Als gewillkürtes BV aktiviertes Grundstück als Betriebsgrundstück
Leitsatz
1. Ob Grundbesitz zu einem Gewerbebetrieb gehört und deshalb ein Betriebsgrundstück im bewertungsrechtlichen Sinn ist, ist nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden, soweit § 99 Abs. 2 BewG keine Sonderregelungen vorsieht.
2. § 99 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG betrifft nur Grundstücke, die ertragsteuerrechtlich teilweise Betriebs- und teilweise Privatvermögen sind.
Gesetze: BewG § 95 Abs. 1 Satz 1BewG § 99 Abs. 1 und 2BewG § 138 Abs. 3und 5ErbStG § 9ErbStG § 12 Abs. 3EStG § 6 Abs. 1EStG § 15 Abs. 1 und 2AO 1977 § 18 Abs. 1 Nr. 1AO 1977 § 179 Abs. 3FGO § 101 Satz 1
Instanzenzug: BG (EFG 2001, 344) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind die Erben des 1997 verstorbenen Erblassers. Dieser hatte auf zwei benachbarten, zum Nachlass gehörenden Grundstücken (A und B) ein Ladengeschäft betrieben. Später hatte er dieses Geschäft auf das Grundstück A beschränkt und den Laden auf dem Grundstück B vermietet. Das Grundstück B hatte er weiterhin in seine Bilanzen aufgenommen; die Einkünfte aus der Vermietung hatte er seinem Gewerbebetrieb zugeordnet. Der auf dem Grundstück B befindliche Lagerraum stand zum Todeszeitpunkt leer.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) stellte den Wert des Grundstücks B auf den Todestag gesondert und einheitlich fest, ohne festzustellen, dass das Grundstück Betriebsgrundstück sei und zu einem Gewerbebetrieb gehöre.
Der nach erfolglosem Einspruch mit dem Ziel, eine solche Feststellung zu erreichen, erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 344 veröffentlichten Urteil statt. Das FG stellte in der Urteilsformel fest, dass das Grundstück B als Betriebsgrundstück i.S. von § 99 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu dem Gewerbebetrieb des Erblassers gehört habe.
Das FA rügt mit der Revision Verletzung des § 99 BewG. Bei dem Grundstück B habe es sich zum Todeszeitpunkt nicht um ein Betriebsgrundstück im Sinne dieser Vorschrift gehandelt, da es der Erblasser aufgrund der Vermietung nicht selbst zu mehr als der Hälfte seines Wertes unmittelbar für sein Ladengeschäft genutzt habe.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), dass die Urteilsformel des finanzgerichtlichen Urteils zu berichtigen ist. Das FG durfte die nachzuholenden Feststellungen nach § 101 Satz 1 FGO nicht selbst treffen, sondern musste das FA zum Erlass eines entsprechenden Ergänzungsbescheids (§ 179 Abs. 3 der Abgabenordnung —AO 1977—) verpflichten.
Das Grundstück B gehörte zum Zeitpunkt des Erbfalls als Betriebsgrundstück zum Gewerbebetrieb des Erblassers. Das FA ist verpflichtet, dies durch Ergänzungsbescheid festzustellen (vgl. , BFHE 135, 85, BStBl II 1983, 88).
1. Grundbesitz (§ 19 BewG) ist nach § 12 Abs. 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) mit dem Grundbesitzwert anzusetzen, der nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG (Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz für die Erbschaftsteuer ab und für die Grunderwerbsteuer ab ) auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) festgestellt wird. Die nach § 138 Abs. 3 Satz 1 BewG u.a. für Betriebsgrundstücke i.S. des § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG zu ermittelnden Grundstückswerte sind nach § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG gesondert festzustellen, wenn sie für die Erbschaftsteuer erforderlich sind (Bedarfsbewertung). In dem Feststellungsbescheid sind nach § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BewG auch Feststellungen zu treffen über die Art der wirtschaftlichen Einheit, bei Betriebsgrundstücken, die zu einem Gewerbebetrieb gehören (wirtschaftliche Untereinheit), auch über den Gewerbebetrieb.
a) Betriebsgrundstück i.S. des § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG ist der zu einem Gewerbebetrieb gehörige Grundbesitz, soweit er, losgelöst von seiner Zugehörigkeit zu dem Gewerbebetrieb, zum Grundvermögen gehören würde.
Unter welchen Voraussetzungen Grundbesitz zu einem Gewerbebetrieb gehört, richtet sich, abgesehen von den in § 99 Abs. 2 BewG geregelten Sonderfällen, bei Einzelgewerbetreibenden nach § 95 BewG (Teß in Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Kommentar, § 99 Anm. 4; Dötsch in Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 99 BewG Anm. 15).
Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BewG umfasst das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Hiervon abweichende Regelungen enthält § 95 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 99 Abs. 2 BewG.
§ 99 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG betrifft nur Fälle, in denen ein Grundstück und das darauf errichtete Gebäude ertragsteuerrechtlich wegen verschiedener Nutzungs- und Funktionszusammenhänge in selbständige Wirtschaftsgüter i.S. des § 6 Abs. 1 EStG aufzuteilen ist (vgl. zu dieser Aufteilung z.B. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 189, 174, BStBl II 1999, 774, unter C. 1., m.w.N.). In solchen Fällen ist das Grundstück je nach dem Wert, zu dem es dem Gewerbebetrieb des Einzelunternehmers dient, bewertungsrechtlich insgesamt als Betriebsgrundstück oder als zum Grundvermögen gehörend zu beurteilen. Eine darüber hinaus gehende Bedeutung kommt § 99 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG nicht zu. Das Grundstück dient dem Gewerbebetrieb im Sinne dieser Vorschriften, soweit es ertragsteuerrechtlich Betriebsvermögen ist. Ein engerer Sinngehalt etwa dahin, dass nur notwendiges, nicht aber gewillkürtes Betriebsvermögen dem Gewerbebetrieb diene, lässt sich dem Wortlaut der Bestimmungen nicht entnehmen.
Ist ein Wirtschaftsgut weder notwendiges Privatvermögen noch notwendiges Betriebsvermögen, so kann es gewillkürtes Betriebsvermögen sein, wenn es objektiv geeignet und subjektiv dazu bestimmt ist, den Betrieb zu fördern (, BFHE 203, 373, m.w.N.). Liegen diese Voraussetzungen vor und ist deshalb ein Grundstück ertragsteuerrechtlich Betriebsvermögen, kann nicht angenommen werden, es diene aus bewertungsrechtlicher Sicht nicht dem Gewerbebetrieb und sei deshalb kein Betriebsgrundstück. Eine andere Auslegung des § 99 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG würde im Übrigen dazu führen, dass für Grundstücke einerseits und alle anderen, unmittelbar unter § 95 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BewG fallenden Wirtschaftsgüter andererseits, soweit sie gewillkürtes Betriebsvermögen sind, bewertungsrechtlich unterschiedliche Regeln gelten würden, ohne dass dafür ein sachlich einleuchtender Grund ersichtlich wäre.
Dass § 99 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG nur Fälle betrifft, in denen ein Grundstück ertragsteuerrechtlich wegen verschiedener Nutzungs- und Funktionszusammenhänge in selbständige Wirtschaftsgüter i.S. des § 6 Abs. 1 EStG aufzuteilen ist, wird durch die weitere, in § 99 Abs. 2 Satz 3 BewG vorgesehene Sonderregelung bestätigt. Diese Vorschrift betrifft den Fall, dass ein Grundstück neben dem Betriebsinhaber auch anderen Personen gehört. Auch hier schließt das BewG die ertragsteuerrechtlich gebotene Aufteilung des Grundstücks in Betriebs- und Privatvermögen aus (vgl. zur ertragsteuerrechtlichen Aufteilung bei mehreren Eigentümern BFH-Beschluss in BFHE 189, 174, BStBl II 1999, 774, unter C. 1.).
b) Das für die Bedarfsbewertung nach § 138 Abs. 5 BewG zuständige Lagefinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) hat eigenständig zu prüfen, ob ein Grundstück Betriebsgrundstück ist und zu welchem Gewerbebetrieb es ggf. gehört, um die ihm nach § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BewG obliegenden Feststellungen treffen zu können. Es ist nicht an zum Ertragsteuerrecht ergangene Steuer- oder Feststellungsbescheide gebunden. Für eine solche Bindung gibt es keine gesetzliche Grundlage. Eine einheitliche Entscheidung im Einzelfall auftretender Fragen, etwa ob der Erblasser überhaupt einen Gewerbebetrieb unterhalten hatte (§ 15 Abs. 2 EStG), ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es ist somit möglich, dass eine solche Frage von mehreren beteiligten Lagefinanzämtern gesondert zu entscheiden ist. Dies kann unpraktikabel sein, ist aber Folge der gesetzlichen Regelung.
2. Das Grundstück B war beim Eintritt des Erbfalls ein zum Gewerbebetrieb des Erblassers gehörendes Betriebsgrundstück.
a) Ertragsteuerrechtlich scheidet ein Grundstück nicht bereits deshalb aus dem Betriebsvermögen aus, weil es der Betriebsinhaber selbst nicht mehr unmittelbar in seinem Unternehmen verwendet, sondern es vermietet oder leer stehen lässt.
Hat ein Steuerpflichtiger ein Wirtschaftsgut zulässigerweise seiner betrieblichen Betätigung und damit seinem Betriebsvermögen zugeordnet, so verliert es seine Eigenschaft als Betriebsvermögen nur durch eine Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb. Der sachliche betriebliche Zusammenhang wird bei unveränderter subjektiver Zurechnung des Wirtschaftsguts durch Entnahme gelöst; der persönliche betriebliche Zusammenhang geht verloren durch eine entgeltliche Veräußerung des Wirtschaftsguts oder durch dessen schenkweise Übertragung auf einen Betriebsfremden, die wiederum —ebenso wie die Lösung des sachlichen Zusammenhangs bei unveränderter subjektiver Zurechnung des Wirtschaftsguts— eine Entnahme voraussetzt oder mitumfasst (, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395).
Die Entnahme setzt regelmäßig eine von einem Entnahmewillen getragene Entnahmehandlung voraus (BFH-Urteile in BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395; vom IV R 32/01, BFH/NV 2002, 1135).
b) Das Grundstück B war ertragsteuerrechtlich durch die Nutzung für das Ladengeschäft des Erblassers Betriebsvermögen seines Gewerbebetriebs geworden. Es hatte diese Eigenschaft nicht durch die teilweise Vermietung und das Leerstehenlassen im Übrigen verloren. Weder der sachliche noch der persönliche Zusammenhang mit dem Betrieb war dadurch gelöst worden. Der Erblasser hatte das Grundstück nicht aus seinem Betriebsvermögen entnommen, sondern weiterhin bilanziert und die aus der Vermietung erzielten Einkünfte seinem Gewerbebetrieb zugeordnet.
Ebenso wie ertragsteuerrechtlich ist das Grundstück auch bewertungsrechtlich nicht aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden und ist somit Betriebsgrundstück i.S. des § 99 BewG geblieben. Es gehörte weiterhin zum Gewerbebetrieb des Erblassers i.S. des § 99 Abs. 1 BewG. Die Regelung in § 99 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG ist nicht einschlägig, da der Erblasser das Grundstück nicht teilweise privat, etwa für eigene Wohnzwecke, genutzt hatte und es somit ertragsteuerrechtlich nicht zum Teil Privatvermögen gewesen war.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 463
BB 2004 S. 2734 Nr. 50
BB 2005 S. 151 Nr. 3
BFH/NV 2005 S. 99
BFH/NV 2005 S. 99 Nr. 1
BStBl II 2005 S. 463 Nr. 12
DB 2005 S. 31 Nr. 1
DStR 2004 S. 2193 Nr. 51
DStRE 2005 S. 128 Nr. 2
FR 2005 S. 206 Nr. 4
HFR 2005 S. 97
INF 2005 S. 4 Nr. 1
KÖSDI 2005 S. 14509 Nr. 2
WAAAB-36870