BFH Urteil v. - V R 64/02

Unternehmerische Tätigkeit eines Zweckverbandes bei Umwandlung eines Militärflughafens in einen Gewerbepark

Gesetze: UStG § 2 Abs. 1, 3

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde im Jahre 1994 als Körperschaft des öffentlichen Rechts (Zweckverband) durch verschiedene kommunale Körperschaften gegründet. Mitglieder sind neben dem Landkreis A mehrere kreisangehörige Gemeinden und ein Gemeindeverwaltungsverband, auf deren Gemarkung bzw. in deren Nähe das früher militärisch genutzte Flugplatzgelände Z liegt, sowie die Stadt B. Als Verbandsgebiet ist in § 1 Abs. 3 der Verbandssatzung das Gebiet des früheren Militärflugplatzes definiert. Die Aufgaben des Zweckverbands ergeben sich aus § 2 der Verbandssatzung wie folgt:

"(1) Der Zweckverband plant und erschließt das Verbandsgebiet, erwirbt und veräußert dort Grundstücke, siedelt Betriebe an, errichtet, unterhält und betreibt die im Verbandsgebiet erforderlichen kommunalen Einrichtungen.

(2) Der Zweckverband übernimmt für das Verbandsgebiet die Aufgaben eines Planungsverbandes im Sinne des § 205 Abs. 1 BauGB. Er tritt insoweit für die verbindliche Bauleitplanung und ihre Durchführung, für die Erteilung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB und für die Vorbereitung und Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nach den §§ 165 ff BauGB an die Stelle der Gemeinden ...

(3) Der Zweckverband übernimmt für das Verbandsgebiet von den Gemeinden…die Verpflichtung zur Aufstellung von Grünordnungsplänen nach § 9 des Naturschutzgesetzes für Baden-Württemberg.

(4) Die Gemeinden…übertragen dem Zweckverband das Recht, im Verbandsgebiet die Gas-, Strom-, Wasser- und sonstigen Versorgungseinrichtungen sowie die Entwässerungs- und sonstigen Erschließungsanlagen zu schaffen. Sie übertragen dem Zweckverband ferner die mit diesen Anlagen und Einrichtungen zusammenhängenden Rechte und Pflichten, insbesondere das Recht zum Abschluß von Konzessionsverträgen, zur Ausübung des Anschluß- und Benutzungszwangs, zur Erhebung von Kommunalabgaben nach den §§ 2, 8, 9, 10, 10a und 10b des Kommunalabgabengesetzes, von Erschließungsbeiträgen nach den §§ 127 bis 135 BauGB und von Kostenerstattungsbeträgen für Ausgleichsmaßnahmen nach den §§ 135 a-c BauGB, die Beleuchtungs-, Reinigungs-, Räum- und Streupflicht nach § 41 des Straßengesetzes für Baden-Württemberg - StrG - sowie die Aufgaben des Trägers der Straßenbaulast nach den §§ 43 Abs. 4 und 44 StrG und der Straßenbaubehörde nach § 50 Abs. 3 Nr. 1b, 2b und 3 StrG. Die Übertragung umfaßt auch das Recht zum Erlaß der entsprechenden Satzungen.

(5) Die Gemeinde…überträgt dem Zweckverband die Aufgabe der Abwasserentsorgung für das Schmutzwasser auf dem Grundstück…der Gemarkung…Die Gemeinde…überträgt dem Zweckverband die Aufgabe der Abwasserentsorgung für das Schmutzwasser auf den Grundstücken…der Gemarkung…Die Übertragung umfaßt auch das Recht zum Erlaß der entsprechenden Satzungen und zur Erhebung von Gebühren und Beiträgen.

(6) Die Gemeinden…übertragen dem Zweckverband die Aufgaben der Gemeinde nach der Landesbauordnung.

(7) Der Zweckverband kann sich bei der Erfüllung dieser Aufgaben der Verbandsmitglieder oder Dritter bedienen. Er kann sich auch an einem wirtschaftlichen Unternehmen oder anderen Zweckverbänden beteiligen.”

Die Verbandsverwaltung wird nach § 9 der Satzung durch einen Verbandsdirektor und weitere Bedienstete geführt. Organe des Zweckverbands sind gemäß § 3 der Satzung die Verbandsversammlung und der Verbandsvorsitzende.

Der Kläger hat durch Vertrag vom als alleiniger Gesellschafter die „Y-GmbH” gegründet. § 2 des Gesellschaftsvertrags lautet in Abs. 1:

"Gegenstand des Unternehmens sind die Entwicklung und der Betrieb des Gewerbeparks auf dem Gelände des ehemaligen Militärflugplatzes. Die Gesellschaft hat die Aufgabe, für den Zweckverband in dessen Verbandsgebiet die Erschließung mit Straßen, Abwasserbeseitigungsanlagen, Versorgungseinrichtungen für Gas, Strom und Wasser die Ansiedlung und Betreuung von Unternehmen, die Verpachtung und Unterhaltung von Grundstücken, Gebäuden und technischen Anlagen sowie den Betrieb eines Sonderlandeplatzes durchzuführen, soweit diese Aufgabe nicht hoheitlich vom Zweckverband wahrgenommen werden muss.”

Die Y-GmbH wurde vom Kläger mit der Durchführung des so genannten operativen Geschäfts beauftragt. Zu diesem Zweck wurden zwischen dem Kläger und der GmbH unterschiedliche Dienstleistungsvereinbarungen abgeschlossen, die Vergütungspflichten des Klägers enthalten. Das Personal des Klägers wird teilweise gegen Vergütung für die Tätigkeit der GmbH verwendet, insbesondere ist der Verbandsdirektor Geschäftsführer der Y-GmbH.

Der Kläger hatte die im Verbandsgebiet gelegenen Grundstücke von den früheren Eigentümern teilweise bereits erworben, teilweise beabsichtigte er den weiteren Erwerb. Für Teile des Verbandsgebiets hat der Kläger bauplanungsrechtliche Regelungen aufgestellt, für die restlichen Teile war dies beabsichtigt. Bestimmte Teile der aufgrund der planungsrechtlichen Festlegungen vorzunehmenden Erschließungen wurden und werden durch den Kläger bzw. in dessen Auftrag durchgeführt. So hat der Kläger sowohl den Straßenbau als auch die Erschließung mit Ver- und Entsorgungsleitungen (Abwasser und Wasserversorgung) für die so genannte Ringerschließung und den Anschluss dieser Anlagen an das öffentliche Straßennetz, an eine kommunale Abwasserentsorgungsanlage sowie an ein Wasserversorgungswerk jeweils außerhalb des Verbandsgebiets durchgeführt. Die übrige Erschließung, insbesondere Straßenbau, Ver- und Entsorgung sowie Herrichtung der Grundstücksflächen, ist einem gewerblich tätigen Erschließungsträger —T-GmbH— übertragen. Die erschlossenen und hergerichteten Grundstücke werden als gewerblich nutzbare Flächen auf dem einschlägigen Markt angeboten und an Interessenten zu einem festgelegten Preis je qm Fläche veräußert. Nach den dafür jeweils verwendeten Muster-Kaufverträgen sind mit diesem Kaufpreis die Kosten der so genannten Grundinfrastruktur, insbesondere die durch den Kläger durchgeführte so genannte Grunderschließung abgegolten. Der jeweilige Erwerber verpflichtet sich darüber hinaus zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags mit dem Erschließungsträger und zur Zahlung eines pauschalierten Erschließungskostenanteils für die Feinerschließung. Dieser zusätzliche Erschließungskostenanteil ist vertraglich als Ablösung der öffentlich-rechtlichen Beitragspflichten bezeichnet.

Die Straßen mit den dazugehörenden Erschließungsanlagen verbleiben beim Kläger.

In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für März 2000 erklärte der Kläger einen Ausgangsumsatz von 70 000 DM und machte gegenüber der daraus folgenden Umsatzsteuer in Höhe von 11 200 DM Vorsteuern in Höhe von 98 425,93 DM geltend, die aus einer Kürzung des gesamten Vorsteuerbetrags von 101 470,03 DM um 3,0 % für einen Anteil steuerfreier Umsätze resultierte. Die einzelnen Vorsteuerbeträge wurden in einer Anlage zur Voranmeldung aufgegliedert.

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) hatte der Voranmeldung zwar zugestimmt (§ 168 Satz 2 der AbgabenordnungAO 1977—), änderte diese Steuerfestsetzung jedoch gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 und setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsschuld des Klägers für März 2000 auf 0 DM fest. Das FA war nach Absprache mit dem Finanzministerium zum Ergebnis gelangt, bei den Grundstücksgeschäften stehe die Boden- und Siedlungspolitik im Vordergrund, sodass hoheitliches Handeln vorliege.

Das Finanzgericht (FG) gab der gegen den Vorauszahlungsbescheid eingelegten Sprungklage teilweise statt. Es war der Ansicht, der Kläger sei unternehmerisch tätig —und insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt— gewesen, als er im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Marktgeschehens Grundstücke an- und verkauft habe; er sei insoweit in den Rechtsformen des Zivilrechts und im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art i.S. des § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) tätig geworden. Dasselbe gelte bezüglich der Wasserversorgung, da diese nach der ausdrücklichen Regelung des § 2 Abs. 3 UStG, § 4 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu den Betrieben gewerblicher Art gehöre. Dagegen erfolge der Bau und die Unterhaltung der Straßen sowie die Herstellung der Entwässerungsanlagen nicht im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art. Der hoheitliche Charakter dieser Erschließungsmaßnahmen bleibe auch dann erhalten, wenn der kommunale Erschließungsträger ausschließlich auf eigenem Gelände tätig werde und im konkreten Ablauf der Maßnahme deshalb weder bei der Durchführung noch bei der Finanzierung auf hoheitliche Machtmittel gegenüber gewaltunterworfenen Bürgern angewiesen sei.

Hiergegen wenden sich sowohl der Kläger als auch das FA mit den vorliegenden Revisionen, mit denen sie Verletzung materiellen Rechts rügen.

Der Kläger geht mit dem FG davon aus, dass die Veräußerung der Grundstücke im Rahmen seines Unternehmens erfolge. Er meint aber, Gegenstand der Veräußerung seien erschlossene Grundstücke. Dazu gehöre neben der verkehrsmäßigen Anschließung der Grundstücke auch die Bereitstellung von Ver- und Entsorgungsleitungen für Elektrizität, Wasser und Abwasser. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom V R 87/86 (BFHE 166, 185, BStBl II 1992, 206) entschieden, dass Erschließungsleistungen (Haus- und Kanalanschlüsse) in einer geschuldeten Lieferung des erschlossenen Grundstücks aufgingen. Damit seien nicht nur die auf dem verkauften Grundstück befindlichen Leitungen gemeint, sondern auch derjenige Teil des Grundstücksanschlusses, der sich in der öffentlichen Straße bis zur dort verlaufenden Hauptleitung befinde. Auch soweit Kosten für die Hauptleitung anfielen, würden diese üblicherweise durch erhobene Beiträge gedeckt. Diese würden ertragsteuerrechtlich als Anschaffungskosten auf das Grundstück behandelt (, BFHE 148, 513, BStBl II 1987, 333). Diese zeige die enge Verbindung zwischen der Erschließung der Grundstücke und ihrem Verkauf.

Das FA meint, die Tätigkeit des Klägers hebe sich ganz entschieden von der Tätigkeit eines privaten Bauträgers ab. Der Kläger habe ein riesiges Gebiet erschlossen; das Gesamtprojekt werde mit einem Millionenverlust abschließen. Kein privater Investor würde ein solches Projekt angehen. Anders aber Gemeinden. Sie seien allgemein zur Ordnung und Gestaltung ihres Gebiets durch eine planmäßige und gezielte Boden- und Siedlungspolitik verpflichtet. Dabei beschränken sich die Aufgaben der Gemeinden nicht auf die Planung, sondern umfassen auch die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen, soweit ein Eingreifen der Gemeinde im Einzelfall notwendig sei. Hierzu gehöre auch der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken. So seien die Gemeinden nach § 1 des Bundesbaugesetzes (BBauG) verpflichtet, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde durch die Aufstellung von Bauleitplänen vorzubereiten und zu leiten. Zur Sicherung der Bauleitplanung stünden den Gemeinden bestimmte gesetzliche Vorkaufsrechte zu (§§ 24 bis 28 BBauG). Dadurch würden die Gemeinden in den Stand gesetzt, Grundstücke zu erwerben und anschließend wieder zu veräußern, um auf diese Weise eine geordnete städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung zu gewährleisten. Die Gemeinden könnten sich zur Durchführung ihrer Aufgaben auch hoheitlicher Zwangsmittel wie des Umlegungsverfahrens (§§ 45 ff. BBauG) bedienen. Diese Aufgaben seien hoheitlich wie die Grundstückserschließung (§ 123 BBauG). Im Streitfall sei die Veräußerung der Grundstücke nur Ausfluss der hoheitlichen Betätigung und deshalb insgesamt dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA die Jahresumsatzsteuer für das Streitjahr 2000 festgesetzt (Umsatzsteueränderungsbescheid vom ).

Der Kläger hat gleichwohl seinen Antrag, die Vorentscheidung dahin abzuändern, dass für März 2000 eine „Umsatzsteuervergütung” von 87 226 DM festgesetzt wird und die Revision des FA zurückzuweisen, nicht abgeändert.

Das FA meint, gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sei nunmehr der Jahressteuerbescheid Gegenstand des Verfahrens geworden; eine Zurückverweisung der Rechtssache an das FG sei jedoch nicht geboten, da der BFH aufgrund der vom FG festgestellten Tatsachen in der Lage sei, selbst zu entscheiden. Es beantragt weiterhin, die Revision des Klägers zurückzuweisen und unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

II. Die Revisionen des Klägers und des FA führen gemäß § 127 FGO zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Nach dieser Vorschrift kann der BFH das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen, wenn während des Revisionsverfahrens ein neuer oder geänderter Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Dies ist gemäß § 68 Satz 1 FGO der Fall, da der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2000 den angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für März 2000 ersetzt.

Entgegen der Auffassung des FA ist der BFH aufgrund der vom FG festgestellten Tatsachen nicht in der Lage, über die Rechtmäßigkeit des Jahresumsatzsteuerbescheids selbst zu entscheiden. Es fehlen unter anderem Feststellungen zur Höhe der im Streitjahr 2000 angefallenen Vorsteuerbeträge, um deren Abziehbarkeit es geht.

III. Vorsorglich bemerkt der Senat zum zweiten Rechtsgang, dass er die vom Kläger und vom FA gerügten Rechtsfehler der Vorentscheidung nicht erkennen kann.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

2. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht Gewinn zu erzielen fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§ 2 Abs. 1 UStG).

Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Nach § 4 Abs. 3 KStG gehören zu den Betrieben gewerblicher Art auch Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen.

a) Dem bisherigen Vorbringen des FA kann nicht entnommen werden, warum der Kläger keinen derartigen Betrieb zur Versorgung der Bevölkerung mit Wasser unterhalten haben soll.

b) Keinen Rechtsfehler kann der Senat auch darin erkennen, dass das FG in dem An- und Verkauf der Grundstücke eine unternehmerische Tätigkeit des Klägers gesehen hat.

Das FG hat insoweit zutreffend eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit bejaht. Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG für eine unternehmerische Tätigkeit vor. Auf die fehlende Absicht, Gewinn zu erzielen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Die Besteuerung ist auch nicht nach § 2 Abs. 3 UStG ausgeschlossen.

Dabei kann dahinstehen, ob ein Betrieb gewerblicher Art i.S. des § 2 Abs. 3 UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, § 4 KStG eine Gewinnerzielungsabsicht voraussetzt. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte sich der Kläger nämlich unmittelbar auf Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) berufen.

Nach dieser Bestimmung gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben (Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Etwas anderes gilt dann, wenn eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG).

Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ist dahin auszulegen, dass es sich bei den Tätigkeiten „im Rahmen der öffentlichen Gewalt” um solche Tätigkeiten handelt, die die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung ausüben; ausgenommen sind die Tätigkeiten, die sie unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften —EuGH—, Urteile vom Rs. 231/87 und 129/88 —Comune di Carpaneto Piacentino u.a.—, Slg. 1989, 3233, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 1991, 77; vom Rs. C-4/89 —Comune di Carpaneto Piacentino u.a.—, Slg. 1990, I-1869; vom Rs. C-276/97 —Kommission gegen Frankreich—, Slg. 2000, I-6251; , BFHE 185, 283, BStBl II 1998, 410).

Da die Grundstücksankäufe und -verkäufe nur in den Formen des Privatrechts erfolgen konnten, scheidet eine Ausübung öffentlicher Gewalt i.S. des Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG aus. Hierauf kann sich der Kläger berufen (vgl. EuGH in Slg. 1989, 3233, und Slg. 1990, I-1869).

Der Umstand, dass der Kläger aufgrund seiner Satzung, den Vorschriften des Bundesbaugesetzes oder anderer Vorschriften des öffentlichen Rechts tätig geworden ist, ist insoweit ohne Bedeutung.

3. Das FG ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Bau und die Unterhaltung der Straßen sowie die Herstellung der Entwässerungsanlagen nicht zum unternehmerischen Tätigkeitsbereich des Klägers gehörte und insoweit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG für den begehrten Vorsteuerabzug nicht erfüllt waren.

Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist zwischen der umsatzsteuerlich relevanten Betätigung im Unternehmen und der nichtunternehmerischen —vorzugsweise hoheitlichen— Tätigkeit zu unterscheiden (vgl. , BFHE 142, 524, BStBl II 1985, 176, und vom V R 91/91, BFH/NV 1995, 451).

Zu der nichtunternehmerischen Tätigkeit gehört der Bau und der Unterhalt von dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen (vgl. , BFHE 161, 182, BStBl II 1990, 799; vom XI R 65/95, BFHE 183, 283, BStBl II 1999, 420, und vom V R 78/01, BFHE 201, 554) sowie die Herstellung von Entwässerungsanlagen, soweit die Abwasserbeseitigung —wie hier— in den Formen des öffentlichen Rechts erfolgt und die Nichtbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu keinen größeren Wettbewerbsverzerrungen i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG führt (BFH-Urteil in BFHE 185, 283, BStBl II 1998, 410; Beschluss vom V B 127/01, BFH/NV 2002, 683).

Der Kläger hat deshalb die Eingangsumsätze für den Bau und die Unterhaltung der Straßen sowie die Herstellung der Entwässerungsanlagen im nichtunternehmerischen Bereich bezogen. Er verwendet die Straßen und Entwässerungsanlagen ausschließlich im nichtunternehmerischen Bereich und nicht (auch) für die steuerpflichtigen Grundstückslieferungen. Eine Verwendung der streitbefangenen Leistungsbezüge für die steuerpflichtigen Grundstückslieferungen scheitert daran, dass die Straßen und Entwässerungsanlagen beim Kläger verbleiben und nicht in das Eigentum des Grundstückserwerbers übergehen. Es handelt sich nicht um allgemeine Kosten des Unternehmens, bei denen eine kostenmäßige Zuordnung der Eingangsumsätze zu den Ausgangsumsätzen in Betracht kommt (vgl. —Cibo Participations SA—, Slg. 2001, I-6663, UR 2001, 500), sondern um Kosten, die den Straßen und Entwässerungsanlagen gegenständlich zugeordnet werden können und müssen. Diese dienen in erster Linie den hoheitlichen nichtunternehmerischen Aufgaben des Klägers, die Infrastruktur des Verbandsgebiets sicherzustellen, und allenfalls in zweiter Linie dem Zweck, durch die Erschließung der Grundstücke auch die Erlöse für die steuerpflichtigen Grundstückslieferungen zu steigern. Entgegen der Auffassung des Klägers eröffnen deshalb die Grundstücksumsätze nicht den Vorsteuerabzug für diese Kosten.

Das vom Kläger in diesem Zusammenhang herangezogene Urteil des BFH in BFHE 166, 185, BStBl II 1992, 206 besagt für den Streitfall nichts: Im Urteil V R 87/86 ging es um die Frage, ob der Grundstücksveräußerer neben der (damals steuerfreien) Grundstückslieferung noch andere steuerpflichtige Leistungen erbracht hat; im Streitfall geht es um die Frage, inwieweit der Grundstücksveräußerer Leistungen bezogen hat, die für die Grundstückslieferung verwendet wurden.

Unerheblich ist auch, inwieweit Erschließungsbeiträge ertragsteuerrechtlich als Herstellungskosten des erschlossenen Grundstücks zu aktivieren sind. Im Streitfall geht es nämlich nicht um die ertragsteuerrechtliche Behandlung von Erschließungsbeiträgen beim Beitragsschuldner (Grundstückseigentümer), sondern um die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Eingangsleistungen, die eine juristische Person des öffentlichen Rechts anlässlich der Erschließung eines Gebiets bezieht.

4. Soweit der Kläger die Erschließung dem gewerblichen Erschließungsträger (KK-GmbH) übertrug und die B-GmbH mit dem operativen Geschäft beauftragte, geht der Senat davon aus, dass diese bloße Erfüllungsgehilfen des Klägers waren. Eine Übertragung der Erschließung auf diese Gesellschaften durch öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 124 Abs. 1 BauGB scheidet nach den Feststellungen des FG aus, da der Kläger (und nicht etwa die KK-GmbH) die Grundstücke im Verbandsgebiet erworben und veräußert hat (zu den verschiedenen Formen der Erschließung und Einschaltung von Erschließungsgesellschaften vgl. , BStBl I 2002, 631).

Die Leistungen der Gesellschaften an den Kläger unterliegen jedoch nicht der Umsatzsteuer (und berechtigen deshalb den Kläger auch nicht zum Vorsteuerabzug), falls die Gesellschaften gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Klägers eingegliedert war. Eine derartige Eingliederung kommt insbesondere bei der B-GmbH in Betracht.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 252
BFH/NV 2005 S. 252 Nr. 2
KAAAB-40259