BSG Beschluss v. - B 9 SB 64/21 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach Tod der klagenden Person - keine Unterbrechung des Verfahrens - keine Aussetzung des Verfahrens auf Antrag - Kostenentscheidung - keine Rechtsnachfolge in die Kostenprivilegierung - Auffangstreitwert für GdB-Neufeststellung und Merkzeichen ohne wirtschaftliche Vorteile - keine Möglichkeit eines geringeren Streitwerts bei Fehlen eines wirtschaftlichen Interesses

Gesetze: § 160a Abs 2 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 2 SGG, § 183 S 1 SGG, § 183 S 2 SGG, § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG, § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG, § 202 S 1 SGG, § 239 Abs 1 ZPO, § 246 Abs 1 Halbs 2 ZPO, § 154 Abs 2 VwGO, § 52 Abs 2 GKG 2004, § 56 SGB 1, § 152 SGB 9 2018

Instanzenzug: SG Heilbronn Az: S 6 SB 2267/18 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg Az: L 8 SB 2865/20 Urteil

Gründe

1I. Die Beschwerdeführerin ist Tochter der am verstorbenen Klägerin des Ausgangsverfahrens. Gemeinsam mit ihrem Ehemann war sie als deren Betreuerin bestellt. Beide hatten zunächst im Namen der vormaligen Klägerin einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts F für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im gestellt. Diesen Antrag hat der Senat - in Unkenntnis des Todes der vormaligen Klägerin - durch Beschluss vom (B 9 SB 3/21 BH) mangels Erfolgsaussichten abgelehnt, welcher den beiden Betreuern am zugestellt wurde. Mit einem per Telefax am eingegangenem Schreiben vom selben Tag hat der Prozessbevollmächtigte namens der noch unbekannten Erben der vormaligen Klägerin Beschwerde eingelegt und zeitgleich sowohl die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Beschwerdefrist als auch die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Mit Schreiben vom hat der Berichterstatter ua darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens nicht gegeben sind und um Benennung der mandatierenden Personen gebeten. Mit am eingegangenem Schreiben vom selben Tag hat der Prozessbevollmächtigte die Verlängerung der Begründungsfrist beantragt, die mit Verfügung des Vorsitzenden bis gewährt wurde. Auf nochmalige Nachfrage des Berichterstatters hat der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom mitgeteilt, dass die vormalige Betreuerin der Verstorbenen deren mutmaßliche Erbin sei und er von ihr mündlich mandatiert worden sei.

2II. Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der am abgelaufenen Frist von einem vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten begründet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 1 und 2 SGG, § 73 Abs 4 SGG). Mit dem Tod der vormaligen Klägerin am ist keine Unterbrechung (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 239 Abs 1 ZPO) des Verfahrens über die erst am eingegangene Beschwerde eingetreten. Die beantragte Aussetzung des Verfahrens ist abzulehnen, da die Voraussetzungen nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 246 Abs 1 Halbsatz 2 ZPO nicht vorliegen. Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob der Beschwerdeführerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war, da die Beschwerde bereits mangels Begründung unzulässig ist.

3Die Verwerfung des Rechtsmittels der Beschwerdeführerin erfolgt entsprechend § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG).

4Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Beschwerdeführerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO, § 183 Satz 1 und 2 SGG), da sie weder Versicherte noch Leistungsempfängerin ist und auch kein Fall der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I vorliegt.

5Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 2 und § 47 Abs 1 und 3 GKG und hat nach Anhörung der Beteiligten in Höhe von 5000 Euro zu erfolgen. Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts nach einem konkreten wirtschaftlichen Wert bestehen keine. Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ist eine allein auf Bescheidung gerichtete Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) bezüglich eines Antrags auf Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) der vor Einlegung der Beschwerde verstorbenen Mutter der Beschwerdeführerin sowie auf Feststellung der Voraussetzung für die Zuerkennung verschiedener Merkzeichen. Nach ihrem eigenen Vorbringen hätte weder die Beschwerdeführerin noch ihre verstorbene Mutter wirtschaftliche oder tatsächliche Vorteile durch die letztendlich angestrebte Festsetzung eines höheren GdB und die Zuerkennung von Merkzeichen gehabt. Danach bestehen keinerlei Anhaltspunkte für ein bezifferbares Interesse, welches die Beschwerdeführerin mit der dennoch eingelegten Beschwerde verfolgen könnte, was die Anwendung des Auffangstreitwerts begründet (vgl Elzer in Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl 2021, § 52 GKG RdNr 19 mwN).

6Der Senat sieht keine Veranlassung, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, einen geringeren als den Auffangstreitwert anzusetzen. Denn § 52 Abs 2 GKG eröffnet diese Möglichkeit nicht, wenn die Bestimmung eines konkreten Streitwerts nach der Bedeutung nicht möglich ist (vgl - BSGE 107, 255 = SozR 4-4200 § 60 Nr 1, RdNr 26; - juris RdNr 12). Soweit sich die Beschwerdeführerin auf das Fehlen jeglichen wirtschaftlichen Interesses beruft, begründet gerade dies die Anwendung des § 52 Abs 2 GKG. Eine anderenfalls erforderliche Streitwertfestsetzung in Höhe "Null" sieht das Kostenrecht nicht vor. Auch die Berücksichtigung des ideellen Interesses der Beschwerdeführerin bei der Bewertung (vgl hierzu ua- Buchholz 360 § 52 GKG Nr 17 - juris RdNr 2) rechtfertigte kein anderes Ergebnis. Anhaltspunkte zur Bestimmung eines solchen Interesses bestehen gleichfalls keine.                Kaltenstein                Ch. Mecke                Othmer

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2022:170322BB9SB6421B0

Fundstelle(n):
LAAAJ-19977