OFD Magdeburg - S 7500 - 18 - St 241

Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf bestimmte Bauleistungen (§ 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG)

(BStBl 2004 I S. 453)

Das BMF hat mit o. g. Schreiben vom umfassend zur Einführung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf bestimmte Bauleistungen Stellung genommen. Mit diesen Ausführungen wird – vorbehaltlich anders lautender ergänzender Verwaltungsanweisungen des BMF – zu folgenden zwischenzeitlich vorgetragenen Problemen Stellung genommen:

I Maßgebliche Umsätze

Gesamtumsatz i. S. d. § 19 Abs. 3 UStG

Gem. § 19 Abs. 3 Satz 1 UStG ist Gesamtumsatz im Sinne dieser Vorschrift die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG abzüglich bestimmter in § 19 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 UStG aufgeführter Umsätze. Da auch die Umsätze, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schuldet, vom leistenden Unternehmer ausgeführt werden, zählen diese Umsätze zu seinem Gesamtumsatz i. S. d. § 19 Abs. 3 UStG (vgl. auch A 251 Abs. 1 Satz 1 UStR zur Umsatzsteuer im Abzugsverfahren).

Die korrekte Bestimmung des Gesamtumsatzes i. S. d. § 19 Abs. 3 UStG hat eine besondere Bedeutung für die Bestimmung der Kleinunternehmereigenschaft gem. § 19 Abs. 1 UStG oder aber auch für die Genehmigung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gem. § 20 UStG.

II Leistungsempfänger als Steuerschuldner

1. Bedeutung der Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG für die Umsatzbesteuerung von Bauleistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG

Entsprechend Rz. 14, 2. Gedankenstrich, des BMF-Schreibens kann der leistende Unternehmer u. a. dann davon ausgehen, dass der Leistungsempfänger Bauleistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG nachhaltig erbringt bzw. erbracht hat, wenn der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorlegt. Durch diese Regelung ist der Anwendungsbereich des § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG über dessen genauen Wortlaut hinaus deutlich ausgedehnt worden. Es ist nämlich davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Unternehmern über eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG verfügt, die nicht nachhaltig Bauleistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG erbringen. Gleichwohl kann der leistende Unternehmer bei Vorlage einer gültigen Freistellungsbescheinigung durch den Leistungsempfänger darauf vertrauen, dass der Leistungsempfänger nachhaltig Bauleistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG erbringt oder erbracht hat. Stellt sich später heraus, dass die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Sätze 2 und 3 UStG nicht vorgelegen haben, ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 13b UStG der Leistungsempfänger auch dann Steuerschuldner, wenn dieser den Umsatz nicht zutreffend besteuert (vgl. Rz. 20 des BMF-Schreibens und die Ausführungen zu Tz. III 1). Die Ausführungen des BMF in Rz. 14, 2. Gedankenstrich, haben daher den Charakter einer Vertrauensschutzregelung.

Der Leistungsempfänger kann bei dem Bezug jeder einzelnen Bauleistung i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG entscheiden, ob er durch die Vorlage seiner Freistellungsbescheinigung Steuerschuldner gem. § 13b Abs. 2 UStG werden will. Empfängt der Leistungsempfänger mehrere Bauleistungen von demselben leistenden Unternehmer sollte das Wahlrecht bei allen Bauleistungen innerhalb des Gültigkeitszeitraums der Freistellungsbescheinigung einheitlich ausgeübt werden (vgl. Tz. II 1. c).

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Vorlage der Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG zwischen den Vertragsparteien (Auftragnehmer – Auftraggeber) genau entgegengesetzt den Regelungen erfolgt, die ertragsteuerlich für die Bauabzugsbesteuerung (§§ 48 ff. EStG) gelten. Während bei der Bauabzugsbesteuerung i. d. R. dem Leistungsempfänger eine Kopie der Freistellungsbescheinigung ausgehändigt wird, ist bei Anwendung des § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG die Freistellungsbescheinigung dem leistenden Unternehmer vorzulegen.

Ungeachtet dieser unterschiedlichen Gegebenheiten können aus Vereinfachungsgründen die formellen Vorgaben hinsichtlich der Ausstellung, Aushändigung und Überprüfung der Freistellungsbescheinigung, wie sie in dem BMF-Schreiben zur Bauabzugsbesteuerung vom (BStBl 2002 I S. 1399) insbesondere in den Rzn. 41, 42, 74, 75 und 76 enthalten sind, analog angewandt werden. Demnach haben die Vertragspartelen insbesondere Folgendes zu beachten:

  1. Der Leistungsempfänger sollte dem leistenden Unternehmer spätestens im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes eine Kopie der Freistellungsbescheinigung aushändigen. Gleichwohl bietet es sich an, bereits bei der Auftragsvergabe die Aushändigung vorzunehmen. Sofern die Aushändigung erst bei Erteilung der Schlussrechnung erfolgt, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. Bei Teilzahlungen sollte die Aushändigung der Bescheinigung bereits vor Auszahlung des ersten Teilbetrages erfolgen, um somit eine korrekte Besteuerung nach § 13b Abs. 1 Satz 3 UStG zu gewährleisten.

  2. Der leistende Unternehmer sollte die Freistellungsbescheinigung auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin überprüfen (Dienstsiegel, Sicherheitsnummer, ggf. elektronische Abfrage beim Bundesamt für Finanzen). Schützenswertes Vertrauen in die Richtigkeit der vom Leistungsempfänger vorgelegten Freistellungsbescheinigung (vgl. Rz. 14, 2. Gedankenstrich des BMF-Schreibens) liegt nicht vor, wenn sie durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt wurde und dem leistenden Unternehmer dies bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Gleiches gilt, wenn dem leistenden Unternehmer eine gefälschte Freistellungsbescheinigung vorgelegt wurde und der leistende Unternehmer dies erkannte oder hätte erkennen müssen.

    Liegt schützenswertes Vertrauen nicht vor, ist der leistende Unternehmer nur dann Steuerschuldner gem. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG, wenn die von ihm ausgeführte Leistung nicht unter § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG fällt und der Leistungsempfänger nicht zum Personenkreis nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG gehört. Die vorgelegte Freistellungsbescheinigung findet in solchen Fällen keine Berücksichtigung.

  3. Bei Leistungsempfängern, denen gegenüber der leistende Unternehmer mehrmals Bauleistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG erbringt, kann der leistende Unternehmer innerhalb des Gültigkeitszeitraums der Freistellungsbescheinigung auf deren wiederholte Vorlage verzichten.

2. Leistungsempfänger i. S. d. § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG

Der Leistungsempfänger ist für an ihn erbrachte Bauleistungen nur dann Steuerschuldner, wenn er nachhaltig Bauleistungen selbst erbringt (vgl. Rz. 17 des BMF-Schreibens). Dies setzt allerdings nicht voraus, dass der Unternehmer bei Erbringung seiner Bauleistungen unmittelbar eigenes Personal und/oder Material einsetzt. Maßgeblich ist vielmehr, dass er seinem Leistungsempfänger gegenüber vertraglich verpflichtet ist, im eigenen Namen Bauleistungen zu erbringen (i. d. R. auf der Grundlage eines Werkvertrages i. S. d. § 631 BGB) und auch entsprechend erbringt. Dass er sich zur Erfüllung dieser vertraglichen Verpflichtung Dritter (selbständige Erfüllungsgehilfen) bedient, ist unerheblich.

Beispiel 1:

Unternehmer U verpflichtet sich gegenüber Privatpersonen auf der Grundlage eines Werkvertrages zur Errichtung von Eigenheimen. Zur Errichtung dieser Gebäude bedient er sich ausschließlich Subunternehmern, mit denen er für die einzelnen Gewerke Werkverträge im eigenen Namen abschließt.

Lösung:

U gehört zum Personenkreis des § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG. Sofern die Subunternehmer Bauleistungen i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG an U erbringen, ist der U Steuerschuldner für die auf diese Umsätze entfallende Umsatzsteuer.

Beispiel 2:

Baubetreuer B verpflichtet sich gegenüber Privatpersonen auf der Grundlage eines Dienstvertrages nach § 611 BGB zur Baubetreuung bei der Errichtung von Eigenheimen. Er koordiniert die Errichtung dieser Gebäude durch verschiedene Baufirmen und tritt dabei jeweils im Namen und für Rechnung der jeweiligen Bauherren auf.

Lösung:

B gehört nicht zum Personenkreis des § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG, da er lediglich Planungs- und Überwachungsleistungen erbringt. Er ist nicht Steuerschuldner für die Umsatzsteuer, die für die Bauleistungen der Baufirmen an die Bauherren entsteht.

3. Ausländische Unternehmer als Leistungsempfänger von Bauleistungen

Die Steuer nach § 13b UStG wird sowohl von im Inland als auch im Ausland ansässigen Leistungsempfängern geschuldet. Sowohl bei im Inland als auch im Ausland ansässigen Leistungsempfängern sind Bauleistungen wie auch andere Werklieferungen und sonstige Leistungen, die von im Ausland ansässigen Unternehmern erbracht werden, gem. § 13b Abs. 1 Nr. 1 UStG vom Leistungsempfänger zu besteuern, ohne dass dieser seinerseits Bauleistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG ausführen muss (vgl. § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 UStG). Bei dem Erhalt von Bauleistungen von im Inland ansässigen Unternehmern erfolgt die Besteuerung gem. § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG. Der im Ausland ansässige Leistungsempfänger hat die Umsatzsteuer an das für ihn nach der Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung zuständige Finanzamt im allgemeinen Besteuerungsverfahren abzuführen. In Sachsen-Anhalt wird i. d. R. das Finanzamt Magdeburg II (für in Russland, Weißrussland und der Ukraine ansässige Unternehmer) örtlich zuständig sein.

4. Erstmalige Ausführung von Bauleistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG

Solange Unternehmer im Zeitpunkt der an sie erbrachten Bauleistungen selbst noch keine Bauleistungen erbracht haben, sind sie nicht Steuerschuldner i. S. d. § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG (vgl. Rz. 14 letzter Satz des BMF-Schreibens). Erst mit der ersten in Wiederholungsabsicht – und damit nachhaltig – erbrachten Bauleistung kommt für diese Unternehmer die Anwendung des § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG in Betracht. Führt der Unternehmer erstmalig nachhaltig Bauleistungen aus, hat er in analoger Anwendung des A 246 Abs. 4 UStR nach den voraussichtlichen Verhältnissen des laufenden Kalenderjahres zu entscheiden, ob die Bemessungsgrundlage der Bauleistungen des laufenden Kalenderjahres mehr als 10 % seiner steuerbaren Umsätze betragen wird. Der Unternehmer hat dem Finanzamt auf Verlangen die Verhältnisse darzulegen, aus denen sich ergibt, wie hoch der Umsatz des laufenden Kalenderjahres voraussichtlich sein wird. Im Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren ist insbesondere bei neugegründeten Bauunternehmen zu berücksichtigen, dass solange sie selbst noch keine Bauleistungen erbracht haben, sie auch keine Steuer nach § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG und keine Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG anzumelden haben, sondern i. d. R. nur Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG anmelden werden.

Die insbesondere im Baugewerbe üblichen Arbeitsgemeinschaften sind nach h. M. auch dann nachhaltig unternehmerisch tätig, wenn sie lediglich einen Bauauftrag ausführen (vgl. BStBl 1961 III S. 194, und vom , BStBl 1971 II S. 540). Nach dem Wortlaut des § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG sind Bauarbeitsgemeinschaften deshalb bereits ab Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit Steuerschuldner für die Bauleistungen, die an sie erbracht werden. Eine andere Auffassung steht mit dem Sinn und Zweck der Regelung des § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG nicht im Einklang.

III Ergänzende Erläuterungen zu den Anwendungs- und Übergangsregelungen im BMF-Schreiben

1. Allgemeine „Billigkeitsregelung” in Rz. 20 des BMF-Schreibens

Eine große Bedeutung hat die über den hinausgehende „Billigkeitsregelung” in der Rz. 20 des BMF-Schreibens. Sie bietet den Vertragsparteien die Möglichkeit, sich in zweifelhaften Fällen im beiderseitigen Einvernehmen für die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers zu entscheiden, ohne im nachhinein z. B. bei Außenprüfungen der Finanzverwaltung Konsequenzen aus einer anderen rechtlichen Würdigung befürchten zu müssen. Die OFD weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Billigkeitsregelung des BMF sowohl Zweifel bei der rechtlichen Würdigung der ausgeführten Leistung (§ 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG) als auch der persönlichen Voraussetzungen des Leistungsempfängers (§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG) abdeckt. Es ist deshalb denkbar, dass § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG auch für Leistungen angewandt wird, bei denen die beiden genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die zutreffende Besteuerung beim Leistungsempfänger dürfte i. d. R. für diesen unproblematisch sein, da er meistens bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG zum vollen Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG berechtigt ist.

Handelt es sich bei der ausgeführten Leistung um eine Bauleistung i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG und erfüllt der Leistungsempfänger lediglich nicht die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 und 3 UStG, ist bei Vorlage einer gültigen Freistellungsbescheinigung gem. § 48b EStG durch den Leistungsempfänger auf der Grundlage der Vertrauensschutzregelung der Rz. 14, 2. Gedankenstrich, des BMF-Schreibens immer von der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auszugehen (vgl. Tz. II 1.). Eine unzutreffende Besteuerung führt in diesen Fällen nicht zur Steuerschuldnerschaft des leistenden Unternehmers nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG.

Ungeachtet dieser Anmerkungen darf die Billigkeitsregelung nicht zu einer uneingeschränkten Anwendung des § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG führen. Sie ist auf Fälle begrenzt, bei denen die Anwendung dieser Vorschrift „fraglich” war. Eindeutige Fälle, wie z. B. Leistungen, die ausdrücklich in § 13b Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 UStG ausgenommen sind (vgl. Rz. 11 des BMF-Schreibens) oder aber eindeutig nicht unter diese Vorschrift fallen (vgl. Rz. 12 des BMF-Schreibens), sollen nicht von der Billigkeitsregelung erfasst werden.

2. Rzn. 20 und 26 des BMF-Schreibens

In den Rzn. 20 und 26 des BMF-Schreibens hängt die Steuerschuldnerschaft eines der beiden Vertragspartner maßgeblich vom Einvernehmen zwischen den Vertragspartnern ab. Aus gegebenem Anlass wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass dieses Einvernehmen keiner Form bedarf. Es reicht vielmehr aus, wenn beide Vertragspartner durch konkludentes Verhalten unstreitig von der Steuerschuldnerschaft eines der Vertragspartner ausgehen. Das ist z. B. dann gegeben, wenn der Leistungsempfänger eine Brutto- oder Nettorechnung akzeptiert und diese auch entsprechend (brutto oder netto) begleicht.

Wendet er sich gegen die ihm erteilte Rechnung, kann nicht von einem Einvernehmen ausgegangen werden. Bei Anwendung des § 13b UStG mit entsprechender Nettorechnung bietet der Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (vgl. § 14a Abs. 5 Satz 2 UStG) dem Leistungsempfänger einen ausreichenden Ansatz, die Rechnung zu beanstanden, sofern er § 13b UStG nicht für einschlägig hält.

Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass über die zeitlich befristete Übergangsregelung in Rz. 26 des BMF-Schreibens hinaus keine Billigkeitsregelung für die Fälle besteht, in denen die Vertragspartner einvernehmlich von der Steuerschuldnerschaft des leistenden Unternehmers nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgehen, obwohl § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG einschlägig ist. In diesen Fällen sollte der leistende Unternehmer den Leistungsempfänger auf die geltende Rechtslage hinweisen und netto abrechnen. Wird dennoch mit gesondertem Steuerausweis abgerechnet (unrichtiger Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG), hat der Leistungsempfänger zu berücksichtigen, dass ihm aus dieser Rechnung kein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zusteht (vgl. A 192 Abs. 6 UStR).

3. Rzn. 21 und 22 des BMF-Schreibens

In Rzn. 21 und 22 des BMF-Schreibens wird ausgeführt, dass § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG auf alle Umsätze anzuwenden ist, die nach dem ausgeführt werden. Wenn für diese Umsätze das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vor dem vereinnahmt wurde, ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn bei der Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nur das um das vor dem vom leistenden Unternehmer vereinnahmte Entgelt oder die vereinnahmten Teile des Entgelts geminderte Entgelt zugrunde gelegt wird. Voraussetzung hierfür ist, dass das vor dem vereinnahmte Entgelt oder die vereinnahmten Teile des Entgelts vom leistenden Unternehmer in zutreffender Höhe versteuert wurde. Der Leistungsempfänger ist nicht verpflichtet, sich an diese Billigkeitsregelung zu halten. Ihm steht es frei, dem leistenden Unternehmer anzuzeigen, dass er auch die Anzahlungen vor dem entsprechend § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG besteuern möchte.

Im Zusammenhang mit der Rechnungserteilung bei der Ist-Versteuerung von Anzahlungen sind u. a. folgende Fallgestaltungen zu unterscheiden:

a) Schlussrechnung über nach dem erbrachte Bauleistungen bei Abschlagszahlungen vor dem

Wird von der Billigkeitsregelung in Rz. 22 des BMF-Schreibens Gebrauch gemacht, ist eine Berichtigung der über geleistete Abschlagszahlungen erteilten Rechnungen nicht notwendig.

Wird von der Billigkeitsregelung in Rz. 22 des BMF-Schreibens nicht Gebrauch gemacht, ist eine Berichtigung der über geleistete Abschlagszahlungen erteilten Rechnungen, in denen Umsatzsteuer offen ausgewiesen wurde, vom leistenden Unternehmer vorzunehmen. In Anwendung der Vorschriften des § 14c Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 UStG (analog) kann der leistende Unternehmer dann im Voranmeldungszeitraum der Rechnungsberichtigung seine Umsatzsteuer entsprechend mindern. Der Leistungsempfänger hat seinen Vorsteuerabzug aus der damaligen Abschlagsrechnung mit gesondertem Steuerausweis in dem Voranmeldungszeitraum der Zahlung (vgl. A 192 Abs. 6 UStR) zu korrigieren. Es bestehen jedoch keine Bedenken, wenn der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug erst in dem Voranmeldungszeitraum der Rechnungsberichtigung korrigiert. Weiterhin hat der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer auf Anzahlungen vor dem im Voranmeldungszeitraum der Schlussrechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Bauleistung folgenden Kalendermonats, in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung anzumelden. Für Anzahlungen und Restzahlungen ab dem gilt § 13b Abs. 1 UStG uneingeschränkt.

b) Abschlagsrechnungen vor dem über Anzahlungen, die erst nach dem erfolgen

Wurden für die Erbringung von Bauleistungen Abschlagszahlungen oder Anzahlungen vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder Teilentgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, § 13b Abs. 1 Satz 3 UStG). Für die Steuerentstehung ist ausschließlich der Zeitpunkt der Vereinnahmung des entsprechenden Entgelts oder des Teilentgelts maßgeblich. Vereinnahmt der leistende Unternehmer das Entgelt oder Teilentgelt für Bauleistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG nach dem , ist hierfür der Leistungsempfänger Steuerschuldner (§ 13b Abs. 2 UStG). Hat der leistenden Unternehmer hierfür die Rechnung vor dem erstellt und die Umsatzsteuer offen ausgewiesen, ist die Rechnung entsprechend zu berichtigen.

c) Abrechnungen nach dem über Bauleistungen, die vor dem erbracht worden sind

Für Bauleistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG, die von einem im inland ansässigen Unternehmer vor dem erbracht worden sind, ist der leistende Unternehmer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a UStG Steuerschuldner. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 UStG sind nicht anzuwenden. Der leistende Unternehmer muss entsprechend eine Rechnung ausstellen, die die in § 14 Abs. 4 UStG vorgeschriebenen Angaben – einschließlich der Angabe des anzuwendenden Steuersatzes sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag nach § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG – enthält.

Hinsichtlich der Rechnungserteilung bei der Ist-Versteuerung von Anzahlungen kann beispielhaft wie folgt zwischen den Vertragspartnern abgerechnet werden (Beispielsfall in Anlehnung an Beispiel 1 in A 187 Abs. 7 UStR):

Anwendung der Billigkeitsregelung in Rz. 22:

Endrechnung

Errichtung einer Lagerhalle

Ablieferung und Abnahme:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
Summe
Preis
Entgelt
Umsatzsteuer
 
 
 
6.160.000
6.000.000
160.000
./. Abschlagszahlungen
 
 
 
 
1.160.000
 
1.000.000
160.000
1.000.000
 
1.000.000
 
1.000.000
 
1.000.000
 
2.000.000
5.160.000
2.000 000
 
Verbleibende Restzahlung
 
1.000.000
1.000.000
 

Die Umsatzsteuer auf die verbleibende Restzahlung schuldet der Leistungsempfänger (Auftraggeber) nach § 13b UStG.

Hinweis zum zugrunde liegenden Sachverhalt:

Für die Abschlagszahlungen wurden ordnungsgemäße Rechnungen erteilt (für die Zahlungen vom 02.04./04.06./ jeweils mit Hinweis auf § 13b UStG).

Anwendung des § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG/Verzicht auf die Anwendung der Billigkeitsregelung in Rz. 22

Endrechnung

Errichtung einer Lagerhalle

Ablieferung und Abnahme:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
Summe
Preis
Entgelt
Umsatzsteuer
 
 
 
6.000.000
6.000.000
 
./. Abschlagszahlungen
 
 
 
 
1.160.000
 
1.000.000
 
1.000.000
 
1.000.000
 
1.000.000
 
1.000.000
 
2.000.000
5.160.000
2.000.000
 
Verbleibende Restzahlung
 
840.000
1.000.000
 

Die Umsatzsteuer für diese umsatzsteuerpflichtige Werklieferung schuldet der Leistungsempfänger (Auftraggeber) nach § 13b UStG. Die Abschlagszahlung vom ist dementsprechend nachzuversteuern. Die Rechnung über die Abschlagszahlung vom wird hiermit berichtigt.

Hinweis zum zugrunde liegenden Sachverhalt:

Der Leistungsempfänger zeigt dem leistenden Unternehmer erst unmittelbar vor Erteilung der Schlussrechnung an, dass er auch die Anzahlung vom entsprechend § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG besteuern möchte. In der Praxis wird der Sachverhalt eher so vorkommen, dass der Leistungsempfänger bereits bei Abrechnung der Abschlagszahlung im April 2004 die Besteuerung der Anzahlung vom nach § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG anzeigt.

4. Rzn. 22 und 26 des BMF-Schreibens

Die Übergangsregelungen in den Rzn. 22 und 26 des BMF-Schreibens, nach denen abweichend vom § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG die Steuerschuldnerschaft des leistenden Unternehmers nicht bestandet werden soll, sind an die Voraussetzung geknüpft, dass der Umsatz vom leistenden Unternehmer in zutreffender Höhe versteuert wird. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sollte in diesen Fällen § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG nur dann angewandt werden, wenn der leistende Unternehmer die Anzahlung bzw. den Umsatz rechtsmissbräuchlich nicht versteuert hat und der Leistungsempfänger hiervon Kenntnis hatte bzw. hätte haben müssen. In einem solchen Fall steht dem Leistungsempfänger zwar der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG zu, der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG aus der Rechnung mit gesondertem Steuerausweis (§ 14c Abs. 1 UStG) ist ihm jedoch zu versagen (vgl. A 192 Abs. 6 UStR).

IV Allgemeine Hinweise zum Besteuerungsverfahren bei Bauunternehmern, die von § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG betroffen sind

1. Allgemeines

Bei Unternehmen, die im Wesentlichen als Subunternehmer im Baugewerbe tätig sind, vermindern sich ab dem Voranmeldungszeitraum April 2004 die anzumeldenden Zahllasten deutlich oder aber es kommt sogar zu (regelmäßigen) Vorsteuerüberhängen. Bauunternehmer werden deshalb vermehrt zustimmungsbedürftige Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgeben. Bei der Bearbeitung solcher Voranmeldungen ist zu berücksichtigen, dass die Vorsteuerüberschüsse maßgeblich durch die Neuregelungen des § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG verursacht werden und systemgerecht wiederholt vorkommen können. Die OFD bittet deshalb, Vorsteuerbeleganforderungen und Umsatzsteuer-Sonderprüfungen bei diesen Unternehmen auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Notwendig ist eine umfassende materiellrechtliche Prüfung des Einzelfalls insbesondere dann, wenn § 13b UStG vom Bauunternehmer offensichtlich falsch angewandt wird oder andere Anhaltspunkte gegeben sind, die genauer zu überprüfen sind (vgl. A 232 UStR und die Ausführungen zu V).

Der leistende Unternehmer hat in der Umsatzsteuer-Voranmeldung 2004 keine Möglichkeit, dem Finanzamt nachrichtlich seine Umsätze mitzuteilen, für die sein Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schuldet. Insbesondere hat der leistende Unternehmer diese Umsätze nicht in den Zeilen 48 bis 51 der Umsatzsteuer-Voranmeldung einzutragen. Er hat aber die Entgelte gesondert aufzuzeichnen (§ 22 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 UStG) und später in der Anlage UR zur Umsatzsteuererklärung für 2004 anzugeben (Abschnitt E – Ergänzende Angaben zu Umsätzen). Ab 2005 ist auch in der Umsatzsteuer-Voranmeldung eine Eintragungsmöglichkeit für den leistenden Unternehmer vorgesehen.

Der Leistungsempfänger hat die Umsätze, für die er die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schuldet, in den Zeilen 46 bis 50 der Umsatzsteuer-Voranmeldung für 2004 einzutragen. Entsprechende Vorsteuerbeträge kann der Leistungsempfänger in Zeile 58 der Umsatzsteuer-Voranmeldung für 2004 geltend machen.

2. Von § 47 UStDV abweichende Festsetzung der Sondervorauszahlung für die Kalenderjahre 2004 und 2005

Bei Unternehmen, die überwiegend als Subunternehmer im Baugewerbe tätig sind, vermindern sich ab dem Voranmeldungszeitraum April 2004 die anzumeldenden Zahllasten deutlich oder aber es kommt sogar zu regelmäßigen Vorsteuerüberhängen. Gem. § 48 Abs. 3 UStDV i. V. m. A 228 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 UStR kann das Finanzamt die Sondervorauszahlung abweichend von § 47 UStDV niedriger festsetzen, wenn infolge Rechtsänderungen die vorgeschriebene Berechnung zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt. Entsprechend diesen Vorgaben ist Anträgen von Steuerpflichtigen auf Herabsetzung der Sondervorauszahlung für 2004 in begründeten Fällen stattzugeben. Als Begründung des Antrages reicht es aus, wenn der Unternehmer glaubhaft versichert, dass er in einem bestimmten Umfang Umsätze i. S. d. § 13b UStG ausführt. Sollte sich nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums September 2004 herausstellen, dass die geminderte Sondervorauszahlung in bedeutenden Fällen (Minderungsbetrag höher als 10.000 €) unzutreffend zu niedrig festgesetzt wurde, ist die Sondervorauszahlung durch eine erneute berichtigte Festsetzung entsprechend höher festzusetzen (Erhöhungsbetrag höher als 5.000 €).

Anträgen auf abweichende Festsetzung der Sondervorauszahlung für 2005 ist unter Berücksichtigung der Umsatzsteuerzahllast für die Voranmeldungszeiträume Juli bis Dezember 2004 i. d. R. zu entsprechen. Sofern im Einzelfall weitestgehend auf die Übergangsregelung in Rz. 26 des BMF-Schreibens in den Voranmeldungszeiträumen April bis Juni 2004 verzichtet wurde, ist insoweit die Umsatzsteuerzahllast für die Voranmeldungszeiträume April bis Dezember 2004 der abweichenden Festsetzung zugrunde zu legen.

V Neue Prüfungsschwerpunkte bei Außenprüfungen im Zusammenhang mit der Einführung des § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG

Durch die Einführung der Regelung des § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG soll der Umsatzsteuerbetrug in der Baubranche wirksam bekämpft werden. Prüfungsschwerpunkt bei Außenprüfungen sollte die Vorschrift deshalb besonders in den Fällen sein, in denen die Vorschrift missbräuchlich nicht angewandt wird oder aber die Steuer nach dieser Vorschrift zu einer endgültigen Belastung beim Leistungsempfänger führt. Diesbezüglich ist insbesondere auf folgende Fallgestaltungen zu achten:

  1. Einheitlich zu betrachtende Bauleistungen werden missbräuchlich in mehrere „Leistungen” aufgeteilt, die als selbständige Leistungen nicht unter § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG fallen würden (z. B. Baumateriallieferung und gleichzeitiges Zurverfügungstellen von fachkundigem Personal für substanzverändernde Arbeiten, Zurverfügungstellen von Baugeräten und gleichzeitiges Zurverfügungstellen von Bedienungspersonal für substanzverändernde Arbeiten). In derartigen Fällen ist insbesondere dann, wenn der leistende Unternehmer seinen umsatzsteuerlichen Verpflichtungen nicht oder nicht ausreichend nachkommt, dem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG aus den Rechnungen über die getrennten Leistungen mit gesondertem Steuerausweis zu versagen (vgl. oben zu III 2.).

  2. Einheitliche Reparatur- und Wartungsleistungen an Bauwerken oder Teilen von Bauwerken werden in mehrere „Leistungen” von nicht mehr als 500 € aufgeteilt (vgl. Bagatellregelung in Rz. 17 letzter Gedankenstrich). Es ist entsprechend den Ausführungen zu 1. zu verfahren.

  3. Der Leistungsempfänger, der die Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG erfüllt, ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil er die Bauleistungen für seinen nichtunternehmerischen Bereich bezieht (§ 13b Abs. 2 Satz 3 UStG), er Kleinunternehmer gem. § 19 UStG oder aber pauschalierender Land- und Forstwirt gem. § 24 UStG ist (vgl. § 13b Abs. 5 UStG) oder er ganz oder teilweise gem. § 15 Abs. 2 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Dennoch führt er die Steuer nach § 13b UStG nicht an das Finanzamt ab. Eine zeitgerechte Besteuerung der Bauleistung beim Leistungsempfänger ist sicherzustellen. Soweit der Leistungsempfänger ausschließlich eine Steuer nach § 13b Abs. 2 UStG zu entrichten hat, ist unter Bezugnahme auf § 18 Abs. 4a UStG für den betreffenden Voranmeldungszeitraum die entsprechende Umsatzsteuer festzusetzen. Sofern der Leistungsempfänger noch nicht umsatzsteuerlich geführt wird, ist der Grundkennbuchstabe US zu setzen.

OFD Magdeburg v. - S 7500 - 18 - St 241

Fundstelle(n):
OAAAB-40330