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infoCenter (Stand: November 2023)

Insolvenzverfahren

Reinald Gehrmann
Corona-Pandemie

Durch das "Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht" vom (BGBl 2020 I S. 569) haben sich u.a. folgende Änderungen ergeben:

  • Die Insolvenzantragspflicht für die Organe juristischer Personen ist zeitlich begrenzt vom bis zum rückwirkend ausgesetzt worden. Diese Aussetzung soll allerdings nicht gelten, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Pandemie beruht oder keine Aussicht darauf besteht, eine vorhandene Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Dabei besteht eine gesetzliche Vermutung, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, wenn der Schuldner am nicht zahlungsunfähig war. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde zunächst allgemein bis zum (BT-Drucks. 19/22178) und zuletzt durch Art. 10 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts - SanInsFoG vom , BGBl 2020 I S. 3256, 3292 bis zum und schließlich bis zum 30.4.2021verlängert. Diese Verlängerung galt allerdings nur für Unternehmen, bei denen die Auszahlung der seit dem vorgesehenen staatlichen Hilfeleistungen noch ausstand. Sie galt nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Gewährung der Hilfeleistungen bestand oder diese zur Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend war.

  • Die insolvenzrechtlichen Anfechtungsregelungen zu Gesellschafterdarlehen werden zeitlich begrenzt ausgesetzt. Werden neue Kredite in der Zeit vom bis gewährt, können Gesellschafterdarlehen anfechtungsfrei gewährt und zurückgewährt werden, wenn die Rückgewähr eine Gesellschaft betrifft, über deren Vermögen bis zum der Insolvenzantrag gestellt worden ist.

  • Das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz ist durch die am in Kraft getretenen Regelungen des Sanierungs- und insolvenzrechtlichen Krisenfolgenabmilderungsgesetzes (SanInsKG, BGBl 2022 I S. 1966, 1968) weiterentwickelt und umbenannt worden. Durch die Neuregelungen werden u.a. der Überschuldungstatbestand (§ 19 InsO) modifiziert und die Höchstfrist zur Insolvenzantragstellung verlängert (§ 15a Abs. 1 InsO).

I. Definition des Insolvenzverfahrens

Mit Insolvenz bezeichnet man die Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners. Für diesen Fall stellt die Insolvenzordnung Verfahren zur Verfügung, um die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird.

Durch das Finanzmarktsstabilisierungsgesetz sind die Voraussetzungen für die Annahme des Insolvenzgrundes der Überschuldung geändert und die zweistufige Überschuldungsprüfung zunächst bis zum ausgedehnt und schließlich die Befristung nunmehr durch das „Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess” gänzlich aufgehoben . Auch durch das am in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) haben sich Konsequenzen für die Überschuldungsprüfung ergeben. Nunmehr sind Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, und für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs.1 Nr.1 bis 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist , nicht bei den Verbindlichkeiten zu berücksichtigen.

Durch das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen im Insolvenzverfahren vom (BGBl 2011 I S. 2582) ist die InsO geändert und die Möglichkeit zur Durchführung eines sog. Schutzschirmverfahrens im Vorfeld einer drohenden Insolvenz geschaffen worden.

Zwischenzeitlich sind durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte neue Regelungen zur Verbraucherinsolvenz und dem Restschuldbefreiungsverfahren getroffen worden (BT-Drucksache 17/13535, BR-Drucksache 280/13).

Mit dem Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen (BGBl 2017 I S. 866), das am in Kraft getreten ist, wurde zur verfahrensrechtlichen Erleichterung der Abwicklung der verschiedenen Insolvenzverfahren ein besonderer Gruppengerichtsstand für Konzerninsolvenzen eingeführt worden, §§ 3a-3e, 13a InsO.

Der Deutsche Bundestag hat am eine Reform des Insolvenzanfechtungsrechts und der Gläubigeranfechtung beschlossen (BT-Drucks. 18/11199), die am im Bundesgesetzblatt verkündet wurde (BGBl 2017 I S. 654).

Am ist die EU Verordnung 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Insolvenzverfahren (EuInsVO) in Kraft getreten und hat damit die EuInsVO a. F. ersetzt. Diese regelte als unmittelbar innerstaatlich geltendes Recht bislang insbesondere Fragen der internationalen Zuständigkeit, des Kollisionsrechts und die Einführung von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren in Fällen grenzüberschreitender Insolvenzen. Die neue Verordnung regelt dazu einige Aspekte neu, wie z. B. zum Konzerninsolvenzverfahren.

II. Voraussetzungen des Insolvenzeröffnungsverfahrens

1. Zuständiges Gericht

Sachlich zuständig für das Insolvenzverfahren sind die Amtsgerichte, in deren Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners.

Das Insolvenzgericht ermittelt den für die Durchführung des Insolvenzverfahrens maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen. Seine Entscheidungen können nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, die innerhalb einer nicht verlängerbaren Notfrist von 2 Wochen einzulegen ist. Rechtsbeschwerdegericht ist der BGH.

2. Insolvenzfähige Schuldner

Das Insolvenzverfahren kann über das Vermögen jeder natürlichen und juristischen Person eröffnet werden. Insolvenzfähig sind auch nicht rechtsfähige Vereine, Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit wie die OHG, die KG, die BGB-Gesellschaft, die Partnerschaftsgesellschaft, die Partenreederei und die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung.

Bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, der die Aussichten für eine Sanierung des insolventen Unternehmens prüft.

3. Eröffnungsgründe

Allgemein für alle Schuldner geltende Gründe für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind

  • Zahlungsunfähigkeit,

  • drohende Zahlungsunfähigkeit.

Bei einer juristischen Person ist neben der Zahlungsunfähigkeit auch die Überschuldung ein Eröffnungsgrund. Zahlungsunfähigkeit ist i.d.R. anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen. Nach der gesetzlichen Neuregelung durch das SanInsFoG beläuft sich dabei der Prognosezeitraum nunmehr "in aller Regel" auf 24 MonateDie Deckungslücke muss dabei

  • in quantitativer Hinsicht mindestens 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten erfassen (sog. Wesentlichkeitsgrenze) und

  • in zeitlicher Hinsicht für mindestens drei Wochen bestehen (sog. Zahlungsstockungsfrist)

In einen neuen Entscheidung hat der BGH ausgeführt, dass zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit nicht zwingend eine Liquiditätsbilanz aufzustellen sei, sondern auch mit anderen Mitteln erfolgen könne, wie z.B. durch einen Liquiditätsstatus auf den Stichtag in Verbindung mit einem Finanzplan für die auf den Stichtag folgenden drei Wochen, in dem tagesgenau Einzahlungen und Auszahlungen gegenübergestellt werden.

Eine Überschuldung ist gegeben, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Die Fortführungsprognose ist Anknüpfungspunkt für die Insolvenzantragspflicht und das Zahlungsverbot ab Insolvenzreife. Die rechnerische Überschuldung muss bei einer positiven Fortführungsprognose nicht mehr geprüft werden. Hier betrug der Prognosezeitraum nach der Regelung durch das SanInsFOG nunmehr 12 Monate. Bestand zum keine Zahlungsunfähigkeit, wurde im letzten in 2019 endenden Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet und ist der Umsatz im Kalenderjahr 2020 um mehr als 30 % gegenüber dem Vorjahr eingebrochen, verkürzte sich der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung im Jahr 2021 auf 4 Monate. Nach den Neuregelungen des SanInsKG gilt hier ab dem nunmehr generell eine Frist von lediglich vier Monaten. Nach den durch das MoMiG mit Wirkung ab eingeführten Neuregelungen sind im Rahmen der Überschuldungsprüfung Gesellschafterdarlehen und diesen gleichgestellte Verbindlichkeiten nur dann nicht in den Überschuldungsstatus aufzunehmen sind, wenn eine ausdrückliche Rangrücktrittserklärung vorliegt.

4. Insolvenzantrag

Das Insolvenzverfahren erfordert einen schriftlichen Antrag. Antragsberechtigt sind sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner.

Bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit sind Geschäftsführer, Vorstände und sonstige organschaftliche Vertreter - seit dem Inkrafttreten des MoMiG auch für Gesellschafter und Aufsichtsratsmitglieder einer führungslosen Gesellschaft - verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder spätestens sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung, einen Eröffnungantrag zu stellen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet wird. Die Höchstfrist für die Stellung des Antrags nach Eintritt der Überschuldung ist durch das SanInsKG befristet bis Ende 2023 auf acht Wochen verlängert worden.

Praxishinweis zur Corona-Pandemie:

Durch das "Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pamdemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht" vom ist diese Antragspflicht rückwirkend vom bis zum ausgesetzt worden. Diese Aussetzung soll allerdings nicht gelten, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Pandemie beruht oder keine Aussicht darauf besteht, eine vorhandene Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Dabei besteht eine gesetzliche Vermutung, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, wenn der Schuldner am nicht zahlungsunfähig war. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde zunächst allgemein bis zum (BT-Drucks. 19/22178) und zuletzt durch Art. 10 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts - SanInsFoG vom , BGBl 2020 I S. 3256, 3292 bis zum verlängert. Diese Verlängerung gilt allerdings nur für Unternehmen, bei denen die Auszahlung der seit dem vorgesehenen staatlichen Hilfeleistungen noch aussteht. Sie gilt nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Gewährung der Hilfeleistungen besteht oder diese zur Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.

Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn er ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Verfahrens hat und seine Forderung und den Insolvenzgrund glaubhaft machen kann. Wird der Insolvenzantrag zugelassen, haben der Schuldner persönlich bzw. seine organschaftlichen Vertreter und Aufsichtsorgane dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen und ggf. strafbare Handlungen zu offenbaren. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen.

5. Sicherungsmaßnahmen des Gerichts

Bis zu einer endgültigen Entscheidung über den Eröffnungsantrag hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um eine den Gläubigern nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten.

Als vorläufige Sicherungsmaßnahmen kommen insbesondere die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, der Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbotes und die Untersagung oder einstweilige Einstellung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner sowie nach der Änderung der InsO durch das ESUG die Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses bei Unternehmen mit einer Bilanzsumme von mindestens 4.840.000 EUR und Umsatzerlösen von mindestens 9.680.000 EUR sowie im Jahresschnitt mindestens 50 Arbeitnehmern in Betracht. Ein vorläufiger Ausschuss kann unabhängig von den genannten Grenzen auf Antrag des Schuldners, des vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines Gläubigers eingesetzt werden, wenn Personen benannt sind, die als Mitglieder des Ausschusses in Betracht kommen, und dem Antrag Einverständniserklärungen dieser Personen beigefügt werden. Dieser Ausschuss kann u.a. auf die Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters Einfluss nehmen.

Das Gericht darf auch Gegenstände sichern, deren Aussonderung (Vgl. hierzu IV. 4.) verlangt werden kann. Gegen die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ist sofortige Beschwerde zulässig.

Mit Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbotes und seiner Bestellung geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vom Schuldner auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Der vorläufige Insolvenzverwalter hat nicht nur das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten, sondern das Schuldnerunternehmen bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens einstweilen fortzuführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stilllegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden. Erlässt das Gericht kein allgemeines Verfügungsverbot, bestimmt es die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters im Einzelnen.

6. Abweisung mangels Masse

Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist durch sofort bekannt zu machenden Beschluss abzuweisen, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten und Auslagen des gerichtlichen Verfahrens sowie die Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters zu decken.

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