Wohnung i. S. des § 7c Abs. 1 EStG
Gesetze: EStG § 7c Abs. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, bauten nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im Jahr 1992 das Dachgeschoss ihres Einfamilienhauses um. Durch Aufstockung eines bisher eingeschossigen Gebäudeteils entstand unter Einbeziehung eines Teils des bisherigen Dachgeschosses eine neue Wohneinheit, die durch eine Eingangstür von einem Treppenhaus abgetrennt ist und die ein Wohnzimmer, eine Küche, einen Hauswirtschaftsraum, ein Bad, ein WC, einen Schlafraum und eine Diele umfasst. Im Dachgeschoss befinden sich daneben zwei Wohnräume der Kläger, die ebenfalls nur vom Treppenhaus aus zugänglich sind. Im Erdgeschoss des Treppenhauses befindet sich ein Ausgang, außerdem gelangt man in die bereits zuvor von den Klägern genutzten Räume: Über eine Diele und das Schlafzimmer der Kläger besteht Zugang zu dem zusammenhängenden Wohnbereich der Kläger; außerdem ermöglicht das Treppenhaus den alleinigen Zugang zu einem weiteren Zimmer der Kläger, das daneben keine Verbindung zum Wohnbereich der Kläger aufweist.
Die neu geschaffene Wohneinheit vermieteten die Kläger ab Januar 1993 an ihren Sohn und dessen Ehefrau.
Von den Aufwendungen in Höhe von 77 050 DM, die durch die Baumaßnahme entstanden sind, berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) in den Jahren 1992 bis 1994 (Streitjahre) zunächst erklärungsgemäß jeweils einen Teilbetrag von 12 000 DM (20 v.H. von 60 000 DM) als erhöhte Absetzungen nach § 7c des Einkommensteuergesetzes (EStG); für den übersteigenden Restbetrag (17 050 DM) gewährte es Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG. Die Festsetzungen ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung —AO 1977—).
Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, erhöhte Absetzungen nach § 7c EStG seien nicht zu gewähren, weil die neu geschaffene Wohneinheit nicht von den bisherigen Räumen klar und eindeutig abgeschlossen sei und ihr Zugang durch den Wohnbereich der Wohnung der Kläger führe. Es änderte deshalb die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre nach § 164 Abs. 2 AO 1977 und berücksichtigte lediglich AfA nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG.
Das FG gab der Klage statt. Es vertrat in seinem Urteil (juris-Dokument Nr. STRE 200170053) die Auffassung, den Klägern stünden erhöhte Absetzungen nach § 7c EStG zu. Der Begriff der Wohnung i.S. des § 7c EStG setze nach dem maßgebenden bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff u.a. voraus, dass die Räume derart zusammengefasst seien, dass sie von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennt und in sich abgeschlossen eine Wohneinheit bildeten; hierfür müsse ein eigener Zugang bestehen. Die im Obergeschoss neu geschaffene Wohneinheit erfülle diese Kriterien. Sie umfasse lediglich die Räumlichkeiten, die hinter der Eingangstür liegen, sei in sich abgeschlossen und von den übrigen Räumen durch die abschließbare Eingangstür zum Treppenhaus hin getrennt. Das Treppenhaus habe allein die Funktion, den Zugang zu Räumlichkeiten zu gewährleisten; es werde aber nicht dadurch selbst Wohnbereich, dass von ihm Räume abgehen, die bewohnbar sind. Die Einstufung als Wohnung gelte außerdem unabhängig davon, ob die übrigen Räume des Hauses, in dem diese neue Wohneinheit geschaffen wurde, ihrerseits den Wohnungsbegriff erfüllten oder nicht. Für die Frage der Förderung nach § 7c EStG sei nicht erforderlich, dass aus einem Einfamilienhaus bewertungsrechtlich ein Zweifamilienhaus entstehe. Deshalb komme es nicht darauf an, ob auch die im Erdgeschoss befindlichen Wohnräume in sich abgeschlossen seien.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 7c EStG.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Vorentscheidung. Selbst wenn man es aber —entgegen der Auffassung des FG— für erforderlich halte, dass die zuvor bestehende Wohnung baulich abgeschlossen sein müsse, sei dieser Abschluss gegeben. Das FG habe dies zwar offen gelassen, weil es hierauf nicht ankomme, jedoch seien die Räume der unteren Wohnung nach den tatsächlichen Feststellungen des FG gegenüber dem gemeinsamen Treppenhaus abgeschlossen. Insbesondere befände sich —entgegen der Auffassung des FA— zwischen dem Flur der Erdgeschosswohnung und dem Treppenhaus eine abschließbare Schiebetür, davon sei auch das FA im Einspruchsbescheid ausgegangen. Beide Wohnungen verfügten zudem über einen eigenen Zugang.
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die von den Klägern geschaffene Wohneinheit ist keine Wohnung i.S. des § 7c Abs. 1 EStG.
1. Nach § 7c EStG können bei bestimmten Wohnungen, die durch Baumaßnahmen an Gebäuden im Inland hergestellt worden sind, abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden vier Jahren Absetzungen jeweils bis zu 20 v.H. der Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen durch die Baumaßnahme entstanden sind, höchstens jedoch 60 000 DM je Wohnung, vorgenommen werden, wenn die Wohnung vom Zeitpunkt der Fertigstellung bis zum Ende des Begünstigungszeitraums fremden Wohnzwecken dient.
a) Der Begriff der Wohnung i.S. des § 7c EStG ist gesetzlich nicht definiert und bedarf daher der Auslegung. Für die Auslegung von Steuerbegünstigungsnormen wie § 7c EStG ist der Begünstigungszweck als Maßstab zugrunde zu legen (, BFH/NV 2002, 325; vom IX R 24/96, BFH/NV 1998, 155).
Wie sich bereits aus der Überschrift der Vorschrift ergibt, soll § 7c EStG Baumaßnahmen begünstigen, durch die neue Mietwohnungen geschaffen werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 325 unter II. 1. a). Es sollte ein Anreiz geschaffen werden, vorhandene Gebäudeflächen durch Aus- und Umbaumaßnahmen in zusätzliche, abgeschlossene Mietwohnungen umzuwandeln (BTDrucks 11/5680, S. 9; 11/5970, S. 2, S. 20) und hierdurch bereits überbaute Flächen intensiver für Wohnzwecke zu nutzen (vgl. , BFHE 187, 243, BStBl II 1999, 135 unter II. 2.). Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass für den Begriff der Wohnung die bewertungsrechtlichen Abgrenzungsmerkmale maßgebend sind (vgl. BTDrucks 11/5680, S. 11 zu Nummer 4; , BFHE 187, 445, BStBl II 1999, 91 zu § 10e EStG; Boeker in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 7c EStG Anm. 6; Schencking in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 7c EStG Anm. 12; Joecks, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 7c Rdnr. B 7).
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist für die Annahme einer Wohnung für Stichtage ab dem u.a. wesentlich, dass die Räume eine von anderen Räumen eindeutig baulich getrennte, in sich abgeschlossene Einheit bilden und einen eigenen Zugang aufweisen (, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151; vom II R 43/00, BFH/NV 2003, 7). Die Merkmale der „baulichen Abgeschlossenheit„ und des „eigenen Zugangs„ dienen grundsätzlich der Beurteilung, ob mehrere Wohnbereiche in einem Gebäude jeweils selbständige Wohnungen bilden. Fehlt bei einem Gebäude mit zwei Wohnbereichen die bauliche Abgeschlossenheit oder ein eigener Zugang für einen Wohnbereich, liegt nur eine Wohnung vor (vgl. BFH in BFHE 187, 445, BStBl II 1999, 91 zu § 10e EStG). Eine Einheit, die für sich gesehen alle für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume aufweist, erfüllt nicht den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff, wenn sie nur durch ein Treppenhaus erreichbar ist, welches (auch) als Verkehrsfläche einer Wohnung dient, die aus den übrigen Räumen des Hauses besteht (vgl. , BFH/NV 2001, 428 unter II. 2. a.E.; vom III R 62/84, BFHE 142, 567, BStBl II 1985, 319; , BStBl I 1992, 115, Tz. 1). Denn gemeinsame Verkehrsflächen stehen der Beurteilung von zwei Wohneinheiten als jeweils selbständige Wohnung dann entgegen, wenn sie nach ihrer baulichen Lage und Funktion von beiden Wohnbereichen nicht vollständig getrennt sind (vgl. , BFHE 144, 72, BStBl II 1985, 496; vom II R 43/85, BFH/NV 1988, 770, und vom II R 106/89, BFH/NV 1992, 370).
2. Nach diesen Maßstäben ist die Vorentscheidung aufzuheben. Das FG ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die Wohneinheit im Obergeschoss eine Wohnung i.S. des § 7c EStG ist. Es fehlt ihr an einem eigenen Zugang, weil das Treppenhaus nicht nur dem Zugang zu den einzelnen Wohneinheiten, sondern (auch) als Verkehrsfläche zwischen den übrigen Räumen des Hauses dient. Nach den nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG , zu denen auch die in Bezug genommenen Grundrisse gehören, ist das Treppenhaus die räumliche Verbindung der in sich abgeschlossenen Wohnräume im Erdgeschoss zu drei außerhalb liegenden Zimmern, die der unteren Wohneinheit zuzurechnen und nur durch das gemeinsame Treppenhaus erreichbar sind; hiervon befinden sich zwei Räume im Dachgeschoss und ein Raum im Erdgeschoss.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Die Voraussetzungen des § 7c Abs. 1 EStG liegen nicht vor, es ist lediglich die vom FA berücksichtigte AfA nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG zu gewähren.
Die an sich vorrangige Frage, ob das Mietverhältnis des Klägers mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter steuerrechtlich anzuerkennen ist (vgl. zuletzt , BFH/NV 2004, 38, m.w.N.) bedarf daher keiner Entscheidung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 777 Nr. 6
MAAAB-17863