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InfoCenter - Stand: 06.05.2024

Selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte/-gegenstände (IFRS, HGB)

Prof. Dr. Hanno Kirsch

1. Definitionen

Das Handelsrecht enthält keine eigenständige Definition des Begriffs des immateriellen Vermögensgegenstands (zum Begriff des Vermögensgegenstands vgl. Abschnitt 2.2). Es kann jedoch auf die Definition der IFRS-Rechnungslegung zurückgegriffen werden. Dort wird ein immaterieller Vermögenswert als ein identifizierbarer, nicht-monetärer Vermögenswert ohne physische Substanz definiert (ähnlich DRS 24.8) (IAS 38.8).

Zentral für den Ansatz und die Bewertung selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte bzw. Vermögensgegenstände ist – sowohl in der internationalen Rechnungslegung als auch nach HGB – die Abgrenzung von Forschung und Entwicklung.

Die Forschung(sphase) ist definiert als die eigenständige und planvolle Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen (IAS 38.8). So zählt bspw. die Suche nach Alternativen für Materialien, Vorrichtungen, Produkte sowie Verfahren zur Forschungsphase (IAS 38.56 (c)). Übertragen auf den Fall der Selbsterstellung von Websites gehören Aktivitäten wie das Anfertigen von Machbarkeitsstudien, die Bestimmung von Hardware- und Softwarespezifikationen, die Bewertung alternativer Produkte und Anbieter sowie das Festlegen von Präferenzen bzw. Auswahlentscheidungen zur „Forschungsphase“. Der durch das BilMoG in das HGB eingefügte § 255 Abs. 2a HGB übernimmt fast wörtlich diese Definition. Nach § 255 Abs. 2a Satz 3 HGB ist die Forschung die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können.

Die Entwicklung(sphase) ist definiert als die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen auf einen Plan oder Entwurf für die Produktion von neuen oder beträchtlich verbesserten Materialien, Vorrichtungen, Produkten, Systemen oder Dienstleistungen vor Beginn der kommerziellen Produktion oder Nutzung (IAS 38.8). IAS 38.59 führt einzelne Beispiele für Entwicklungsaktivitäten auf:

  • der Entwurf, die Konstruktion von Prototypen und Modellen vor Beginn der eigentlichen Produktion oder Nutzung,

  • der Entwurf von Werkzeugen, Spannvorrichtungen, Prägestempeln und Gussformen unter Verwendung neuer Technologien,

  • der Entwurf und der Betrieb einer Pilotanlage, die jedoch für die wirtschaftliche Produktion ungeeignet ist.

    Im Falle der Selbsterstellung von Websites gehören folgende Phasen typischerweise zur Entwicklungsphase (SIC-32):

    • die Anwendungs- und Infrastrukturphase (im Einzelnen Erwerb der Hardware, Erhalt eines Domain-Namens, Entwicklung der operativen System- und Serversoftware, Entwicklung eines Anwendercodes, Installationen von entwickelten Anwendungen auf dem Webserver und Testphase) sowie

    • die grafische Design- und Entwicklungsphase (insbesondere grafischer Entwurf von „Websites“, Erstellung, Kauf, Vorbereitung und Laden von Texten und Grafiken für die auf den Websites zu präsentierenden Informationen).

Auch hier hat das HGB i. d. F. des BilMoG die Definition der IFRS-Rechnungslegung übernommen. Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen (§ 255 Abs. 2a Satz 2 HGB).

2. Ansatzkriterien

2.1. IFRS

Aufwendungen, die in der Forschungsphase anfallen, sind als Aufwand der Periode zu erfassen, in der sie anfallen (IAS 38.54). Diese Aufwendungen sind auch nicht dann – nachträglich – aktivierungsfähig, wenn das im Rahmen der Forschungsphase generierte Wissen erfolgreich in die Entwicklungsphase transferiert werden kann.

Ein nach IFRS bilanzierendes Unternehmen hat nur dann die Kosten für einen im Entstehungsprozess befindlichen Vermögenswert zu aktivieren, wenn sich das „interne Projekt“ bereits in der „Entwicklungsphase“ befindet, die auch eindeutig gegenüber der Forschung abgrenzbar ist (IAS 38.53). Gleichzeitig erfüllt es kumulativ die nachstehenden, in IAS 38.57 enthaltenen besonderen (Objektivierungs-)Kriterien und weist diese nach:

  • Nachweisbarkeit der technischen Realisierbarkeit der Fertigstellung des Vermögenswerts zur späteren Nutzung oder Vermarktung (IAS 38.57(a)),

  • Absicht des Unternehmens zur Fertigstellung des Vermögenswerts zur späteren Nutzung oder Vermarktung (IAS 38.57(b)),

  • Fähigkeit des Unternehmens zur Nutzung oder Vermarktung des Vermögenswerts (IAS 38.57(c)),

  • Nachweis der Erzielung des künftigen wirtschaftlichen Nutzens unter Anwendung der Grundsätze des IAS 36 (IAS 38.57(d) i. V. mit IAS 38.60),

  • Verfügbarkeit angemessener technischer, finanzieller und sonstiger Ressourcen, um die Entwicklung abzuschließen und den Vermögenswert vermarkten oder nutzen zu können (IAS 38.57(e)), und

  • Fähigkeit der zuverlässigen Bestimmung der während der Entwicklung anfallenden Ausgaben (IAS 38.57(f)).

Trotz Vorliegen der in IAS 38.57 genannten Kriterien dürfen Marken-, Warenzeichen, Druck- und Verlagsrechte, Kundenlisten und Kundenbeziehungen sowie ähnliche Werte nicht aktiviert werden – mangels Unterscheidbarkeit vom selbst geschaffenen Geschäfts- oder Firmenwert (für den ebenso ein Aktivierungsverbot nach IAS 38.48 besteht) (IAS 38.63).

Erst ab dem vollständigen Nachweis der in IAS 38.57 genannten Kriterien darf mit der Aktivierung der Kosten begonnen werden (d. h. eine Nachaktivierung von zuvor angefallenen Kosten – selbst innerhalb der Entwicklungsphase – ist ausgeschlossen (IAS 38.54)). Es besteht damit ein hohes bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial beim Ansatz von selbst erstellten immateriellen Vermögenswerten, da der Bilanzierende in Abhängigkeit von der Dokumentation dieser Aktivierungsvoraussetzungen darüber entscheidet, ob und ggfs. ab welchem Zeitpunkt die Aktivierung von während der Entwicklungsphase angefallenen Aufwendungen beginnt („Nachweiswahlrecht“). Zum Nachweis der in IAS 38.57 genannten Aktivierungsvoraussetzungen hat der Bilanzierende sowohl technische als auch wirtschaftliche Prognosen anzustellen:

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