BFH Beschluss v. - VII B 279/03

Erzwingung der Abgabe eines Vermögensverzeichnisses durch Aufforderung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung statthaft

Gesetze: AO § 284

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) schuldete dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) Einkommensteuer für die Jahre 1994 bis 1997 in Höhe von 742 628,74 DM. Ein Vollstreckungsversuch des FA verlief ergebnislos. Mit Verfügung vom…hat das FA nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) den Kläger zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert. Der Kläger hatte bereits im Rahmen eines anhängigen Aussetzungsverfahrens wegen Steuerforderungen gegenüber der D-GmbH & Co. KG, deren Geschäftsführer er war, zum Nachweis dafür, dass die KG Sicherheiten nicht erbringen könne, am ein Vermögensverzeichnis für seine Person vorgelegt, in welchem er angab, an Vermögensgegenständen zu besitzen:

Wohnungseinrichtung, Haushaltswäsche und Kleidung im Rahmen bescheidener Lebensführung und Beteiligungen an der D-GmbH (50 000 DM) und der D-GmbH & Co. KG (5 000 DM). Den Kapitalkontenstand dieser Gesellschaften bezifferte er mit 26 141,75 DM für die D-GmbH und mit ./. 643 723,27 DM für die D-KG. Die Frage nach dem Besitz von Bargeld hat er verneint, Angaben zu Arbeitseinkommen, Renten- und Versorgungsbezügen enthielt das Verzeichnis nicht.

Den gegen die Verfügung vom eingelegten Einspruch wies das FA u.a. mit der Begründung zurück, der Kläger habe das verlangte Vermögensverzeichnis nicht abgegeben, so dass sich das FA kein Urteil über dessen wirtschaftliche Verhältnisse hätte bilden können. Die Aufforderung vom sei daher ermessensgerecht. Mit der Klage bestreitet der Kläger eine ermessensgerechte Entscheidung, weil das FA das mit Schreiben vom vorgelegte Vermögensverzeichnis unbeachtet gelassen habe. Die Aufforderung sei zudem unverhältnismäßig, weil dem FA die Vermögensverhältnisse des Klägers bekannt gewesen seien.

Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) entschied, nach dem ergebnislosen Vollstreckungsversuch sei die Anordnung zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ermessensgerecht, weil dem FA weder aus der Betriebsprüfung, die nur für die Jahre bis 1997 durchgeführt worden sei, noch aus freiwilligen Angaben des Klägers dessen Vermögensverhältnisse hinreichend bekannt gewesen seien. Das FA habe insbesondere nicht überprüfen können, ob der Kläger Vermögensgegenstände verschwiegen habe. Es stehe auch nicht fest, dass das FA aus dem mit Schriftsatz vom eingereichten Vermögensverzeichnis konkrete Anhaltspunkte über die Vermögensverhältnisse des Klägers hätte erhalten können. Dieses Verzeichnis, das in einem AdV-Verfahren betreffend die KG eingereicht worden sei, sei der Vollstreckungsstelle möglicherweise gar nicht vorgelegt worden, weil auch der Kläger in seinem Einspruchsschreiben nicht darauf verwiesen habe.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung und Erforderlichkeit einer Entscheidung zur Fortbildung des Rechts über die Rechtsfrage, „ob durch die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung die Abgabe des Vermögensverzeichnisses erzwungen werden kann„, und auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Ungeachtet der fehlenden Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Regelung zu der aufgeworfenen Rechtsfrage und den in erheblicher Anzahl vorliegenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) und dem daraus folgenden Mangel in der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der bezeichneten Frage (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) und der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH hierzu (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO; zu den Darlegungserfordernissen s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 25 ff.) kommt der bezeichneten Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn die aufgeworfene und für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgebliche Frage klärungsbedürftig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924). Daran fehlt es vor allem dann, wenn sich die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt (Senatsbeschluss vom VII B 203/00, BFH/NV 2002, 305, 306). Die Frage, ob durch die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung die Abgabe des Vermögensverzeichnisses erzwungen werden kann, bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung, weil sie sich unmittelbar aus dem Gesetz —nämlich § 284 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 284 Abs. 3 AO 1977— beantworten lässt.

Nach § 284 Abs. 1 AO 1977 hat der Vollstreckungsschuldner der Behörde auf Verlangen ein Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen und für seine Forderungen den Grund und die Beweismittel zu bezeichnen, wobei in Abs. 2 der Vorschrift weitere Anforderungen an den Inhalt des abzugebenden Vermögensverzeichnisses benannt sind. Als nächsten Schritt sieht das Gesetz in § 284 Abs. 3 AO 1977 die Versicherung des Vollstreckungsschuldners zu Protokoll an Eides statt vor, dass er die von ihm nach § 284 Abs. 1 und Abs. 2 AO 1977 verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe. Dass die eidesstattliche Versicherung damit zugleich als Druckmittel für das Verlangen nach Abgabe eines aussagekräftigen Vermögensverzeichnisses eingesetzt wird und eingesetzt werden darf, ergibt sich eindeutig aus dem Aufbau und dem Ziel des Gesetzes. Zweck der Vorschrift des § 284 Abs. 3 AO 1977 ist es, der Aufforderung der Behörde zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses durch das Verlangen nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Nachdruck zu verleihen und der Behörde damit ein Erfolg versprechendes Instrument zur Verfügung zu stellen, um sich über den Bestand etwa noch vorhandenen Vermögens des Vollstreckungsschuldners sichere Kenntnis zu verschaffen und etwa verborgene Vermögenswerte aufzuspüren. Der Gesetzgeber hat nicht nur durch die Formulierung des § 284 Abs. 3 Satz 1 AO 1977, sondern —entgegen der Auffassung des Klägers— auch durch die Reihenfolge der gesetzlichen Sanktionen, nämlich der Aufforderung zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses mit nachfolgender Verpflichtung zur Bestätigung der geforderten Angaben durch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 3 AO 1977, deren Vorrang vor den bei Verweigerung dieser Handlungen durch den Vollstreckungsschuldner im Falle der Bestandskraft der Anordnung möglichen weiteren Maßnahmen, nämlich das Ersuchen an das Amtsgericht um Anordnung der Haft in Abs. 8 der Vorschrift, eindeutig zum Ausdruck gebracht.

Überdies hat der Senat —worauf der Kläger bei der Darlegung der angeblich grundsätzlichen Bedeutung der von ihm gestellten Rechtsfrage zu Unrecht nicht eingegangen ist— in mehreren Entscheidungen nicht nur zur Rangfolge der einzelnen Maßnahmen des § 284 AO 1977, sondern insbesondere auch zur Ermessensausübung bei der Aufforderung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und einer sich anschließenden oder mit ihr verbundenen Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ausführlich Stellung genommen, so dass auch aus diesem Grunde ein weiteres Bedürfnis nach Klärung der angegebenen Frage nicht erkennbar ist. In der Entscheidung vom VII B 206/00 (BFH/NV 2001, 577) hat der Senat unter Angabe umfangreicher Rechtsprechungsnachweise festgestellt, dass die Verpflichtungen des Vollstreckungsschuldners, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und die Richtigkeit und Vollständigkeit desselben zu Protokoll an Eides statt zu versichern, trotz der gesetzlichen Regelung in unterschiedlichen Absätzen des § 284 AO 1977 als Einheit anzusehen seien und dass die Aufforderungen hierzu grundsätzlich in einem einheitlichen Vorgang, in der Regel in der Ladung zu dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, erfolgen könnten, ergebe sich klar aus der Struktur und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 284 AO 1977. Deshalb liege es im Ermessen der Vollstreckungsbehörde, ob sie abgestuft die den Vollstreckungsschuldner obliegenden Verpflichtungen nacheinander anfordern oder diese in einem Vorgang verlangen will. Der Senat hat auch umfassend dargelegt, dass die Vorschrift des § 284 AO 1977 dem zu beachtenden Grundsatz des Ermessens und seiner pflichtgemäßen Ausübung sowie dem sich daraus ergebenden Gebot der Verhältnismäßigkeit in Aufbau und Struktur in ausreichendem Maße Rechnung trägt (Senatsentscheidungen vom VII B 318/00, BFH/NV 2002, 617, und vom VII R 34/90, BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57).

Aus all dem folgt, ohne dass es einer weiteren Entscheidung des BFH bedürfte, dass die Finanzbehörde die in § 284 AO 1977 vorgesehenen Maßnahmen zur Aufdeckung von Vermögenswerten des Vollstreckungsschuldners jeweils nur nach Ausübung pflichtgemäßem Ermessens fordern darf, dass es jedoch auch dem Gesetzeswillen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zur Erzwingung der Abgabe eines bislang vorenthaltenen vollständigen und zutreffenden Vermögensverzeichnisses einzusetzen. Schließlich berücksichtigt das Gesetz in § 284 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 auch das nicht zu verkennende Schutzbedürfnis des Vollstreckungsschuldners durch die der Vollstreckungsbehörde eingeräumte Verpflichtung, nach Abgabe des Vermögensverzeichnisses eine erneute Ermessensprüfung vorzunehmen, verbunden mit der Möglichkeit, auch in diesem Stadium trotz Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung noch von deren Abnahme abzusehen (vgl. Senatsentscheidung in BFH/NV 2002, 617, 619; s. dazu auch Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 284 AO 1977 Rz. 22).

2. Aus den Darlegungen zur fehlenden grundsätzlichen Bedeutung der von dem Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage ergibt sich zugleich, dass eine höchstrichterliche Entscheidung zur Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht erforderlich ist.

3. Der gerügte Verfahrensmangel, das FG habe den klaren Inhalt der Akten nicht beachtet und damit seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), liegt ebenfalls nicht vor, weil weder die Niederschlagung selbst noch die Nichtbeachtung der Niederschlagung der Steuerforderungen i.S. des § 261 AO 1977 Einfluss auf die Entscheidung des FG haben könnten. Die Niederschlagung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erfolgt, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zu dem Betrag stehen (§ 261 AO 1977). Es handelt sich um eine verwaltungsinterne Maßnahme, die dem Steuerschuldner nicht bekannt gegeben wird. Allein daraus folgt, dass die aus Zweckmäßigkeitsgründen zulässige Niederschlagung der Steuerrückstände keinen Einfluss auf das Steuerschuldverhältnis zwischen Steuergläubiger und Steuerschuldner und damit auf ein Verfahren vor dem FG haben darf, in dem es um die Überprüfung der Vermögensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners und darum geht, festzustellen, ob der Vollstreckungsschuldner über dem FA bislang nicht bekannt gegebene Vermögensgegenstände verfügt, in die noch vollstreckt werden könnte. Denn die Niederschlagung erfolgt allein in dem Interesse der Verwaltung, unnötigen bzw. aussichtslosen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, enthebt diese jedoch nicht der Verpflichtung zur Überwachung und Überprüfung der Voraussetzungen der Niederschlagung (vgl. App, Niederschlagung und Überwachung der Niederschlagungsfälle - wie lange?, Deutsche Steuer-Zeitung 1997, 297). Sie begründet keinen Rechtsanspruch des Steuerbürgers auf ein weiteres Absehen der Finanzbehörde von der Beitreibung, vielmehr ist sie jederzeit aufzuheben und der Anspruch geltend zu machen, wenn bekannt wird, dass der Vollstreckungsschuldner über pfändbares Vermögen verfügt (, BFH/NV 1999, 285; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 261 AO 1977 Rz. 7; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 261 AO 1977 Rz. 7, 10). Daraus folgt, dass die Niederschlagung weder die Ermessensentscheidung des FA darüber, ob sie vom Vollstreckungsschuldner die Abgabe des Vermögensverzeichnisses und dessen Bekräftigung durch die eidesstattliche Versicherung fordert, noch die Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme beeinflussen darf. Die Nichtbeachtung im Urteil des FG führt daher —anders als der Kläger meint— nicht zu einem Verfahrensfehler i.S. des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, weil das Urteil des FG unter keinen Umständen darauf beruhen kann. Überdies war die Niederschlagung im maßgeblichen Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung () noch nicht verfügt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
EAAAB-17001