BFH Urteil v. - X R 127/96

Gesetze: EStG § 10e Abs. 6

Instanzenzug: FG Münster (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Eltern der Klägerin waren Eigentümer eines mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks. Mit privatschriftlichem Vertrag vom räumten sie der Klägerin an der Erdgeschosswohnung ein "Dauerwohnrecht gem. §§ 31 ff. des Wohneigentumsgesetzes (WEG)" ein gegen Zahlung eines Entgelts in Höhe von 24 170 DM (Übernahme auf dem Grundstück ruhender Verbindlichkeiten der Eltern). Nach den vertraglichen Vereinbarungen war die Klägerin berechtigt, die Wohnung mit ihrer Familie unter Ausschluss der Eigentümer zu nutzen. Sie hatte anteilig öffentliche und private Lasten zu tragen und durfte das Wohnrecht nur mit Zustimmung der Eigentümer veräußern. Im Falle ihres Todes war das Wohnrecht auf die Tochter zu übertragen. Bei Beendigung des Dauerwohnrechts hatten die Eigentümer "eine Entschädigung der aufgewandten Anschaffungs- und Herstellungskosten abzgl. AfA unter Berücksichtigung der Inflationsrate zu zahlen".

Im Streitjahr 1990 begannen die Kläger mit der Errichtung eines Anbaus an das Zweifamilienhaus, der im Mai 1991 bezugsfertig wurde. In der Einkommensteuererklärung für 1990 machten sie Finanzierungskosten in Höhe von 8 152 DM für den Erwerb des Dauerwohnrechts und für die Erweiterung der eigengenutzten Wohnung nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Vorkosten geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Finanzierungskosten nicht. Denn als Vorkosten seien nur Aufwendungen abziehbar, die unmittelbar mit der Anschaffung oder Erweiterung einer eigenen Wohnung zusammenhingen. Durch die Vereinbarung eines Dauerwohnrechts nach §§ 31 ff. des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) könne zwar unter bestimmten Voraussetzungen wirtschaftliches Eigentum begründet werden. Aufgrund des vereinbarten Dauerwohnrechts seien die Kläger aber schon deshalb keine wirtschaftlichen Eigentümer der Wohnung geworden, weil es mangels Eintragung im Grundbuch unwirksam sei. Das FA führte den Jahresausgleichsbescheid für 1990 jedoch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch, da der Vertrag über das Dauerwohnrecht inhaltlich dem Mustervertrag des Bundesbauministeriums angepasst und das Dauerwohnrecht in das Grundbuch eingetragen werden sollte.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 machten die Kläger wegen der noch nicht geklärten Anspruchsberechtigung keine Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG geltend. Auf ihren Antrag setzte das FA die Einkommensteuer für 1991 aber ebenfalls unter Vorbehalt der Nachprüfung fest.

Am schloss die Klägerin mit ihren Eltern einen notariell beurkundeten Dauerwohnrechtsvertrag entsprechend dem Mustervertrag des Bundesbauministeriums. Die Eltern bewilligten zu Gunsten der Klägerin die Eintragung eines Dauerwohnrechts im Grundbuch. Auf den Antrag vom wurde das Wohnrecht im April 1994 eingetragen. Das FA erkannte aufgrund dieser Dauerwohnrechtsbestellung die Kläger als wirtschaftliche Eigentümer der Erdgeschosswohnung an und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 1993 einen Abzugsbetrag nach § 10e EStG.

Für die Streitjahre 1990 und 1991 gewährte es dagegen keine Wohneigentumsförderung. Durch Änderungsbescheide für 1990 und 1991 hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Mit dem Einspruch begehrten die Kläger erfolglos, Finanzierungskosten in Höhe von 8 152 DM für 1990 und in Höhe von 4 777,50 DM für 1991 als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abzuziehen sowie für 1991 einen Abzugsbetrag nach § 10e EStG in Höhe von 3 841 DM und Baukindergeld nach § 34f EStG zu berücksichtigen.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1217 veröffentlicht ist, lehnte die begehrte Grundförderung und das Baukindergeld ab, ließ aber die Finanzierungskosten zum Abzug als Vorkosten zu. Es führte aus:

Ein Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG stehe den Klägern nicht zu. Aufgrund der Dauerwohnrechtsvereinbarung vom seien die Kläger in den Streitjahren 1990 und 1991 schon deshalb keine wirtschaftlichen Eigentümer der Wohnung gewesen, weil das Dauerwohnrecht erst im Dezember 1993 notariell bestellt und im April 1994 eingetragen worden sei. Jedoch seien die Finanzierungskosten als Vorkosten abziehbar. Zwar hingen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Schuldzinsen nicht unmittelbar mit der Herstellung oder dem Erwerb einer eigenen Wohnung zusammen, wenn ein Steuerpflichtiger zunächst die Wohnung auf fremdem Grund und Boden errichte und später das Eigentum an dieser Wohnung oder eine eigentümerähnliche Stellung erwerbe (, BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 186). Anders als in dem vom BFH entschiedenen Fall hätten die Kläger das Dauerwohnrecht jedoch bereits von den Eltern entgeltlich gegen Zahlung von 24 170 DM erworben und die streitbefangenen Finanzierungskosten insoweit unmittelbar zur Finanzierung dieses Erwerbs aufgewendet. Der dadurch begründete unmittelbare Zusammenhang gehe nicht durch Zeitablauf verloren, so dass der tatsächliche Erwerb der eigentümerähnlichen Stellung erst im Jahr 1993 unschädlich sei.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e Abs. 6 EStG.

Das FA beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Entgegen der Auffassung des FG sind die Finanzierungskosten für den Erwerb des Dauerwohnrechts und für die Errichtung des Anbaus nicht als Vorkosten abziehbar.

1. Der Abzug als Vorkosten setzt nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG unter anderem voraus, dass die Aufwendungen vor Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung i.S. des § 10e Abs. 1 EStG zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind und unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazugehörenden Grund und Bodens zusammenhängen. § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG gilt entsprechend bei Ausbauten und Erweiterungen an einer zu Wohnzwecken genutzten Wohnung (§ 10e Abs. 6 Satz 3 EStG). Das bedeutet, dass die Aufwendungen unmittelbar mit dem Ausbau oder der Erweiterung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten eigenen Wohnung zusammenhängen und vor Beginn der erstmaligen Nutzung des Ausbaus oder der Erweiterung zu eigenen Wohnzwecken entstanden sein müssen. Bei Aufwendungen für die Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer eigenen Wohnung ist grundsätzlich ein unmittelbarer Zusammenhang anzunehmen, der auch durch Zeitablauf nicht verloren geht (, BFHE 178, 155, BStBl II 1996, 151, und in BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 186).

2. Bei den geltend gemachten Finanzierungsaufwendungen ist zu unterscheiden zwischen den Aufwendungen, die durch die Finanzierung des Entgelts für den Erwerb des Dauerwohnrechts (Umschuldung der übernommenen Verbindlichkeiten) entstanden sind, und den Kosten für die Finanzierung des Anbaus. Ein unmittelbarer Zusammenhang der Finanzierungskosten für den Erwerb des Dauerwohnrechts mit der Anschaffung einer eigenen Wohnung läge nur dann vor, wenn die Klägerin durch die Vereinbarung vom wirtschaftliche Eigentümerin der Erdgeschosswohnung geworden wäre. Die Klägerin hat jedoch durch diese Vereinbarung kein wirtschaftliches Eigentum, sondern nur ein schuldrechtliches Nutzungsrecht erworben.

a) Nutzungsberechtigte sind in der Regel keine wirtschaftlichen Eigentümer der ihnen zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter (vgl. z.B. Senatsurteil vom X R 91/94, BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203, m.w.N.). Jedoch beurteilen die Finanzverwaltung (, BStBl I 1994, 887, Rz. 6) und auch die bisherige Rechtsprechung (vgl. z.B. , BFHE 145, 161, BStBl II 1986, 258; vom IV R 2/85, BFH/NV 1989, 580; in BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203) das eigentumsähnlich gestaltete (veräußerliche und vererbliche) Dauerwohnrecht i.S. der §§ 31 ff. WEG als wirtschaftliches Wohnungseigentum, wenn die vereinbarten Rechte und Pflichten wirtschaftlich den Rechten und Pflichten eines Wohnungseigentümers gleichstehen und dem Dauerwohnberechtigten für den Fall der Beendigung des Dauerwohnrechts eine angemessene Entschädigung zusteht. Unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen der Dauerwohnberechtigte als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist, kann der Senat offen lassen. Denn im Streitfall scheitert die Annahme wirtschaftlichen Eigentums schon daran, dass das Dauerwohnrecht zivilrechtlich nicht wirksam bestellt worden ist.

Das Dauerwohnrecht i.S. des § 31 WEG wird als dingliches Recht gemäß § 873 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) durch formlose Einigung und Eintragung in das Grundbuch bestellt (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 31 WEG Rz. 6). Für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums aufgrund eines Dauerwohnrechts ist daher die Eintragung in das Grundbuch erforderlich oder zumindest eine Bindung der Beteiligten an die Einigung i.S. des § 873 Abs. 2 BGB durch notarielle Beurkundung der Erklärungen, Abgabe der Erklärungen vor dem Grundbuchamt oder Aushändigung einer Eintragungsbewilligung durch den Wohnungseigentümer. Diese Voraussetzungen lagen erst im Dezember 1993 vor, so dass schon aus diesem Grund in den Streitjahren 1990 und 1991 wirtschaftliches Eigentum aufgrund eines Dauerwohnrechts i.S. der §§ 31 ff. WEG an der von den Klägern genutzten Erdgeschosswohnung nicht angenommen werden kann.

b) Als schuldrechtliche Nutzungsvereinbarung vermittelt der Vertrag vom -- auch nach der neueren Rechtsprechung des I. und des XI. Senats des BFH zum wirtschaftlichen Eigentum des Nutzungsberechtigten -- keine eigentümerähnliche Stellung, die zur Inanspruchnahme der Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG berechtigte.

aa) Nach den BFH-Urteilen vom I R 88/92 (BFHE 172, 333, BStBl II 1994, 164) und vom XI R 77/96 (BFHE 183, 455, BStBl II 1997, 774) ist der Nutzungsberechtigte als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen, wenn er die Herstellungskosten des Wirtschaftsguts getragen hat und im Falle der Beendigung des Nutzungsrechts einen Anspruch auf vollen Wertersatz hat. I. und XI. Senat des BFH sehen den Grund, das Wirtschaftsgut in einem solchen Fall abweichend vom zivilrechtlichen Eigentum dem Nutzungsberechtigten zuzurechnen (§ 39 der Abgabenordnung -- AO 1977 --), darin, dass der zivilrechtliche Eigentümer zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich über sein Eigentum verfügen kann, weil er im Falle der Nutzungsbeendigung dem Nutzungsberechtigten vollen Ersatz für das vom Nutzungsberechtigten hergestellte Wirtschaftsgut leisten müsste.

bb) Ob diese Rechtsprechung auch bei der Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG anzuwenden ist, kann im Streitfall unentschieden bleiben. Denn die Erdgeschosswohnung wurde nicht auf Kosten der Klägerin hergestellt oder angeschafft. Sie hat lediglich ein einmaliges Entgelt (Übernahme von Verbindlichkeiten in Höhe von 24 170 DM) für die Dauernutzung entrichtet, das laut Vertrag bei Beendigung des Nutzungsrechts unter Berücksichtigung der Inflationsrate zurückzuzahlen ist.

cc) Aufgrund der neueren Rechtsprechung des BFH könnte die Klägerin allenfalls wirtschaftliche Eigentümerin des Anbaus gewesen sein, weil sie die Kosten dafür getragen und bei Beendigung des Nutzungsrechts Anspruch auf Entschädigung hat; wirtschaftliches Eigentum kommt grundsätzlich auch an einem realen Gebäudeteil in Betracht (, BFH/NV 2000, 182). Ein dem Hersteller zuzurechnender Anbau an eine fremde Wohnung ist aber lediglich -- nach § 10e Abs. 1 EStG- - begünstigt, soweit durch den Anbau eine selbständige Wohnung hergestellt wird. Als Teil der eigengenutzten Wohnung -- wie im Streitfall -- wird ein Anbau zwar selbständig nach § 10e Abs. 2 EStG gefördert, aber nur, wenn die durch den Anbau erweiterte Wohnung dem Steuerpflichtigen gehört. Die Übernahme der Kosten für den Anbau an eine fremde Wohnung macht den Nutzungsberechtigten nicht zum wirtschaftlichen Eigentümer der gesamten Wohnung. Denn dadurch, dass der zivilrechtliche Eigentümer bei Beendigung der Nutzung eine Entschädigung für den Anbau zu leisten hat, wird sein zivilrechtlicher Anspruch auf Herausgabe der Wohnung nicht wirtschaftlich wertlos.

3. Die auf die Errichtung des Anbaus entfallenden Finanzierungskosten sind ebenfalls nicht als Vorkosten abziehbar, weil der Anbau nicht nach § 10e Abs. 2 EStG begünstigt ist.

Nach § 10e Abs. 2 EStG gilt für Herstellungskosten zu eigenen Wohnzwecken genutzter Ausbauten und Erweiterungen an einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung § 10e Abs. 1 EStG entsprechend. Die in Abs. 1 für die Begünstigung von Herstellungskosten einer Wohnung aufgestellten Voraussetzungen sind deshalb sinngemäß auf Ausbauten und Erweiterungen anzuwenden. Da dem Steuerpflichtigen nach § 10e Abs. 1 Satz 1 EStG für die Herstellungskosten einer Wohnung ein Abzugsbetrag lediglich zusteht, wenn es sich um eine Wohnung im eigenen Haus oder um eine eigene Eigentumswohnung handelt, sind Herstellungskosten für Ausbauten/Erweiterungen ebenfalls nur begünstigt, wenn sie eine Wohnung im eigenen Haus oder eigene Eigentumswohnung betreffen; der Steuerpflichtige muss zivilrechtlicher oder zumindest wirtschaftlicher Eigentümer der ausgebauten oder erweiterten Wohnung sein.

Da die Kläger -- wie unter II. 2. dargelegt -- in den Streitjahren allenfalls wirtschaftliche Eigentümer des Anbaus, nicht aber der Erdgeschosswohnung waren, hängen die Finanzierungskosten nicht unmittelbar mit der Erweiterung einer eigenen, sondern einer fremden Wohnung zusammen. Auch wenn der am geschlossene, notariell beurkundete und in das Grundbuch eingetragene Dauerwohnrechtsvertrag -- wie das FA annimmt -- zu wirtschaftlichem Eigentum an der Erdgeschosswohnung geführt hätte, bestünde zu diesem Erwerb nur ein mittelbarer Zusammenhang (ebenso Senatsurteil in BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 186, zu Darlehenszinsen für Herstellungskosten einer Wohnung auf einem den Eltern gehörenden Grundstück).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1108
BFH/NV 2001 S. 1108 Nr. 9
SAAAB-04891