BGH Beschluss v. - StB 17/22

Beschwerde gegen eine richterlichen Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung zwecks Durchsicht

Gesetze: § 94 Abs 1 StPO, § 98 Abs 2 S 1 StPO, § 110 Abs 1 StPO, § 162 StPO, § 169 Abs 1 S 2 StPO, § 304 Abs 1 StPO, § 304 Abs 5 StPO

Gründe

I.

1Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschwerdeführer und Mitbeschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot. Der Beschuldigte habe als Rädelsführer den organisatorischen Zusammenhalt der Vereinigung "Combat 18 Deutschland" in der Bundesrepublik aufrechterhalten, obwohl diese Gruppierung seit Oktober 2020 wegen ihrer Ausrichtung gegen die verfassungsgemäße Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung unanfechtbar verboten sei, strafbar nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB.

2Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am die Durchsuchung der Person des Beschuldigten, seiner mitgeführten Sachen sowie der von ihm genutzten Wohn- und Nebenräume zum Zweck der Sicherstellung näher beschriebener Beweismittel angeordnet, insbesondere von Mobiltelefonen und Computern.

3Am führten Beamte des Bundeskriminalamtes und des Landeskriminalamtes Thüringen die Maßnahme aus. Sie fanden zahlreiche Beweismittel auf, darunter Mobiltelefone und andere Speichermedien sowie Kleidungsstücke und Utensilien mit einem "C 18" Symbol, die der anwesende Beschuldigte nicht freiwillig herausgab. Die elektronischen Datenträger wurden zum Zwecke der Durchsicht vorläufig sichergestellt, die übrigen Gegenstände beschlagnahmt. Am stellte der Generalbundesanwalt beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs einen Antrag auf Bestätigung dieser Maßnahmen.

4Unter dem hat der Beschuldigte gegen den Durchsuchungsbeschluss Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Maßnahme sei weder erforderlich noch verhältnismäßig gewesen. Er hat beantragt, "die Durchsuchungsanordnung und die durchgeführte Beschlagnahme und Sicherstellung dem Asservatenverzeichnis vom genannten Gegenstände aufzuheben und diese dem Beschuldigten zurückzugeben". Neben der Beschwerde begehrt der Beschuldigte nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog gerichtliche Entscheidung über die Art und Weise des Vollzugs der Durchsuchungsanordnung.

5Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde am nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Nachfolgend hat er am den Antrag des Generalbundesanwalts dahin beschieden, dass er die vorläufige Sicherstellung der Speichermedien zum Zweck der Durchsicht gemäß § 94 Abs. 1, § 98 Abs. 2 Satz 2 (entsprechend), §§ 102, 110 Abs. 1 und 3, §§ 162, 169 Abs. 1 Satz 2 StPO angeordnet und die Beschlagnahme der übrigen Gegenstände gemäß § 94 Abs. 1 und 2, § 98 Abs. 2 Satz 1, §§ 162, 169 Abs. 1 Satz 2 StPO bestätigt hat.

II.

6Das Rechtsmittel ist gemäß § 304 Abs. 5 StPO zulässig, aber unbegründet, soweit es sich gegen die Durchsuchungsanordnung richtet. Soweit der Beschuldigte die Herausgabe seiner Sachen verlangt, ist die Beschwerde unzulässig. Für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Art und Weise der Durchführung der Durchsuchung ist der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zuständig.

71. a) Das Rechtsmittel richtet sich zum einen gegen die Durchsuchungsanordnung als solche. Seiner Zulässigkeit steht insoweit nicht entgegen, dass die Maßnahme inzwischen vollzogen ist. Eine bereits eingelegte Beschwerde ist in diesem Fall als auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung gerichtet anzusehen (vgl. u.a., BVerfGE 96, 27, 38 ff.; BGH, Beschlüsse vom - StB 10/14, juris Rn. 3 mwN; vom - StB 9 u.10/20, juris Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 65. Aufl., § 105 Rn. 15).

8b) Der Beschuldigte begehrt mit seiner Beschwerde zum anderen die Herausgabe der asservierten Gegenstände. Insoweit ist das Rechtsmittel wegen prozessualer Überholung (spätestens) am unstatthaft geworden, als der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs dem Antrag des Generalbundesanwalts vom entsprochen hat. Hierzu gilt:

9aa) In Bezug auf die beim Beschwerdeführer nach § 98 Abs. 1 Satz 1 StPO beschlagnahmten Utensilien hat die Durchsuchung durch den Antrag des Generalbundesanwalts auf richterliche Beschlagnahme ihren Abschluss gefunden. Die im Sachentzug bestehende Eingriffswirkung beruht seither nicht mehr auf der Durchsuchung, sondern auf dem neuen Rechtsgrund der Beschlagnahmeanordnung, die ihrerseits angegriffen werden kann. Aufgrund dessen ist der Beschlagnahme eine die Durchsuchung rechtlich beendigende Wirkung beizumessen. Den Betroffenen stehen nur noch Rechtsbehelfe gegen die Beschlagnahmeanordnung zu. Das gilt bereits ab dem Moment, in dem die Staatsanwaltschaft den Antrag auf gerichtliche Beschlagnahme der sichergestellten Gegenstände gestellt hat. Hierdurch wird eine sachgerechte Abgrenzung der Rechtsschutzmöglichkeiten bei Durchsuchung und anschließender Beschlagnahme ermöglicht (s. zum Ganzen , BGHR StPO § 304 Abs. 5 Rechtsschutzbedürfnis 1 mwN).

10bb) Für die nach § 110 StPO zur Durchsicht sichergestellten Datenträger gilt im Ergebnis Entsprechendes. Ist - wie hier - eine richterliche Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht nach § 98 Abs. 2 Satz 1 StPO analog ergangen, so ist allein diese als beschwerdefähig anzusehen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 1405/17 u.a., NJW 2018, 2385 Rn. 59; vom - 2 BvQ 46/19, juris Rn. 5).

11Die unter II. 1. b) aa) aufgezeigten Grundsätze sind auf die Maßnahme nach § 110 StPO zwar nicht ohne Weiteres übertragbar. Denn das Sichtungsverfahren, bei dem die im Rahmen einer Durchsuchung gefundenen und zur Ermittlungsbehörde verbrachten Gegenstände auf ihre Beweiseignung und Beschlagnahmefähigkeit überprüft werden, ist als Zwischenstadium der endgültigen Entscheidung über die Beschlagnahme vorgelagert. Es ist noch Teil der fortdauernden Durchsuchung (, juris Rn. 44 mwN; BGH, Beschlüsse vom - StB 4/18, juris Rn. 10; vom - StB 21/21, NStZ 2021, 623 Rn. 10 ff.). Betroffene können die Sicherstellung deshalb grundsätzlich mit der Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung angreifen - wird sie aufgehoben, entzieht dies der vorläufigen Sicherstellung regelmäßig die Grundlage - oder analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO eine erstinstanzliche Entscheidung herbeiführen (, juris Rn. 5 mwN; , NStZ 2021, 623 Rn. 9 mwN; dazu, dass ggf. durch Auslegung zu ermitteln ist, welches Ziel der Beschuldigte mit seinem Antrag verfolgt, s. StB 6 und 7/21, juris Rn. 3).

12Vorliegend hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag des Generalbundesanwalts in entsprechender Anwendung von § 98 Abs. 2 Satz 1, 2 StPO jedoch bereits über die vorläufige Sicherstellung zum Zweck der Durchsicht nach § 110 Abs. 1 StPO entschieden (vgl. , BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 3). Damit ist ein Beschluss gefasst worden, der seinerseits nach § 304 Abs. 1, 5 StPO beschwerdefähig ist (BGH, Beschlüsse vom - StB 4/18, juris Rn. 10; vom - StB 21/21, NStZ 2021, 623 Rn. 6). Der insoweit vorgesehene Rechtsschutz verdient in solchen Fällen den Vorzug. Denn der nach § 98 Abs. 1 StPO zuständige Richter ist regelmäßig sachverhaltsnäher als das Beschwerdegericht. Seine Entscheidung ist zudem aktueller; sie kann auch tatsächliche Entwicklungen nach Erlass des Durchsuchungsbeschlusses berücksichtigen. Dies entspricht zudem der Rechtslage im Haftrecht, wo der Beschuldigte nur die jeweils letzte Haftentscheidung anfechten kann (vgl. , juris Rn. 65; , juris Rn. 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 117 Rn. 8 mwN). Die Gründe der Durchsicht müssen mit denen für die Anordnung der Durchsuchung auch nicht vollständig identisch sein; im Detail können andere Voraussetzungen bestehen als für die Durchsuchungsanordnung (vgl. , juris Rn. 46 mwN). Außerdem kann so der Gefahr sachlich widersprechender Entscheidungen begegnet werden, die im Fall der Konkurrenz zwischen Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung und richterlicher Entscheidung über die vorläufige Sicherstellung nach § 110 Abs. 1 StPO möglich wären (vgl. insgesamt , BGHR StPO § 304 Abs. 5 Rechtsschutzbedürfnis 1).

132. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) lagen vor.

14a) Es bestand ein auf konkreten Tatsachen beruhender Verdacht einer Straftat nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB (zum nach st. Rspr. für Durchsuchungen erforderlichen Verdachtsgrad und den anzuwendenden Maßstäben s. etwa , juris Rn. 6 mwN). Nach Erkenntnissen aus Überwachungsmaßnahmen unterhielt der Beschuldigte Kontakte mit Personen, die zum Zeitpunkt des Verbots Mitglieder von "Combat 18" waren. Er organisierte mehrere gemeinsame Treffen, die der Fortsetzung der Vereinigungstätigkeit von "Combat 18" dienten. Anlässlich einer Zusammenkunft am in E.     wurde unter den Mitbeschuldigten offen thematisiert, dass die Veranstaltung eine "Wiederbetätigung" sei. Der Beschuldigte bezeichnete sich selbst im Gespräch mit seiner Lebensgefährtin im November 2021 als "Mitglied bei Combat 18". Am erläuterte er ihr, dass er am kommenden Wochenende eine Aufnahmeprüfung eines Anwärters in die Gruppierung abnehmen müsse. Ein Mitbeschuldigter hatte hierfür bereits "Fragen" vorbereitet. Nach den Erkenntnissen zum Beitritt von Mitgliedern vor dem Verbot besteht der theoretische Teil der Aufnahmeprüfung in die Vereinigung aus Fragen zu "Combat 18" und zum Nationalsozialismus, die es korrekt zu beantworten gilt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss verwiesen. Der Beschuldigte stellt den Tatverdacht im Übrigen nicht in Abrede.

15b) Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und damit auch diejenige des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs ist gemäß § 142a Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 2 Nr. 1, § 74a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GVG gegeben. Die Sache hat besondere Bedeutung (vgl. zum Maßstab BGH, Beschlüsse vom - AK 47/16, juris Rn. 23; vom - StB 33/16, juris Rn. 25; vom - AK 20/08, BGHSt 53, 128 Rn. 33 ff.). Dies ergibt sich im Einzelnen aus den Ausführungen in der Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom . Die Gruppe zählte vor dem Verbot wenigstens 20 Personen. Sie ist nationalsozialistisch, rassistisch, fremdenfeindlich und antisemitisch ausgerichtet, verbreitet ein Klima der Einschüchterung und ist bestrebt, die gewaltbereite rechtsradikale Szene in Deutschland unter ihrem Namen zu vereinen. Der Beschuldigte erhebt nach den polizeilichen Erkenntnissen insoweit einen Führungsanspruch.

16c) Die Anordnung der Durchsuchung entsprach - auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange des Beschuldigten - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

17aa) Sie war zur Ermittlung der Tat geeignet und erforderlich, da unter den gegebenen Umständen zu erwarten war, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Gegenständen führen würde, mit deren Hilfe eine Strafbarkeit des Beschuldigten nachgewiesen oder dieser entlastet werden konnte. Der Umstand, dass die Ermittlungsbehörden bereits über andere Beweismittel verfügten, stellt entgegen seiner Rechtsauffassung die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht in Frage.

18bb) Die angeordnete Durchsuchung stand zudem in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der aufzuklärenden Straftat und der Stärke des Tatverdachts. Das Gewicht der in Rede stehenden Gruppierung in der rechtsradikalen Szene und die von ihr ausgehende Gefahr sind erheblich. Auf die Ausführungen zur besonderen Bedeutung des Falles, die zur Übernahme des Verfahrens durch den Generalbundesanwalt geführt hat, wird verwiesen. Der Beschuldigte war der Rädelsführerschaft verdächtig. Entgegen seinen Ausführungen in der Beschwerdeschrift steht eine erhebliche Straferwartung im Raum.

193. Soweit der Beschuldigte schließlich die Art und Weise der Durchsuchung als unverhältnismäßig beanstandet - er moniert zum Beispiel, dass die Wohnungstür aufgebrochen und mit dem Erschießen seiner Hunde gedroht worden sei -, hat er zutreffend einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog gestellt, für den der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zuständig ist (vgl. , BGHR StPO § 36 Abs. 2 Durchsuchungsbeschluss 1).

Schäfer              Berg              Erbguth

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:180522BSTB17.22.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2023 S. 17 Nr. 1
TAAAJ-18489