Verfahrensrecht | Dauer von Klagen in Steuerberaterprüfungssachen (BFH)
Die Angemessenheit der Dauer eines
Klageverfahrens zur Überprüfung von Ergebnissen der Steuerberaterprüfung ist
schon aufgrund der hohen Bedeutung und Grundrechtsrelevanz für den Betroffenen
und der besonderen Eilbedürftigkeit einzelfallbezogen zu betrachten. Die für
den Regelfall finanzgerichtlicher Klageverfahren geltende Vermutung, dass die
Dauer des Verfahrens angemessen ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach
Klageeingang mit der Bearbeitung beginnt und diese nicht mehr nennenswert
unterbricht, ist hier nicht anwendbar (;
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Hintergrund: Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
Sachverhalt: Der Kläger begehrt gemäß § 198 GVG Entschädigung wegen der von ihm als unangemessen angesehenen Dauer eines finanzgerichtlichen Verfahrens, das vom bis zur Urteilszustellung am beim FG München anhängig war. Im Ausgangsverfahren hatten die Beteiligten um die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsentscheidung des Bayerischen Finanzministeriums gestritten, in der es um das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung des Klägers ging.
Die Richter des BFH gaben der Entschädigungsklage auf Zahlung von 900 € in vollem Umfang statt:
Die Angemessenheit der Dauer eines Klageverfahrens zur Überprüfung von Ergebnissen der Steuerberaterprüfung ist schon aufgrund der hohen Bedeutung und Grundrechtsrelevanz für den Betroffenen und der besonderen Eilbedürftigkeit einzelfallbezogen zu betrachten.
Die für den Regelfall finanzgerichtlicher Klageverfahren geltende Vermutung, dass die Dauer des Verfahrens angemessen ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach Klageeingang mit der Bearbeitung beginnt und diese nicht mehr nennenswert unterbricht, ist hier nicht anwendbar.
Wenn der Verfahrensbeteiligte aufgrund einer Sachstandsanfrage eines anderen Verfahrensbeteiligten zunächst die Reaktion des Gerichts abwartet, kann die Verzögerungsrüge im Einzelfall auch mehr als gut sechs Monate zurückwirken.
Die Erkrankung eines Richters kann nur eine kurzfristige Verzögerung rechtfertigen; grundsätzlich sind die nach den Regelungen über die Geschäftsverteilung zur Vertretung berufenen Richter zur Förderung des Verfahrens verpflichtet (Anschluss an , BayVBL 2014, 149, Rz 44).
Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:
Kommt es zur Klage gegen das Ergebnis der Steuerberaterprüfung, liegt ein prüfungsrechtliches Klageverfahren vor. Dieses hat eine so hohe Bedeutung, dass es nicht nur zügig vom Finanzgericht zu bearbeiten ist. Die ansonsten vom BFH angenommene Vermutung, die Bearbeitung eines Finanzgerichtsverfahrens sei (noch) angemessen, wenn nach gut zwei Jahren hiermit ohne nennenswerte Unterbrechungen begonnen wird, gilt nicht.
Der BFH, der insoweit auf den jeweiligen Einzelfall schaut, musste allerdings hier nicht prüfen, ab wann die Bearbeitung dieser Klage verzögert war. Denn der Kläger hatte (vorsorglich) lediglich Entschädigung für neun Monate geltend gemacht. Insoweit hatte er Erfolg, auch weil der BFH von einer großzügigen Rückwirkung der von ihm erhobenen Verzögerungsrüge ausgehen durfte.
Verzögert war das Ausgangsverfahren, so jedenfalls der Beklagtenvortrag, vor allem durch wiederholte Krankheitszeiten der Berichterstatterin. Insoweit weist der BFH aber insbesondere auch auf die Pflichten des Senatsvorsitzenden hin. Dieser hat im Rahmen seiner Förderung des Verfahrens nach § 79 Abs. 1 Satz 1 FGO die Sache im Notfall selbst zu bearbeiten.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
EAAAJ-18951