BFH Urteil v. - II R 6/01

Abzugsfähigkeit einer Pflichtteilsverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG

Gesetze: ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe nach dem am verstorbenen X (Erblasser). Das vormals örtlich zuständige Finanzamt (FA) setzte, da der Kläger keine Erbschaftsteuererklärung abgegeben hatte, durch Bescheid vom unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen Erbschaftsteuer gegen den Kläger in Höhe von 412 620 DM fest. Auf den Einspruch des Klägers ermäßigte es in der Einspruchsentscheidung vom die Steuer auf 63 600 DM.

Mit der Klage machte der Kläger u.a. geltend, dass er an die Ehefrau des Erblassers zur Befriedigung ihres ihm gegenüber geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs einen Betrag von mindestens 300 000 DM gezahlt habe. Der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) forderte den Kläger durch Verfügung vom gemäß § 79b der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, den Umfang des Nachlasses (Nachlassgegenstände und außerhalb des Nachlasses angefallene Vermögensgegenstände) einschließlich aller Nachlassverbindlichkeiten in einer auch sonst vollständig ausgefüllten Erbschaftsteuererklärung darzulegen und sämtliche darin genannten Werte unter Vorlage geeigneter Belege zu belegen. Darzulegen und zu belegen seien insbesondere auch „geltend gemachte Pflichtteilsansprüche„. Der Kläger legte mit Schriftsatz vom eine Vereinbarung mit der Ehefrau des Erblassers vom vor, in der er sich verpflichtet hatte, an die Ehefrau des Erblassers zum Ausgleich ihres Pflichtteilsanspruchs 318 500 DM zu zahlen.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Ein etwaiger Pflichtteilsanspruch der Ehefrau des Erblassers sei nicht als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Der Vereinbarung vom ließen sich keine Zahlungen auf einen Pflichtteilsanspruch entnehmen. Gegen eine Geltendmachung und Befriedigung eines Pflichtteilsanspruchs spreche die Erbschaftsteuererklärung der Ehefrau des Erblassers, in der ein Pflichtteilsanspruch nicht erwähnt sei. Darüber hinaus sei eine Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruchs, sollte er tatsächlich geltend gemacht und befriedigt worden sein, nach § 79b Abs. 3 Nr. 1 FGO ausgeschlossen. Die Zulassung des verspäteten Vorbringens würde die Erledigung des Rechtsstreits im Hinblick auf die erforderlichen weiteren Ermittlungen zur Berechnung und Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs verzögern.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision, mit der der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und den Erbschaftsteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das nunmehr örtlich zuständige FA) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des Schenkungsteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Das Urteil des FG ist wegen Verletzung von § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) aufzuheben. Das FG hat zu Unrecht die Abzugsfähigkeit der Pflichtteilsverbindlichkeit verneint.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 ErbStG kann der Erbe vom Wert des gesamten Vermögensanfalls die Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen abziehen. Die „Geltendmachung„ des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs gegenüber dem Erben (Urteil des Reichsfinanzhofs —RFH— vom V A 908/28, RFHE 25, 121). Der Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Pflichtteils zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden. Die Abzugsfähigkeit einer Pflichtteilsverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG setzt lediglich die Geltendmachung des Pflichtteils und nicht die Erfüllung dieser Geldschuld voraus (, BFHE 187, 50, BStBl II 1999, 23).

2. Die Sache ist spruchreif. Die Abzugsvoraussetzungen des § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG sind im Streitfall erfüllt. Die Ehefrau des Erblassers hat durch Abschluss der mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung vom eindeutig zu erkennen gegeben, die Erfüllung des Pflichtteils zu verlangen. Für die Abzugsfähigkeit der Pflichtteilsschuld ist es —entgegen der Ansicht des FG— unerheblich, dass der Vereinbarung vom die tatsächliche Befriedigung des Zahlungsanspruchs durch den Kläger in Höhe von 318 500 DM nicht entnommen werden kann.

Die Berücksichtigung der Pflichtteilsverbindlichkeit ist nicht gemäß § 121 Satz 3 i.V.m. § 79b Abs. 3 FGO ausgeschlossen. Das FG hat die zwischen dem Kläger und der Ehefrau des Erblassers getroffene Vereinbarung vom zu Unrecht gemäß § 79b Abs. 3 FGO zurückgewiesen. Die Aufklärungsverfügung des Berichterstatters vom beschränkte sich auf die Aufforderung, geltend gemachte Pflichtteilsansprüche darzulegen und zu belegen. Die Berechnung und tatsächliche Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs waren nicht Gegenstand der Aufklärungsverfügung des Berichterstatters und konnten die Zurückweisung gemäß § 79b Abs. 3 FGO nicht rechtfertigen.

Da die mit 318 500 DM abzugsfähige Pflichtteilsverbindlichkeit den vom FA zugrunde gelegten steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 207 896 DM übersteigt, war der Schenkungsteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 137 Satz 1 FGO. Da die Revision des Klägers Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angemessen, über die Kosten nach Verfahrensabschnitten zu entscheiden; auch eine solche Entscheidung wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (, BFH/NV 1990, 182; , BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306).

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens waren gemäß § 137 Satz 1 FGO dem Kläger aufzuerlegen, weil die Entscheidung des FG auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen oder beweisen können und sollen. Im Streitfall hat der Kläger keine Steuererklärung abgegeben und dem FG die entscheidungserhebliche Vereinbarung mit der Pflichtteilsberechtigten vom verspätet erst mit Schriftsatz vom vorgelegt. Damit hat der Kläger die ihm obliegende Mitwirkungspflicht in grober Weise verletzt. Ohne dieses säumige Verhalten hätte es der Durchführung des Verfahrens vor dem FG nicht bedurft.

Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen dem FA zur Last (§ 135 Abs. 1 FGO). Insoweit kommt die Anwendung des § 137 Satz 1 FGO zu Lasten des Klägers nicht in Betracht, weil die Durchführung des Revisionsverfahrens nicht unmittelbar auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Klägers zurückzuführen ist (vgl. , BFHE 108, 87, BStBl II 1973, 262).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 341
BFH/NV 2004 S. 341 Nr. 3
YAAAB-14638