2005 S. 280 Nr. 5
HFR 2005 S. 345
INF 2005 S. 211 Nr. 6
KÖSDI 2005 S. 14554 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2006 S. 4076
StB 2005 S. 84 Nr. 3
KAAAB-42576