Steuerhehlerei durch Veräußerung unversteuerter unverzollter Zigaretten: Unzulässigkeit der Einziehung von Taterträgen bei Zahlung des Kaufpreises an den Lieferanten anstatt an den Steuerhehler
Gesetze: § 374 AO, § 73 Abs 1 StGB, § 73 Abs 3 Nr 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 134 BGB, § 1 TabStG, §§ 1ff TabStG, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Stade Az: 60 KLs 18/19
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in sieben Fällen unter Einbeziehung einer Strafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts S. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 151.295 € angeordnet. Die auf die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 60.500 € beschränkte und auf die Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
I.
2Das Landgericht hat – soweit für die Revision von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3Der Angeklagte veräußerte unversteuerte und unverzollte Zigaretten, die aus einem Drittland in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht und anschließend nach Deutschland geliefert worden waren. Die Lieferanten hatten die bei der Einfuhr aus dem Ausland nach Deutschland entstandene Tabaksteuer nicht abgeführt; die Zigaretten waren nicht mit einer deutschen Steuerbanderole versehen und in Deutschland nicht verkehrsfähig.
4Der Angeklagte veräußerte die bei seinen Lieferanten bestellten und von ihm erworbenen Zigaretten jeweils gewinnbringend und auf eigene Rechnung an seinen Abnehmer, den gesondert Verfolgten M. . Die Lieferungen erfolgten auf Veranlassung des Angeklagten stets direkt an M. . Ferner veranlasste der Angeklagte in den Fällen 1, 2, 4, 5 und 7 der Urteilsgründe, dass der gesondert Verfolgte M. einen Teil des mit dem ihm vereinbarten Kaufpreises (insgesamt 60.500 €) bei Lieferung der Zigaretten an die Lieferanten entrichtete, um „Verbindlichkeiten“ des Angeklagten aus dem Einkauf der Zigaretten zu begleichen.
II.
51. Die Revision des Angeklagten ist – wie sich aus der expliziten Antragstellung in der Revisionsbegründung ergibt – wirksam auf die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in den Fällen 1, 2, 4, 5 und 7 der Urteilsgründe auf den Betrag beschränkt, der in diesen Fällen durch den gesondert Verfolgten M. auf Veranlassung des Angeklagten direkt an dessen Lieferanten bezahlt wurde (60.500 €).
62. Die über einen Betrag von 90.795 € hinausgehende Einziehung des Wertes von Taterträgen hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Angeklagte hat durch die Zahlung des Betrages von insgesamt 60.500 € unmittelbar an seine Lieferanten durch den gesondert Verfolgten M. nichts im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB erlangt, da der Angeklagte weder eigene Verfügungsgewalt an den Zahlungsmitteln erlangt hat noch durch die Zahlung gemäß § 267 BGB von einer Verbindlichkeit befreit wurde.
7Die Voraussetzungen für eine Einziehung des Betrages von insgesamt 60.500 € (in den Fällen 1, 2, 4, 5 und 7 der Urteilsgründe) nach § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 73c Satz 1 StGB sind nicht gegeben.
8a) Der aus der Veräußerung der Zigaretten dem Steuerhehler zufließende Erlös unterliegt gemäß § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB der Einziehung als Surrogat des Erlangten (vgl. Rn. 29; Beschlüsse vom – 1 StR 502/20 Rn. 8; vom – 1 StR 127/19 Rn. 20 und vom – 1 StR 244/18 Rn. 8). Vorliegend hat der Angeklagte jedoch nicht den Erlös aus den Verkäufen erlangt, sondern der gesondert Verfolgte M. hat insgesamt 60.500 € direkt an den Lieferanten des Angeklagten gezahlt. Zwar kann auch die Befreiung von einer Verbindlichkeit grundsätzlich einen Vermögensvorteil darstellen. Daran fehlt es jedoch, wenn das der Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft unwirksam ist und der Täter somit durch die Leistung eines Dritten lediglich von einer unwirksamen – und damit nicht werthaltigen – Verbindlichkeit frei wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 331/21 Rn. 3; vom – 2 StR 491/21 Rn. 6; vom – 3 StR 62/10 Rn. 5 jeweils zu Forderungen aus Betäubungsmittelgeschäften und vom – 2 StR 311/21 Rn. 16 zu einem Schuldenerlass für die Beteiligung an einer Straftat; Eser/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 73 Rn. 18).
9b) Die Nichtigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts folgt aus § 134 BGB in Verbindung mit § 374 AO als Verbotsgesetz. Maßgeblich für die Einordnung eines Strafgesetzes als Verbotsgesetz sind Sinn und Zweck des verletzten Strafgesetzes, wobei Strafgesetze im Zweifel als Verbotsgesetze anzusehen sind (vgl. BGH NJW 1991, 2955, 2956; BeckOK/Wendtland, BGB, 61. Edition, § 134 Rn. 7; MüKo/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., § 134 Rn. 68). Vor dem Hintergrund des Zwecks der Vorschrift der Steuerhehlerei, deren Tatunrecht in der Aufrechterhaltung des steuerrechtswidrigen Zustandes liegt und die verhindern soll, dass unversteuerte und unverzollte Zigaretten in den Verkehr gelangen (vgl. , BGHSt 29, 239, 242 und vom – 5 StR 371/07 Rn. 24; Jäger in Klein, Abgabenordnung, 15. Aufl., § 374 Rn. 1), sind Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte des Steuerhehlers als nichtig anzusehen (vgl. zur Hehlerei gemäß § 259 StGB MüKo/Armbrüster, BGB, 9. Aufl., § 134 Rn. 70).
10Demgemäß hat der Angeklagte durch die direkten Zahlungen des gesondert Verfolgten M. an den Lieferanten keinen Vermögenswert im Sinne von § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB erlangt.
113. Die Kostenentscheidung folgt für die Revisionsinstanz aus § 467 Abs. 1 StPO und für den ersten Rechtszug aus § 465 Abs. 2 StPO analog (vgl. Rn. 6 ff.).
III.
12Über die lediglich hilfsweise erhobene – und im Übrigen unstatthafte – sofortige Beschwerde gegen die Einziehungsentscheidung war angesichts des Erfolgs des Rechtsmittels nicht zu entscheiden.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:180522B1STR19.22.0
Fundstelle(n):
NJW 2022 S. 2703 Nr. 37
PStR 2022 S. 217 Nr. 10
wistra 2022 S. 463 Nr. 11
SAAAJ-21342