Oberste Finanzbehörden der Länder - S 4514 BStBl 2012 I S. 662

Grunderwerbsteuer; Anwendung des § 6a GrEStG

Bezug:

Bezug: (vgl. BStBl 2010 I S. 1321) (vgl. BStBl 2011 I S. 673)

1. Allgemeines

Unter der Überschrift „Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern“ gibt die Vorschrift eine eigenständige Beschreibung für die an einem begünstigungsfähigen Erwerbsvorgang beteiligten Rechtsträger. Der Kreis der an einem nach § 6a GrEStG begünstigungsfähigen Erwerbsvorgang beteiligten Rechtsträger ist beschränkt auf das eine über den gesamten Verbund herrschende Unternehmen und/oder von diesem abhängige Gesellschaften. Die beteiligten Rechtsträger verlieren ihre Eigenschaft, Rechtsträger zu sein, durch ihre Einbindung in den beschriebenen Verbund nicht. Dem Verbund selbst kommt keine Rechtsträgereigenschaft zu.

Die Steuervergünstigung ist nicht grundstücksbezogen. Daher sind Änderungen in der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Grundstücke in den Vor- und Nachbehaltensfristen (Tz. 4 und 5) unbeachtlich.

2. Beteiligte

2.1 Grundsatz

Die durch einen Umwandlungsvorgang begünstigungsfähigen Erwerbsvorgänge (Tz. 3) setzen voraus, dass an diesem Umwandlungsvorgang ausschließlich entweder das herrschende Unternehmen und eine oder mehrere von diesem abhängige Gesellschaft(en) oder mehrere von dem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Unerheblich ist, ob sich der Sitz der beteiligten Gesellschaften im Inland oder Ausland befindet.

Der für den jeweiligen Umwandlungsvorgang zu bestimmende Verbund besteht aus dem herrschenden Unternehmen und der oder den am Umwandlungsvorgang beteiligten abhängigen Gesellschaft(en) sowie den dieses Beteiligungsverhältnis vermittelnden abhängigen Gesellschaften.

Der Umwandlungsvorgang, durch den der Verbund begründet oder beendet wird, ist nicht begünstigt. Wird ein Verbund durch Ausgliederung oder Abspaltung zur Neugründung aus einem herrschenden Unternehmen begründet, liegt kein begünstigungsfähiger Vorgang vor (vgl. Beispiel 1 zu Tz. 4). Spiegelbildlich liegt kein begünstigungsfähiger Vorgang vor, wenn die letzte am Umwandlungsvorgang beteiligte abhängige Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen verschmolzen wird.

Beispiel 1:

Die Verschmelzung der T2-GmbH auf die M-GmbH ist nicht nach § 6a GrEStG begünstigt, da der Verbund hierdurch erlischt. Auf die Beendigung dieses Verbundes hat die T1-GmbH keinen Einfluss. Die T1-GmbH ist weder am Umwandlungsvorgang beteiligt noch hat sie die Beteiligung der M-GmbH an der T2-GmbH als abhängige Gesellschaft vermittelt.

Beispiel 2:

Die Verschmelzung der T2-GmbH auf die M-GmbH ist nicht nach § 6a GrEStG begünstigt, da der Verbund hierdurch erlischt. Unerheblich ist, dass die E1-GmbH und die U1-GmbH ebenfalls Grundstücke besitzen, da die beiden Gesellschaften in Bezug auf diesen Umwandlungsvorgang nicht zum Verbund gehören. Die aus der Verschmelzung der T2-GmbH auf die M-GmbH resultierende Verkürzung der Beteiligungskette in Bezug auf die E1-GmbH und die U1-GmbH ist nicht steuerbar.

Auf die Beendigung des Verbundes hat die T1-GmbH keinen Einfluss. Die T1-GmbH ist weder am Umwandlungsvorgang beteiligt noch hat sie die Beteiligung der M-GmbH an der T2-GmbH als abhängige Gesellschaft vermittelt.

2.2 Herrschendes Unternehmen

Das herrschende Unternehmen der abhängigen Gesellschaften kann eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesellschaft sein. Das herrschende Unternehmen muss selbst Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn sein. Unternehmer ist hiernach, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt und nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig wird. Grunderwerbsteuerrechtlich verlieren Organgesellschaften ihre Rechtsträgereigenschaft durch das umsatzsteuerrechtliche Organschaftsverhältnis nicht. Daher können sie ungeachtet ihrer umsatzsteuerrechtlichen Unselbständigkeit herrschende Unternehmen i. S. des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG sein. Die Grundsätze der Anteilsvereinigung im Organkreis (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG) gelten nicht.

Auch eine Gebietskörperschaft kann das herrschende Unternehmen sein, soweit die Beteiligungen an den abhängigen Gesellschaften dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen sind. Bei natürlichen Personen dürfen die Anteile an der Gesellschaft nicht im Privatvermögen gehalten werden. Das herrschende Unternehmen darf keine reine Finanzholdinggesellschaft sein.

Das im Zeitpunkt der Verwirklichung des Umwandlungsvorgangs herrschende Unternehmen hat sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen (Mindestbeteiligungsquote, Unternehmereigenschaft) innerhalb der Vor- und Nachbehaltensfristen ununterbrochen einzuhalten. Bei Gesamtrechtsnachfolge einer natürlichen Person hat der Gesamtrechtsnachfolger die Fristen einzuhalten.

Das herrschende Unternehmen i. S. des § 6a GrEStG ist der oberste Rechtsträger, der die Voraussetzungen des § 6a Satz 4 GrEStG erfüllt und Unternehmer im oben genannten Sinne ist. Zur Bestimmung des herrschenden Unternehmens ist wie folgt vorzugehen:

  1. Zunächst ist von unten nach oben der oberste Rechtsträger zu bestimmen, der ausgehend von den am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften die Mindestbeteiligungshöhe an diesen erfüllt.

  2. Beginnend bei dem so ermittelten Rechtsträger ist nach unten zu prüfen, welcher Rechtsträger als oberster die Unternehmereigenschaft im oben genannten Sinne erfüllt.

  3. Erfüllt der so ermittelte Rechtsträger die Vorbehaltensfrist (Unternehmereigenschaft und Mindestbeteiligungshöhe hinsichtlich der am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften), ist dieser das herrschende Unternehmen. Andernfalls ist die Prüfung nach unten solange fortzusetzen, bis das herrschende Unternehmen gefunden ist.

Soweit kein Rechtsträger die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt, ist eine Anwendung des § 6a GrEStG mangels Verbund ausgeschlossen.

Beispiel 1:

Die nachstehende Struktur besteht seit mehr als fünf Jahren. Die X-GmbH wurde durch einen Umwandlungsvorgang vor zwei Jahren zwischen die U-GmbH und den an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften (Y-GmbH und Z-GmbH) geschoben.

Zur Bestimmung des herrschenden Unternehmens in der vorstehenden Struktur ist zu prüfen, bis zu welcher Stufe im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs die Mindestbeteiligungshöhe erreicht ist. Danach kommt zunächst die E-GmbH als herrschendes Unternehmen in Betracht. Die T-GmbH scheidet als herrschendes Unternehmen aus, da sie an den am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften nicht in der Mindestbeteiligungshöhe von 95 vom Hundert beteiligt ist. Eine weitere Prüfung nach oben entfällt, weil die Beteiligungskette hier unterbrochen wird.

Jedoch erfüllt die E-GmbH nicht die Unternehmereigenschaft und scheidet aus diesem Grund als herrschendes Unternehmen aus. Danach ist die U-GmbH der oberste Rechtsträger, der die Unternehmereigenschaft erfüllt und daher als herrschendes Unternehmen in Betracht kommt.

Bei der Prüfung der Vorbehaltensfrist ist entscheidend, dass die Beteiligung der U-GmbH in Bezug auf die am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften gegeben ist. Es ist unerheblich, dass sich die Beteiligung durch den Einschub der X-GmbH vor zwei Jahren von einer unmittelbaren zu einer mittelbaren abgeschwächt hat.

Ergebnis: Die U-GmbH ist das herrschende Unternehmen.

Beispiel 2:

Nachfolgend dargestellte Struktur besteht seit mehr als fünf Jahren. Die M-GmbH ist eine reine Finanzholdinggesellschaft. Alle anderen Gesellschaften sind Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn.

Die U1-GmbH wird auf die U2-GmbH und die U3-GmbH wird auf die U4-GmbH verschmolzen.

Beide Verschmelzungen unterliegen der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG).

Bei der Verschmelzung der U1-GmbH auf die U2-GmbH ist herrschendes Unternehmen die E1-GmbH, da sie der oberste Rechtsträger ist, der die Voraussetzungen des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG (Mindestbeteiligungshöhe und Vorbehaltensfrist) erfüllt. Sie ist Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn. § 6a GrEStG ist zu gewähren.

Bei der Verschmelzung der U3-GmbH auf die U4-GmbH ist herrschendes Unternehmen die T2-GmbH, da sie der oberste Rechtsträger ist, der die Voraussetzungen des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG erfüllt. Sie ist Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn. § 6a GrEStG ist zu gewähren.

Die M-GmbH ist nicht Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn.

2.3 Abhängige Gesellschaften

Abhängige Gesellschaften können sowohl Kapitalgesellschaften als auch Personengesellschaften sein. Abhängig ist eine Gesellschaft, wenn während eines Zeitraums von jeweils fünf Jahren vor und nach dem Rechtsvorgang eine Mindesthöhe von 95 vom Hundert der unmittelbaren, mittelbaren oder teils unmittelbaren, teils mittelbaren Beteiligung des herrschenden Unternehmens an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen ununterbrochen besteht.

Abzustellen ist für die Berechnung der Fünfjahres-Zeiträume auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs. Bei Umwandlungsvorgängen ist der Erwerbsvorgang mit der Eintragung im Register verwirklicht. Für entsprechende Umwandlungen aufgrund des Rechts eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, ist regelmäßig die den Vermögensübergang bewirkende Eintragung in die nach den Rechtsvorschriften des jeweiligen Staates zuständigen Register maßgebend.

2.4 Beteiligung

Das herrschende Unternehmen muss am Kapital oder Gesellschaftsvermögen der abhängigen Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 95 vom Hundert beteiligt sein. Eine mittelbare Beteiligung am Kapital oder Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft in Höhe von mindestens 95 vom Hundert liegt dann vor, wenn auf jeder Stufe mindestens eine kapital- oder vermögensmäßige Beteiligung in dieser Höhe besteht.

3. Begünstigungsfähige Erwerbsvorgänge

Die Begünstigung erfasst die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2a Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG aufgrund einer Umwandlung verwirklichten steuerbaren Erwerbsvorgänge sowie die aufgrund einer derartigen Umwandlung übergehende Verwertungsbefugnis im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG.

Die Begünstigung nach § 6a GrEStG ist in den Fällen des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG insoweit anteilig zu gewähren, als durch die Umwandlung § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG erfüllt wird oder die Umwandlung innerhalb der vorangehenden Fünfjahresfrist zur Erfüllung des Tatbestands beiträgt. Die Begünstigung ist hierbei auf die vermögensmäßige Beteiligung des übertragenden Rechtsträgers an der Personengesellschaft begrenzt. Nicht erforderlich ist, dass die grundbesitzende Personengesellschaft selbst zum Verbund gehört.

Anders als der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG sind die Tatbestände des § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG nicht zeitraumbezogen.

§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist in dem Zeitpunkt verwirklicht, in dem sich 95 vom Hundert der Anteile in der Hand des Erwerbers vereinigen. Ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG durch einen begünstigten Umwandlungsvorgang erfüllt, dann wird die Steuer nach § 6a GrEStG in vollem Umfang nicht erhoben. Unerheblich ist, wann und wodurch der Erwerber die ihm bereits zustehenden Anteile erworben hat.

§ 6a GrEStG umfasst nicht die durch einen Umwandlungsvorgang nach § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer für den nach § 5 Abs. 1 oder 2 oder nach § 6 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 GrEStG begünstigten Erwerb eines Grundstücks durch eine Gesamthand. Denn diese Missbrauchsverhinderungsvorschriften betreffen keinen nach § 6a GrEStG begünstigungsfähigen steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG, sondern einen dieser Umwandlung vorausgegangenen selbständigen Rechtsvorgang.

3.1 Umwandlungsvorgänge nach UmwG

Begünstigt sind Umwandlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG:

Die formwechselnde Umwandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwG) ist nicht begünstigt.

Darüber hinaus sind Umwandlungen im Sinne des § 1 Abs. 2 UmwG begünstigt, wenn sie durch ein anderes Bundesgesetz oder ein Landesgesetz ausdrücklich vorgesehen sind.

3.2 Weitere Umwandlungsvorgänge

Die Begünstigung erfasst auch Umwandlungen im Sinne des Art. 17 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a VO (EG) 2157/2001 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 78/855/EWG und § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG entsprechende Umwandlungen aufgrund des Rechts eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.

Eine Umwandlung nach dem Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staats, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, gilt als entsprechende Umwandlung im Sinne des § 6a Satz 2 GrEStG, wenn die Regelung inhaltlich den Umwandlungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG entspricht:

  • Eine entsprechende Verschmelzung liegt vor, wenn im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Anteile an die Anteilsinhaber des oder der übertragenden Rechtsträger gewährt werden.

  • Eine entsprechende Aufspaltung oder Abspaltung liegt vor, wenn im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge Anteile der übernehmenden Rechtsträger an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gewährt werden.

  • Eine entsprechende Ausgliederung liegt vor, wenn im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge Teile des Vermögens eines Rechtsträgers als Gesamtheit auf übernehmende Rechtsträger übertragen und Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger gewährt werden.

4. Vorbehaltensfrist

Die Mindestbeteiligung des herrschenden Unternehmens (vgl. Tz. 2.2) von 95 vom Hundert an der am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaft bzw. an den am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften muss bereits fünf Jahre vor dem Umwandlungsvorgang ununterbrochen bestanden haben. Stichtag für die Berechnung der fünfjährigen Vorbehaltensfrist ist die Eintragung der Umwandlung im Register (vgl. Tz. 2.3).

Gesellschaften, die vor weniger als fünf Jahren vor der zu begünstigenden oder durch die zu begünstigende Umwandlung entstanden sind, können keine abhängigen Gesellschaften sein. Davon ausgenommen sind sog. „verbundgeborene” Gesellschaften, die durch einen Umwandlungsvorgang ausschließlich aus einer oder mehreren Gesellschaften entstanden sind, die spätestens im Zeitpunkt des zu beurteilenden Erwerbsvorgangs abhängige Gesellschaft ist bzw. abhängige Gesellschaften sind. Im Ergebnis werden somit die Behaltenszeiten im Verbund zusammengerechnet.

Beispiel:

Jahr 01:

Die M-GmbH, die seit mindestens fünf Jahren unternehmerisch tätig ist, überträgt im Wege der Ausgliederung zur Neugründung einen Teilbetrieb mit Grundbesitz auf die T-GmbH.

Die Ausgliederung unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 6a GrEStG ist nicht anwendbar, da durch die Ausgliederung erstmalig ein Verbund entsteht (vgl. Tz. 2.1). Die Vorbehaltensfrist ist nicht erfüllt.

Jahr 03:

Die T-GmbH überträgt im Wege der Ausgliederung zur Neugründung einen Teilbetrieb mit Grundbesitz auf die E-GmbH.

Die Ausgliederung unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 6a GrEStG ist nicht anwendbar. Sowohl die T-GmbH als auch der Verbund bestehen erst seit zwei Jahren. Die Vorbehaltensfristen sind daher nicht erfüllt. Die T-GmbH und die E-GmbH sind im Zeitpunkt der Ausgliederung noch keine abhängigen Gesellschaften.

Jahr 05:

Die E-GmbH überträgt im Wege der Ausgliederung zur Neugründung einen Teilbetrieb mit Grundbesitz auf die U-GmbH.

Die Ausgliederung unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 6a GrEStG ist nicht anwendbar. Die E-GmbH besteht erst seit zwei Jahren. Selbst mit Zusammenrechnung der Behaltenszeit der T-GmbH wird die Vorbehaltensfrist nicht erfüllt, da der Verbund erst seit vier Jahren besteht. Die T-GmbH, die E-GmbH und die U-GmbH sind im Zeitpunkt der Ausgliederung im Jahre 05 noch keine abhängigen Gesellschaften.

Jahr 06:

Die U-GmbH überträgt im Wege der Ausgliederung zur Neugründung einen Teilbetrieb mit Grundbesitz auf die Z-GmbH.

Die Ausgliederung unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 6a GrEStG ist anwendbar. Die U-GmbH besteht seit einem Jahr und erfüllt daher nicht in eigener Person die Vorbehaltensfrist. Sie ist aufgrund der Ausgliederung aus der E-GmbH eine sog. „verbundgeborene“ Gesellschaft, so dass ihr die Behaltenszeit der E-GmbH zuzurechnen ist. Diese ist wiederum eine sog. „verbundgeborene“ Gesellschaft, so dass hier außerdem noch die Behaltenszeit der T-GmbH zugerechnet werden muss. Zusammengerechnet (U-GmbH ein Jahr, E-GmbH zwei Jahre und T-GmbH zwei Jahre) ist somit die Vorbehaltensfrist erfüllt. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des zu beurteilenden Rechtsvorgangs ist die U-GmbH, aus der die Z-GmbH entstanden ist, eine abhängige Gesellschaft.

Unschädlich ist der Formwechsel, wenn die kapital- oder vermögensmäßige Beteiligung von mindestens 95 vom Hundert bestehen bleibt.

Jede Veränderung der Art der Beteiligung (z. B. vollständige oder teilweise Verkürzung oder Verlängerung der Beteiligungskette) ist unbeachtlich. Voraussetzung ist, dass die erforderliche Mindestbeteiligung des im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs durch Umwandlung bestimmten herrschenden Unternehmens von 95 vom Hundert erhalten bleibt.

5. Nachbehaltensfrist

Die Einhaltung der Nachbehaltensfrist setzt grundsätzlich voraus, dass der Verbund nach der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs durch Umwandlung noch mindestens fünf Jahre fortbesteht. Die Mindestbeteiligung von 95 vom Hundert an der abhängigen Gesellschaft muss fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang fortbestehen. Erlischt die übertragende abhängige Gesellschaft bei der Umwandlung, so muss nur die übernehmende abhängige Gesellschaft fünf Jahre fortbestehen und an ihr die Mindestbeteiligung von 95 vom Hundert bestehen bleiben.

Erlöschen die übertragende oder die übernehmende abhängige Gesellschaft innerhalb der Nachbehaltensfrist durch einen weiteren Umwandlungsvorgang (z. B. Kettenumwandlungen) ausschließlich mit anderen abhängigen Gesellschaften, sind die Behaltenszeiten zusammenzurechnen, sofern an diesen Gesellschaften die Mindestbeteiligung von 95 vom Hundert besteht.

Die Nachbehaltensfrist ist nicht eingehalten, wenn die Mindestbeteiligung des herrschenden Unternehmens von 95 vom Hundert am Kapital oder Gesellschaftsvermögen auch nur einer am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaft unterschritten wird oder nicht mehr besteht. Dabei ist auf dasjenige Unternehmen abzustellen, welches bei der Verwirklichung des nach § 6a GrEStG begünstigten Umwandlungsvorgangs herrschendes Unternehmen war.

Unerheblich ist, ob der zur Nichteinhaltung der Nachbehaltensfrist führende Vorgang selbst der Grunderwerbsteuer unterliegt.

Die Veräußerung von Anteilen an Gesellschaften, die den übertragenden bzw. den übernehmenden Rechtsträgern nachgeordnet sind, ist unschädlich. Sie sind nicht Beteiligte des Umwandlungsvorgangs, sondern nur Gegenstand des Umwandlungsvorgangs.

Beispiel 1:

Die T1-GmbH wird im Jahr 01 auf die T2-GmbH verschmolzen. Im Jahr 03 wird die T2-GmbH auf die M-GmbH verschmolzen.

Die Verschmelzung der T1-GmbH auf die T2-GmbH unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 6a GrEStG ist anwendbar, da der Rechtsvorgang durch einen Umwandlungsvorgang ausgelöst wird, an dem nur abhängige Gesellschaften beteiligt sind.

Die Verschmelzung der T2-GmbH auf die M-GmbH unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 6a GrEStG ist nicht anwendbar, da der Verbund durch die Verschmelzung der einzigen abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen erlischt. Hierdurch entfällt außerdem nachträglich die Begünstigung im Jahr 01, da die Nachbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG nicht eingehalten wird.

Beispiel 2:

Die T1-GmbH wird im Jahr 04 auf die T2-GmbH verschmolzen. Im Jahr 07 wird die T2-GmbH auf die T3-GmbH verschmolzen.

Die Verschmelzung der T1-GmbH auf die T2-GmbH unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 6a GrEStG ist anwendbar, da der Rechtsvorgang durch einen Umwandlungsvorgang ausgelöst wird, an dem nur abhängige Gesellschaften beteiligt sind.

Die Verschmelzung der T2-GmbH auf die T3-GmbH unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 6a GrEStG ist anwendbar, da der Rechtsvorgang durch einen Umwandlungsvorgang ausgelöst wird, an dem nur abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Die von der T2-GmbH zu erfüllende Nachbehaltensfrist aufgrund der Verschmelzung in 04 ist nun von der T3-GmbH als übernehmende abhängige Gesellschaft fortzuführen.

6. Folgen der Nichteinhaltung der Nachbehaltensfrist

6.1 Anzeigepflicht

Eine im Sinne von § 6a Satz 4 GrEStG schädliche Änderung des Beherrschungsverhältnisses (vgl. Tz. 2 und 5) ist nach § 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG anzuzeigen. Anzeigepflichtig sind die Steuerschuldner.

6.2 Verfahrensrechtliche Folgen

Wird die Nachbehaltensfrist nicht eingehalten, entfällt die Begünstigung. Die Verletzung der Nachbehaltensfrist stellt ein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 2 Satz 1 AO dar. Die Grunderwerbsteuer ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO festzusetzen; ein Freistellungsbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.

Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt.

Ohne Bedeutung ist, ob dem oder den übernehmenden Rechtsträger(n) das Grundstück noch gehört bzw. grunderwerbsteuerrechtlich zuzuordnen ist (vgl. Tz. 1).

7. Verhältnis der §§ 5, 6 GrEStG zu § 6a GrEStG

Die Steuervergünstigungen der §§ 5, 6 und § 6a GrEStG bestehen gleichrangig nebeneinander. Soweit die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nicht vorliegen oder später entfallen, kann eine andere Steuervergünstigung von Amts wegen gewährt werden, sofern die Voraussetzungen vorliegen.

8. Anwendungsbereich der Vorschrift

Nach § 23 Abs. 8 Satz 1 GrEStG ist § 6a GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem verwirklicht werden. Maßgeblich für die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs ist die Eintragung der Umwandlung im Register (vgl. Tz. 2.3).

Nicht anzuwenden ist § 6a GrEStG nach § 23 Abs. 8 Satz 2 GrEStG, wenn ein im Zeitraum vom bis verwirklichter Rechtsvorgang nach dem (vgl. Bundestags-Drucksache 17/15 vom ) rückgängig gemacht wird und die Steuer nach § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG nicht zu erheben oder eine Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern ist. Es handelt sich um eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift, durch die verhindert werden soll, dass ein Erwerbsvorgang nur deshalb rückgängig gemacht wird, um die Steuervergünstigung in Anspruch zu nehmen. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn zwischen Rückgängigmachung und an sich zu begünstigender Umwandlung ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht.

Dieser Erlass tritt an die Stelle der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom (BStBl I S. 1321) sowie vom (BStBl I S. 673) und ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn sich der Steuerpflichtige für Rechtsvorgänge, die nach dem und vor dem verwirklicht wurden, auf die bisher geltende Verwaltungsauffassung beruft.

9. Zusammenfassendes Beispiel

Seit mehr als fünf Jahren besteht folgende Beteiligungsstruktur:

Das herrschende Unternehmen M-GmbH ist zu jeweils 100 vom Hundert an der T1-GmbH und T2-GmbH beteiligt. Die T1-GmbH ist zu 95 vom Hundert und die T2-GmbH ist zu 5 vom Hundert am Vermögen der grundbesitzenden E2-KG beteiligt. Die T1-GmbH hält zudem 100 vom Hundert der Anteile an der grundbesitzenden E1-GmbH. Die E1-GmbH ist wiederum zu 95 vom Hundert an der grundbesitzenden U-KG beteiligt, an der auch der verbundfremde F zu 5 vom Hundert beteiligt ist.

Im Jahr 01 wird die T1-GmbH auf die T2-GmbH verschmolzen.

Die Verschmelzung hat in Bezug auf die einzelnen Gesellschaften folgende grunderwerbsteuerrechtliche Rechtsfolgen:

Da keine Grundstücke im Eigentum der T1-GmbH stehen, wird bei ihrer Verschmelzung auf die T2-GmbH insoweit kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang verwirklicht.

Durch die Verschmelzung sind 100 vom Hundert der Anteile an der E1-GmbH von der T1-GmbH auf die T2-GmbH übergegangen. Dieser Übergang bereits vereinigter Anteile ist nach § 1 Abs. 3 GrEStG grunderwerbsteuerbar.

Da infolge der Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes der T2-GmbH das Mitgliedschaftsrecht der T1-GmbH an der grundbesitzenden E2-KG auf die T2-GmbH unter gleichzeitiger Vollbeendigung der E2-KG auf die T2-GmbH übergeht, geht der Grundbesitz der E2-KG grunderwerbsteuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG auf die T2-GmbH im Wege der Anwachsung über.

Der Wechsel des Alleingesellschafters der E1-GmbH führt zu einem mittelbaren Gesellschafterwechsel bei der U-KG, so dass hierdurch 95 vom Hundert der Anteile am Vermögen der U-KG auf neue Gesellschafter übergegangen sind und ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG vorliegt. Soweit der Altgesellschafter F an der U-KG beteiligt bleibt, wird die Grunderwerbsteuer nach § 6 Abs. 3 GrEStG i. H. v. 5 vom Hundert nicht erhoben.

Da die vorgenannten grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgänge durch einen Umwandlungsvorgang ausgelöst werden, an dem nur abhängige Gesellschaften beteiligt sind, wird die Grunderwerbsteuer nach § 6a GrEStG nicht erhoben. Für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG durch den Umwandlungsvorgang ausgelösten steuerbaren Gesellschafterwechsel wird die Grunderwerbsteuer nach § 6a GrEStG nur i. H. v. 95 vom Hundert nicht erhoben. Dies gilt unter der weiteren Voraussetzung, dass das Tatbestandsmerkmal der fünfjährigen Nachbehaltensfrist erfüllt ist.

Im Jahr 02 verkauft die T2-GmbH ein Grundstück aus dem Grundbesitz, der durch Anwachsung auf sie übergegangen ist, an einen Dritten.

Die Veräußerung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbar und steuerpflichtig. Da die Begünstigung nach § 6a GrEStG nicht grundstücks- sondern anteilsbezogen ist, hat die Veräußerung des Grundbesitzes auf die gewährte Befreiung nach § 6a GrEStG keinen Einfluss.

Im Jahr 03 veräußert die M-GmbH sämtliche Anteile an der T2-GmbH an die X-GmbH.

Der Übergang bereits vereinigter Anteile an der T2-GmbH unterliegt nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer in Bezug auf sämtliche der T2-GmbH noch zuzurechnenden Grundstücke.

Bei der X-GmbH findet durch den Erwerb der Anteile an der T2-GmbH eine mittelbare Übertragung der vereinigten Anteile in Bezug auf die E1-GmbH statt. Die Grundstücke der E1-GmbH sind dabei im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich der T2-GmbH zuzurechnen.

Der Übergang der bereits vereinigten Anteile an der T2-GmbH, die alle Anteile an der E1-GmbH hält, führt mittelbar zu einem Gesellschafterwechsel bei der U-KG. Durch diesen Gesellschafterwechsel sind 95 vom Hundert der Anteile an deren Vermögen auf neue Gesellschafter übergegangen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist dadurch erfüllt. Soweit der Altgesellschafter F an der U-KG beteiligt bleibt, wird die Grunderwerbsteuer nach § 6 Abs. 3 GrEStG i. H. v. 5 vom Hundert nicht erhoben.

Die vorstehenden der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgänge im Jahr 03 sind auch steuerpflichtig.

Mit der Veräußerung sämtlicher Anteile der T2-GmbH an die X-GmbH ist die Nachbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG verletzt, da das grunderwerbsteuerlich erforderliche Beteiligungsquantum von mindestens 95 vom Hundert nicht ununterbrochen fünf Jahre bestanden hat. Die Grunderwerbsteuerbegünstigung nach § 6a GrEStG für alle im Jahr 01 begünstigten Rechtsvorgänge entfällt nachträglich und somit auch für das im Jahr 02 von der T2-GmbH bereits veräußerte Grundstück. Das gilt unabhängig davon, dass der die Nacherhebung auslösende Rechtsvorgang (Veräußerung der Beteiligung) selbst grunderwerbsteuerpflichtig ist.

Inhaltlich gleichlautend
Oberste Finanzbehörden der Länder v. - S 4514
Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg - 3-S 4514/27
Bayrisches Staatsministerium der Finanzen - 36-S 4518-001-20 630/12
Senatsverwaltung für Finanzen Berlin - S 4514- 1/2010 - 3
Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg - 31 -S 4518-001/10
Die Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen - S 4518- 13-4 - 1329
Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg - 53 -S 4518- 002/12
Hessisches Ministerium der Finanzen - S 4514 A- 017 - II 53
Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern - IV 303 -S 4518- 00000 - 2010/001
Niedersächsisches Finanzministerium - S 4518- 1 - 35 2
Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen - S 4518- 1 - V A 6
Ministerium der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz - S 4518 A- 446
Ministerium der Finanzen des Saarlandes - B/5S 4514-3#001
Sächsisches Staatsministerium der Finanzen - 35 -S 4518- 2/122 - 27581
Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt - 44 -S 4518- 1
Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein - VI 355S 4514- 024
Thüringer Finanzministerium - S 4518 A- 1.1 - 202(S)


Fundstelle(n):
BStBl 2012 I Seite 662
QAAAE-14059