BFH Urteil v. - X R 14/97 BStBl 2001 II S. 578

Vorkostenabzug bei Ausbauten und Erweiterungen

Leitsatz

Aufwendungen zur Finanzierung von Ausbauten und Erweiterungen sind als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG nur abziehbar, wenn der Steuerpflichtige eine eigene Wohnung ausbaut oder erweitert. Die vor der erstmaligen Eigennutzung des Ausbaus/der Erweiterung entstandenen Finanzierungskosten sind auch dann als Vorkosten zu berücksichtigen, wenn dem Steuerpflichtigen das Eigentum an der Wohnung erst nach Fertigstellung und Bezug des Ausbaus/der Erweiterung, aber noch im Jahr der Fertigstellung übertragen wird.

Gesetze: EStG § 10 e Abs. 1, 2 und 6

Instanzenzug: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1997, 660) (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind seit 1991 miteinander verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In den Jahren 1989 bis 1991 bauten sie auf eigene Kosten ein dem Vater des Klägers gehörendes Einfamilienhaus für 199 007 DM um und bezogen es am . Durch notariellen Übergabevertrag vom übertrug der Vater das Grundstück je zur Hälfte auf die Kläger.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 begehrten die Kläger einen Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 9 951 DM (= 5 v. H. von 199 007 DM) sowie den Abzug von Schuldzinsen in Höhe von 5 947 DM und eines Versicherungsbeitrags an die Baugenossenschaft in Höhe von 131 DM als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die begehrte Wohneigentumsförderung zunächst in vollem Umfang ab. Auf den Einspruch der Kläger behandelte das FA im geänderten Einkommensteuerbescheid für 1991 den Eigentumserwerb unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom IV B 3 - S 2225 a - 115/90 (BStBl I 1990, 626, Abs. 15, 17) als Anschaffung (Übertragung des Eigentums gegen den Verzicht auf einen Aufwendungsersatzanspruch). Es sah die Baukosten als ausschließlich auf das Gebäude entfallende Anschaffungskosten an und berücksichtigte einen Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG in der beantragten Höhe. Hinsichtlich der geltend gemachten Vorkosten wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück, weil die Aufwendungen nicht unmittelbar mit der Anschaffung der Wohnung zusammenhingen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 660 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10 e Abs. 6 EStG. Es trägt vor: Vor Beginn der erstmaligen Eigennutzung der Wohnung entstandene Aufwendungen seien nur dann als Vorkosten abziehbar, wenn sie unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung im eigenen Haus oder in einer eigenen Eigentumswohnung zusammenhingen (§ 10 e Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 EStG). Der Steuerpflichtige müsse daher zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen zumindest wirtschaftlicher Eigentümer der Wohnung sein. Im Streitfall seien die Finanzierungskosten und der Versicherungsbeitrag jedoch zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem die Kläger weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümer des Grundstücks gewesen seien.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entgegen der Auffassung des FG hängen die vor Bezug entstandenen Aufwendungen nicht mit der Anschaffung einer Wohnung zusammen. Sie können jedoch wegen des Zusammenhangs mit der Erweiterung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten eigenen Wohnung - zumindest anteilig - als Vorkosten abziehbar sein.

1. Der Abzug als Vorkosten setzt nach § 10 e Abs. 6 Satz 1 EStG unter anderem voraus, dass die Aufwendungen bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung i. S. des § 10 e Abs. 1 EStG zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind und unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazugehörenden Grund und Bodens zusammenhängen.

a) Die Aufwendungen hängen nicht mit der Herstellung eines Gebäudes zusammen, denn die Kläger haben nur ein bestehendes Einfamilienhaus umgebaut.

b) Es besteht auch kein Zusammenhang mit der Anschaffung eines Gebäudes.

aa) Unter Anschaffung ist nur der entgeltliche Erwerb zu verstehen (zuletzt , BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94, unter II. 3., m. w. N.). Nach dem notariellen Übergabevertrag vom hatten die Kläger für die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück aber keine Gegenleistungen zu erbringen.

bb) Das FA hat den Eigentumserwerb zwar unter Hinweis auf das BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 626, Abs. 15, 17 (= , BStBl I 1994, 887, Rz. 17) als Anschaffung beurteilt (Übertragung gegen den Verzicht auf einen Aufwendungsersatzanspruch) und die Baukosten als ausschließlich auf das Gebäude entfallende Anschaffungskosten anerkannt, für die es die Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 EStG gewährt hat. Ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Vater, auf den sie hätten verzichten können, stand den Klägern jedoch nicht zu.

Wer aufgrund der §§ 946 bis 950 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) einen Rechtsverlust erleidet, kann nach § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Bei Baumaßnahmen auf einem fremden Grundstück ist der Eigentümer des Grundstücks nur dann ungerechtfertigt bereichert, wenn die Rechtsänderung ohne rechtlichen Grund eingetreten, der rechtliche Grund später entfallen oder der mit der Leistung (den Baumaßnahmen) bezweckte Erfolg weggefallen ist. Werden die Umbaumaßnahmen - wie im Streitfall - im Hinblick auf den künftigen Eigentumserwerb vorgenommen, entsteht ein Aufwendungsersatzanspruch erst dann, wenn feststeht, dass der bezweckte Erfolg (die Eigentumsübertragung) nicht eintritt bzw. in dem Zeitpunkt, in dem feststeht, dass die Bereicherung (mangels Eigentumsübertragung) ungerechtfertigt ist (, BFHE 182, 149, BStBl II 1998, 100; vom IX R 25/96, BFH/NV 1998, 167; jeweils unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH -). Da das Eigentum erwartungsgemäß übertragen wurde, bestand kein Aufwendungsersatzanspruch. Im Übrigen war der Vater mit der Übertragung des Eigentums durch die Baumaßnahmen an dem Grundstück auch nicht mehr bereichert.

2. Da nach den im Einspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen durch die Umbaumaßnahmen auch die Wohnfläche des Einfamilienhauses vergrößert worden ist, können die geltend gemachten Finanzierungsaufwendungen aber aufgrund des Zusammenhangs mit einer Erweiterung i. S. des § 10 e Abs. 2 EStG zumindest teilweise als Vorkosten abziehbar sein.

a) Die Vorkostenregelung des § 10 e Abs. 6 Satz 1 EStG gilt entsprechend ,,bei Ausbauten und Erweiterungen an einer zu Wohnzwecken genutzten Wohnung'' (§ 10 e Abs. 6 Satz 3 EStG i. d. F. für das Streitjahr 1991). Aus der Verweisung auf § 10 e Abs. 6 Satz 1 EStG, der wiederum auf § 10 e Abs. 1 EStG Bezug nimmt, folgt, dass die Aufwendungen nur als Vorkosten abziehbar sind, wenn sie bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung des Ausbaus/der Erweiterung zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind und unmittelbar mit dem Ausbau oder der Erweiterung an einer eigenen Wohnung zusammenhängen (, zur Veröffentlichung vorgesehen in BFH/NV 2001, Heft 9).

b) Bei Anschaffung oder Herstellung einer eigenen Wohnung mit Kreditmitteln ist nach der Rechtsprechung stets ein unmittelbarer Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung gegeben (, BFHE 178, 155, BStBl II 1996, 151, unter 3. b; , BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 186, unter 4. b; vom X R 125/94, BFH/NV 1998, 1347, unter II. 2. a; vom X R 140/95, BFHE 187, 465, BStBl II 1999, 93, unter II. 1.). Schuldzinsen hängen dementsprechend mit einem Ausbau oder einer Erweiterung unmittelbar zusammen, wenn mit den Kreditmitteln die Herstellungskosten eines Ausbaus oder einer Erweiterung an einer eigenen Wohnung finanziert worden sind.

c) Ein unmittelbarer Zusammenhang der vor Bezug entstandenen Finanzierungskosten mit dem Ausbau/der Erweiterung liegt nicht nur vor, wenn der Steuerpflichtige bereits bei Beginn der Ausbau- und Erweiterungsmaßnahmen Eigentümer der Wohnung ist, sondern auch dann, wenn das Eigentum an der Wohnung, wie im Streitfall, erst nach Fertigstellung und Bezug des Ausbaus/der Erweiterung, aber noch im Jahr der Fertigstellung auf den Steuerpflichtigen übergeht.

Nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 887 (Rz. 91 Satz 10) sind zwar Finanzierungskosten eines Nutzungsberechtigten für die Anschaffung der Wohnung erst ab dem Zeitpunkt abziehbar, zu dem Maßnahmen eingeleitet worden sind, die zum Eigentumserwerb geführt haben. Diese Verwaltungsregelung ist nach Auffassung des Senats aber jedenfalls auf Finanzierungskosten für Ausbau- und Erweiterungsmaßnahmen nicht anwendbar. Denn maßgebend für den Abzug von Finanzierungskosten als Vorkosten ist, dass sie für eine nach § 10 e Abs. 2 EStG begünstigte Maßnahme aufgewendet worden sind. Ob die Baumaßnahmen des Steuerpflichtigen an der Wohnung die Voraussetzungen des § 10 e Abs. 2 EStG erfüllen, ist jedoch erst bei Fertigstellung des Ausbaus/der Erweiterung zu entscheiden; erst vom Jahr der Fertigstellung an beginnt der Abzugszeitraum für die Grundförderung nach § 10 e Abs. 2 EStG. Da die Grundförderung für einen Ausbau/eine Erweiterung ungekürzt gewährt wird, wenn bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung die Voraussetzungen des § 10 e Abs. 2 EStG erfüllt sind, sieht es der Senat als sachgerecht an, die Finanzierungskosten zumindest dann als Vorkosten zu berücksichtigen, wenn das Eigentum an der Wohnung nach Fertigstellung und Bezug des Ausbaus/der Erweiterung, aber noch im ersten Jahr des Abzugszeitraums übergeht, weil die Schuldzinsen in diesem Fall zur Finanzierung eines nach § 10 e Abs. 2 EStG begünstigten Objekts verwendet worden sind.

3. Da das FG die Eigentumsübertragung vom wie das FA als Anschaffung (entgeltlichen Erwerb) beurteilt hat, wird die Vorentscheidung aufgehoben. Die Sache ist nicht spruchreif.

a) Das FG hat aus seiner Sicht zu Recht nicht ermittelt, inwieweit die Umbaumaßnahmen die Voraussetzungen des § 10 e Abs. 2 EStG als Ausbau oder Erweiterung erfüllen. Davon hängt es ab, in welchem Umfang die geltend gemachten Finanzierungskosten als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 Satz 3 EStG abziehbar sind. Da der mit der Einkommensteuererklärung vorgelegte Beitragsbescheid an den Vater des Klägers gerichtet ist, wird das FG auch zu prüfen haben, ob es sich bei dem geltend gemachten Versicherungsbeitrag in Höhe von 131 DM um Aufwendungen der Kläger handelt.

b) Der vom FA berücksichtigte Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG steht den Klägern mangels Anschaffung des Einfamilienhauses nicht zu. Stellt das FG fest, dass die als Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG zugrunde gelegten Umbaukosten in Höhe von 199 007 DM nicht in vollem Umfang als Herstellungskosten eines Ausbaus oder einer Erweiterung zu beurteilen sind, ist der Abzugsbetrag zu kürzen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BStBl 2001 II Seite 578
BB 2001 S. 1622 Nr. 32
BFH/NV 2001 S. 1179 Nr. 9
BFHE S. 355 Nr. 195
DStR 2001 S. 1294 Nr. 31
DStRE 2001 S. 856 Nr. 16
FR 2001 S. 838 Nr. 16
INF 2001 S. 666 Nr. 21
EAAAA-88979