AStA-Mitglied als Arbeitnehmer
Leitsatz
Der Vorsitzende und die Referenten des AStA sind Arbeitnehmer im Sinne des Einkommensteuerrechts. Die an sie gezahlten Aufwandsentschädigungen sind als einkommensteuerpflichtiger Lohn zu behandeln.
Gesetze: EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1EStG § 38 Abs. 3EStG § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1LStDV § 1 Abs. 2 Sätze 1, 2
Instanzenzug: (EFG 2005, 1866) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines für den Zeitraum bis ergangenen, die Lohnsteuer betreffenden Haftungsbescheides.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Studentenschaft der Universität X. Sie ist nach § 62 Abs. 2 des Hessischen Hochschulgesetzes vom (HHG) i.d.F. vom (GVBl I 1995, 294 ff.) und den nachfolgenden Fassungen (§ 98 Abs. 1 Satz 2 HHG vom , GVBl I 1998, 431 ff.; § 95 Abs. 1 Satz 2 HHG i.d.F. vom , GVBl I 2000, 374 ff.) eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Klägerin, die sie vertretenden Organe —der allgemeine Studentenausschuss (AStA)— sowie die dafür handelnden Personen —die Vorsitzenden und Referenten des AStA— waren im streitigen Zeitraum auf Grundlage der Satzung der Studentenschaft vom . tätig (Satzung der Studentenschaft ., genehmigt mit Erlass des Hessischen Kultusministers . ).
Die Klägerin zahlte an die Vorsitzenden und Referenten des AStA monatliche Aufwandsentschädigungen nach Ziffer 31.1 der Satzung, behielt hierfür allerdings keine Lohnsteuer ein.
Eine im Januar 2001 bei der Klägerin für den streitigen Zeitraum durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte zu der Auffassung, dass die von der Klägerin an die AStA-Mitglieder gezahlten Aufwandsentschädigungen steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellten. Der Prüfer berücksichtigte jeweils 300 DM monatlich als nach § 3 Nr. 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfreie Zahlungen, ermittelte für die Differenzbeträge die Lohnsteuer nach den persönlichen Merkmalen der einzelnen AStA-Mitglieder unter Anwendung der Lohnsteuerklasse VI und rechnete dabei auch die in den Jahren 1997 und 1998 bereits gezahlte Lohnsteuer an.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) schloss sich dieser Auffassung an. Das FA erließ einen entsprechenden Lohnsteuer-Haftungsbescheid gemäß § 42d Abs. 1 EStG über Lohnsteuer nebst Annexsteuern.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1866 veröffentlichten Gründen ab. Das FA habe zu Recht die Arbeitnehmereigenschaft der AStA-Mitglieder bejaht und die Klägerin als Arbeitgeberin behandelt. Die gemäß Ziffer 31.1 der Satzung gezahlten (pauschalen) Aufwandsentschädigungen seien als Arbeitslohn zu versteuern. Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Klägerin als Haftende gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) seien gegeben.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Hessischen FG den Lohnsteuer-Haftungsbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Die Entscheidung des FG, dass die Mitglieder des AStA als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen sind und das FA die Klägerin als Haftungsschuldnerin für nicht abgeführte Lohnsteuer in Anspruch nehmen durfte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG legen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) den Arbeitnehmerbegriff zutreffend aus. Danach liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Das ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; vom VI R 59/91, BFHE 170, 48, BStBl II 1993, 303; vom X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534; vom VI R 5/06, BFHE 218, 233, BFH/NV 2007, 1977, m.w.N.).
Der steuerliche Arbeitnehmerbegriff lässt sich nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen, sondern als offener Typusbegriff nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschreiben. Ob jemand eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübt, ist deshalb jeweils im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Dabei sind die für und gegen ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmale, wie im Senatsurteil in BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661 an Hand von Beispielen aufgeführt, im konkreten Einzelfall jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Diese Aufgabe obliegt in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz und ist als eine vom Tatrichter getroffene Beurteilung revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 233, BFH/NV 2007, 1977, m.w.N.).
2. Das FG ist bei seiner Gesamtwürdigung von diesen Grundsätzen ausgegangen. Das Ergebnis seiner Würdigung, dass die Mitglieder des AStA als Arbeitnehmer anzusehen seien, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die übrigen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin sind zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.
Zutreffend hat das FG auf Grundlage seiner seitens der Klägerin nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen die Merkmale des Schuldens der Arbeitskraft, der persönlichen Weisungsgebundenheit, der organisatorischen Eingliederung und des fehlenden Unternehmerrisikos in seine Würdigung einbezogen, gewichtet und gegeneinander abgewogen. Danach konnte das FG ohne Rechtsverstoß zu der Folgerung gelangen, dass die AStA-Mitglieder mit der Annahme der Wahl durch das Studentenparlament ein Dienstverhältnis zur Studentenschaft i.S. des § 1 Abs. 2 LStDV begründet hatten.
Das FG stützte sich dazu zunächst zutreffend auf die Erwägung, dass die AStA-Mitglieder ihre Arbeitskraft einsetzten, um als Organmitglieder die Aufgaben des AStA zu erfüllen, und sie dabei angesichts ihrer durch das HHG und die Satzung der Studentenschaft normierten Beziehungen zur Studentenschaft die in § 1 Abs. 2 Satz 2 LStDV genannten wesentlichen Kriterien für ein Dienstverhältnis, nämlich „Weisungsgebundenheit” und „Eingliederung in einen geschäftlichen Organismus”, erfüllten. Zu Recht berücksichtigte das FG insoweit, dass die AStA-Mitglieder als Teil des Organs AStA die Studentenschaft nach außen vertreten, die Mitglieder des AStA vom Studentenparlament gewählt und in allen grundlegenden Fragen weisungsgebunden seien. Hierzu konnte das FG den Umstand heranziehen, dass die Satzung der Studentenschaft den AStA als das die Beschlüsse des Studentenparlaments ausführendes Exekutivorgan behandelt und der AStA dem Studentenparlament nach Ziffer 18.1 der Satzung verantwortlich ist. Der Einwand der Revision, dass im Innenverhältnis der AStA die laufenden Geschäfte in eigener Verantwortung ausführe, steht der Würdigung, dass eine Eingliederung und Weisungsgebundenheit vorliege, nicht entgegen. Insoweit verweist das FG zutreffend auf den Umstand, dass der AStA nicht nur nach Ziffer 18.2 der Satzung in seiner Wirtschaftsführung, sondern grundsätzlich an jegliche Beschlüsse des Studentenparlaments als oberstem, durch Wahl unmittelbar legitimiertem Organ der Studentenschaft mit Allzuständigkeit gebunden sei und umfassender Kontrolle unterliege. Wenn das FG zur Begründung dessen auf die Berichtspflichten des AStA zur Durchführung des Haushaltsplans, auf die Überwachung der Wirtschaftsführung mit Entlastung des AStA, auf die Rechenschaftspflicht des AStA gegenüber dem Studentenparlament nach entsprechender Aufforderung und auf die überdies bestehende Möglichkeit, den AStA durch konstruktives Misstrauensvotum abzuwählen, verweist, ist dies nicht nur eine mögliche, sondern naheliegende Würdigung.
Weiter konnte das FG noch zu Recht berücksichtigen, dass trotz Organeigenschaft des AStA die einzelnen AStA-Mitglieder etwaigen Weisungen des Studentenparlaments bei der Art und Weise der Ausübung der Tätigkeit Folge leisten müssten, wie dies bei Organmitgliedern im Rahmen eines Dienstverhältnisses typischerweise anzutreffen sei, so dass insgesamt nicht von einem eigenständigen, die Arbeitnehmereigenschaft ausschließenden Mandat für den AStA ausgegangen werden könne. Entsprechendes gilt für die Erwägung, dass sich der AStA als Exekutivorgan der Studentenschaft durchaus mit der Bundesregierung oder einer Landesregierung vergleichen lasse und es für Bundeskanzler, Ministerpräsidenten und Minister unbestritten sei, dass sie aus ihrer Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielten, steuerrechtlich also als Arbeitnehmer anzusehen seien.
Schließlich konnte das FG auf Grundlage des HHG und der Satzung ebenso das Merkmal der funktionellen Eingliederung in einen geschäftlichen Organismus mit der Erwägung bejahen, dass die AStA-Mitglieder als Organteile bestimmte Aufgaben in dem Organismus „Studentenschaft” in Abstimmung mit den anderen Organen zu erfüllen hätten und daher nicht in eigenem Interesse, sondern in dem des Organismus „Studentenschaft” tätig seien, wie es damit auch eine Unternehmerinitiative, ein Unternehmerrisiko und eine Selbständigkeit der AStA-Mitglieder ausschließen konnte.
Ergänzend konnte das FG auch noch Höhe und Umfang der gezahlten Aufwandsentschädigungen in seine Erwägungen einbeziehen und dabei berücksichtigen, dass der bereits in der Satzung festgeschriebene zeitliche Mindestaufwand durch Sitzungen mehr für eine hauptamtliche als für eine ehrenamtliche Tätigkeit spreche und nicht lediglich tatsächlich entstandener Aufwand der AStA-Referenten abgedeckt werde.
Zuletzt steht dieser Gesamtwürdigung auch nicht der Beschluss des erkennenden Senats vom VI R 47/97 (juris) entgegen. Denn dort wurde zwar entschieden, dass der AStA als Arbeitgeber und Schuldner von Lohnsteuer nicht in Betracht komme, aber die Frage, ob die Studentenschaft selbst Arbeitgeberin der AStA-Mitglieder sein kann, ausdrücklich offen gelassen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 981
BFH/NV 2008 S. 1929 Nr. 11
BFH/PR 2008 S. 502 Nr. 12
BStBl II 2008 S. 981 Nr. 21
DStR 2008 S. 1923 Nr. 40
DStRE 2008 S. 1297 Nr. 20
DStZ 2008 S. 739 Nr. 21
EStB 2008 S. 432 Nr. 12
FR 2009 S. 238 Nr. 5
HFR 2008 S. 1134 Nr. 11
KÖSDI 2008 S. 16239 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 40/2008 S. 3737
SJ 2008 S. 5 Nr. 23
StB 2008 S. 390 Nr. 11
StBW 2008 S. 5 Nr. 20
StuB-Bilanzreport Nr. 19/2008 S. 768
NAAAC-91438