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Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH in der Sozialversicherung
Vorsicht bei Gestaltungsmodellen zur Vermeidung der Sozialversicherungspflicht
In [i]Langhoff, Die Statusfeststellung für den GmbH-Geschäftsführer von A bis Z, NWB 23/2018 S. 1701 NWB ZAAAG-84641 der Praxis der Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) wird vermehrt der sozialversicherungsrechtliche Status von mitarbeitenden Geschäftsführern und Gesellschaftern in der GmbH kritisch überprüft. Im Ergebnis führt dies häufig zu Nachforderungsbescheiden, die durchaus sehr teuer ausfallen können. Der Beitrag vermittelt einen Überblick über die aktuelle sozialgerichtliche Rechtsprechung, um ggf. bestehende Probleme erkennen zu können, und zeigt mögliche Lösungsansätze auf.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Kriterien der Sozialversicherungspflicht
1. Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung
Für [i]Meier, Sozialversicherungspflicht, infoCenter NWB YAAAB-41368 die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern, Fremdgeschäftsführern und mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH sowie Geschäftsführern einer Familien-GmbH gelten die allgemeinen Grundsätze (§§ 2, 7 und 14 SGB IV), die für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt maßgebend sind.
Die Sozialversicherungspflicht wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass eine in einer GmbH beschäftigte Person zugleich Gesellschafter der GmbH ist. Auch Gesellschafter-Geschäftsführer und mitarbeitende Gesellschafter einer GmbH können daher in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH stehen.
§ 7 [i]Definition „Beschäftigung“ Abs. 1 SGB IV ist Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. S. 976Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
Diese Weisungsgebundenheit kann – besonders bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein.
2. Vertragsverhältnis
Ob [i]Geißler, Selbständige Arbeit, infoCenter NWB MAAAB-36694 jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben.
Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.
Eine [i]Tatsächliche Verhältnisse ausschlaggebendim Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher – unabhängig von ihrer Ausübung – auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht.
In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen.
Folgende [i]Zu beurteilende UnterlagenUnterlagen sind für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von entscheidungserheblicher Bedeutung:
Gesellschafterliste,
Handelsregisterauszug,
notariell beurkundete Satzung und
die Anstellungsverträge.
3. Prüfung der Vereinbarungen
Zur [i]Aufdecken von ScheinvereinbarungenAbgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen.
Dazu muss zunächst deren Inhalt konkret festgestellt werden. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind.
Schließlich [i]Wenning, Scheinselbständigkeit, infoCenter NWB HAAAA-41718 ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel“ handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft i. S. des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. S. 977
Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen.
II. Veraltete „Kopf-und-Seele“-Rechtsprechung
Die [i]Alleininhaber gelten nicht mehr als „Quasi-Selbständige“insbesondere für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung entwickelte „Kopf-und-Seele“-Rechtsprechung, wonach bestimmte Angestellte einer Familiengesellschaft ausnahmsweise als selbständig Tätige zu betrachten sind, wenn sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen, ist für die Statusbeurteilung im sozialversicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis nicht (mehr) heranzuziehen.
Eine solche, vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbar.
Das BSG hatte zwar in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung – überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts – bei bestimmten Angestellten einer Familiengesellschaft ausnahmsweise eine selbständige Tätigkeit für möglich gehalten. Dies galt, wenn sie „Kopf und Seele“ der GmbH sind, weil sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen, z. B. aufgrund ihres überlegenen Fachwissens oder als alleinige Bran-chenkenner, die in der GmbH frei schalten und walten, wie sie wollen, da sie die Gesellschafter persönlich oder wirtschaftlich dominieren.
Von [i]Änderung der sozialrechtlichen Rechtsprechungdieser „Kopf-und-Seele“-Rechtsprechung hat sich das BSG jedoch mit seinen Entscheidungen seit dem distanziert. Die Kernaussagen dieser BSG-Rechtsprechung zur sog. Schönwetterselbständigkeit sind: Die familiäre Verbundenheit oder Rücksichtnahme in einer Familien-GmbH ist grundsätzlich nicht (mehr) geeignet, die Rechtsmacht, wie sie sich nach dem Gesellschaftsrecht ergibt, gänzlich zu negieren.
Entscheidendes [i]Rechtsmacht entscheidendKriterium für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden abhängigen Beschäftigung ist auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme so lange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, so dass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde.
Bei allen aktuellen und künftig noch folgenden statusrechtlichen Entscheidungen wird die DRV dieser Rechtsprechung für den gesamten Beurteilungszeitraum folgen.
Im Folgenden werden die wesentlichen Konsequenzen dargestellt – so wie sie von den Sozialversicherungsträgern aus der obigen BSG-Rechtsprechung abgeleitet werden.S. 978