BFH Urteil v. - VIII R 76/99

Kindergeld bei Haushaltswechsel eines Kindes

Gesetze: EStG § 64 Abs. 2, § 66 Abs. 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat seit dem das 1991 geborene Kind D in ihren Haushalt aufgenommen. Bis zum lebte das Kind im Haushalt seiner Großmutter, der Beigeladenen. Diese bezog für das Kind Kindergeld, zuletzt in Höhe von 350 DM monatlich.

Nachdem dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Beklagter) der Haushaltswechsel des Kindes bekannt geworden war, hob er die Festsetzung des Kindergeldes zugunsten der Beigeladenen mit Wirkung ab März 1997 auf.

Dem Antrag der Klägerin auf Festsetzung von Kindergeld ab dem Monat Februar 1997 entsprach der Beklagte nur insoweit, als er das Kindergeld ab März 1997 festsetzte. Der Einspruch der Klägerin mit dem Begehren, Kindergeld für den Monat Februar zu ihren Gunsten festzusetzen, hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es vertrat die Auffassung, dass dann, wenn mehrere Berechtigte für unterschiedliche Zeiträume eines Monats das Kind in ihren Haushalt aufgenommen hätten, das Kindergeld für diesen Monat gemäß § 64 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur einmal, und zwar an denjenigen zu zahlen sei, in dessen Haushalt sich das Kind zu Beginn des Monats aufgehalten habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1238 veröffentlicht.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung der §§ 64 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 2 EStG.

Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr für das Kind D Kindergeld für den Monat Februar 1997 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin für das Kind D für den Monat Februar 1997 keinen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld hat.

1. Es ist unstreitig, dass für den Monat Februar 1997 für das Kind D die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kindergeld sowohl die Beigeladene (§ 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) als auch die Klägerin (§ 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG) erfüllt hat.

Das Konkurrenzverhältnis der Ansprüche mehrerer Berechtigter für den Fall, dass sich die Haushaltszugehörigkeit eines Kindes während eines laufenden Monats ändert, ist in § 64 EStG nicht ausdrücklich geregelt. In § 64 Abs. 1 EStG ist aber bestimmt, dass für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt wird. Aus dieser Regelung folgt Zweierlei:

Sie verbietet zum einen, dass für dasselbe Kind für denselben Monat zweimal Kindergeld in voller Höhe an verschiedene Berechtigte gezahlt wird. Dass der Gesetzgeber Doppelzahlungen von Kindergeld für dasselbe Kind auf jeden Fall vermeiden wollte, folgt nicht nur aus § 64 Abs. 1 EStG, sondern auch aus § 65 EStG. Nach der letztgenannten Vorschrift wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das aus einem anderen Rechtsgrund ein Anspruch auf Leistungen besteht, die mit dem Kindergeld vergleichbar sind. Deshalb kann ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber dann, wenn er den Fall des Wechsels der Haushaltszugehörigkeit eines Kindes während des laufenden Monats ausdrücklich geregelt hätte, das Kindergeld für diesen Monat doppelt bewilligt hätte.

Dass das Kindergeld für ein Kind nur einem Berechtigten gezahlt wird, besagt zum anderen, dass es auch nicht zulässig ist, abweichend von der in § 71 EStG angeordneten monatlichen Zahlung eine tageweise Aufteilung des Kindergeldbetrags gemäß § 66 Abs. 1 EStG für dieses Kind vorzunehmen und die anteiligen Beträge des monatlichen Kindergeldes an zwei Berechtigte auszuzahlen. Eine derartige Aufteilung stünde in klarem Widerspruch zu § 66 Abs. 2 EStG, wonach das Kindergeld vom Beginn des Monats gezahlt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen.

2. Ist danach weder eine Doppelzahlung noch eine Aufteilung des Kindergeldes mit dem Gesetz vereinbar, dann kann —wie von der Vorinstanz entschieden und wie von der Verwaltung in der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) in Abschnitt 64.4 Abs. 3 (BStBl I 1998, 386, 389, 442) angeordnet— ein Haushaltswechsel des Kindes während des laufenden Monats bei dem neuen Berechtigten erst ab dem Folgemonat berücksichtigt werden.

Der Kindergeldanspruch desjenigen Berechtigten, zu dessen Haushalt das Kind zu Beginn des Monats gehört hat, ist durch die Zahlung erfüllt und damit erloschen (§ 47 der AbgabenordnungAO 1977—). Das an den Berechtigten gezahlte Kindergeld kann nicht mehr zurückgefordert werden, da es nicht, wie nach § 37 Abs. 2 AO 1977 für eine Rückforderung erforderlich, ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist. Denn die Festsetzung des Kindergeldes für diesen Monat war trotz des Haushaltswechsels des Kindes gemäß § 66 Abs. 2 EStG rechtmäßig geblieben. Wie bereits ausgeführt, wird das Kindergeld nach dieser Vorschrift vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen entfallen. Danach ist dann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen zu Beginn des Monats vorgelegen haben, das Kindergeld für den gesamten Monat zu zahlen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 70 Abs. 2 EStG. Nach dieser Vorschrift ist insoweit, als in den Verhältnissen, die für die Zahlung des Kindergeldes erheblich sind, Änderungen eingetreten sind, die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung an aufzuheben oder zu ändern. Der Zeitpunkt der Änderung, ab dem die Kindergeldfestsetzung für den zu Beginn des Monats Berechtigten aufzuheben ist, ist wegen des Monatsprinzips der §§ 66 Abs. 2, 71 EStG aber der Beginn des Folgemonats.

Da aufgrund der vorstehenden Überlegungen die Kindergeldzahlung an den zu Beginn des Monats Berechtigten unabänderbar ist, kann eine Doppelzahlung nur dadurch vermieden werden, dass bei dem Haushaltswechsel eines Kindes während eines laufenden Monats dieser Wechsel erst mit Wirkung ab dem Folgemonat zugunsten des neuen Berechtigten berücksichtigt wird. Dies entspricht auch der inzwischen einhelligen Auffassung in der Literatur (vgl. Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 64 EStG Rz. 194; Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Fach A, I. Kommentierung, § 64 EStG Rz. 10 ff., Stand: Juni 2001; Greite in Korn, Einkommensteuergesetz, § 64 Rz. 14; Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 64 Rz. 3; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 64 Anm. 9 S. E 6 letzter Abs.; Felix in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 64 Rdnr. B 6; R. Claßen in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 64 Anm. 5; Hildesheim in Bordewin/Brandt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 64 Rz. 53). Soweit Dürr ursprünglich die von der Klägerin für zutreffend erachtete Auffassung vertreten hat, dass das Kindergeld an denjenigen Berechtigten zu zahlen sei, bei dem die entscheidenden Merkmale am intensivsten verwirklicht seien, hat er an dieser Auffassung im Lichte des mit der vorliegenden Revision angefochtenen Urteils zu Recht nicht mehr festgehalten (vgl. Dürr in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 64 Rz. 20 und 21, Stand: Juli 2002).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 933
BFH/NV 2004 S. 933 Nr. 7
FAAAB-21058