BFH Urteil v. - VI R 30/04

Zukunftssicherungsleistungen als Arbeitslohn

Leitsatz

Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers sind Arbeitslohn, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht. Führen schon die vom Arbeitgeber erbrachten Aufwendungen für den Versicherungsschutz zu Arbeitslohn, begründen die daraufhin erbrachten Versicherungsleistungen keinen weiteren Arbeitslohn. Daher liegt regelmäßig auch dann kein Arbeitslohn vor, wenn eine Leistung aus einem Versicherungsverhältnis auf eigene - nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehende - Ansprüche des Arbeitnehmers erbracht und der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gewährt wird. Dagegen führen an den Arbeitnehmer erbrachte Leistungen aus einem Versicherungsverhältnis, mit dem sich der Arbeitgeber zur Finanzierung arbeitsrechtlicher Ansprüche nur rückversichert und selbst alleiniger Anspruchsberechtigter gegenüber dem Versicherer ist, beim Arbeitnehmer zu Arbeitslohn. Dies gilt unabhängig davon, ob die Auszahlung an den Arbeitnehmer über den Arbeitgeber oder auf dessen Weisung direkt durch den Versicherer erfolgt.

Gesetze: EStG § 19, EStG § 3 Nr. 1a

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Streitig ist, ob ein an den Kläger und Revisionskläger (Kläger) ausgezahltes Krankengeld nach § 3 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei ist.

Der in Deutschland wohnhafte Kläger war in der Schweiz für einen Monatsbruttolohn von . Schweizer Franken (sfr) nichtselbständig beschäftigt. Nachdem er seit dem krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen war, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum . Der Kläger erhielt für den Zeitraum Juli bis Dezember 1997 Krankentagegelder in Höhe von . sfr. Ausbezahlt wurde das Krankentagegeld von der X Versicherungsgesellschaft.

Der Arbeitgeber des Klägers hatte zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus dem schweizerischen Obligationenrecht und zur Erfüllung der mit dem Kläger getroffenen arbeitsvertraglichen Regelung bei der X-Versicherung eine Kollektiv-Krankentagegeldversicherung zugunsten der Mitarbeiter abgeschlossen. Danach erhielten die Mitarbeiter im Krankheitsfall von der Versicherung eine Entschädigung in Höhe von 80 % des letzten Bruttogehalts während der Dauer der Krankheit, längstens während 720 Tagen. Für die Prämie wurde den Mitarbeitern jeweils ein Prozent ihres Bruttolohns zum Abzug gebracht. Im Übrigen hat der Arbeitgeber die Prämie getragen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erfasste im streitigen Einkommensteuerbescheid für 1997 vom i.d.F. des Änderungsbescheids vom die an den Kläger ausgezahlten Krankentagegelder als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Der Einspruch des Klägers und seiner zusammen mit ihm zur Einkommensteuer veranlagten Ehefrau, der Klägerin und Revisionsklägerin, blieb erfolglos.

Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 851 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Sie beantragen sinngemäß,

die vorinstanzliche Entscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids vom auf . DM herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Soweit das FG die Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung als einkommensteuerpflichtigen Arbeitslohn qualifiziert hatte, tragen die dazu getroffenen Feststellungen die Vorentscheidung nicht.

1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die „für eine Beschäftigung” gewährt werden, also als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten sind.

Zum Arbeitslohn gehören auch die Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahe stehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherung). Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang —wirtschaftlich betrachtet— so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsurteil vom VI R 55/05, BStBl II 2007, 619, m.w.N.). Führen mithin schon die vom Arbeitgeber erbrachten Aufwendungen für den Versicherungsschutz zu Arbeitslohn, begründen infolgedessen die daraufhin erbrachten Versicherungsleistungen keinen weiteren Arbeitslohn. Daher liegt regelmäßig auch dann kein Arbeitslohn vor, wenn eine Leistung aus einem Versicherungsverhältnis auf eigene —nicht lediglich dem Arbeitgeber zustehende— Ansprüche des Arbeitnehmers erbracht und der Versicherungsschutz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gewährt wird (vgl. Senatsurteil vom VI R 9/96, BFHE 186, 247, BStBl II 1998, 581; , BFH/NV 2000, 836).

Dagegen führen an den Arbeitnehmer erbrachte Leistungen aus einem Versicherungsverhältnis, mit dem sich der Arbeitgeber zur Finanzierung arbeitsrechtlicher Ansprüche nur rückversichert und selbst alleiniger Anspruchsberechtigter gegenüber dem Versicherer ist, beim Arbeitnehmer zu Arbeitslohn. Dies gilt unabhängig davon, ob die Auszahlung an den Arbeitnehmer über den Arbeitgeber oder auf dessen Weisung direkt durch den Versicherer erfolgt (BFH-Urteil in BFHE 186, 247, BStBl II 1998, 581).

2. Gemessen daran hält die Vorentscheidung revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Das FG hat zwar seiner Entscheidung die vorstehenden Rechtsgrundsätze zu Grunde gelegt. Die tatsächlich getroffenen Feststellungen des FG tragen allerdings nicht seine Würdigung und Entscheidung, Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigter gegenüber dem Versicherer sei nicht der einzelne Arbeitnehmer, sondern allein der frühere Arbeitgeber des Klägers gewesen.

a) Wenn sich das FG zur Begründung auf das Schreiben des Versicherers vom sowie auf das Schreiben des früheren Arbeitgebers des Klägers vom bezieht, bringt es damit zwar seine subjektive Gewissheit über einen entscheidungserheblichen Sachverhalt zum Ausdruck. Diese Würdigung bindet das Revisionsgericht jedoch nur, wenn sie auf logischen, einsichtigen, den Denkgesetzen entsprechenden und von den Tatsachenfeststellungen getragenen nachvollziehbaren Erwägungen beruht. Fehlt die nachvollziehbare Ableitung der Folgerungen aus den tatsächlichen Feststellungen, so liegt entweder ein Verstoß gegen die Denkgesetze vor, der als Fehler der Rechtsanwendung ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht zu beachten ist, oder ein gleichermaßen beachtlicher Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO (vgl. , BFH/NV 2007, 1851; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz 15, m.w.N.).

b) An einer solchen nachvollziehbaren Ableitung fehlt es vorliegend. Denn im Schreiben der X-Versicherung vom erklärt der Versicherer, dass der Kläger „bei unserer Gesellschaft durch einen Krankenkollektiv-Vertrag” des Arbeitgebers versichert sei. Der frühere Arbeitgeber des Klägers erklärte mit Schreiben vom , dass er „bei der X-Versicherung eine Kollektiv-Krankentagegeldversicherung zu Gunsten der Mitarbeiter abgeschlossen” habe und „demnach der Mitarbeiter” Versicherungsnehmer sei. Angesichts dessen ist die Würdigung der Vorinstanz nicht nachvollziehbar, Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigter gegenüber der X-Versicherung sei nicht der einzelne Arbeitnehmer, sondern der frühere Arbeitgeber des Klägers gewesen und dem Kläger selbst hätten keine eigenen Ansprüche gegen den Versicherer zugestanden. Auch mit der Bezugnahme der Vorentscheidung auf das Anstellungsreglement, nach dem nach Austritt aus dem Unternehmen der Mitarbeiter die Versicherung als Einzelversicherung hatte weiterführen können, wird die vorgenannte Würdigung nicht nachvollziehbar. Denn das FG konnte zwar zu Recht aus dieser Vereinbarung ableiten, dass zwischen dem Kläger und der X-Versicherung zunächst kein Einzelversicherungsvertrag bestanden habe. Dies besagt aber nichts dazu, ob der Kläger eigene Ansprüche gegen den Versicherer —sei es aus der Kollektivversicherung, sei es aus der Einzelversicherung— hatte.

c) Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Im zweiten Rechtsgang wird das FG die im Ergebnis fehlenden Feststellungen dazu, ob dem Kläger aus der Versicherung eigene Ansprüche zustanden, nachzuholen haben. Dazu dürfte sich anbieten, geeignete Unterlagen, insbesondere etwa die Versicherungsverträge beizuziehen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 550 Nr. 4
HFR 2008 S. 685 Nr. 7
KÖSDI 2008 S. 15930 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2008 S. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2008 S. 4713
QAAAC-71446