Landesamt für Steuern Niedersachsen - S 7200 - 436 - St 172

Zuwendungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen an Milch- sowie Obst- und Gemüselieferanten im Rahmen der europäischen Förderprogramme für Schulmilch sowie Schulobst- und Gemüse

Bezug: BStBl 2007 II S. 63

Bezug: BStBl 2004 II S. 322

Bezug:

I. Förderprogramme der Europäischen Union und deren Umsetzung

Die Europäische Union (EU) bietet Schulen und Kindertageseinrichtungen die Möglichkeit, sich an folgenden Programmen zur Förderung gesunder Ernährungsgewohnheiten zu beteiligen.

  1. EU-Schulmilchprogramm (bis Schuljahr 2016/2017) [1]

  2. EU-Schulobst- und -gemüseprogramm (bis Schuljahr 2016/2017) [2]

  3. EU-Schulprogramm (ab Schuljahr 2017/2018; Bündelung der Programme zu 1. und 2.). [3]

Hierfür werden festgelegte Beihilfen an die Lieferer gezahlt. Die Abgabe der förderfähigen bereitgestellten Erzeugnisse an die Kinder erfolgt im Rahmen der vorgenannten EU-Programme zu 2. und 3. kostenlos.

II. Einführung in Niedersachsen, Zielgruppe

Als erste Maßnahme wurde die Schulmilch gefördert. Ab dem Schuljahr 2014/2015 hat das Land Niedersachsen zusätzlich die Fördermöglichkeiten des EU-Schulobst- und -gemüseprogramms eingeführt. Seit dem Schuljahr 2017/2018 wird das EU-Schulprogramm [4] umgesetzt.

Zielgruppe [5] des EU-Schulprogramms in Niedersachsen sind Kinder in den folgenden Einrichtungen:

  • Kindertageseinrichtungen (Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren),

  • Schulkindergärten,

  • Grundschulen (Klasse 1 - 4),

  • Förderschulen (Klasse 1 - 6) und

  • Landesbildungszentren (Klasse 1 - 6).

In Kindertageseinrichtungen wird ausschließlich das Angebot von Trinkmilch gefördert. In begründeten Ausnahmefällen können im Rahmen des EU-Schulprogramms auch höhere als die zuvor genannten Jahrgänge in die Zielgruppe aufgenommen werden.

III. Umsetzung in Niedersachsen

In Niedersachsen erfolgt die Umsetzung durch das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Die teilnehmenden Einrichtungen (siehe unter II.) schließen eine Liefervereinbarung mit einem oder mehreren von der Landwirtschaftskammer zugelassenen Lieferanten. Der Lieferant (i. d. R. Landwirt oder Lebensmittelhändler) verpflichtet sich hierbei, der teilnehmenden Einrichtung die für Niedersachsen festgelegten Mengen zu liefern. Aktuell sind dies:

  • an drei Schultagen pro Woche je Schüler 85 - 100 g Obst und/oder Gemüse (nur Schulen) und

  • schultäglich 0,2 - 0,25 l Milch.

Die Einrichtung nimmt die gewünschte Bestellung vor, bestätigt auf einem Liefernachweis den Erhalt der empfangenen Produkte und Mengen und verteilt diese an die Kinder. Der Lieferant reicht die bestätigten Liefernachweise bei der Landwirtschaftskammer ein und erhält von dort die festgelegten Zuwendungen (= Erstattungssätze, Portionspreise).

Die für das jeweils aktuelle (und ggf. vorherige) Schuljahr förderfähigen Waren, deren Mengen und Verzehrtage (Abrechnungszeiträume) sowie die Erstattungssätze/Portionspreise sind sowohl auf der Internetseite des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz [6] als auch auf der Seite der Landwirtschaftskammer Niedersachsen [7] abrufbar. (Für die Vorjahre können diese Daten bei Bedarf bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen erfragt werden.)

IV. Umsatzsteuerliche Behandlung der Zuwendungen

Die Förderbedingungen gehen davon aus, dass die Zuwendungen der Umsatzbesteuerung unterliegen.

Nach Abschn. 10.2 Abs. 1 UStAE können die Zahlungen des Landes an Unternehmer entweder

  1. Entgelt für eine Leistung des Unternehmers an das Land oder

  2. (zusätzliches) Entgelt für eine Leistung des Unternehmers an einen Dritten oder

  3. echter Zuschuss, welcher nicht umsatzsteuerbar ist, sein.

Der Umstand, dass für die Leistungen des Unternehmers (auch) EU-Beihilfen gezahlt werden, begründet allein weder einen Leistungsaustausch noch einen echten Zuschuss.

Zwischen der EU und dem Land Niedersachsen bestehen keine Leistungsbeziehungen. Die EU fördert das Schulprogramm im Rahmen der Projektförderung mittels eines echten, nicht steuerbaren Zuschusses. Die Zahlungen dienen strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Zwecken. Sie unterstützen das Land bei seinen Bemühungen, gesunde Ernährungsgewohnheiten bei Kindern gezielt zu fördern, ohne dafür eine konkrete Gegenleistung zu erhalten.

Die Annahme eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Land und dem Unternehmer nach Tz. 1 setzt voraus, dass der Unternehmer eine konkrete Leistung an das Land erbringt, der die Zahlung des Landes als Gegenleistung gegenübersteht. Hierzu muss das Land als Leistungsempfänger identifizierbar sein; es muss einen Vorteil erhalten, der einen Kostenfaktor in seiner Tätigkeit bilden könnte und damit zu einem Verbrauch im Sinne des Umsatzsteuerrechts führt [8]. Diese Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch mit dem Land sind im Rahmen der o. g. EU-Schulprogramme nicht erfüllt, weil das Land weder Empfänger der förderfähigen Waren ist noch sonst als Rechtsperson irgendwelche verbrauchsfähigen Vorteile vom Lieferanten erwirbt.

Ein Entgelt von dritter Seite nach Tz. 2 liegt vor, wenn das Land Lieferungen oder sonstige Leistungen des leistenden Unternehmers an einen anderen ganz oder teilweise bezahlt. Dazu muss entweder der Leistungsempfänger gegenüber dem Land einen Rechtsanspruch auf die Zahlung haben, die Zahlung des Landes in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Leistungsempfänger oder zumindest in dessen Interesse gewährt werden (Abschn. 10.2 Abs. 3 UStAE).

Nicht zum Entgelt gehören dagegen Zahlungen des Landes, wenn sie zur allgemeinen Förderung des leistenden Unternehmers und nicht überwiegend im Interesse des Leistungsempfängers für eine bestimmte Leistung gewährt werden. Die Zahlungen des Landes stellen dann sog. echte Zuschüsse nach Tz. 3 dar. Die Abgrenzung von Entgelt und echtem Zuschuss ist dabei nach der Person des Bedachten und dem Förderungsziel vorzunehmen, welches sich regelmäßig aus den Vorschriften, Bewilligungsbedingungen und ähnlicher Bestimmungen ergibt, aufgrund derer die Zahlung erfolgt [9].

Die Zahlungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen stellen keine echten Zuschüsse dar. Nach den eindeutigen Regelungen in Artikel 2 der VO (EG) Nr. 288/2009 und Nummer 2.2 der SchulobstRL-HB/NI sowie Artikel 22, 26 der VO (EU) Nr. 1308/2013 und Art. 4 ff. der Delegierten VO (EU) 2017/40 sollen die Zuwendungen nicht den Lieferanten selbst fördern; "Zielgruppe" bzw. "Begünstigte" sind vielmehr die Kinder, für die die förderfähigen Waren bestimmt sind. Die konkretisierten, auf die einzelnen Kinder bezogenen Zuwendungen des Landes sind deshalb Entgelt von dritter Seite für diese Lieferungen.

Nach Art. 4 Abs. 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/40 ist die Mehrwertsteuer von der Unionsbeihilfe ausgeschlossen. Die von der Landwirtschaftskammer gezahlten Zuwendungsbeträge für die Lieferungen sind somit Netto(-Portions-)preise.

Die Lieferungen unterliegen der Umsatzsteuer zum ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nrn. 4, 10 und 11 der Anlage 2 zum UStG.

Abschließend weise ich darauf hin, dass auch eine Behandlung der Zuwendungen als echter Zuschuss "unterm Strich" zu keinem anderen Ergebnis führen würde. Denn bei dieser Beurteilung würde der Lieferant die förderfähigen Waren unentgeltlich an die Einrichtungen bzw. Kinder liefern und damit eine steuerbare und steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG verwirklichen. Auf die darauf entfallende Umsatzsteuer könnte nicht verzichtet werden, weil sie der Kompensation des vorangegangenen Vorsteuerabzugs dient und auch unionsrechtlich zur Vermeidung eines systemwidrigen unversteuerten Letztverbrauchs geboten ist.

Die bisherige Karteikarte S 7200 Karte 8 zu § 10 UStG (Kontrollnummer 1412) ist auszusondern.

Landesamt für Steuern Niedersachsen v. - S 7200 - 436 - St 172

Fundstelle(n):
USt-Kartei ND UStG § 10 Fach S 7200 Karte Karte 8 - Kontroll-Nr. 1493 -
DAAAJ-20080

1VO (EU) 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom ; SchulmilchDurchfV vom ; keine gesonderte LandesRL

2VO (EU) 1308/2013 ; SchulobstRL-HB/NI, VORIS: Erlass des ML vom , 105.2-6312/139-3

3Durchf.VO (EU) 2017/39 und Delegierte VO (EU) 2017/40 der Kommission vom ; LwErzSchulproG vom ; keine gesonderte LandesRL für Niedersachsen

4Hinweis auf die entsprechende Internetseite des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: www.schulprogramm.niedersachsen.de

5Regionale Strategie Niedersachsen im Downloadbereich unter www.schulprogramm.niedersachsen.de

6www.schulprogramm.niedersachsen.de - Informationen Lieferanten - Portionspreise

7www.lwk-niedersachsen.de - Förderung - Schulprogramm - Downloadbereich - Abrechnungszeiträume bzw. Erstattungssätze

8, BStBl 2007 II S. 63

9Abschn. 10.2 Abs. 4 UStAE;