NWB Nr. 32 vom Seite 2241

Unterschätzte Steuerbefreiungsvorschrift

Dr. Mirko Wolfgang Brill | Rechtsanwalt, Steuerberater | Partner der c•k•s•s Carlé • Korn • Stahl • Strahl Partnerschaft mbB Rechtsanwälte Steuerberater in Köln

Das BMF-Schreiben zur Kostenteilungsgemeinschaft gem. § 4 Nr. 29 UStG

„Na endlich“ – denkt man, wenn man die Diskussionen um den Entwurf eines BMF-Schreibens zur Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 29 UStG mitverfolgt hat. Am wurde das Schreiben, dessen in Bezug genommene Regelung bereits zum in Kraft getreten ist, nunmehr veröffentlicht. Bei der Dauer der Abstimmung könnte man zum Schluss gelangen, es handele sich um eine äußerst heikle Regelung. Dem scheint aber die (gegenwärtige) Bedeutung der Vorschrift für die Praxis diametral entgegenzulaufen. Beinahe unbemerkt von der Beraterschaft scheint die Norm in das UStG aufgenommen worden zu sein, nachdem der nationale Gesetzgeber an seiner früheren – vom EuGH als europarechtswidrig beurteilten – Umsetzung der sog. Kostenteilungsgemeinschaft beschränkt auf den medizinischen Bereich (sog. Apparategemeinschaften, § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a. F.) nicht mehr länger festhalten konnte.

Sieht man die Steuerbefreiung aber im Zusammenhang mit dem zum nunmehr verbindlich in Kraft tretenden § 2b UStG, der die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand gänzlich neu regelt, scheint es sich bei der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 29 UStG nicht nur um einen gangbaren Weg zur Vermeidung der Umsatzsteuer, sondern auch um die (momentan) am meisten unterschätzte Steuerbefreiungsvorschrift im Umsatzsteuerrecht zu handeln.

§ 2b UStG kehrt das Regel-Ausnahmeverhältnis der seitens juristischer Personen des öffentlichen Rechts verwirklichten Sachverhalte dahingehend um, dass in der Vergangenheit als nichtsteuerbare (Beistands-)Leistungen behandelte Umsätze künftig der Umsatzsteuer unterfallen. Die finanziellen Auswirkungen für die öffentliche Hand sind gravierend. Entsprechend sucht man dort nach Ausweichgestaltungen. Eine solche stellt die sog. Kostenteilungsgemeinschaft dar, die sich dadurch auszeichnet, dass sich mehrere (dem Gemeinwohl dienende) Mitglieder zusammenschließen und vom Zusammenschluss Dienstleistungen beziehen. Verwenden die Mitglieder diese zur Erzielung steuerfreier oder nichtunternehmerischer Umsätze, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, kann der Zusammenschluss die Leistung umsatzsteuerfrei erbringen.

Das ( NWB GAAAJ-17841) konkretisiert die weiteren zu erfüllenden Voraussetzungen, ohne mittels restriktiver Auslegung oder Beschränkung des Anwendungsbereichs weitere „Hürden“ aufzustellen. Ein Vorteil der Norm liegt insbesondere auch in der im Vergleich zu § 2b UStG viel großzügiger zu handhabenden Wettbewerbsprüfung. Die Berater, nicht nur der öffentlichen Hand, sondern auch sonstiger dem Gemeinwohl dienender Körperschaften, die überwiegend umsatzsteuerfreie Ausgangsumsätze erzielen, sollten der Kostenteilungsgemeinschaft und mit ihr § 4 Nr. 29 UStG einen näheren Blick widmen. Im europäischen Ausland hat man die Bedeutung der Norm jedenfalls längst erkannt.

Mirko_Wolfgang Brill

Fundstelle(n):
NWB 2022 Seite 2241
HAAAJ-19290