BFH Beschluss v. - IX B 203/02

Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Antrags auf AdV an das Gericht

Gesetze: FGO § 69 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Antragstellerin hatte am ein Grundstück erworben, das sie am veräußerte, nachdem sie bereits am einen Makler mit dem Verkauf beauftragt hatte. Den beim Verkauf erzielten Veräußerungsgewinn in Höhe von 38 165 DM behandelte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 als steuerpflichtig. Den Einspruch der Antragsteller wies das FA durch Einspruchsbescheid vom als unbegründet zurück.

Die Klage ist beim Finanzgericht (FG) noch anhängig. Daneben beantragten die Antragsteller am unmittelbar beim FG Aussetzung der Vollziehung. Das FA hat am vorgetragen, der Antrag sei unzulässig, weil den Antragstellern für die Dauer des Einspruchsverfahrens Aussetzung der Vollziehung vom FA gewährt worden war, die Antragsteller nach Beendigung des Einspruchsverfahrens bisher keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim FA gestellt hätten und zum Zeitpunkt der Antragstellung auch die Vollstreckung nicht gedroht habe, weil die Steuerschuld zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht fällig gewesen sei. Die Antragsteller haben dazu vorgetragen, das FA habe Vollstreckung angedroht, sie hätten am eine Mahnung des FA erhalten. Am lehnte das FA den nachträglich beim FA gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht bestünden.

Das FG hat dem Antrag stattgegeben. Es vertrat in seinem Beschluss unter Hinweis auf den (BFHE 195, 205, BStBl II 2001, 405) die Auffassung, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids. Der Streitfall sei zwar nicht gleich gelagert, weil das Grundstück der Antragstellerin zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom (BGBl I 1999, 402) noch nicht „steuerentstrickt„ gewesen sei. Es handele sich aber trotzdem um eine unechte Rückwirkung, deren Grundlage rechtsstaatlich bedenklich erscheine. Ob § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG als Ermächtigungsgrundlage für staatliches Handeln in Betracht kämen, sei daher fraglich; dann müsse es bei der alten Rechtslage verbleiben.

Mit seiner Beschwerde macht das FA geltend, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids bestünden nicht.

Das FA beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

Die Antragsteller haben keinen Antrag gestellt.

Das FG hat beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

II. Die Beschwerde ist begründet. Der Antrag ist bereits unzulässig.

1. Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Gericht nur zulässig, wenn das FA einen bei ihm gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt hat. Der beim FA gestellte Aussetzungsantrag muss abgelehnt worden sein, bevor ein solcher Antrag bei Gericht gestellt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom VI B 266/98, BFHE 192, 1, BStBl II 2000, 536; vom IX S 4/00, nicht veröffentlicht —n.v.—, juris-Dokument Nr. STRE 200050768, m.w.N.); die einmalige Ablehnung der Aussetzung durch die Finanzbehörde, auch wenn diese in einem früheren Verfahrensstadium erfolgt ist, genügt (BFH-Beschlüsse vom VII B 155/94, BFHE 175, 525, BStBl II 1995, 131; vom VIII B 71/96, BFHE 182, 164, BStBl II 1997, 290). Es handelt sich dabei um eine sog. Zugangsvoraussetzung, d.h. eine nachträgliche Heilung des Zulässigkeitsmangels ist nicht möglich (ständige Rechtsprechung; siehe BFH-Beschlüsse vom IV B 61/79, BFHE 129, 8, BStBl II 1980, 49, 50; in BFHE 192, 1, BStBl II 2000, 536).

2. Nach diesen Grundsätzen ist das FG zu Unrecht im Ergebnis von der Zulässigkeit des Antrags ausgegangen. Im Streitfall lagen die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO für einen Aussetzungsantrag zum Zeitpunkt der Antragstellung beim FG (noch) nicht vor. Vielmehr hatte das FA auf Antrag der Antragsteller für die Dauer des Einspruchsverfahrens nach § 361 der Abgabenordnung (AO 1977) Aussetzung der Vollziehung gewährt. Weder aus dem Vorbringen der Antragsteller noch aus den Akten ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller nach Ergehen der Einspruchsentscheidung und vor Antragstellung beim FG einen Aussetzungsantrag beim FA gestellt haben, den das FA abgelehnt hätte. Die Ablehnung durch das FA erfolgte vielmehr erst am und damit nach Antragstellung beim FG. Selbst wenn das FA den Antragstellern zuvor den Ablauf der Aussetzung der Vollziehung mitgeteilt haben sollte, wäre auch dies —wie die im Einspruchsverfahren erfolgte Befristung— nicht als Ablehnung des Antrags zu werten (, BFH/NV 1995, 701; vom I B 17/92, BFH/NV 1993, 259).

Auch ein Fall des § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO liegt nicht vor, insbesondere hat zum Zeitpunkt der Antragstellung beim FG die Vollstreckung nicht gedroht; denn die Steuerschuld war zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig, sondern erst am . Die Antragsteller haben nach ihren Angaben eine Mahnung des FA erst am erhalten, die von den Antragstellern übersandte Ankündigung der Zwangsvollstreckung des FA datiert vom .

3. Im Übrigen bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die Ausführungen unter B. III. 4. c bb (2) der Gründe des Beschlusses vom IX R 46/02 (zur Veröffentlichung bestimmt).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 650
BFH/NV 2004 S. 650 Nr. 5
AAAAB-16830