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Grundlagen - Stand: 06.11.2021

Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte

Alexander v. Wedelstädt

I. Definition

Im Rahmen der Amtsermittlung kann das Finanzamt Beweis auch durch Einholung von Auskünften und Vorlage von Urkunden und Wertsachen erheben. Beteiligte und Dritte sind nach § 93 Abs. 1 AO zur Auskunft, nach § 97 AO zur Vorlage von Urkunden und nach § 100 AO zur Vorlage von Wertsachen verpflichtet. Ergänzend dazu regelt § 200 AO Auskunfts- und Vorlagepflichten des Steuerpflichtigen und Dritter im Rahmen einer Außenprüfung. Spezialregelungen finden sich in § 208 Abs. 1 Satz 3 AO für die Steuerfahndung, soweit sie tätig wird zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten (§ 208 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO ) und in § 211 AO für die Steueraufsicht.

Dritten, soweit sie nicht für den Beteiligten auskunftspflichtig sind, stehen demgegenüber Auskunftsverweigerungsrechte nach §§ 101 bis 103 AO und korrespondierend mit diesen Vorlageverweigerungsrechte nach § 104 AO zu.

II. Auskunfts- und Vorlagepflichten

§ 90 Abs. 1 AO regelt die Mitwirkungspflichten der Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts. Auch unter Berücksichtigung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 88 AO ) sind die Beteiligten verpflichtet, die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen und die ihnen bekannten Beweismittel anzugeben. Der Umfang ihrer Mitwirkungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

Zu den Mitwirkungspflichten gehören u.a.

  • die Auskunftspflicht (§ 93 AO), auch im Rahmen von Sammelauskunftsersuchen (§ 93 Abs. 1a AO),

  • die Pflicht zur Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden (§ 97 AO),

  • die erhöhte Mitwirkungspflicht bei Außenprüfungen (§ 200 AO).

Besondere Auskunftspflichten regeln § 93 Abs. 7 ff. AO und § 93b AO mit dem Kontenabruf und § 93a AO mit dem Mitteilungspflichten bestimmter Personen oder Stellen. § 93c AO regelt die Datenübermittlung durch Dritte (mitteilungspflichtige Stelle).

1. Auskunftspflichten, § 93 AO

Auskunftsersuchen der Finanzbehörde nach § 93 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1a AO (Sammelauskunftsersuchen) sind in allen Stadien des Besteuerungsverfahrens möglich und zulässig. Für Auskunftsersuchen im Rahmen der Außenprüfung, der Steuerfahndung oder der Steueraufsicht enthalten die §§ 200, 208, 210 und 211 AO weitere Regelungen. Im Steuerstraf- und Steuerbußgeldverfahren gelten nach § 385 Abs. 1 AO, § 410 Abs. 1 AO die Vorschriften der StPO und des OWiG (AEAO zu § 93, Nr. 1).

Nach § 93 Abs. 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die Auskünfte zu erteilen, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhaltes erforderlich sind. Das Auskunftsersuchen setzt voraus, dass ein hinreichender Anlass dafür aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen besteht. Auskunftsersuchen „ins Blaue hinein“ sind unzulässig (AEAO zu § 93, Nr. 1.1.1 Abs. 1 Satz 2).

Nach § 93 Abs. 1a AO darf die Finanzbehörde an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Das setzt ebenfalls voraus, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und die betroffenen Steuerpflichtigen nicht namentlich bekannt sind. Zum hinreichenden Anlass und weiteren Voraussetzungen s. AEAO zu § 93, Nr. 1.2.5.

Die Auskunftsverpflichtung anderer Personen als des Steuerpflichtigen und der für ihn auskunftspflichtigen Personen steht – mit Ausnahme des Sammelauskunftsersuchens und des Auskunftsersuchens im Rahmen der Steuerfahndung (AEAO zu § 89, Nr. 1.2.2 Abs. 2) – unter dem Subsidiaritätsgrundsatz des § 93 Abs. 1 S. 3 AO: Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Hiervon darf die Finanzbehörde nur in atypischen Fällen abweichen. Ob die Sachaufklärung durch die Beteiligten keinen Erfolg verspricht, hat die Finanzbehörde im Einzelfall im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung anhand einer Prognoseentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (dazu AEAO zu § 93, Nr. 1.2.2 Abs. 2 und 3). Für diese Prognose bedarf es eines klar umrissenen und für die Besteuerung des Steuerpflichtigen erheblichen Sachverhalts; Ermittlungszweck und potentielles Ermittlungsergebnis müssen erkennbar sein. Nicht erforderlich ist, dass klar ist, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. Die Vorschrift ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist. Fehlt jedoch klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (AEAO zu § 93, Nr. 1.1.1 Abs. 2 Satz 3).

Ein atypischer Fall liegt vor, wenn aufgrund des bisherigen Verhaltens des Steuerpflichtigen feststeht, dass er nicht mitwirken werde und damit die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung offenkundig sei. Im Auskunftsersuchen an den Dritten ist anzugeben, dass eine Inanspruchnahme des Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (AEAO zu § 93, Nr. 1.2.2 Abs. 1 ).

Das Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 und Abs. 1a AO ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt (AEAO zu § 93, 1.1.5 Satz 1). Es ist zwar grds. formfrei, doch sollte es regelmäßig schriftlich gestellt werden (AEAO zu § 93, Nr. 1.1.4), insbesondere wenn der Auskunftspflichtige das verlangt (§ 93 Abs. 2 S. 2 AO). In ihm ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskünfte für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder anderer Personen angefordert werden (§ 93 Abs. 2 S. 1 AO). Es kann eine Frist zur Auskunftserteilung gesetzt werden.

Das Auskunftsersuchen ist zu begründen (dazu auch AEAO zu § 93, Nr. 1.1.3). Dazu gehört auch die Darlegung der Ermessenerwägungen.

Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Ggfs. hat der Auskunftsverpflichtete sein Gedächtnis durch Einsicht von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, aufzufrischen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen (§ 93 Abs. 3 S. 2 AO).

Zur Form der Auskunftserteilung s. § 93 Abs. 4 AO.

Zur mündlichen Auskunft an Amtsstelle s. § 93 Abs. 5 und 6 AO.

§ 30a AO, der das sog. Bankgeheimnis regelte, ist durch das StUmgBG mit Wirkung vom aufgehoben worden, und die Vorschrift ist ab dem auch auf Sachverhalte, die vor diesem Zeitpunkt verwirklicht worden sind, nicht mehr anzuwenden (Art. 97 § 1 Abs. 12 EGAO). Das bedeutet, dass Kreditinstitute bei der Mitwirkung zur Aufklärung des steuerlichen Sachverhalts gegenüber den Finanzbehörden dieselben Rechte und Pflichten haben wie andere auskunftspflichtige Personen, die keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht zu beachten haben (Begr. BTDrucks. 18/11132, 23). Für die Anfertigung von Kontrollmitteilungen gelten damit die allgemeinen Voraussetzungen.

Zum Vorrang des eines Auskunftsersuchens gemäß § 93 AO gegenüber Vorlageverlangen nach § 97 AO s. nachfolgend unter II. 2. a. E.

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