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BBK Nr. 17 vom Seite 815

Fortbestehensprognose im Insolvenz- und Bilanzrecht

Teil 2: Juristische Prognosekriterien

Karl Sikora

In [i]Sikora, Fortbestehensprognose im Insolvenz- und Bilanzrecht, Teil 1, BBK 12/2022 S. 565 NWB AAAAI-62814 Teil 1 der Beitragsreihe zur insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose wurden die rechtliche Einbettung der Prognose, ihre grundsätzliche Ausgestaltung und die bestehenden Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken dargestellt. Im vorliegenden Teil 2 werden nun die zentralen juristischen Prognosekriterien des Fortführungswillens, des Prognosegegenstands, des Prognosezeitraums, des Prognosesicherheitsgrads sowie der Erstellungsmethodik dargestellt. Diese bilden das juristische Gerüst, auf dessen Grundlage die konkrete Prognoseerstellung vorzunehmen ist. Umso wichtiger ist, dass diese Kriterien genau befolgt werden, weil eine auf falschen Kriterien aufbauende Prognose einer gerichtlichen Nachprüfung nicht standhalten wird und damit beträchtliche Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken realisieren kann.

I. Fortführungswille und Fortführungsfähigkeit

Die [i]BGH, Urteil v. 13.7.2021 - II ZR 84/20 NWB VAAAH-86002 insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose setzt nach ständiger Rechtsprechung des BGH zwei Elemente voraus:

  • subjektiver Fortführungswille;

  • objektive Fortführungsfähigkeit.

1. Subjektiver Fortführungswille

Erforderlich [i]Voraussetzung 1: Fortführungswille der Gesellschafter ist zunächst ein subjektiver Fortführungswille. So kommen nur bei gegebenem Fortführungswillen eine Fortführung und damit auch eine Schuldendeckung auf diesem Weg überhaupt in Betracht. Liegt somit kein Fortführungswille mehr vor, ist schon von vornherein von einer negativen Fortbestehensprognose auszugehen und die Frage nach der objektiven Fortführungsfähigkeit gar nicht mehr aufzuwerfen. S. 816

Zu [i]Eggert, Beurteilung der Going Concern-Annahme in der Corona-Krise, BBK 10/2020 S. 467 NWB GAAAH-48154 tragen ist der Fortführungswille von den Gesellschaftern. Auf den Willen der Geschäftsleiter kommt es hingegen entgegen allgemein gebräuchlichen Formulierungen nicht an, weil die Fortführungsentscheidung in der Krise den Gesellschaftern obliegt. Dies zeigt sich u. a. daran, dass bei hälftigem Verlust des Nennkapitals eine Gesellschafterversammlung einzuberufen ist und diese über das weitere Vorgehen entscheidet (vgl. etwa § 49 Abs. 3 GmbHG).

Inhaltlich muss der Fortführungswille auf die Fortführung des Unternehmens außerhalb eines Insolvenzverfahrens gerichtet sein. Stützt sich der Wille hingegen nur auf eine Sanierung im Insolvenzverfahren, genügt dies nicht, weil die Fortbestehensprognose der Insolvenzreifeprüfung dient und mit dieser Zwecksetzung die Berücksichtigung einer Fortführung auch im Insolvenzverfahren unvereinbar ist.

Hinweis:

Geht [i]Abwicklungswille bei Liquidationsgesellschaft es um ein Unternehmen in Liquidation, steht dem Fortführungswillen der Abwicklungswille gleich. Insofern kann auch eine Liquidationsgesellschaft eine positive Fortbestehensprognose aufweisen, wenn im Prognosezeitraum die Zahlungsfähigkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist.

Fraglich [i]Partieller Fortführungswilleist, ob ein nur auf einzelne Unternehmensteile bezogener Fortführungswille ausreichend ist. Richtiger Ansicht nach ist dies zu bejahen. In diesem Fall ist allerdings die Prüfung der objektiven Fortführungsfähigkeit an den nur partiellen Fortführungswillen anzupassen. Jene Teile, für die kein Fortführungswille mehr besteht, können somit nur noch im Liquidationsausmaß, nicht mehr indes als (operative) Grundlage für die weitere Fortführung berücksichtigt werden.

Ferner ist unklar, inwieweit die Absicht einer übertragenden Sanierung ausreichend ist. Auch hier ist dies nach richtiger Ansicht zu bejahen, wenn eine aussichtsreiche Möglichkeit für eine übertragende Sanierung besteht und die Gesellschafter noch einen Fortführungswillen bis zur tatsächlichen Realisierung haben.

Hinweis:

Im [i]Fortführungswille sollte dokumentiert werden! Hinblick auf eine eventuelle gerichtliche Nachprüfung der Prognose sollte der Fortführungswille anhand einer schriftlichen Gesellschaftererklärung dokumentiert werden. Diese sollte nicht nur den Fortführungswillen bestätigen, sondern auch Umstände anführen, die diesen zum Ausdruck bringen.

Beispiele

Bereits in Angriff genommene Sanierungsbemühungen, laufende Verhandlungen mit der Hausbank über die Verlängerung von Kreditlinien oder auch die Verlängerung von befristeten Arbeitsverträgen.

2. Objektive Fortführungsfähigkeit

Liegt [i]Voraussetzung 2: Fortführungsfähigkeit des Unternehmensein Fortführungswille der Gesellschafter vor, muss als zweite Voraussetzung eine objektive Fortführungsfähigkeit des Unternehmens gegeben sein. Dies erklärt sich damit, dass die Fortbestehensprognose funktional die künftige Lebensfähigkeit in Form der künftigen Schuldendeckungsfähigkeit abzuklären hat und diese Analyse schon allein wegen der Prognosefolgen nur nach objektivierbaren Gesichtspunkten erfolgen kann.S. 817

Inhaltlich [i]Fortführungsfähigkeit außerhalb eines Insolvenzverfahrens ist wie beim Kriterium des Fortführungswillens auch bei der Prüfung der „objektiven“ Fortführungsfähigkeit die Fortführung außerhalb eines Insolvenzverfahrens maßgeblich. Dementsprechend kann die Fortführungsfähigkeit nicht auf eine Insolvenzantragstellung und somit insbesondere auch nicht auf eine Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gestützt werden.

Hinweis:

Insofern [i]Sikora, Erstellung einer bilanzrechtlichen Going-concern-Prognose, BBK 12/2018 S. 577 NWB YAAAG-85661 unterscheidet sich die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose deutlich von der bilanzrechtlichen Going-concern-Prognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB), weil diese wegen deren Bezugnahme auf die Unternehmenstätigkeit die Fortführbarkeit auch im Insolvenzverfahren etwa in Form eines Fortführungsinsolvenzplans oder einer übertragenden Sanierung zu berücksichtigen hat. Demnach kann die bilanzrechtliche Prognose auch dann ein positives Ergebnis aufweisen, wenn sich die Fortführung nur mehr insolvenzverfahrensgestützt realisieren lässt.

Damit ein Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens fortführungsfähig ist, müssen zwei Voraussetzungen vorliegen:

  • Zum [i]Keine Zahlungsunfähigkeiteinen darf nicht der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) in einer insolvenzantragspflichtbegründenden Weise (§ 15a InsO) verwirklicht sein, weil sonst schon von vornherein eine Fortführung außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht mehr in Betracht kommt.

  • Zum [i]Nachhaltige künftige Zahlungsfähigkeit anderen muss auf der Grundlage der aufrechten Zahlungsfähigkeit zum Prognoseerstellungsstichtag das Unternehmen im Prognosezeitraum fortführungsfähig sein. Dies ist der Fall, wenn im Wege einer unternehmenskonzeptbasierten integrierten Unternehmensplanung (= Prognoseerstellungsmethodik) belegt werden kann, dass das Unternehmen in den folgenden zwölf Monaten (= Prognosezeitraum) mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit (= Prognosesicherheitsgrad) nachhaltig zahlungsfähig (= Prognosegegenstand) bleiben wird.

Hinweis:

Praktisch [i]Nachweis des Nicht-Vorliegens einer Zahlungsunfähigkeit! wird mit der Prüfung der zweiten Voraussetzung die Prüfung der ersten Voraussetzung gleich „miterledigt“, weil eine künftige Zahlungsfähigkeit grundsätzlich nur auf der Grundlage einer Stichtagsliquidität möglich ist. Im Hinblick auf eine ggf. spätere gerichtliche Nachprüfung der Prognose sollte dennoch das Nicht-Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit zum Stichtag explizit herausgearbeitet werden. So kann auf diese Weise dem späteren Einwand vorgebeugt werden, dass zum Stichtag bereits eine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hätte und es deshalb auf die Fortbestehensprognose gar nicht mehr angekommen wäre.

II. Prognosegegenstand

Für [i]Künftige Zahlungsfähigkeit entscheidendein positives Prognoseergebnis ist zu belegen, dass das Unternehmen auf der Grundlage einer zum Stichtag gegebenen Zahlungsfähigkeit im Prognosezeitraum (nachhaltig) zahlungsfähig bleiben wird. Der maßgebliche Prognosegegenstand ist somit die künftige Zahlungsfähigkeit, nicht hingegen (auch) die künftige Ertragsfähigkeit und schon gar nicht die künftige Rentabilität. S. 818

1. Anforderungen an den Zahlungsfähigkeitsbeleg

Eine [i]Gegenüberstellung von Zahlungsmitteln und Zahlungspflichtenkünftige Zahlungsfähigkeit liegt vor, wenn auf der Grundlage der Stichtagsliquidität die im Prognosezeitraum voraussichtlich zu bedienenden Zahlungspflichten mit den (künftig) verfügbaren Zahlungsmitteln termingerecht und betragsgenau beglichen werden können. Dementsprechend erfordert der Beleg eine Gegenüberstellung von (künftig) verfügbaren Zahlungsmitteln einerseits und voraussichtlich zu bedienenden Zahlungspflichten andererseits.

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