Kostenlose Überlassung von hochwertigen Bekleidungsstücken durch den Arbeitgeber an Arbeitnehmer als Arbeitslohn
Leitsatz
Die kostenlose oder verbilligte Überlassung von qualitativ und preislich hochwertigen Bekleidungsstücken durch den Arbeitgeber an die Mitglieder seiner Geschäftsleitung stellt steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Der Entlohnungscharakter der Zuwendung kann nicht mit einem überwiegend eigenbetrieblichen Interesse widerlegt werden, weil das Tragen der vom Arbeitgeber hergestellten Kleidungsstücke neben Repräsentationszwecken auch der Werbung dienen würde.
Gesetze: EStG § 19 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug: (EFG 2002, 1040) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Streitig ist, ob ein geldwerter Vorteil gegeben ist, wenn ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern hochwertige Kleidungsstücke zur Verfügung stellt.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) vertreibt in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft hochwertige Bekleidungsartikel unter dem Markennamen „X”. Sie stellt den Mitgliedern der Geschäftsleitung und deren Ehefrauen jährlich ein bestimmtes Kontingent ihrer jeweils neuesten Bekleidungskollektion zur Verfügung. Die Überlassung der Kleidung ist durch eine sog. Kleiderordnung insbesondere zum betroffenen Personenkreis, zum Umfang der jeweils zustehenden Kontingente und zur Lohnsteuertragung näher geregelt. Die Präambel der Kleiderordnung lautet wie folgt:
„Die Mitglieder der Geschäftsleitung müssen X nach außen hin repräsentieren. Dabei geht es nicht um die Frage, dass X-Produkte getragen werden, sondern dass die neuesten X-Produkte gezeigt werden können. Deshalb soll eine Regelung getroffen werden, die dieser Anforderung Rechnung trägt.”
Die Klägerin versteuerte die ihren Arbeitnehmern im Rahmen der Kleiderordnung zur Verfügung gestellten Firmenprodukte auf der Grundlage des Händlereinkaufspreises als geldwerten Vorteil.
Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) die Auffassung, Bewertungsmaßstab für die Sachbezüge durch Kleidungsüberlassung sei § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG); es ging von dem um 4 v.H. geminderten Endpreis aus und ermittelte dementsprechend im angefochtenen Lohnsteuer-Haftungsbescheid die jeweils nachzuversteuernden Beträge.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1040 veröffentlichten Gründen statt und ließ die Revision zu.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
a) Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die „für” seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Diesem Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. In diesem Fall des „ganz überwiegend” eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Urteil vom VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30, mit Hinweis auf Senatsentscheidungen vom VI R 29/00, BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367; vom VI R 177/99, BFHE 195, 373, BStBl II 2001, 671; vom VI R 195/98 BFHE 192, 299 BStBl II 2000, 690).
Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse (, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726). Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber —neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers— ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung (, BFHE 159, 513, BStBl II 1990, 472). Entgegen der Auffassung des FG ist es daher nicht unerheblich, wenn sich der dem Arbeitnehmer zugewandte Vorteil als außergewöhnlich hoch erweist.
b) Danach stellt die verbilligte Überlassung von qualitativ und preislich hochwertigen Bekleidungsstücken —vom Arbeitgeber selbst als „Edelmarke” bezeichnet— steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Dem Rabattvorteil kann ein Entlohnungscharakter auch nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass durch das Tragen der Kleidung eine Werbewirkung verbunden sei und dadurch insbesondere auch die Glaubwürdigkeit der eigenen Marke gewährleistet werden solle (, BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687, unter 2. a bb der Gründe). Dieser Umstand tritt gegenüber den für die Entlohnung sprechenden Umständen, hochwertige und teuere Kleidung einer „Edelmarke” verbilligt erwerben und tragen zu können, in den Hintergrund.
c) Auch der Einwand der Klägerin, dass die Mitglieder der Geschäftsleitung durch die firmeneigene Kleiderordnung verpflichtet seien, die überlassene Kleidung zu tragen, ist im Ergebnis nicht geeignet, im Rahmen der Gesamtwürdigung ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin an der Kleidungsüberlassung zu begründen. Soweit damit auf den Gesichtspunkt der aufgedrängten Bereicherung verwiesen wird, weist der Senat darauf hin, dass in derartigen Fällen eine Lohnzuwendung nur ausgeschlossen sein kann, wenn das eigene Interesse des Arbeitnehmers an dem „aufgedrängten” Vorteil in den Hintergrund tritt (s. auch , BFHE 144, 435, BStBl II 1985, 718).
d) Die Vorentscheidung entspricht nicht den vorstehenden Grundsätzen; sie war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 691
BB 2006 S. 1616 Nr. 30
BFH/NV 2006 S. 1563 Nr. 8
BStBl II 2006 S. 691 Nr. 16
DB 2006 S. 1595 Nr. 30
DStRE 2006 S. 1052 Nr. 17
EStB 2006 S. 282 Nr. 8
FR 2006 S. 839 Nr. 18
GStB 2006 S. 34 Nr. 9
HFR 2006 S. 881 Nr. 9
INF 2006 S. 606 Nr. 16
KÖSDI 2006 S. 15190 Nr. 8
NJW 2006 S. 2512 Nr. 34
NWB-EN Nr. 785/2006 (Ausstellung der Lohnsteuerkarte 2007 )
NWB-Eilnachricht Nr. 41/2007 S. 3620
SJ 2006 S. 10 Nr. 16
StB 2006 S. 323 Nr. 9
StBW 2006 S. 5 Nr. 15
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2006 S. 602
WPg 2006 S. 1224 Nr. 19
UAAAB-89785