OFD Münster - G 1000 - 11 - St 23 - 35 - MS

Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer; nicht angenommene Verfassungsbeschwerde gegen die Grundsteuer (Az. 1 BvR 311/06)

Bezug:

Mit obiger Vorsteher-Information hat die Oberfinanzdirektion Münster über die anhängige Verfassungsbeschwerde zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer bei selbstgenutzten Wohneigentum informiert (Az. 1 BvR 1644/05). Zugleich wurden Möglichkeiten zum pragmatischen Umgang mit der eingesetzten Antragsflut aufgezeigt.

Eine weitere Verfassungsbeschwerde gegen die Grundsteuer war seit dem beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig (Az. 1 BvR 311/06). Die neue Beschwerde ging deutlich über die bisherigen Einzelfragen hinaus und wendete sich gegen das gesamte Grundsteuergesetz. Der Beschwerdeführer argumentierte, die Grundsteuer sei als Sonderbelastung nur eines bestimmten Vermögensteils eine „Sonder-Vermögensteuer” für Grundbesitzer und somit unter Beachtung des Gleichheitsgebots des Art 3 GG nicht mehr zu rechtfertigen. Die Kritik richtete sich gegen alle drei Stufen der Grundsteuer, d.h. Einheitswertfestsetzung, Festsetzung des Grundsteuermessbetrags und Erhebung der Grundsteuer. Diese Verfassungsbeschwerde wurde vom BverfG mit Beschluss vom nicht angenommen.

Einsprüche und Anträge auf Änderung des Einheitswert- oder Grundsteuer-Messbescheides – insbesondere bei land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblich genutzten sowie bei vermieteten Immobilien –, die sich auf die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 311/06 begründen, sind somit negativ zu bescheiden.

Eine Entscheidung des BVerfG hinsichtlich der Verfassungsbeschwerde vom (Az. 1 BVR 1644/05) steht weiterhin aus. Es wird daher nochmals an die pragmatische Bearbeitung dieser Fälle erinnert (s. obige Vorsteher-Info):

  1. Zulässige Einsprüche gegen den Einheitswert- oder Grundsteuer-Messbescheid ruhen gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. Sie sind in der maschinellen Rechtsbehelfsverwaltung als ruhende Massenverfahren zu erfassen und in der allgemeinen Notiz mit „Grundsteuer” zu kennzeichnen. Eine Unterrichtung des Einspruchsführers ist gem. Punkt 4 der Karte 803 zu § 363 AO AO-Kartei NRW nicht erforderlich.

    Eine Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Zur Begründung kann angeführt werden, dass das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung gegenüber Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes höher zu bewerten ist.

  2. Verspätete und damit unzulässige Einsprüche gegen den Einheitswert- oder Grundsteuer-Messbescheid können gem. § 357 Abs. 1 AO in einen Antrag auf Änderung umgedeutet werden. Zur Kostenreduzierung und Verfahrensvereinfachung braucht kein gesonderter Hinweis an den Steuerpflichtigen zu erfolgen.

  3. Bei allen (zulässigen) Anträgen auf Änderung des Einheitswert- oder Grundsteuer-Messbescheides kann die Zustimmung des Steuerbürgers, dass die Bearbeitung seines Antrags bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückgestellt wird, regelmäßig unterstellt werden. Ein Anschreiben zur Einholung der Zustimmung des Steuerbürgers kann daher unterbleiben. Nur in Fällen, in denen der Steuerbürger ausdrücklich auf einer Bestätigung des Antragseingangs beim Finanzamt besteht, ist diese zu erteilen und die vorgenannte Zustimmung einzuholen.

Die Anträge auf Änderung sind – alphabetisch oder sortiert nach Einheitswertnummern – in Aktenordnern abzuheften. Diese Anträge sind nicht als „unerledigte Fälle” beim Controlling zu erfassen sind.

Abschließender Hinweis:

Sollte das BVerfG die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1644/05 ebenfalls nicht annehmen oder als unbegründet zurückweisen, ist beabsichtigt, die vorliegenden Anträge, die sich auf diese Verfassungsbeschwerde stützen und dann unbegründet sein werden, möglichst pragmatisch zu erledigen.

Folgende Vorgehensweise wäre denkbar: Ist der Antrag auf das beim BVerfG anhängige Verfahren gestützt worden, und wäre der Antrag nach dem Ausgang dieses Verfahrens abzulehnen, gilt der Antrag insoweit 6 Monate nach Veröffentlichung der Gerichtsentscheidung im Bundessteuerblatt als zurückgenommen, es sei denn, der Antragsteller hat ihn innerhalb dieser Frist ausdrücklich aufrecht erhalten.

Für den Fall, dass das BVerfG der Beschwerde zustimmt, ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber ein Zeitrahmen vorgegeben wird, indem eine Änderung der Grundsteuer für die Zukunft veranlasst werden kann. Auch in diesem Fall wären die Anträge der Steuerbürger unbegründet und hätten die oben beschriebene Erledigung zur Folge.

OFD Münster v. - G 1000 - 11 - St 23 - 35 - MS

Fundstelle(n):
GAAAB-83887