Gründe
Zur Vorlagefrage
29Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer in einem Mitgliedstaat geltenden Regelung entgegensteht, nach der auf Dividenden, die von einer in einem steuerlich autonomen Gebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Gesellschaft ausgeschüttet werden, eine Quellensteuer erhoben wird, die, wenn die Dividenden von einer gebietsansässigen Gesellschaft bezogen werden, die in diesem steuerlich autonomen Gebiet der Körperschaftsteuer unterliegt, als Vorauszahlung auf die Körperschaftsteuer gilt und vollständig erstattet wird, wenn diese Gesellschaft das betreffende Steuerjahr mit einem Verlust abschließt, während keine Erstattung vorgesehen ist, wenn die Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft in gleicher Situation bezogen werden.
Zum Vorliegen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV
30Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehören zu den Maßnahmen, die Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die in diesem Mitgliedstaat Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 23 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
31Insbesondere kann eine ungünstigere Behandlung von Dividenden, die an gebietsfremde Gesellschaften gezahlt werden, als von Dividenden, die an gebietsansässige Gesellschaften gezahlt werden, durch einen Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften davon abhalten, im erstgenannten Mitgliedstaat zu investieren, und stellt damit eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die grundsätzlich nach Art. 63 AEUV verboten ist (Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 24 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
32Nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung unterliegen Gesellschaften, die an einer in Bizkaia ansässigen Gesellschaft beteiligt sind, hinsichtlich der an sie ausgeschütteten Dividenden zwei unterschiedlichen Steuerregelungen, je nachdem, ob sie gebietsansässig oder gebietsfremd sind.
33Der Vorlageentscheidung ist nämlich zu entnehmen, dass auf die Dividenden, die eine in Bizkaia steuerlich ansässige Gesellschaft an gebietsfremde Gesellschaften ausschüttet, nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. a des Regionalgesetzes 12/2013 eine Quellensteuer von 19 % des Bruttobetrags erhoben wird, wobei dieser Satz aber durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung reduziert werden kann, und zwar unabhängig von den Finanzergebnissen der gebietsfremden Gesellschaften. Im vorliegenden Fall wurden auf die von Credit Suisse Securities (Europe) bezogenen Dividenden auf der Grundlage eines solchen Abkommens, und zwar des spanisch-britischen Abkommens, 10 % Quellensteuer erhoben.
34Zwar werden auch auf Dividenden, die eine in Bizkaia ansässige Gesellschaft an eine andere gebietsansässige Gesellschaft ausschüttet, die sich ansonsten in der gleichen Situation wie Credit Suisse Securities (Europe) befindet, eine Quellensteuer von 19 % des Bruttobetrags erhoben, doch gilt diese Quellensteuer als Vorauszahlung auf die in Bizkaia geltende Körperschaftsteuer. Erleidet eine solche gebietsansässige Gesellschaft am Ende des betreffenden Steuerjahrs Verluste und ist daher keine Körperschaftsteuer zu zahlen, wird die als Vorauszahlung auf die Dividenden erhobene Quellensteuer erstattet, während dies nicht vorgesehen ist, wenn die Quellensteuer auf Dividenden erhoben wird, die an gebietsfremde Gesellschaften ausgeschüttet werden.
35Die Regelung, die für die Besteuerung von Dividenden gilt, die eine in der historischen Provinz Bizkaia steuerlich ansässige Gesellschaft ausschüttet, kann einer in diesem Gebiet der Körperschaftsteuer unterliegenden gebietsansässigen Gesellschaft somit im Vergleich zu einer gebietsfremden Gesellschaft einen Vorteil verschaffen, wenn diese Gesellschaften ein Steuerjahr mit einem Verlust beenden (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 28).
36Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob hinsichtlich der von der gebietsansässigen Gesellschaft bezogenen Dividenden eine solche Erstattung zu einer vollständigen Steuerbefreiung dieser Dividenden führt oder ob, wie sich aus den Akten, die dem Gerichtshof vorliegen, zu ergeben scheint, die Einbeziehung dieser Dividenden zu 50 % in die Steuerbemessungsgrundlage der gebietsansässigen Gesellschaft den Betrag der Verluste, die von den positiven Einkünften späterer Geschäftsjahre abgezogen werden können, verringert und damit einen Steueraufschub für die Dividenden bewirkt.
37Jedenfalls stellt es erstens eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, wenn ein solcher Vorteil bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt nicht gewährt wird, wohl aber bei einem äquivalenten innerstaatlichen Sachverhalt (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
38Zweitens muss die Beurteilung des Vorliegens einer etwaigen ungünstigeren Behandlung der an gebietsfremde Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden für jedes Steuerjahr gesondert vorgenommen werden (Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 30 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
39Da die Dividenden, die von einer gebietsfremden Gesellschaft bezogen werden, bei ihrer Ausschüttung besteuert werden, ist bei einem Vergleich der auf solchen Dividenden ruhenden Steuerlast mit der Steuerlast der an eine in Bizkaia steuerpflichtige gebietsansässige Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden auf das Steuerjahr ihrer Ausschüttung abzustellen (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 31).
40Im vorliegenden Fall wäre diese Steuerlast für die gebietsansässige Gesellschaft aber gleich null, wenn sie ein solches Steuerjahr mit einem Verlust beendet.
41Drittens wird ein etwaiger Aufschub der Besteuerung dieser Dividenden zu einer endgültigen Steuerbefreiung, wenn die gebietsansässige Gesellschaft vor der Einstellung ihrer Tätigkeit keinen Gewinn mehr erzielt (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 33).
42Folglich kann die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung gebietsansässigen Gesellschaften, die Verluste erleiden, einen Vorteil verschaffen, da sich daraus zumindest ein Liquiditätsvorteil oder sogar eine Steuerbefreiung ergibt, während gebietsfremde Gesellschaften unabhängig von ihrem Ergebnis unmittelbar und endgültig besteuert werden (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 34).
43Die Regionalregierung von Bizkaia und die spanische Regierung weisen insoweit darauf hin, dass auf Dividenden, die an eine gebietsfremde Gesellschaft wie Credit Suisse Securities (Europe) ausgeschüttet würden, nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. a des Regionalgesetzes 12/2013 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i des spanisch-britischen Abkommens eine Steuer von 10 % erhoben werde, während auf Dividenden, die an eine gebietsansässige Gesellschaft ausgeschüttet würden, in dem Umfang, in dem die Dividenden in die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer einbezogen würden, eine Steuer von 28 % erhoben werde.
44Ein solcher Umstand vermag aber die ungünstigere Behandlung von Dividenden, die an eine gebietsfremde Gesellschaft ausgeschüttet werden, nicht zu beseitigen.
45Zum einen kann nämlich eine steuerliche Benachteiligung, die gegen eine Grundfreiheit verstößt, nicht aufgrund des etwaigen Bestehens anderer Vorteile als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden (Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 38 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
46Zum anderen kommt der von der Regionalregierung von Bizkaia angeführte ungünstigere Steuersatz bei den an eine gebietsansässige Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden jedenfalls nicht zum Tragen, wenn diese Dividenden von der Steuer befreit sind, weil die gebietsansässige Gesellschaft ihre Tätigkeit einstellt, ohne in den Geschäftsjahren nach dem Bezug der Dividenden Gewinn erzielt zu haben. Der Umstand, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats Gebietsfremde benachteiligt, kann aber nicht dadurch ausgeglichen werden, dass diese Regelung möglicherweise in anderen Situationen Gebietsfremde im Vergleich zu Gebietsansässigen nicht beeinträchtigt (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
47Zudem ist eine solche unterschiedliche steuerliche Behandlung der Dividenden je nach dem Ort des Sitzes der begünstigten Gesellschaften geeignet, gebietsfremde Gesellschaften von Investitionen in Gesellschaften, die in Bizkaia ansässig sind, abzuhalten.
48Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung stellt somit eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die grundsätzlich nach Art. 63 Abs. 1 AEUV verboten ist.
49Zu prüfen ist jedoch, ob diese Beschränkung nach den Bestimmungen des AEU-Vertrags gerechtfertigt sein kann.
Zum Vorliegen einer Rechtfertigung der Beschränkung im Sinne von Art. 65 AEUV
50Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt Art. 63 AEUV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln.
51Diese Bestimmung ist als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs eng auszulegen. Sie kann somit nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem Mitgliedstaat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne Weiteres mit dem AEU-Vertrag vereinbar wäre. Die in Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV vorgesehene Ausnahme wird nämlich ihrerseits durch Abs. 3 dieses Artikels eingeschränkt; danach dürfen die in Abs. 1 genannten nationalen Vorschriften "weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 63 [AEUV] darstellen" (Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
52Die nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV zulässigen Ungleichbehandlungen müssen daher von den durch Art. 65 Abs. 3 AEUV verbotenen Diskriminierungen unterschieden werden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine nationale Steuerregelung aber nur dann als mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden, wenn die sich aus ihr ergebende Ungleichbehandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Zur Vergleichbarkeit der in Rede stehenden Situationen
53Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nähert sich die Situation der gebietsfremden Steuerpflichtigen derjenigen der gebietsansässigen Steuerpflichtigen an, sobald ein Staat einseitig oder im Wege eines Abkommens nicht nur die gebietsansässigen, sondern auch die gebietsfremden Steuerpflichtigen hinsichtlich der Dividenden, die sie von einer gebietsansässigen Gesellschaft beziehen, der Einkommensteuer unterwirft (Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
54Die Regionalregierung von Bizkaia sowie die spanische und die deutsche Regierung verweisen u. a. auf die Urteile vom , Futura Participations und Singer (C-250/95, EU:C:1997:239), vom , Centro Equestre da Lezíria Grande (C-345/04, EU:C:2007:96), und vom , Miljoen u. a. (C-10/14, C-14/14 et C-17/14, EU:C:2015:608), aus denen sie ableiten, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende mit dem Territorialitätsprinzip vereinbar sei und dass sich gebietsfremde Gesellschaften nicht in einer Situation befänden, die objektiv mit der von gebietsansässigen Gesellschaften vergleichbar sei.
55Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die aus diesen Urteilen hervorgegangene Rechtsprechung bereits im Rahmen des Verfahrens geltend gemacht worden war, in dem das Urteil vom , Sofina u. a. (C-575/17, ), ergangen ist. In diesem hat der Gerichtshof aber auf der Grundlage der in Rn. 53 des vorliegenden Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung festgestellt, dass objektiv vergleichbare Situationen vorlagen. Eine solche Beurteilung gilt auch für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situationen gebietsansässiger und gebietsfremder Gesellschaften.
56Mithin betrifft die Ungleichbehandlung, die sich aus der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung ergibt, objektiv vergleichbare Situationen.
Zum Rechtfertigungsgrund der Effizienz der Steuerbeitreibung
57Die Regionalregierung von Bizkaia macht geltend, dass eine sofort beitreibbare Steuerpflicht einer gebietsfremden Gesellschaft, die Dividenden beziehe, in einem angemessenen Verhältnis zum Ziel der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten stehe, da das Risiko der Nichtzahlung der Steuer durch diese Gesellschaft, die zudem nicht über eine Betriebsstätte verfüge, mit der Zeit zunehme, da es keine echte und dauerhafte Verbindung der Gesellschaft mit dem Land der Einkommensquelle gebe.
58Damit trägt die Regionalregierung von Bizkaia in Wirklichkeit vor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Beitreibung der Steuer zu gewährleisten.
59Nach gefestigter Rechtsprechung stellt die Notwendigkeit, eine effiziente Beitreibung der Steuer zu gewährleisten, ein legitimes Ziel dar, das eine Beschränkung der Grundfreiheiten rechtfertigen kann, vorausgesetzt, die Anwendung dieser Beschränkung ist geeignet, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und geht nicht über das hinaus, was hierfür erforderlich ist (Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 67 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
60Darüber hinaus hat der Gerichtshof entschieden, dass das Verfahren des Steuerabzugs an der Quelle ein legitimes und geeignetes Mittel darstellt, um die steuerliche Erfassung der Einkünfte einer außerhalb des Besteuerungsstaats ansässigen Person sicherzustellen (Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 68 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
61Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, die sich aus der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung ergibt, darin besteht, dass bei gebietsfremden Gesellschaften, die Verluste erleiden, anders als bei defizitären gebietsansässigen Gesellschaften, die in Bizkaia steuerpflichtig sind, weder die Quellensteuer erstattet noch gegebenenfalls die Besteuerung aufgeschoben wird (siehe Rn. 42 des vorliegenden Urteils).
62Würde auch gebietsfremden Gesellschaften eine solche Behandlung gewährt und zugleich zwangsläufig diese Beschränkung beseitigt, würde dies die Verwirklichung des Ziels der effizienten Beitreibung der Steuer, die diese Gesellschaften im Fall des Bezugs von Dividenden von einer in Bizkaia ansässigen Gesellschaft schulden, nicht in Frage stellen (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 70).
63Erstens stellt nämlich die Regelung für die Erstattung der Quellensteuer im Fall eines Verlusts ihrer Natur nach eine Abweichung vom Grundsatz der Besteuerung im Steuerjahr der Dividendenausschüttung dar, so dass sie nicht auf die Mehrzahl der Gesellschaften, die Dividenden beziehen, angewandt werden kann, sondern nur auf diejenigen, die Verluste erleiden (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 71).
64Zweitens ist hervorzuheben, dass die gebietsfremden Gesellschaften die relevanten Angaben liefern müssten, die den Steuerbehörden des Besteuerungsmitgliedstaats die Feststellung ermöglichen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Erstattung der Quellensteuer erfüllt sind (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 72).
65Drittens ist unter Berücksichtigung der Erwägungen des Gerichtshofs in den Rn. 74 bis 76 des Urteils vom , Sofina u. a. (C-575/17, ), festzustellen, dass die zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten bestehenden Mechanismen zur gegenseitigen Unterstützung ausreichen, um den Quellenmitgliedstaat in die Lage zu versetzen, die Richtigkeit der Angaben der gebietsfremden Gesellschaften, die eine Erstattung der Quellensteuer begehren, zu überprüfen (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 73).
66Würde der mit der Erstattung der Quellensteuer und dem etwaigen Aufschub der Besteuerung verbundene Vorteil auch gebietsfremden defizitären Gesellschaften gewährt, würde dies folglich zur Beseitigung jeder Beschränkung des freien Kapitalverkehrs führen, ohne dabei der Verwirklichung des Ziels entgegenzustehen, das mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung verfolgt wird (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 77).
67Unter diesen Umständen kann die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht mit der Effizienz der Steuerbeitreibung gerechtfertigt werden.
Zum Rechtfertigungsgrund der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Vermeidung der Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung
68Die deutsche Regierung macht geltend, dass das Königreich Spanien nach dem spanisch-britischen Abkommen zwar befugt sei, die von gebietsansässigen Gesellschaften an im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden zu besteuern, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der letztgenannten Gesellschaften im Übrigen aber der Besteuerungsbefugnis des Vereinigten Königreichs unterliege. Somit diene die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis, da die Verluste einer gebietsfremden Gesellschaft, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Dividenden stünden, die eine gebietsansässige Gesellschaft an sie ausgeschüttet habe, aus wirtschaftlichen Tätigkeiten stammten, die der Besteuerungshoheit ihres Ansässigkeitsstaats unterlägen, in dem diese Verluste zum Abzug gebracht werden könnten. Eine zusätzliche Berücksichtigung bei der Besteuerung der Dividenden in Spanien würde daher einen doppelten Verlustabzug bewirken, der der getroffenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse widerspräche.
69Auch die spanische Regierung ist der Ansicht, dass im vorliegenden Fall die Verluste von Credit Suisse Securities (Europe), wenn deren Antrag stattgegeben würde, mehrfach genutzt würden.
70Insoweit hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten ein legitimes Ziel darstellt und dass die Mitgliedstaaten in Ermangelung von Maßnahmen der Union zur Vereinheitlichung oder Harmonisierung befugt bleiben, die Kriterien für die Aufteilung ihrer Besteuerungsbefugnis vertraglich oder einseitig festzulegen (Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 56 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
71Eine solche Rechtfertigung kommt u. a. in Betracht, wenn mit der in Rede stehenden Regelung Verhaltensweisen verhindert werden sollen, die geeignet sind, das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Besteuerungszuständigkeit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu gefährden (Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 57 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
72Der Gerichtshof hat zudem entschieden, dass die Vermeidung einer doppelten Verlustberücksichtigung ein legitimes Ziel darstellt, das eine Beschränkung der Grundfreiheiten rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Bevola und Jens W. Trock, C-650/16, , Rn. 52 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
73Im vorliegenden Fall werden nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung die an eine gebietsfremde Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden mittels einer Quellensteuer zu einem Satz besteuert, der in einem Abkommen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung festgelegt ist, wobei die Quellensteuer nicht erstattet wird, wenn diese Gesellschaft ein Verlustjahr hat, während einer gebietsansässigen Gesellschaft in der gleichen Situation eine solche Erstattung und ein Aufschub der Besteuerung der bezogenen Dividenden gewährt wird.
74Allerdings kann sich zum einen ein Mitgliedstaat, wenn er sich dafür entschieden hat, in bestimmten Situationen gebietsansässige Gesellschaften nicht hinsichtlich Dividenden inländischer Herkunft zu besteuern, nicht auf die Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten berufen, um die Besteuerung gebietsfremder Gesellschaften mit solchen Einkünften zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Keva u. a., C-39/23, EU:C:2024:648, Rn. 73 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
75Zum anderen würde der etwaige Aufschub der Besteuerung der von einer defizitären gebietsfremden Gesellschaft bezogenen Dividenden nicht bedeuten, dass die steuerlich autonome historische Provinz Bizkaia auf ihr Recht zur Besteuerung in ihrem Hoheitsgebiet erzielter Einkünfte verzichten müsste. Die von einer gebietsansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden würden nämlich besteuert, sobald die gebietsfremde Gesellschaft in einem späteren Geschäftsjahr Gewinn erzielt, wie dies - vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht - bei einer gebietsansässigen Gesellschaft, die eine ähnliche Entwicklung durchläuft, der Fall ist (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 59).
76Außerdem kann der Verlust von Steuereinnahmen im Zusammenhang mit der Besteuerung der von gebietsfremden Gesellschaften bezogenen Dividenden im Fall eines Verlustjahrs nicht die unmittelbare und endgültige Besteuerung der von diesen Gesellschaften in einem solchen Fall bezogenen Dividenden rechtfertigen, während solche Verluste hingenommen werden, wenn in Bizkaia besteuerte gebietsansässige Gesellschaften betroffen sind (vgl. entsprechend Urteil vom , Sofina u. a., C-575/17, , Rn. 63).
77Zur Vermeidung der Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung ist hinzuzufügen, dass jedenfalls die gebietsfremden Gesellschaften die relevanten Angaben liefern müssen, die den Steuerbehörden des Besteuerungsmitgliedstaats die Feststellung ermöglichen, dass die Voraussetzungen für einen Steueraufschub erfüllt sind.
78Mithin lässt sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht mit der Notwendigkeit rechtfertigen, die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung zu vermeiden.
Zum Rechtfertigungsgrund der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems
79Die Regionalregierung von Bizkaia sowie die spanische und die deutsche Regierung tragen vor, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende der Wahrung der Kohärenz des nationalen Steuersystems diene, da die Nichtberücksichtigung von Verlusten, die eine gebietsfremde Gesellschaft außerhalb des Quellenmitgliedstaats erlitten habe, in diesem Mitgliedstaat einer spiegelbildlichen Logik folge und das Pendant zur Nichtbesteuerung der wirtschaftlichen Tätigkeiten sei, aus denen diese Verluste herrührten.
80Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Argument, das auf die Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren, gestützt wird, nur dann Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht (Urteil vom , Cofidis, C-340/22, , Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
81Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall die in Bizkaia der Körperschaftsteuer unterliegenden gebietsansässigen Gesellschaften, die sich in einer Verlustsituation befinden und denen die Quellensteuer auf bezogene Dividenden erstattet wird, nicht als Ausgleich für diese Erstattung einer bestimmten steuerlichen Belastung unterliegen. Selbst wenn die gebietsansässigen Gesellschaften verpflichtet wären, diese Dividenden zu 50 % in ihre Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer einzubeziehen, hätten sie in einer Verlustsituation zumindest einen Liquiditätsvorteil oder es würde ihnen sogar eine Steuerbefreiung gewährt, wenn sie ihre Geschäftstätigkeit einstellen, bevor wieder ein positives Ergebnis erzielt wird.
82Somit kann die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren.
83Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer in einem Mitgliedstaat geltenden Regelung entgegensteht, nach der auf Dividenden, die von einer in einem steuerlich autonomen Gebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Gesellschaft ausgeschüttet werden, eine Quellensteuer erhoben wird, die, wenn die Dividenden von einer gebietsansässigen Gesellschaft bezogen werden, die in diesem steuerlich autonomen Gebiet der Körperschaftsteuer unterliegt, als Vorauszahlung auf die Körperschaftsteuer gilt und vollständig erstattet wird, wenn diese Gesellschaft das betreffende Steuerjahr mit einem Verlust abschließt, während keine Erstattung vorgesehen ist, wenn die Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft in gleicher Situation bezogen werden.
Kosten
84Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer in einem Mitgliedstaat geltenden Regelung entgegensteht, nach der auf Dividenden, die von einer in einem steuerlich autonomen Gebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Gesellschaft ausgeschüttet werden, eine Quellensteuer erhoben wird, die, wenn die Dividenden von einer gebietsansässigen Gesellschaft bezogen werden, die in diesem steuerlich autonomen Gebiet der Körperschaftsteuer unterliegt, als Vorauszahlung auf die Körperschaftsteuer gilt und vollständig erstattet wird, wenn diese Gesellschaft das betreffende Steuerjahr mit einem Verlust abschließt, während keine Erstattung vorgesehen ist, wenn die Dividenden von einer gebietsfremden Gesellschaft in gleicher Situation bezogen werden.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2024:1048
Fundstelle(n):
WAAAJ-85067