BFH Urteil v. - VI R 68/04 BStBl 2009 II S. 338

Zur Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung und der Festlegung des Prüfungsortes in den Amtsräumen bei einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO

Leitsatz

1. Das für eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO erforderliche Aufklärungsbedürfnis liegt jedenfalls dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen im Prüfungszeitraum aufgrund außerordentlich hoher Einkünfte („Einkunftsmillionär”) erhebliche Beträge zu Anlagezwecken zur Verfügung standen und der Steuerpflichtige nur Kapitaleinkünfte in geringer Höhe erklärt sowie keine substantiierten und nachprüfbaren Angaben zur Verwendung der verfügbaren Geldmittel gemacht hat.

2. Die Entscheidung des FA über die Zweckmäßigkeit einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO ist ermessensfehlerfrei, wenn eine Vielzahl von Belegen zu überprüfen und insoweit mit zahlreichen Rückfragen zu rechnen ist.

3. Die Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO kann auch in den Räumen des FA durchgeführt werden. Sie ist insoweit von einer Prüfung an Amtsstelle durch Maßnahmen der Einzelermittlung i.S. der §§ 88 ff. AO zu unterscheiden.

4. Die Entscheidung des FA, die Außenprüfung in den eigenen Amtsräumen durchzuführen, ist ermessensfehlerfrei, wenn der Steuerpflichtige weder über Geschäftsräume noch über einen inländischen Wohnsitz verfügt. Eine Wohnung des Steuerpflichtigen im Ausland kann das FA bei der Festlegung des Prüfungsortes unberücksichtigt lassen.

Gesetze: AO § 193 Abs. 2 Nr. 2AO § 200 Abs. 2 Satz 1FGO § 46 Abs. 1

Instanzenzug: (EFG 2005, 922) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wohnte in den Jahren 1998 bis 2000 im Inland und erzielte dort als angestellter Geschäftsführer einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 1 318 129 DM (1998), 877 286 (1999) und 1 804 422 DM (2000).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ordnete am bei dem inzwischen in die USA verzogenen Kläger eine Außenprüfung für die Einkommensteuer 1998 bis 2000 (Prüfungszeitraum) an, die mangels inländischen Wohnsitzes des Klägers in den Amtsräumen des FA stattfinden sollte. Die auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützte Prüfungsanordnung begründete das FA damit, dass der Kläger aufgrund der in 1998 erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als sogenannter „Einkunftsmillionär” einzustufen sei.

Der gegen die Prüfungsanordnung gerichtete Einspruch des Klägers blieb erfolglos. In der am abgesandten Einspruchsentscheidung führte das FA aus, dass angesichts der außerordentlich hohen Mittel, die dem Kläger zur freien Verfügung gestanden hätten, und der im Vergleich hierzu relativ geringen Kapitaleinkünfte Ermittlungen über die Mittelverwendung erforderlich seien. In diesem Zusammenhang sei auch die Ende 2000 erfolgte Einlage in die B-GbR zu überprüfen. Eine Außenprüfung sei im Streitfall zweckmäßig, weil eine Vielzahl von Unterlagen zu überprüfen und insoweit mit wiederholten Rückfragen zu rechnen sei. Auf den Einspruch des Klägers gegen die Festlegung des Prüfungsortes stellte das FA die abschließende Entscheidung über den Prüfungsort bis zum Prüfungsbeginn zurück.

Die gegen die Prüfungsanordnung und die Festlegung des Prüfungsortes erhobene Klage blieb aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 922 veröffentlichten Gründen ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, dass die Klage gegen die Festlegung des Prüfungsortes unzulässig sei. Das FA habe über den hiergegen eingelegten Einspruch aus zureichenden Gründen noch nicht entschieden. Die Prüfungsanordnung des FA sei rechtmäßig. Die Aufklärungsbedürftigkeit der steuerlichen Verhältnisse des Klägers ergebe sich aus dessen außerordentlich hohen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Prüfungszeitraum. Dem Kläger seien auch bei Zugrundelegung eines hohen Lebensstandards und nach Abzug von Steuern und Sonderausgaben erfahrungsgemäß noch erhebliche Beträge zu Anlagenzwecken verblieben. Für das FA habe ein hinreichender Anlass zur Prüfung weiterer einkommensteuerlich relevanter Geldanlagen des Klägers im Prüfungszeitraum bestanden. Das FA habe auch ohne Ermessensfehler entschieden, dass eine Prüfung an Amtsstelle nicht zweckmäßig sei. Es habe hierzu nachvollziehbar dargelegt, dass die Prüfung der mit der Prüfungsanordnung angeforderten Bankbelege und des geltend gemachten Verlustes aus der B-GbR zur Aufklärung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers erfahrungsgemäß einen erheblichen Zeitaufwand erfordern werde.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG sowie die Prüfungsanordnung für Einkommensteuer 1998 bis 2000 und die Festlegung des Prüfungsortes des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet. Soweit das FG die Klage gegen die Festlegung des Prüfungsortes als unzulässig abgewiesen hat, ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden formellen Rechts; die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Die Revision ist daher insoweit gemäß § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage nicht unzulässig, sondern unbegründet ist. Im Übrigen ist die Revision nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

1. Die vorgebrachte Verfahrensrüge greift nicht durch.

Das rechtliche Gehör ist auch dann verletzt, wenn die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, weil das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, der weder im Besteuerungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren zur Sprache gekommen ist und mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 16, Stichwort „Überraschungsentscheidung”, m.w.N.). Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, die für seine Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern oder im Voraus anzudeuten (, BFH/NV 2006, 904; Urteile vom VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978; vom VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539, m.w.N.).

Das FG hat keine Überraschungsentscheidung getroffen. Die vom FG zur Begründung des Aufklärungsbedürfnisses herangezogene unklare Mittelverwendung durch den Kläger hat das FA bereits mit Schriftsatz vom vorgetragen, in dem es die Angaben des Klägers zur Mittelverwendung als unsubstantiiert eingestuft hat.

2. Das FG hat die Prüfungsanordnung des FA zu Recht als rechtmäßig angesehen.

a) Das FA hat die Prüfungsanordnung zutreffend auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO gestützt. Nach dieser Vorschrift ist eine Außenprüfung zulässig, wenn die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist.

b) Ob für das FA ein Aufklärungsbedürfnis hinsichtlich der steuerlichen Verhältnisse eines Steuerpflichtigen besteht, kann vom Gericht überprüft werden. Das Aufklärungsbedürfnis ist gegeben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Steuerpflichtige seine Erklärung unvollständig oder mit unrichtigem Inhalt abgegeben hat (, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435; Eckhoff in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 193 AO Rz 145, m.w.N.). Das FA darf die Außenprüfung jedoch nicht „ins Blaue hinein” anordnen (, BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146, m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die steuerlichen Verhältnisse des Klägers im Streitfall der Aufklärung bedurften. Das FG hat sich der Begründung des FA angeschlossen und das Aufklärungsbedürfnis daraus abgeleitet, dass dem Kläger im Prüfungszeitraum aufgrund seiner außerordentlich hohen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch unter Zugrundelegung eines gehobenen Lebensstandards erhebliche Beträge zu Anlagezwecken zur Verfügung gestanden hätten. Vom Kläger und seiner Ehefrau seien jedoch nur Kapitaleinkünfte in geringer Höhe erklärt und keine substantiierten und nachprüfbaren Angaben zur Verwendung der verfügbaren Geldmittel gemacht worden.

Entgegen der Auffassung des Klägers erging die Prüfungsanordnung damit nicht „ins Blaue hinein”, sondern aufgrund der Unklarheiten bei der Mittelverwendung durch den Kläger, die hinreichende Anhaltspunkte dafür boten, dass der Kläger seine Steuererklärung unvollständig oder mit unrichtigem Inhalt abgegeben hatte (vgl. , BFH/NV 1990, 4, unter 3. b der Gründe). Der Senat kann dahinstehen lassen, ob für die Annahme des Aufklärungsbedürfnisses Anhaltspunkte genügen, die nach den allgemeinen Erfahrungen des FA die Aufklärung bisher unbekannter steuerlicher Verhältnisse möglich erscheinen lassen (, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208; in BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146, m.w.N.; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 193 AO Rz 32; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 193 Rz 40; Eckhoff in HHSp, a.a.O.), oder ob hierfür konkrete, einzelfallbezogene Umstände vorliegen müssen (Gosch in Beermann/Gosch, AO § 193 Rz 76; Frotscher in Schwarz, AO, § 193 Rz 43). Denn im Streitfall besteht nicht nur ein —abstraktes— Aufklärungsbedürfnis aufgrund der hohen Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit und des geringen Betrags der erklärten Kapitaleinkünfte. Das Aufklärungsbedürfnis ergibt sich vielmehr auch aus den —konkreten— Anhaltspunkten für eine unklare Mittelverwendung durch den Kläger.

c) Dem FG ist auch darin zu folgen, dass die Entscheidung des FA über die Notwendigkeit einer Außenprüfung keine Ermessensfehler erkennen lässt.

aa) Ob eine Prüfung an Amtsstelle nicht zweckmäßig, vielmehr eine Außenprüfung angezeigt ist, entscheidet das FA nach pflichtgemäßem Ermessen (BFH-Urteile in BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208; in BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146). Bei seiner Ermessensentscheidung hat es nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO in erster Linie Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts zu berücksichtigen. Die Gerichte können die Entscheidung des FA gemäß § 102 Satz 1 FGO nur darauf überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers enthält die Einspruchsentscheidung des FA ausreichende Ermessenserwägungen dazu, dass sich nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts die Außenprüfung gegenüber der Einzelermittlung als die zweckmäßigere Maßnahme erweist. Die Anordnung einer Außenprüfung ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn zu erwarten ist, dass eine größere Anzahl von Lebensvorgängen mit einem größeren Zeitaufwand zu prüfen ist (, BFHE 176, 298, BStBl II 1995, 291; in BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146, unter 2. b; Klein/Rüsken, a.a.O., § 193 Rz 43; Frotscher in Schwarz, AO, § 193 Rz 44). Diese Voraussetzung hat das FA hinreichend dargetan, indem es für die Zweckmäßigkeit der Außenprüfung darauf abgestellt hat, dass bei der Prüfung der Mittelverwendung durch den Kläger eine Vielzahl von Belegen zu überprüfen und insoweit mit zahlreichen Rückfragen zu rechnen sei (vgl. BFH-Urteile in BFHE 176, 298, BStBl II 1995, 291; in BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146, unter 2. b).

Der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung steht auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen. Danach muss das FA von einer Außenprüfung absehen, wenn die gewünschte Aufklärung auch durch Maßnahmen der Einzelermittlung erreicht werden kann (BFH-Urteil in BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435, m.w.N.). Derartige Maßnahmen sind jedoch im Streitfall angesichts des zu erwartenden Prüfungsaufwands kein geeignetes Mittel zur Aufklärung der steuerlichen Verhältnisse des Klägers.

cc) Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass die Ermessensentscheidung offenkundig widersprüchlich ist, da als Prüfungsort die Amtsräume des FA vorgesehen seien und damit eine Prüfung an Amtsstelle vorliege. Die Prüfung an Amtsstelle besteht als Teil des allgemeinen Besteuerungsverfahrens aus Maßnahmen der Einzelermittlung i.S. der §§ 88 ff. AO durch die Veranlagungsstelle. Sie ist von der Außenprüfung (§§ 193 ff. AO) als formellem Verfahren zur umfassenden Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse zu unterscheiden. Die Vornahme von Außenprüfungen obliegt der Betriebsprüfungsstelle, die —wie im Streitfall— einem anderen FA zugeordnet sein kann als die Veranlagungsstelle. Die Außenprüfung ist regelmäßig beim Steuerpflichtigen selbst durchzuführen; in Ausnahmefällen kommt auch eine Durchführung an Amtsstelle in Betracht (vgl. § 200 Abs. 2 Satz 1 AO). Entgegen der Auffassung des Klägers ist daher auch im Rahmen des § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO eine Prüfung in den Amtsräumen des FA zulässig, wenn beim Steuerpflichtigen kein geeigneter Raum zur Verfügung steht (Frotscher, a.a.O., § 193 Rz 44). Soweit der Kläger vorträgt, nur eine Prüfung in seiner Wohnung in den USA sei ermessensgerecht, betrifft dies die Festlegung des Prüfungsortes, die gegenüber der Prüfungsanordnung einen selbständigen Verwaltungsakt bildet (BFH-Urteile in BFHE 176, 298, BStBl II 1995, 291; in BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208).

dd) Der Einwand des Klägers, die Übersendung der im Rahmen der Außenprüfung angeforderten Unterlagen sei ihm unzumutbar, ist für die Ermessensentscheidung des FA über die Zweckmäßigkeit der Außenprüfung unbeachtlich, da die Anforderung der Unterlagen einen selbständigen Verwaltungsakt darstellt. Abgesehen davon wäre eine Übersendung von Unterlagen durch den Kläger auch für Maßnahmen der Einzelermittlung im Rahmen einer Prüfung an Amtsstelle erforderlich.

d) Die Prüfungsanordnung begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken.

aa) Die Prüfungsanordnung des FA ist hinreichend begründet. Eine ausreichende Begründung der Ermessensentscheidung über die Zweckmäßigkeit der Außenprüfung folgt hierbei jedenfalls aus der Einspruchsentscheidung als letzter Verwaltungsentscheidung (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 102 Rz 13, m.w.N.). Die konkreten Anhaltspunkte, aus denen sich das Aufklärungsbedürfnis hinsichtlich der steuerlichen Verhältnisse des Klägers ergibt, hat das FA ebenfalls in der Einspruchsentscheidung vorgetragen und mit Schriftsatz vom ergänzt (§ 102 Satz 2 FGO).

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers war das FA auch für den Erlass der Prüfungsanordnung zuständig.

Außenprüfungen werden gemäß § 195 Satz 1 AO von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt. Nach § 17 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung können einem Finanzamt durch Rechtsverordnung Zuständigkeiten für die Bezirke mehrerer Finanzämter übertragen werden. Durch die Sechzehnte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter —16. Verordnung— vom (BStBl I 2001, 330) ist die Zuständigkeit für die Anordnung und Durchführung von Außenprüfungen der Personen, deren Summe der positiven Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) über eine Million DM liegt, für den Bezirk des Wohnsitzfinanzamts des Klägers auf das beklagte FA übertragen worden.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuständigkeit ist die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung (Gosch, a.a.O., AO § 195 Rz 36; Klein/Rüsken, a.a.O., § 195 Rz 4). Ein späterer Wechsel in der Zuständigkeit führt daher nicht zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung war das FA aufgrund der Zuständigkeitsübertragung durch die 16. Verordnung für die Anordnung einer Außenprüfung des Klägers zuständig.

Das FA durfte die Außenprüfung auch für das Jahr 1999 anordnen, obwohl die Summe der positiven Einkünfte des Klägers i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG in diesem Jahr nicht über einer Million DM lag. Denn im Streitfall wird die Zuständigkeit des FA zur Anordnung der Außenprüfung für den gesamten Prüfungszeitraum jedenfalls dadurch begründet, dass der Kläger zumindest im ersten und letzten Jahr des Prüfungszeitraums die nach der 16. Verordnung vorgegebene Summe der Einkünfte überschritten hat. In diesem Fall darf sich die Prüfungsanordnung des FA auch auf diejenigen Besteuerungszeiträume erstrecken, in denen der Kläger dieses Merkmal nicht erfüllt hat (vgl. , BFHE 144, 9, BStBl II 1986, 36; vom I R 142/90, BFHE 168, 226, BStBl II 1992, 784).

e) Dem Kläger ist schließlich nicht darin zu folgen, dass die Prüfungsanordnung rechtswidrig sei, da hinsichtlich des Prüfungszeitraums Festsetzungsverjährung bei der Einkommensteuer eingetreten sei. Der Senat kann offenlassen, ob die Festsetzungsverjährung der Anordnung einer Außenprüfung entgegensteht, wenn die Steueransprüche bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Prüfungsanordnung verjährt sind (vgl. hierzu , BFH/NV 2006, 964, m.w.N.). Denn ein —im Streitfall nach Auffassung des Klägers vorliegender— Eintritt der Festsetzungsverjährung erst nach Abschluss des Einspruchsverfahrens führt jedenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 964).

3. Das FA hat als Prüfungsort ermessensfehlerfrei die eigenen Amtsräume festgelegt.

a) Das FG hat die Klage gegen die Festlegung des Prüfungsortes allerdings zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.

Nach § 46 Abs. 1 FGO ist eine Klage —abweichend von § 44 FGO— ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Zeit sachlich nicht entschieden worden ist. Die Klage kann grundsätzlich nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO kann das Verfahren bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist, die verlängert werden kann, ausgesetzt werden.

Der Senat kann offenlassen, ob das FA im Schriftsatz vom eine Entscheidung über den Einspruch des Klägers gegen die Festlegung des Prüfungsortes getroffen hat. Denn die Klage ist nach § 46 Abs. 1 FGO auch ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, da es an einem zureichenden Grund für die Untätigkeit des FA fehlt und das FA nicht in angemessener Zeit sachlich entschieden hat.

Ein zureichender Grund i.S. des § 46 Abs. 1 FGO liegt vor, wenn eine Entscheidung nach objektiven Gesichtspunkten im Einzelfall noch nicht erwartet werden kann (Steinhauff in HHSp, § 46 FGO Rz 136). Der BFH hat von Amts wegen auch noch im Revisionsverfahren in jeder Verfahrenslage das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen im finanzgerichtlichen Klageverfahren zu prüfen (, BFH/NV 2004, 1655). Eine zunächst unzulässige Klage kann daher im weiteren Verlauf dadurch zulässig werden, dass der ursprünglich mitgeteilte zureichende Grund i.S. des § 46 Abs. 1 FGO wegfällt.

Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Einspruchsentscheidung einen zureichenden Grund i.S. des § 46 Abs. 1 FGO für das Hinausschieben der Entscheidung über den Prüfungsort enthält, da der vom FA mitgeteilte Grund jedenfalls durch die Klagebegründung vom weggefallen ist. Das FA hat seine Untätigkeit in der Einspruchsentscheidung damit begründet, dass es zum damaligen Zeitpunkt nicht abschließend habe beurteilen können, ob die Außenprüfung anstelle der in der Prüfungsanordnung vorgesehenen Amtsräume des FA zweckmäßigerweise in den Büroräumen des Bevollmächtigten des Klägers stattfinden werde, da ein hierfür erforderlicher Antrag des Klägers noch nicht gestellt worden sei. In der Klagebegründung vom hat der Kläger einen solchen Antrag jedoch für das weitere Verfahren ausgeschlossen, da als Prüfungsort allein seine Wohnung in den USA in Betracht komme. Das FA hat nach Wegfall des mitgeteilten Grundes in angemessener Zeit sachlich nicht entschieden, da es auch nach Zugang der Klagebegründung vom über die in § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO vorgesehene Frist hinaus untätig geblieben ist.

b) Die Revision hat gleichwohl keinen Erfolg, da die Klage gegen die Festlegung des Prüfungsortes unbegründet ist und sich die Vorentscheidung damit aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4 FGO). Der Senat kann auf der Grundlage der insoweit ausreichenden Feststellungen des FG über die Begründetheit der Klage selbst entscheiden (vgl. , BFH/NV 2005, 327, m.w.N.).

Die Festlegung des Prüfungsortes ist eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur darauf überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 Satz 1 FGO). Für die Auswahl des Prüfungsortes ergibt sich aus § 200 Abs. 2 Satz 1 AO, dass die Außenprüfung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen oder, soweit diese nicht vorhanden sind, in dessen Wohnräumen oder an Amtsstelle durchzuführen ist.

Das FA hat als Prüfungsort ermessensfehlerfrei die eigenen Amtsräume festgelegt, da der Kläger weder über Geschäftsräume noch über einen inländischen Wohnsitz verfügte. Entgegen der Auffassung des Klägers durfte das FA die Wohnung des Klägers in den USA als Prüfungsort außer Betracht lassen, da eine Außenprüfung auf fremdem Hoheitsgebiet nur in Ausnahmefällen mit Zustimmung des betroffenen Staates zulässig ist (Söhn in HHSp, § 117 AO Rz 3; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 117 AO Rz 2). Der Einwand des Klägers, die Durchführung der Außenprüfung in seiner Wohnung könne im Wege der Amtshilfe durch die USA erfolgen, ist hierbei unbeachtlich. Denn die Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amtshilfe setzt voraus, dass das FA die steuerlichen Verhältnisse des Klägers nicht durch eigene Ermittlungen aufklären kann (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 117 AO Rz 9; Wolffgang/Hendricks in Beermann/Gosch, AO § 117 Rz 28).

Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 338
AO-StB 2007 S. 257 Nr. 10
BB 2007 S. 2054 Nr. 38
BFH/NV 2007 S. 1950 Nr. 10
BStBl II 2009 S. 338 Nr. 10
DStR 2007 S. 1478 Nr. 34
DStRE 2007 S. 1213 Nr. 18
DStZ 2007 S. 650 Nr. 20
HFR 2007 S. 948 Nr. 10
IStR 2007 S. 749 Nr. 20
IWB-KN Nr. 182/2007 (Außenprüfung bei einem sog. Einkunftsmillionär mit Wohnsitz im Ausland)
KÖSDI 2007 S. 15699 Nr. 9
KÖSDI 2008 S. 15929 Nr. 3
NJW 2008 S. 173 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2007 S. 2929
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2008 S. 3673
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2008 S. 3680
SJ 2007 S. 10 Nr. 18
StB 2007 S. 367 Nr. 10
StBW 2007 S. 7 Nr. 18
StuB-Bilanzreport Nr. 18/2007 S. 714
WPg 2008 S. 169 Nr. 4
YAAAC-52592