BMF - IV B 7 - S 7100 - 254/03 BStBl 2004 I 446

§ 3 UStG; Änderung des § 3 Abs. 11 UStG und Einführung der sog. Dienstleistungskommission im Sinne des Artikels 6 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie zum durch das Steueränderungsgesetz 2003

Durch Art. 5 Nr. 3 Buchst. a des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 – StÄndG 2003) vom (BGBl 2003 I S. 2645; BStBl 2003 I S. 710) ist § 3 Abs. 11 Umsatzsteuergesetz (UStG) geändert worden. Diese Änderung ist am in Kraft getreten (Art. 25 Abs. 4 StÄndG 2003).

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Neufassung des § 3 Abs. 11 UStG Folgendes:

1. Regelung bis zum

§ 3 Abs. 11 UStG in der bis zum geltenden Fassung regelt, dass im Falle der Besorgung einer sonstigen Leistung durch einen Unternehmer für Rechnung eines anderen Unternehmers die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden sind. Der Umfang der Regelung war auf die Fälle beschränkt, in denen ein von einem Auftraggeber bei der Beschaffung einer sonstigen Leistung eingeschalteter Unternehmer (Auftragnehmer) für Rechnung des Auftraggebers im eigenen Namen eine sonstige Leistung durch einen Dritten erbringen lässt (sog. Leistungseinkauf).

Die Sachverhalte des sog. Leistungsverkaufs, in denen ein von einem Auftraggeber bei der Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschalteter Unternehmer (Auftragnehmer) für Rechnung des Auftraggebers im eigenen Namen eine sonstige Leistung an einen Dritten erbringt, wurden bisher nach den allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Grundsätzen beurteilt: der Unternehmer (Auftragnehmer) erbringt gegenüber dem Auftraggeber eine Geschäftsbesorgungsleistung und gegenüber dem Dritten eine sonstige Leistung (die besorgte Leistung).

2. Inhalt und Wirkung der Neuregelung

§ 3 Abs. 11 UStG in der ab dem geltenden Fassung regelt für die Fälle, in denen ein Unternehmer (Auftragnehmer) in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet wird und dabei im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelt, dass diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht gilt. Die sog. Leistungseinkaufs- und Leistungsverkaufskommission werden nunmehr gleichbehandelt, also unabhängig davon, ob das Erbringen oder das Beschaffen einer sonstigen Leistung in Auftrag gegeben wird. Die Vorschrift fingiert dabei eine Leistungskette. Sie behandelt den Auftragnehmer im Rahmen der Dienstleistungskommission als Leistungsempfänger und zugleich Leistenden.

Bezüglich des sog. Leistungseinkaufs führt dies zu keiner Änderung in der Leistungskette:

Im Fall des sog. Leistungsverkaufs führt die Fiktion dagegen in der Leistungsbeziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu einer Umkehr der Leistungsrichtung im Vergleich zum bisherigen Recht:

Die beiden Leistungen, d.h. die an den Auftragnehmer erbrachte und die von ihm ausgeführte Leistung, werden bezüglich ihres Leistungsinhalts gleich behandelt. Die Leistungen werden zum selben Zeitpunkt erbracht.

Im Übrigen ist jede der beiden Leistungen unter Berücksichtigung der Leistungsbeziehung gesondert für sich nach den allgemeinen Regeln des Umsatzsteuergesetzes zu beurteilen. Personenbezogene Merkmale der an der Leistungskette Beteiligten sind weiterhin für jede Leistung innerhalb einer Dienstleistungskommission gesondert in die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung einzubeziehen. Dies kann z.B. für die Anwendung von Steuerbefreiungsvorschriften von Bedeutung sein (vgl. z.B. § 4 Nr. 19 Buchst. a UStG) oder für die Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung, wenn er davon abhängig ist, ob die Leistung an einen Unternehmer oder einen Nichtunternehmer erbracht wird. Die Steuer kann nach § 13 UStG für die jeweilige Leistung zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstehen (z.B. wenn der Auftraggeber der Leistung die Steuer nach vereinbarten und der Auftragnehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet). Außerdem ist z.B. zu berücksichtigen, ob die an der Leistungskette Beteiligten Nichtunternehmer, Kleinunternehmer (§ 19 UStG), Land- und Forstwirte, die für ihren Betrieb die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG anwenden, sind.

Beispiel:

Der Bauunternehmer G besorgt für den Bauherrn B die sonstige Leistung des Handwerkers C, für dessen Umsätze die Umsatzsteuer gemäß § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben wird.

Das personenbezogene Merkmal – Kleinunternehmer – des C ist nicht auf den Bauunternehmer G übertragbar. Die Leistung des G an B unterliegt dem allgemeinen Steuersatz.

Die zivilrechtlich vom Auftragnehmer an den Auftraggeber erbrachte Besorgungsleistung bleibt umsatzsteuerrechtlich ebenso wie beim Kommissionsgeschäft nach § 3 Abs. 3 UStG unberücksichtigt. Der Auftragnehmer erbringt im Rahmen einer Dienstleistungskommission nicht noch eine (andere) Leistung (Vermittlungsleistung). Der Auftragnehmer darf für die vereinbarte Geschäftsbesorgung keine Rechnung erstellen. Eine solche Rechnung, in der die Umsatzsteuer offen ausgewiesen ist, führt zu einer Steuer nach § 14 c Abs. 2 UStG.

Soweit der Auftragnehmer im eigenen Namen für fremde Rechnung auftritt, findet § 25 UStG keine Anwendung.

Die Abschnitte 32, 42 a Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2, 42 b Abs. 2 Satz 3, 42 h, 45 Abs. 2, 145 Abs. 3 und 190 a Abs. 4 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) sind ab dem nicht mehr anzuwenden.

3. Anwendungsfälle

Nachfolgende Beispiele sollen die Auswirkungen des § 3 Abs. 11 UStG verdeutlichen:

  1. Sog. Leistungseinkaufskommission

    Beispiel 1:

    Der im Inland ansässige Spediteur G besorgt für den im Inland ansässigen Unternehmer B im eigenen Namen und für Rechnung des B die inländische Beförderung eines Gegenstandes von München nach Berlin. Die Beförderungsleistung bewirkt der im Inland ansässige Unternehmer C.

    Da G in die Erbringung einer Beförderungsleistung eingeschaltet wird und dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung handelt, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

    Die Leistungskette wird fingiert. Die zivilrechtlich vereinbarte Geschäftsbesorgungsleistung ist umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich.

    C erbringt an G eine im Inland steuerpflichtige Beförderungsleistung (§ 3 b UStG).

    G hat gegenüber B ebenfalls eine im Inland steuerpflichtige Beförderungsleistung abzurechnen.

    Beispiel 2:

    Spediteur G besorgt für den in Frankreich ansässigen Unternehmer B im eigenen Namen und für Rechnung des B die Beförderung eines Gegenstandes von Paris nach München. Die Beförderungsleistung bewirkt der im Inland ansässige Unternehmer C. G und C verwenden jeweils ihre deutsche, B seine französische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.

    Die Leistungskette wird fingiert. Die zivilrechtlich vereinbarte Geschäftsbesorgungsleistung ist umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich.

    C erbringt an G eine in Deutschland steuerbare Beförderungsleistung (§ 3 b Abs. 3 Satz 2 UStG). G hat gegenüber B eine nach § 3 b Abs. 3 Sätze 1 und 2 UStG in Frankreich steuerbare Beförderungsleistung abzurechnen.

  2. Sog. Leistungsverkaufskommission

    – Kurzfristige Vermietung von Ferienhäusern

    Beispiel 3:

    Der im Inland ansässige Eigentümer E eines im Inland belegenen Ferienhauses beauftragt G mit Sitz im Inland im eigenen Namen und für Rechnung des E, Mieter für kurzfristige Ferienaufenthalte in seinem Ferienhaus zu besorgen.

    Da G in die Erbringung sonstiger Leistungen (kurzfristige – steuerpflichtige – Vermietungsleistungen gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) eingeschaltet wird und dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung handelt, gelten die Leistungen als an ihn und von ihm erbracht.

    Die Leistungskette wird fingiert. Die zivilrechtlich vereinbarte Geschäftsbesorgungsleistung ist umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich.

    Die Vermietungsleistungen des E an G sind im Inland steuerbar (§ 3 a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a UStG) und als kurzfristige Vermietungsleistungen (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) steuerpflichtig. G erbringt steuerbare und steuerpflichtige Vermietungsleistungen an die Mieter (§ 3 a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a UStG, § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG).

    Beispiel 4:

    Sachverhalt wie in Beispiel 1, jedoch befindet sich das Ferienhaus des E in Belgien.

    Die Vermietungsleistungen des E an G und die Vermietungsleistungen des G an die Mieter sind im Inland nicht steuerbar. Der Ort der sonstigen Leistungen ist gemäß § 3 a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a UStG Belgien (Belegenheitsort). Die Besteuerung von E und G in Belgien erfolgt nach belgischem Recht.

    Beispiel 5:

    Sachverhalt wie in Beispiel 1, jedoch ist G Unternehmer mit Sitz in Belgien.

    Die Vermietungsleistungen des E an G und die Vermietungsleistungen des G an die Mieter sind im Inland steuerbar (§ 3 a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a UStG) und als kurzfristige Vermietungsleistungen (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) steuerpflichtig. G muss sich in Deutschland für Zwecke der Umsatzbesteuerung registrieren lassen, soweit die Mieter Nichtunternehmer sind. Ist ein Mieter Unternehmer oder juristische Person des öffentlichen Rechts, schuldet dieser als Leistungsempfänger die Steuer, auch wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen worden ist (§ 13 b Abs. 1 und 2 UStG).

    – Leistungen in der Kreditwirtschaft

    Beispiel 6:

    Ein nicht im Inland ansässiges Kreditinstitut K (ausländischer Geldgeber) beauftragt eine im Inland ansässige GmbH G mit der Anlage von Termingeldern im eigenen Namen für fremde Rechnung bei inländischen Banken.

    Da G als Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung (Kreditgewährungsleistung i.S.d. § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG) eingeschaltet wird und dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung handelt, gilt die Leistung als an sie und von ihr erbracht.

    Die Leistungskette wird fingiert. Die zivilrechtlich vereinbarte Geschäftsbesorgungsleistung ist umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich.

    K erbringt an G und G an die inländischen Banken durch die Kreditgewährung im Inland steuerbare (§ 3 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a UStG), jedoch steuerfreie Leistungen (§ 4 Nr. 8 Buchst. a UStG).

4. Übergangsregelung

Die vorstehenden Grundsätze zur Leistungsverkaufskommission, die im Ergebnis den Grundsätzen der Entscheidungen des  – vom – V R 66/99 – vom – V R 40, 41/00 – vom – V R 8/02 – und vom – V B 89/01 – entsprechen, können – entgegen den Ausführungen in Abschnitt 32 UStR – bei allen noch nicht unanfechtbaren Steuerfestsetzungen uneingeschränkt berücksichtigt werden; nach Eintritt der Unanfechtbarkeit können sie nur berücksichtigt werden, soweit die Steuerfestsetzung noch korrigiert werden kann (vgl. im Einzelnen dazu AEAO vor §§ 172 – 177, Nr. 8). Es wird nicht beanstandet, wenn in den Fällen der sog. Leistungsverkaufskommission bis zum von einer Geschäftsbesorgungsleistung des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber und von einer sonstigen Leistung des Auftragnehmers gegenüber dem Dritten ausgegangen wird.

BMF v. - IV B 7 - S 7100 - 254/03

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BStBl 2004 I Seite 446
AAAAB-16292