BFH Beschluss v. - X B 151/02

Betriebsstätte eines Bezirksschornsteinfegermeisters

Gesetze: AO § 12

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757) nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) dargelegt.

Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn im konkreten Fall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im allgemeinen Interesse an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (zusammenfassend zu dem seit 2001 geltenden Zulassungsrecht Senatsbeschluss vom X B 109/02, BFH/NV 2003, 1082, unter 1. a, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen müssen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (Senatsbeschluss vom X B 102/01, BFH/NV 2002, 1045).

1. Eine solche schlüssige Darlegung erfordert auch unter der Geltung des Revisionszulassungsrechts nach dem 2.FGOÄndG, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt und substantiiert darauf eingeht, inwieweit diese Rechtsfrage klärungsbedürftig, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 32, m.w.N.) und dass sie klärungsfähig ist, weil sie in einem künftigen Revisionsverfahren für die Entscheidung des Streitfalls rechtserheblich ist (u.a. , BFH/NV 1998, 729).

2. Daran mangelt es der Beschwerde der Kläger.

a) Es ist schon zweifelhaft, ob der Beschwerdebegründung eine solche abstrakte Rechtsfrage entnommen werden kann, weil sich die Beschwerde letztlich gegen die materiell-rechtliche Würdigung des Streitfalls durch das Finanzgericht (FG) richtet und in dieser Beurteilung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sieht. Versteht man dennoch die Kritik des Klägers an dem angefochtenen Urteil wohlwollend als Frage, ob es mit § 12 der Abgabenordnung (AO 1977) und § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vereinbar ist, wenn für die Betriebsstätte (hier: eines Bezirksschornsteinfegermeisters) eine vollständige Abgrenzung zum Wohnbereich gefordert wird, so hätte der Kläger damit zwar eine abstrakte für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage gestellt. Diese Rechtsfrage ist indes bereits höchstrichterlich geklärt und deshalb nicht klärungsbedürftig. Der BFH hat sich bereits mehrfach zu der Frage der Betriebsstätte eines Bezirksschornsteinfegermeisters geäußert. So hat der erkennende Senat entschieden, dass die Fahrten eines selbständigen Schornsteinfegermeisters zwischen dem von ihm bewohnten Einfamilienhaus und seinem Kehrbezirk dem begrenzten Betriebsausgabenabzug des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG grundsätzlich auch dann unterliegen, wenn sich im Einfamilienhaus gewerblich genutzte Räume befinden (Urteil vom X R 110/88, BFHE 162, 82, BStBl II 1991, 208). Dem hat sich der XI. Senat des (BFH/NV 1999, 41) selbst in einem Fall angeschlossen, in dem die betrieblich genutzten Räume auf zwei Seiten an das vom Kläger bewohnte Haus angebaut waren.

Allgemein hat der XI. Senat erkannt, dass betrieblich genutzte Räumlichkeiten, die nur einen Teil der Wohnung bilden, nicht als Betriebsstätte bzw. nicht als Ausgangs- oder Endpunkt der Fahrt zu einer anderen Betriebsstätte angesehen werden können (, BFH/NV 1998, 1216, m.w.N.).

b) Der Kläger hat nicht dargelegt, ob und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen diese Rechtsprechung umstritten ist.

c) Soweit der Kläger meint, die Lage seiner betrieblich genutzten Räume im Keller des von ihm bewohnten Hauses und eine —nach zutreffender Ansicht des FG lediglich provisorische— Abtrennung der Kellerräume von den Wohnräumen würden eine von den genannten Urteilen abweichende Entscheidung rechtfertigen, rügt er lediglich die Richtigkeit der vom FG aus den tatsächlichen Umständen des Falles gezogenen Folgerungen. Mit einer auf den Einzelfall bezogenen Betrachtung lässt sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache jedoch nicht darlegen.

3. Das Vorbringen des Klägers, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sei darin begründet, dass das angefochtene Urteil von den BFH-Urteilen vom VIII R 134/83 (BFHE 147, 169, BStBl II 1986, 744), vom I R 80-81/91 (BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462) und vom I R 15/93 (BFHE 172, 301, BStBl II 1994, 148) abweiche, rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht.

a) Zwar ist der Zulassungsgrund „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung„ auch ein Wesensmerkmal der Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (so Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 43), so dass nach der früheren Fassung des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO bei einer Divergenz die grundsätzliche Bedeutung unwiderlegbar indiziert war. Aber zum einen trat diese Wirkung nur im Fall einer tatsächlich gegebenen Divergenz ein. Zum anderen ist der Beschwerdeführer auch nach dem neuen Revisionszulasssungsrecht nicht der Aufgabe enthoben, zur schlüssigen Rüge der Divergenz neben der Bezeichnung der Divergenzentscheidung tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herauszuarbeiten und einander gegenüberzustellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479; vom II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482; vom XI B 152/01, BFH/NV 2002, 1484; Senatsentscheidungen vom X B 122/02, BFH/NV 2003, 803, und vom X B 52/03, BFH/NV 2004, 80; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 42; a.A. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO Rz. 77). Das hat der Kläger jedoch gänzlich unterlassen.

b) Zudem hat er eine Divergenz nicht dartun können. Der BFH hat im Gegenteil in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass der Begriff der Betriebsstätte in § 12 AO 1977 nicht für den Begriff der Betriebsstätte in Einzelsteuergesetzen bindend ist (Urteile vom IV R 55/88, BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23; vom XI R 5/95, BFH/NV 1997, 279). Vielmehr kann davon auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung abgewichen werden (BFH in BFH/NV 1999, 41), wenn sich aus dem gesetzlichen Zusammenhang ergibt, dass der in einer Vorschrift verwendete Begriff der Betriebsstätte einen anderen Inhalt hat (Senats-Urteil vom X R 174/96, BFHE 194, 222, BStBl II 2001, 734). Dies hat der BFH zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG wegen des Zusammenhangs der Vorschrift mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und der gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbständigen bejaht und daher diesen Begriff weiter als in § 12 Satz 1 AO 1977 im Sinne einer Beschäftigungsstätte ausgelegt (Senats-Urteile vom X R 44/89, BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97, und in BFHE 162, 82, BStBl II 1991, 208). Anders als dort ist unter „Betriebsstätte„ die (von der Wohnung getrennte) Beschäftigungsstätte zu verstehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23, und erkennender Senat in BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97). Denn der Wortlaut des § 12 AO 1977 ergibt nicht, dass von ihm nur aufgrund einer ausdrücklichen Regelung in einem Einzelsteuergesetz abgewichen werden darf (BFH-Urteil in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23).

4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 951 Nr. 7
ZAAAB-20506