BGH Beschluss v. - 3 StR 107/22

Revisionsbegründung im Strafverfahren: Anforderungen an die Rüge des fehlenden Hinweises in der Ladung auf die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten

Gesetze: § 231 Abs 2 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO

Instanzenzug: Az: 004 KLs 1/21

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit versuchter Nötigung zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und sechs Monaten sowie von sieben Jahren verurteilt. Den Angeklagten M.   hat es zudem wegen Raubes unter Einbeziehung einer Strafe aus einem vorangegangenen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Daneben hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Beide Angeklagte wenden sich mit ihren Revisionen jeweils gegen ihre Verurteilung und rügen die Verletzung sowohl formellen als auch materiellen Rechts. Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

2Die materiellrechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrügen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Die Verfahrensbeanstandungen greifen ebenfalls nicht durch. Der näheren Erörterung bedürfen ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts allein die Rügen, die Voraussetzungen für eine Verhandlung in Abwesenheit der Angeklagten hätten jeweils mangels eines Hinweises in der Ladung gemäß § 231 Abs. 2 StPO nicht vorgelegen.

3Insoweit genügen die Rechtsmittel nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Danach ist eine so genaue Angabe der die Rüge begründenden Tatsachen erforderlich, dass das Revisionsgericht auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden. Für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sowie die darin in Bezug genommenen Unterlagen müssen vorgelegt oder jedenfalls inhaltlich vorgetragen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 103/21, NStZ 2022, 250 Rn. 4 mwN; vom - 3 StR 167/14, juris Rn. 12 mwN).

4Die Rechtfertigungsschriften enthalten weder das den jeweiligen Angeklagten betreffende, diesem nach eigenem Vortrag zugegangene Ladungsschreiben noch dessen Inhalt. Eine Prüfung in der Sache, ob die Ladung den Anforderungen des § 231 Abs. 2 StPO entspricht, ist dem Revisionsgericht damit nicht möglich (vgl. auch , NStZ 2021, 512; anders dagegen HansOLG Hamburg, Beschluss vom - I - 2/98 - 3 Ss 29/97 OWi, NStZ-RR 1998, 183). Das Vorbringen, es fehle an einer Belehrung über die Folgen des Ausbleibens, stellt für sich genommen lediglich die Bezeichnung des geltend gemachten Rechtsfehlers, nicht aber eine Darlegung der zugrundeliegenden Tatsachen dar, die aus sich heraus eine abschließende Bewertung zulässt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach dem auszugsweise zitierten Hauptverhandlungsprotokoll jeweils festgestellt wurde, der betreffende Beschwerdeführer sei mit der Ladung über die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden. Ohne nähere Mitteilung des dem jeweiligen Angeklagten zugegangenen Schreibens fehlt demnach die Grundlage für eine Subsumtion unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 231 Abs. 2 StPO.

5Dass sich die Ladungsschreiben, wie in den Rechtsmittelbegründungen aufgezeigt, nicht in den Gerichtsakten befinden, ändert an dem notwendigen Revisionsvorbringen nichts. Da die Angeklagten die Ladungen tatsächlich erhielten, handelt es sich nicht um solche Tatsachen, die ihnen weder allgemein noch als Verfahrensbeteiligten zugänglich sind (vgl. grundsätzlich BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 413/18, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 § 275 Abs. 1 StPO 1 Rn. 3; Urteil vom - 4 StR 657/78, BGHSt 28, 290, 291; s. auch , BVerfGK 6, 235, 237).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:170522B3STR107.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-19038