Kürzung des Vorwegabzugs bei Zahlung einer Abfindung für ein im Vorjahr beendetes Arbeitsverhältnis
Leitsatz
§ 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG ist dahin auszulegen, dass der Vorwegabzug zu kürzen ist, wenn der Arbeitslohn aus einem aktiven Beschäftigungsverhältnis stammt, in dessen Rahmen der Steuerpflichtige durch Ausgaben des Arbeitgebers für seine Zukunftssicherung i. S. des § 3 Nr. 62 EStG oder durch den Erwerb von Altersversorgungsansprüchen i. S. des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG begünstigt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitslohn nachträglich in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgezahlt wird, in dessen Verlauf derartige Ausgaben nicht mehr erbracht oder derartige Ansprüche und Anwartschaften nicht mehr erworben werden - hier: Zahlung einer nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegenden Abfindung wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses -.
Gesetze: EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2; EStG § 3 Nr. 62
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr (2000) als Eheleute zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger hatte bis zum Ende des Jahres 1999 als Arbeitnehmer der…Z-GmbH sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn bezogen. Nachdem dieses Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag zum aufgelöst worden war, war der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH tätig, ohne daraus im Streitjahr Einnahmen zu erzielen. Im Januar 2000 erhielt er von seiner früheren Arbeitgeberin eine in dem Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung in Höhe von ... DM ausgezahlt, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterlag. Die Klägerin erzielte im Streitjahr ausschließlich Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Die von den Klägern im Streitjahr als Vorsorgeaufwendungen geleisteten Versicherungsbeiträge berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) lediglich in Höhe von 7 830 DM als Sonderausgaben. Dabei kürzte es den Vorwegabzug der Kläger unter Berufung auf § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG; hier in der bis zum Veranlagungszeitraum 2004 geltenden Fassung —a.F.—) in voller Höhe. Den gegen die Steuerfestsetzung eingelegten Einspruch wies es zurück.
Die Klage, mit der die Kläger geltend machten, ihnen sei für das Streitjahr ein ungekürzter Vorwegabzug von 12 000 DM zu gewähren, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, dass die Entscheidung, ob ein im laufenden Veranlagungszeitraum bezogener Arbeitslohn den Vorwegabzug mindere, sich danach zu richten habe, ob dieser Arbeitslohn aus einem Arbeitsverhältnis stamme, in dem für den Steuerpflichtigen Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht worden seien oder aufgrund dessen er zu einem Personenkreis i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört habe. Ob gerade im Veranlagungszeitraum des Lohnzuflusses derartige Leistungen erbracht oder beitragsfreie Anwartschaften zur Altersversorgung erdient worden seien, sei unbeachtlich. Der im Streitjahr in Form einer Abfindung bezogene Arbeitslohn führe daher zur Kürzung des Vorwegabzugs. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1107 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die im Gesetz genannten Kürzungsvoraussetzungen müssten im jeweiligen Veranlagungszeitraum zumindest für einen Teil des Jahres tatsächlich gegeben sein. Dies sei bei ihnen nicht der Fall gewesen, weil die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers im gesamten Streitjahr keine Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG mehr erbracht habe. Seit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis habe der Kläger für seine Zukunftssicherung vielmehr selbst aufkommen müssen. Es sei daher nicht gerechtfertigt, ihm allein wegen der nachträglich gezahlten Abfindung den Vorwegabzug zu verweigern, obwohl sich seine sozialversicherungsrechtliche Stellung mangels weiterer Beitragszahlungen der ehemaligen Arbeitgeberin tatsächlich nicht verbessert habe.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung weiterer Sonderausgaben von 12 000 DM neu festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat den Vorwegabzug für das Streitjahr im Hinblick auf die dem Kläger zugeflossene Abfindungszahlung zu Recht gekürzt.
1. Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG a.F. steht zusammenveranlagten Ehegatten für sog. Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 EStG) als Höchstbetrag ein Vorwegabzug von 12 000 DM (im Streitjahr; später: 6 136 €) zu. Der Vorwegabzug ist gemäß Satz 2 Buchst. a dieser Vorschrift um 16 v.H. der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG —ohne Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG— zu kürzen, wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht werden oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zählt zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne dieser Regelung auch der Bezug einer sozialversicherungsfreien Entlassungsentschädigung (, BFHE 200, 544, BStBl II 2003, 343).
2. Der Streitfall wirft die Frage auf, ob der Vorwegabzug auch dann zu kürzen ist, wenn der vereinnahmte Arbeitslohn zwar einerseits einem aktiven Beschäftigungsverhältnis zuzurechnen ist, in dessen Verlauf die gesetzlichen Kürzungsvoraussetzungen vorgelegen haben, andererseits jedoch erst nach Beendigung der aktiven Tätigkeit in einem späteren Veranlagungszeitraum zur Auszahlung an den Steuerpflichtigen gelangt. Diese Frage ist durch die Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt worden.
a) Der erkennende Senat hat sich mit ihr in seinem Urteil vom X R 109/95 (BFH/NV 1998, 1466) nur insoweit befasst, als er für das Vorjahr nachgezahlten Arbeitslohn ungeachtet dessen in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs einbezogen hat, dass der Steuerpflichtige im gesamten streitigen Veranlagungszeitraum arbeitslos gewesen und dass für die Nachzahlung ein Sozialversicherungsbeitrag nicht einbehalten worden war. Ob die Einbeziehung der erzielten nachträglichen Einnahmen deshalb erfolgte, weil die gesetzlichen Kürzungsvoraussetzungen im Hinblick auf den Arbeitslohn des Vorjahres erfüllt waren, oder aber deshalb, weil im Streitjahr jedenfalls die mit dem damaligen Kläger zusammenveranlagte Ehefrau in den Genuss von Zukunftssicherungsleistungen ihres Arbeitgebers i.S. des § 3 Nr. 62 EStG gekommen war, hat der Senat dort (unter II.2. der Gründe, am Ende) nicht ausdrücklich entschieden.
b) Auch durch das Urteil des XI. Senats des (BFHE 204, 461, BStBl II 2004, 709) ist die Streitfrage nicht verbindlich beantwortet worden.
Gegenstand dieser Entscheidung war nur die Aussage, dass bei der Kürzung des zusammenveranlagten Ehegatten gemeinsam zustehenden Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen nur der Arbeitslohn desjenigen Ehegatten in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist, für den Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht worden sind oder der zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört.
c) Die zur Streitfrage bislang ergangenen finanzgerichtlichen Entscheidungen sind uneinheitlich (vgl. einerseits neben der Vorinstanz auch FG Köln —10. Senat—, Urteil vom 10 K 6314/04, EFG 2005, 1762; andererseits FG Köln —7. Senat—, Urteil vom 7 K 1265/03, EFG 2005, 1188, Az. des BFH: X R 19/05, sowie , EFG 2006, 125, Az. des BFH: X R 38/05).
3. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. dahin auszulegen, dass der Vorwegabzug zu kürzen ist, wenn der Arbeitslohn aus einem aktiven Beschäftigungsverhältnis stammt, in dessen Rahmen der Steuerpflichtige durch Ausgaben des Arbeitgebers für seine Zukunftssicherung i.S. des § 3 Nr. 62 EStG oder durch den Erwerb von Altersversorgungsansprüchen i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG begünstigt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitslohn nachträglich in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgezahlt wird, in dessen Verlauf derartige Ausgaben nicht mehr erbracht oder derartige Ansprüche und Anwartschaften nicht mehr erworben werden.
a) Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung ist in dieser Hinsicht nicht eindeutig.
Der Umstand, dass die nach dem Einleitungssatz zu § 10 Abs. 3 EStG a.F. „je Kalenderjahr” geltenden Höchstbeträge gemäß Nr. 2 Satz 2 Buchst. a dieser Vorschrift zu kürzen sind, wenn die dort genannten alternativen Voraussetzungen erfüllt sind, und dass das Gesetz diese Voraussetzungen in der Zeitform der Gegenwart umschreibt („erbracht werden”, „gehört”), könnte den Schluss zulassen, dass sich nach den Verhältnissen des jeweiligen Veranlagungszeitraums bestimmen soll, ob der darin von dem Steuerpflichtigen bezogene Arbeitslohn zu einer Kürzung des Vorwegabzugs führt oder nicht (vgl. insoweit auch Wüllenkemper, Anmerkung in EFG 2005, 1190). Dafür lässt sich zudem der Grundsatz des § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG anführen, dass die Grundlagen für die Festsetzung der Einkommensteuer jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln sind; dieses Prinzip behält seine den Tatbestand ergänzende Bedeutung auch dann, wenn in den Einzelnormen des Einkommensteuerrechts der ausdrückliche Jahresbezug fehlt (Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rdnr. H 40).
Denkbar ist aber auch, dass die verwendete Konjunktion „wenn” den für die Kürzung erforderlichen Zusammenhang verdeutlichen soll, der zwischen dem Arbeitsverhältnis, in dessen Rahmen die Lohnzahlung vereinnahmt worden ist, und der vorwegabzugschädlichen Begünstigung des Steuerpflichtigen (durch die in § 3 Nr. 62 EStG und in § 10c Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG näher umschriebenen Arbeitgeberleistungen und Versorgungsansprüche) bestehen muss (in diesem Sinne bereits , BFHE 205, 442, BStBl II 2004, 720, unter II.1. der Gründe). Der im Präsens (Gegenwartsform) gehaltene Wortlaut des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a Halbsatz 2 EStG a.F. kann dann auch dahin gehend verstanden werden, dass die dort in Bezug genommenen Leistungen und Ansprüche vom Arbeitgeber im Rahmen des konkreten Beschäftigungsverhältnisses erbracht oder eingeräumt werden müssen und aufgrund dieser Verpflichtung auch tatsächlich —zu irgendeinem Zeitpunkt— erbracht oder eingeräumt werden (in diesem Sinne auch , BFHE 205, 419, BStBl II 2004, 650, unter II.2.d der Gründe).
b) Auch den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die mit dem Streitfall aufgeworfene Frage gesehen und bewusst in einer bestimmten Weise hätte beantwortet wissen wollen.
aa) Der Vorwegabzug ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers seit seiner erstmaligen Einführung durch das Steueränderungsgesetz 1961 vom (BGBl I 1961, 981, BStBl I 1961, 444) dazu bestimmt, solchen Steuerpflichtigen, die die Kosten ihrer Zukunftssicherung allein aufbringen müssen, einen annähernden Ausgleich dafür zu schaffen, dass bei Arbeitnehmern der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge zur Zukunftssicherung übernimmt und dass dieser sog. Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Sozialversicherung steuerfrei bleibt (vgl. BTDrucks 3/2573, S. 17, S. 21; BTDrucks 8/292, S. 21). Zur Verwirklichung dieses Zwecks wird der Vorwegabzug zunächst zwar allen Steuerpflichtigen in voller Höhe gewährt; anschließend erfolgt in einem zweiten Schritt jedoch eine Kürzung des Vorwegabzugs bei dem Personenkreis, der nach der Wertung des Gesetzgebers einer solchen Begünstigung ganz oder teilweise nicht bedarf (, BFHE 200, 540, BStBl II 2003, 183, m.w.N.).
bb) Die Umschreibung des von der Kürzung betroffenen Personenkreises sowie den Umfang der Kürzung hatte der Gesetzgeber in der Vergangenheit wiederholt geändert.
So wurde bei Arbeitnehmern der Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 1989 geltenden Fassung zunächst um den vom Arbeitgeber tatsächlich geleisteten gesetzlichen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie um vergleichbare Zuschüsse gekürzt; bei Steuerpflichtigen, die einem Personenkreis angehörten, der im Wesentlichen demjenigen des heutigen § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG vergleichbar war, verminderte sich der Vorwegabzug um einen bestimmten Vomhundertsatz der Einnahmen aus der Beschäftigung oder Tätigkeit.
Zum Zwecke der Vereinfachung für den Steuerpflichtigen und für die Finanzverwaltung hat der Gesetzgeber diese Kürzung im Zuge des Steuerreformgesetzes 1990 (StRG 1990) vom (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) in ein pauschaliertes Verfahren umgewandelt, in dem sich der Kürzungsbetrag wegen Entlastung bei der Alters- und Krankenversorgung von einer einheitlichen Bemessungsgrundlage mit unterschiedlichen Vomhundertsätzen errechnete. Maßgeblich war seither nicht mehr die Entlastung im konkreten Einzelfall. Die Höhe des Vomhundertsatzes hing vom jeweiligen Altersversorgungs- und Krankenversicherungssystem ab (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 144 f.). Bemessungsgrundlage für alle Kürzungstatbestände war nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des StRG 1990 der Arbeitslohn aus der Beschäftigung, mit der die Alters- oder Krankenversorgung zusammenhing.
Da der Gesetzgeber feststellen musste, dass durch die Neuregelung der erhoffte Vereinfachungszweck unter Berücksichtigung der Belange der Automation der Finanzverwaltung nicht eingetreten war, hat er die Kürzungsregelung durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) erneut geändert und damit in die hier auslegungsbedürftige Fassung überführt. Ziel der Änderung war es, die Kürzung des Sonderausgaben-Vorwegabzugs durch eine pauschalierende und typisierende Regelung grundlegend zu vereinfachen und den Kürzungssatz einheitlich auf 16 v.H. festzulegen (BTDrucks 12/5630, S. 57 f.; BTDrucks 12/5764, S. 18 f.). Dabei gingen zunächst sowohl der Gesetzentwurf der damaligen Koalitionsfraktionen (BTDrucks 12/5630, S. 8) als auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 12/5764, S. 7) von folgendem Wortlaut des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG aus:
„Diese Beträge sind um 16 vom Hundert der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19, ausgenommen solcher nach § 19 Abs. 2 Satz 2, und aus Mandatsausübung nach § 22 Nr. 4 zu kürzen.”
Die in der endgültigen Fassung eingefügte Einschränkung:
„wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen im Sinne des § 3 Nr. 62 erbracht werden oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 gehört”,
beruhte auf einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses. Mit ihr war die Absicht verfolgt worden, Steuerpflichtige von der Kürzung des Vorwegabzugs auszunehmen, „denen Anwartschaftsrechte auf Altersversorgung ohne eigene Beitragsleistung nicht zustehen” (BTDrucks 12/6078, S. 121). Ob die an eine fehlende arbeitgeberfinanzierte Begünstigung gebundene Ausnahme sich auf deren Nichtvorliegen innerhalb des jeweiligen Veranlagungszeitraums oder aber auf deren Nichtbestehen innerhalb des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses beziehen sollte, ergibt sich aus dieser Begründung indessen nicht.
c) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. unter Berücksichtigung der dargelegten Gesetzesentwicklung wie auch des in der streitigen Norm zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willens zur pauschalierenden Handhabung der Kürzungsvorschriften sowie im Einklang mit der dazu bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung in dem Sinne zu verstehen, dass es entscheidend auf das Beschäftigungsverhältnis ankommt. Dafür spricht zudem die Erwägung, dass anderenfalls die Kürzung des Vorwegabzugs aufgrund von nach Beendigung der aktiven Tätigkeit gezahltem Arbeitslohn von bloßen Zufälligkeiten abhängen würde.
aa) Die Gesetzesbegründung verdeutlicht, dass der Gesetzgeber des StMBG die Anwendung der Kürzungsregelung pauschal vor allem davon abhängig machen wollte, ob der Steuerpflichtige Einnahmen aus einem aktiven nichtselbständigen Beschäftigungsverhältnis bezogen hat und ob ihm im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses besondere Vorteile in Gestalt arbeitgeberfinanzierter Ansprüche auf Altersversorgung oder auf Zukunftssicherung zugute gekommen sind, die einen Ausschluss von der mit einem ungekürzten Vorwegabzug verbundenen Begünstigung rechtfertigen. Entgegen der früher geltenden Rechtslage sollte es künftig nicht mehr maßgebend sein, ob auch die im jeweiligen Veranlagungszeitraum bezogenen Einnahmen aus einem solchen Beschäftigungsverhältnis mit im gleichen Jahr erworbenen Ansprüchen oder Leistungen verbunden sind.
Eine derartige Verknüpfung war jedenfalls in den ursprünglichen Entwurfsfassungen des StMBG nicht vorgesehen; nach der dort gebrauchten Formulierung hätte sich die Kürzungsregelung auf sämtliche nicht als Versorgungsbezüge einzustufenden Arbeitslohnzahlungen und damit offenkundig auch auf die hier streitige Fallgestaltung der nachträglichen Zahlung erstreckt. Zwar ist es dabei im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht geblieben. Die auf Vorschlag des Finanzausschusses eingefügte Ausnahme für solche Arbeitnehmer, die keinen Anspruch auf derartige Leistungen des Arbeitgebers erwerben können, lässt aber keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass mit ihr insgesamt zu der vor 1990 geltenden Regelung zurückgekehrt und die Kürzung von der Entlastungswirkung der im gleichen Kalenderjahr erbrachten Arbeitgeberleistungen im konkreten Einzelfall abhängig gemacht werden sollte.
Es entspricht vielmehr der Absicht des Gesetzgebers, aus dem Umstand, dass überhaupt Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht oder Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ohne eigene Beitragsleistung erworben werden, im Wege einer generalisierenden Regelung darauf zu schließen, dass ein weiterer Vorwegabzug nicht geboten ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 200, 544, BStBl II 2003, 343, und in BFHE 200, 540, BStBl II 2003, 183). Dieser pauschalierende Gedanke greift auch in Fällen, in denen zeitlich nach Beendigung des mit der Gewährung vorwegabzugschädlicher Vorteile verbundenen Arbeitsverhältnisses Arbeitslohn ausgezahlt wird, der mit der früheren aktiven Tätigkeit in wirtschaftlichem Zusammenhang steht.
bb) Für diese Auslegung spricht zudem, dass sie die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. (BFH-Urteile in BFHE 204, 461, BStBl II 2004, 709, und in BFH/NV 1998, 1466) sachgerecht fortentwickelt.
So hat der BFH —ohne diesen Grundsatz ausdrücklich als solchen herauszustellen— bereits entschieden, dass für die Anwendung der Kürzungsregelung nicht die in der Person des Steuerpflichtigen verwirklichten Merkmale, sondern der Charakter des Beschäftigungsverhältnisses entscheidend ist, auf dessen Grundlage der Steuerpflichtige den streitgegenständlichen Arbeitslohn erzielt. Denn nach dem BFH-Urteil in BFHE 205, 442, BStBl II 2004, 720 sind in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung nur die Einnahmen aus solchen Beschäftigungsverhältnissen einzubeziehen, in deren Zusammenhang entweder der Arbeitgeber Aufwendungen für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbringt oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG zählt. Aus dem BFH-Urteil in BFHE 200, 540, BStBl II 2003, 183 ergibt sich zudem, dass die Höhe der vom Arbeitgeber innerhalb eines solchen Beschäftigungsverhältnisses erbrachten Zukunftssicherungsleistungen für den Umfang der Kürzung ohne Bedeutung ist. Werden anlässlich der laufenden Gehaltszahlungen Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung gezahlt, gehört zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, um die der Vorwegabzug zu kürzen ist, auch eine vom Arbeitgeber gezahlte Entlassungsentschädigung, für die kein Arbeitgeberbeitrag zu leisten ist (BFH-Urteil in BFHE 200, 544, BStBl II 2003, 343).
Mit seinem Urteil in BFHE 205, 419, BStBl II 2004, 650 (unter II.2.d der Gründe) hat der BFH ferner beiläufig entschieden, dass es für die Vornahme der Kürzung nicht darauf ankommt, dass die den Vorwegabzug ausschließenden Arbeitgeberleistungen noch im gleichen Veranlagungszeitraum wie die in die Bemessungsgrundlage einfließenden Lohnzahlungen erbracht worden sind. Erfüllt der Arbeitgeber nämlich seine Pflicht zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nicht, so ist der Steuerpflichtige zwar zunächst zur Inanspruchnahme des ungekürzten Vorwegabzugs berechtigt; erbringt der Arbeitgeber die geschuldeten Zukunftssicherungsleistungen für diesen Zeitraum im Nachhinein aber doch, so ist der Vorwegabzug für den zurückliegenden Veranlagungszeitraum rückwirkend durch Vornahme einer entsprechenden Kürzung zu korrigieren.
cc) Für diese Auslegung spricht schließlich auch, dass es anderenfalls in den von der Streitfrage betroffenen Fällen allein vom Zeitpunkt der Zahlung und damit unter Umständen von bloßen Zufälligkeiten abhinge, ob sich die Einnahme auf die Höhe des Vorwegabzugs auswirkt oder nicht. Erfolgte die Auszahlung noch im gleichen Kalenderjahr, in dem der Steuerpflichtige letztmals laufenden Arbeitslohn bezogen hat, würde die Bemessungsgrundlage für die Kürzung dadurch in voller Höhe verbreitert, während es beim ungeminderten Vorwegabzug zu bleiben hätte, wenn die (Nach-)Zahlung erst im folgenden Veranlagungszeitraum zufließt. Eine solche Unterscheidung wäre im Hinblick darauf, dass bereits die Zahlung als solche —unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Vornahme— in Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis steht, dessentwegen der Steuerpflichtige aufgrund erbrachter Arbeitgeberleistungen zur Zukunftssicherung oder aufgrund vom Arbeitgeber erworbener Anwartschaften auf Altersversorgung gegenüber Selbständigen bereits begünstigt ist, nicht sachgerecht.
d) Entgegen der Auffassung des FG Baden-Württemberg (Urteil in EFG 2006, 125, 126 f.) steht diese Auslegung nicht im Widerspruch zu dem in den Entscheidungen des BFH in BFHE 204, 461, BStBl II 2004, 709 und in BFHE 205, 442, BStBl II 2004, 720 herangezogenen Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.
Zutreffend ist zwar, dass die systematische Unterscheidung der Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 EStG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), der sich der BFH angeschlossen hat, eine Ungleichbehandlung in den (steuerlichen) Rechtsfolgen nicht rechtfertigen kann (, BVerfGE 99, 88, Finanz-Rundschau 1998, 1028, unter B.I.2.). Unrichtig ist indessen die These des FG Baden-Württemberg, der Steuerpflichtige werde durch die genannte Auslegung allein deshalb schlechter gestellt, weil seine nicht sozialversicherungspflichtigen Einnahmen der Einkunftsart der nichtselbständigen Arbeit zugeordnet seien. Dass der Steuerpflichtige aufgrund der empfangenen (Nach-)Zahlung eine Kürzung des Vorwegabzugs hinnehmen muss, die er vermieden hätte, wenn er statt der (Nach-)Zahlung eine einer anderen Einkunftsart zuzurechnende Einnahme hätte verbuchen können, hat seinen Grund nicht in der Zuordnung zu der Einkunftsart der „nichtselbständigen Arbeit” an sich. Die Unterscheidung beruht vielmehr auf dem Umstand, dass der Steuerpflichtige wegen der nur bei dieser Einkunftsart (und in ähnlicher Form bei den ebenfalls von der Kürzungsregelung betroffenen Abgeordnetenbezügen i.S. des § 22 Nr. 4 EStG) zu erbringenden Arbeitgeberleistungen eines ungekürzten Vorwegabzugs nicht bedarf. Diese Überlegung gilt auch dann, wenn diese Arbeitgeberleistungen oder die vergleichbaren Ansprüche auf Altersversorgung nur im Rahmen eines aktiven Beschäftigungsverhältnisses in der Vergangenheit erbracht oder eingeräumt worden sind und die spätere (Nach-)Zahlung in wirtschaftlicher Hinsicht gerade im Rahmen dieses aktiven Beschäftigungsverhältnisses erdient worden ist.
4. Die Entscheidung des FG entspricht diesen Grundsätzen. Die vom Kläger vereinnahmte Abfindungszahlung beruhte auf dem aufgelösten Arbeitsverhältnis mit der…Z-GmbH, innerhalb dessen für den Kläger Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht worden waren. Der gemeinsame Vorwegabzug der Kläger war daher, wie geschehen, um 16 v.H. des Abfindungsbetrags zu kürzen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 34 Nr. 1
EStB 2007 S. 12 Nr. 1
HFR 2007 S. 326 Nr. 4
KÖSDI 2007 S. 15423 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2007 S. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 9/2008 S. 751
RAAAC-25513