BFH Urteil v. - IX R 39/03

Beteiligtenfähigkeit einer GbR im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Vermietungseinkünfte

Gesetze: AO §§ 352, 359; FGO §§ 48, 57

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine aus zwei Gesellschaftern bestehende Grundstücksgemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). In ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr (1997) gab die Klägerin als gemeinsame Empfangsbevollmächtigte die Steuerberatungssozietät X an. Der Steuererklärungsvordruck enthält den Hinweis, für den Fall, dass kein vertretungsberechtigter Geschäftsführer vorhanden sei, stehe dem benannten Empfangsbevollmächtigten im Feststellungsverfahren grundsätzlich die ausschließliche Einspruchs- und Klagebefugnis zu (§ 352 der AbgabenordnungAO 1977—; § 48 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) stellte im Streitjahr in einem gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Feststellungsbescheid Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 0 DM fest; der Bescheid war an die Empfangsbevollmächtigte adressiert und wurde dieser bekannt gegeben.

Gegen den Bescheid legte ein Gesellschafter der Klägerin im eigenen Namen und in Vollmacht für den anderen Gesellschafter Einspruch ein, den das FA als unzulässig verwarf. Mangels eines zur Vertretung der Klägerin berufenen Geschäftsführers sei nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AO 1977 nur die als gemeinsame Empfangsbevollmächtigte benannte Steuerberatungssozietät einspruchsbefugt.

Die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der Einspruchsentscheidung begehrte, hatte Erfolg. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 704 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht (stillschweigend) die Klage der Klägerin als zulässig angesehen und damit deren Beteiligtenfähigkeit (§ 57 FGO) und Klagebefugnis (§ 48 FGO) bejaht.

a) Eine GbR ist im Steuerprozess beteiligtenfähig. Dies hat der Senat unter Aufgabe der früheren anderslautenden Rechtsprechung in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom IX R 83/00 entschieden. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Gründe dieses Urteils.

b) Die Klagebefugnis der Klägerin ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO (i.d.F. des Grenzpendlergesetzes vom , BGBl I 1994, 1395 —§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO n.F.—); danach können für sie gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen „zur Vertretung berufene Geschäftsführer” Klage erheben. Hierbei kommt es —entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift— nicht darauf an, ob die Gesellschafter einer GbR nur einzeln oder —wie im Streitfall— gemeinschaftlich vertretungsberechtigt sind (ebenso z.B. , EFG 2002, 157, rkr.; Steinhauff in Hübschmann/ Hepp/Spitaler —HHSp—, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 48 FGO Rz. 70; von Beckerath in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 48 FGO Rz. 77.3; Dumke in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 48 Rz. 10; a.A. z.B. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 48 Tz. 28; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 48 FGO Rz. 12; Siegert, Deutsche Steuer-Zeitung 1995, 25, 27; Eberhart, Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren, 1996, S. 105). Die Klagebefugnis ergibt sich nur dann aus § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO, wenn die GbR eine sog. Publikumsgesellschaft ist (s. dazu , BFH/NV 1998, 994, 996), was im Streitfall jedoch nicht zutrifft.

Die Einwendungen des FA greifen nicht durch. Die Klagebefugnis der GbR ist die notwendige Konsequenz aus der Anerkennung ihrer steuerrechtlichen Beteiligtenfähigkeit in Verbindung mit der auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einbeziehenden Neufassung des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO sowie den bürgerlich-rechtlichen Vertretungsregeln. Eine hiervon abweichende steuerrechtliche Beurteilung unter Rückgriff auf das gesetzliche Leitbild des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO n.F. (s. Beschluss in BFH/NV 1998, 994) ist nur gerechtfertigt, wenn die GbR bei ihrer Gründung von vornherein darauf angelegt ist, eine Vielzahl neuer Gesellschafter (zukünftig) aufzunehmen. In allen anderen Fällen ist auch im Steuerprozess die —gegebenenfalls gemeinschaftliche— bürgerlich-rechtliche Vertretungsbefugnis zu beachten.

Die vom FA geäußerte Gefahr von Rechtsunsicherheit hält der Senat nicht für gegeben. Im Zweifel ist (nunmehr) —von der Ausnahme einer sog. Publikumsgesellschaft abgesehen— nur eine von allen Gesellschaftern einer GbR erhobene Klage wirksam; dies gilt auch dann, wenn unter den nach bürgerlichem Recht zur Vertretung der GbR berufenen Gesellschaftern Streit über Fragen der Geschäftsführung besteht. Klagen nicht alle Gesellschafter einer GbR, ist die Klage nur wirksam erhoben, wenn die klagenden Gesellschafter vertretungsbefugt sind.

2. Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich, dass das FG im Ergebnis auch zutreffend die Einspruchsbefugnis der GbR bejaht hat.

a) Nach der —§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO n.F. entsprechenden— Vorschrift des § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 i.d.F. des Grenzpendlergesetzes vom (a.a.O.) —§ 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 n.F.— können gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen „zur Vertretung berufene Geschäftsführer” Einspruch einlegen; dies sind im Falle der (bürgerlich-rechtlich) gemeinschaftlichen Vertretungsberechtigung alle Gesellschafter einer GbR (ebenso z.B. Birkenfeld in HHSp, a.a.O., § 352 AO Rz. 69; Szymczak in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 352 Rz. 10; Dißars/ Dißars, Betriebs-Berater 1996, 773 f.; a.A. z.B. Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 352 AO n.F. Anm. 3). Etwas anderes gilt nur bei einer —hier nicht vorliegenden— sog. Publikumsgesellschaft (s. oben, unter II. 1.).

b) Im Streitfall haben die i.S. von § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 n.F. zur Vertretung der GbR berufenen Geschäftsführer gemeinschaftlich Einspruch eingelegt. Zwar ist dies von einem Gesellschafter im eigenen Namen geschehen; nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) handelte er jedoch auch mit Vollmacht des anderen Gesellschafters.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1371
BFH/NV 2004 S. 1371 Nr. 10
DStRE 2004 S. 1186 Nr. 19
CAAAB-25680